Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2023.31 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 24.07.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Zivilkammer des Obergerichts hat in einem Eheschutzverfahren entschieden, dass die Obhut über die gemeinsamen Kinder der Eheleute der Mutter übertragen wird. Der Vater erhält ein Besuchsrecht und muss Unterhaltsbeiträge zahlen. Der Ehemann hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, um die Obhut zu ändern und die Unterhaltsbeiträge anzupassen. Die Berufung wurde jedoch abgewiesen, da die Vorderrichterin die Obhutskriterien angemessen berücksichtigt hat. Auch die Höhe der Unterhaltsbeiträge wurde korrekt berechnet. Die Kosten des Verfahrens trägt der Ehemann, dem beiden Parteien unentgeltliche Rechtspflege bewilligt wurde. |
Schlagwörter: | Kinder; Berufung; Ehemann; Apos; Berufungskläger; Obhut; Betreuung; Recht; Unterhalt; Ehefrau; Urteil; Unterhaltsbeiträge; Vorderrichterin; Kindsmutter; Berufungsbeklagte; Woche; Ehemannes; Ziffer; Kindsvater; Vater; Besuch; Eltern; Eheschutz; Amtsgerichtspräsidentin; Wochen; Rechtspflege; Höhe |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ; Art. 176 ZGB ; Art. 93 KG ; |
Referenz BGE: | 147 III 265; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2023.31 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 24.07.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.85 |
Titel: | Eheschutz |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 24. Juli 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Kofmel Gerichtsschreiberin Trutmann In Sachen A.___, vertreten durch Advokat Dieter Roth,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Fürsprecher Lars Rindlisbacher,
Berufungsbeklagte
betreffend Eheschutz zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:
I.
1. B.___ (nachfolgend: Ehefrau [Kinds]Mutter) und A.___ (nachfolgend: Ehemann [Kinds]Vater) verheirateten sich am […] 2009 in der [...]. Der Ehe entsprossen die beiden gemeinsamen Kinder C.___, geb. [...] 2010, und D.___, geb. [...] 2012.
2.1 Am 1. Februar 2023 liess die Ehefrau beim Richteramt Dorneck-Thierstein ein Eheschutzverfahren anhängig machen.
2.2 Am 23. März 2023 fand die Eheschutzverhandlung vor der Amtsgerichtspräsidentin statt.
2.3 Mit im Dispositiv eröffneten Urteil vom 30. März 2023 stellte die Amtsgerichtspräsidentin die gemeinsamen Kinder C.___ und D.___ für die Dauer des Getrenntlebens unter die alleinige Obhut der Kindsmutter (Ziffer 3). Dem Kindsvater räumte sie folgendes Besuchsrecht ein: jeden Samstag von 09.00 Uhr bis 18.00 Uhr sowie jedes zweite Wochenende von Samstag, 09.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr. Zudem betreue der Vater die Kinder C.___ und D.___ in den Wochen, in denen er Früh- Nachtschicht habe, am Donnerstag und Freitag jeweils nach Schulschluss bis 18.00 Uhr bzw. bis Trainingsbeginn (Ziffer 4). Ferner verpflichtete sie den Kindsvater für die Kinder ab dem 23. Dezember 2022 monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je CHF 675.00 (Barunterhalt CHF 590.00, Betreuungsunterhalt CHF 85.00) zu bezahlen (Ziffer 5).
3.1 Gegen den begründeten Entscheid liess der Ehemann (nachfolgend auch: Berufungskläger) am 9. Juni 2023 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn erheben und die folgenden Rechtsbegehren stellen:
1. Es sei das Urteil des Richteramts Dorneck-Thierstein vom 30. März 2023 in den Ziffern 3 (Obhut), 4 (Besuchsrecht) und 5 (Unterhaltsbeiträge) aufzuheben und es sei in Abänderung des angefochtenen Eheschutzurteils: a) die Obhut über die Kinder C.___, geb. [...] 2010, und D.___, geb. [...] 2012, für die Dauer des Getrenntlebens dem Berufungskläger zu übertragen; b) der Berufungsbeklagten ein angemessenes Besuchsrecht einzuräumen; c) die Berufungsbeklagte zur Leistung von angemessenen, monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträgen für die Kinder C.___ und D.___ zu verpflichten. 2. Eventualiter sei das Urteil des Richteramts Dorneck-Thierstein vom 30. März 2023 in Ziffer 5 (Unterhaltsbeiträge) aufzuheben und es sei in Abänderung des angefochtenen Eheschutzurteils der Berufungskläger zu verpflichten, für die Kinder C.___ und D.___ ab dem 23. Dezember 2022 monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von maximal je CHF 500.00 zu bezahlen. Allfällig bereits geleistete Unterhaltsbeiträge seien anzurechnen. 3. Unter o/e Kostenfolge zu Lasten der Berufungsbeklagten. 4. Es sei dem Berufungskläger für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung mit dem Unterzeichneten zu bewilligen.
Ferner liess er folgende Verfahrensanträge stellen:
1. Es sei eine Kinderanhörung durchzuführen und die Kinder C.___ und D.___ seien zu befragen. 2. Zu allfälligen Stellungnahmen der Berufungsbeklagten sei dem Berufungskläger das Replikrecht zu gewähren. 3. Zufolge Antrags auf unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung sei auf die Erhebung eines Prozesskostenvorschusses zu verzichten. 4. Es sei eine mündliche Verhandlung anzuordnen.
3.2 Mit Berufungsantwort vom 19. Juni 2023 liess die Ehefrau (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) folgende Rechtsbegehren stellen:
1. Der Haupt- und Eventualantrag seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege des Berufungsklägers sei im Ermessen des Gerichts zu entscheiden. 3. Der Berufungsbeklagten sei für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege, unter Beiordnung des Unterzeichnenden als amtlichem Anwalt, zu gewähren. 4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, zzgl. 7.7 % Mehrwertsteuer, zulasten des Berufungsklägers.
Sodann liess sie auf Abweisung des Antrags des Berufungsklägers auf Kinderanhörung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung schliessen.
4. Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) bestimmt, dass die Rechtsmittelinstanz eine Verhandlung durchführen aufgrund der Akten entscheiden kann. Der Berufungskläger beantragt, in der Sache eine mündliche Verhandlung einzuberufen. Er zeigt jedoch nicht auf, wozu diese Verhandlung dienen soll. Eine solche ist denn auch nicht nötig. Auch sind zur Beurteilung der Berufung keine weiteren Beweismassnahmen (mehr) erforderlich. Eine Anhörung der Kinder vor Obergericht ist nicht angezeigt. Die beiden Kinder wurden von der Vorinstanz mit Brief vom 6. Februar 2023 angefragt, ob sie ein Gespräch mit der Amtsgerichtspräsidentin wünschten, was beide mit Antwortschreiben vom 8. Februar 2023 verneinten. Der Wille der Kinder ist zu akzeptieren. Eine Befragung der Kinder gegen ihren Willen – wie vom Berufungskläger verlangt – ist nicht angezeigt und würde dem Kindswohl diametral zuwiderlaufen. Ein zweiter Schriftenwechsel ist – im vorliegenden Summarverfahren – ebenfalls nicht erforderlich. Die Streitsache ist spruchreif und es kann deshalb ohne Durchführung einer Verhandlung, Abnahme weiterer Beweise Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels aufgrund der Akten entschieden werden. Die entsprechenden Verfahrensanträge des Berufungsklägers sind abzuweisen.
5. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II.
1. Strittig und zu klären sind im Nachfolgenden zunächst die Fragen nach der Zuteilung der Obhut über die beiden gemeinsamen Kinder C.___, geb. [...] 2010, und D.___, geb. [...] 2012 und damit zusammenhängend das Besuchsrecht (vgl. dazu Erw. II/2. f. nachstehend). Ferner sind die Unterhaltsbeiträge zu prüfen (vgl. dazu Erw. II/4. nachstehend).
2.1 Zur Obhut erwog die Vorderrichterin im angefochtenen Urteil zusammengefasst und im Wesentlichen, was folgt: Grundsätzlich würden beide Ehegatten als erziehungsfähig erachtet werden. Während ihrer Ehe hätten sich die Ehegatten gemäss ihren Angaben abwechselnd um die Kinder gekümmert. Die Ehefrau arbeite seit Februar 2023 ungefähr 60 %. Unter der Woche arbeite sie zu unregelmässigen Zeiten, teilweise bis 22.30 Uhr. Zudem arbeite sie ab April jeden Samstag. Wenn sie bei der Arbeit sei, habe sie einen Bekannten, der sie in der Betreuung der Kinder unterstütze. Der Ehemann arbeite von Montag bis Freitag in einem Schichtbetrieb in einem 100 % Pensum. Die Frühschicht beginne um 6.15 Uhr und ende um 14.15 Uhr. Die Nachmittagsschicht dauere von 14.15 Uhr bis 22.15 Uhr. Die Nachtschicht beginne um 22.15 Uhr und ende um 6.15 Uhr. Die Schichten wechselten jeweils wöchentlich. Aufgrund des Umstandes, dass die Ehefrau aufgrund ihrer Arbeitszeiten mehrheitlich dazu in der Lage sei, die Kinder persönlich zu betreuen und ihr für den Fall, dass sie das nicht könne, eine Betreuungsperson zur Verfügung stehe, erscheine es aus Sicht des Kindeswohls gerechtfertigt, die Obhut an die Ehefrau und Mutter zuzuteilen. Zwar zeige der Ehemann und Vater grosse Bereitschaft, die Kinder mehr zu betreuen. Aufgrund seiner Arbeitszeiten wäre es ihm aber insbesondere in den Wochen, in denen er Früh- Nachtschicht habe, nicht möglich, die Kinder morgens vor der Schule bzw. abends beim Zubettgehen persönlich zu betreuen. Zudem stehe dem Ehemann und Vater auch keine Person zur Verfügung, welche die Kinder in den Zeiten, in denen er arbeite, betreuen könnte. Die gemeinsamen Kinder C.___ und D.___ seien demnach für die Dauer des Getrenntlebens unter die alleinige Obhut der Ehefrau und Mutter zu stellen.
2.2 Der Berufungskläger bestreitet in seiner Berufungsschrift, dass die Kindsmutter die Kinder mehrheitlich persönliche betreue. Zusammengefasst und im Wesentlichen lässt er Folgendes ausführen: Die Betreuung durch die Kindsmutter führe zu Problemen. Es sei zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen der Kindsmutter und dem Sohn C.___ gekommen. C.___ habe seine Mutter am gemeinsamen Wohnort mit seiner flachen rechten Hand gegen das Wohnzimmerfenster gedrückt. Der Vorfall habe damit geendet, dass die Polizei C.___ zu ihm gebracht habe, wo er im Einverständnis aller Parteien eine Nacht geschlafen habe. Gemäss Rapport der Kantonspolizei Solothurn, sei die Berufungsbeklagte mit der Erziehung am Anschlag. Auf eine Gefährdungsmeldung der Polizei habe die KESB verfügt, es sei abzuklären, ob die Familie auf Unterstützung angewiesen sei. Die Kinder seien oft alleine. Die Kinder hätten nichts zu essen und auch keine Betreuung für die Hausaufgaben. Die Kinder kämen immer zu ihm, wenn sie Geld benötigten, obwohl er bereits Unterhaltsbeiträge für die Kinder leiste und deshalb selbst sehr knapp bei Kasse sei. Die Kindsmutter verschwinde zwischendurch übers Wochenende – selbst dann, wenn sie für die Kinder sorgen müsse. Die Kinder erhielten von der Kindsmutter kein zu wenig Geld, um notwendige Sachen zu kaufen. Die Kindsmutter streite mit dem Sohn C.___ und setze ihn unter Druck. Sie befehle ihm zudem, ihn anzulügen, was den Sohn in starke Loyalitätskonflikte bringe. Es treffe zu, dass er im 3-Schichtbetrieb tätig sei. Er sei einerseits bereit, die Kinder zu den Zeiten, wenn es von der Schichtarbeit möglich sei, ohne weiteres altersgemäss zu betreuen, für sie zu sorgen und insbesondere ihnen auch bei der Schularbeit zu helfen und sie zu ihren Freizeitbeschäftigungen zu begleiten, respektive diese zu fördern. Für die übrige Zeit, wenn es seine Schichtarbeit nicht zulasse, sei er bereit, die Kinder einerseits der Kindsmutter zu Besuch zu geben, andererseits nach einem verbindlichen Kalender für eine sorgsame Drittbetreuung zu sorgen.
2.3 Die Berufungsbeklagte lässt zur Obhut in ihrer Berufungsantwort zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes erwidern: Seit der Obhutszuteilung in einem früheren Eheschutzverfahren hätten sich die Verhältnisse nicht geändert. Sie sei es gewesen, die sich seit der Geburt der Kinder stets um diese gekümmert habe. Der Kindsvater selbst sei an einer Betreuung nie interessiert gewesen. Den Kindern gehe es bei ihr gut. Sogar die Polizei habe gesehen, dass dies so sei und habe beim geschilderten Vorfall deseskalierend eingegriffen, indem sie C.___ für eine Nacht zum Vater geschickt habe. Es sei eine Tatsache, dass Kinder in C.___s Alter die Grenzen ausloten würden, dies habe jedoch nichts mit Überforderung Kindswohlgefährdung zu tun. Die Polizei habe es damals ihr überlassen, sich mit der KESB über den Vorfall auszutauschen, was sie dann in der Folge auch getan habe. Um C.___ in seinem Entwicklungsprozess zu unterstützen, habe sie nach Rücksprache mit C.___s Kinderärztin eine psychologische Betreuung durch die Klinik […] organisiert. Dies zeige, dass ihr das Wohl ihrer Kinder sehr am Herzen liege und sie alles tue, um ihnen das bestmögliche Leben zu bieten. Sie habe nur für das absolut Nötigste finanzielle Mittel und könne nicht mit Geld um sich werfen. Der Sohn werde vom Vater aufgewiegelt, gegen sie zu opponieren und sich nichts gefallen zu lassen. Es sei der Vater, welcher den Sohn in einen Loyalitätskonflikt bringe. Wenn sie die Kinder nicht persönlich betreuen könne, so kümmere sich ein guter Bekannter die ehemalige Tagesmutter um die Kinder. Sich selbst überlassen seien die Kinder nie. Die Betreuung der Kinder sei jederzeit sichergestellt. Den Kindern mangle es an nichts.
2.4.1 Bei einer Trennung hat der Eheschutzrichter auf Begehren eines Ehegatten die Folgen des Getrenntlebens zu regeln (Art. 176 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, ZGB, SR 210). Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen (Art. 176 Abs. 3 ZGB). Beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr die Betreuungsanteile berücksichtigt das Gericht das Recht des Kindes, regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen (Art. 298 Abs. 2bis ZGB).
2.4.2 Für die Zuteilung der Obhut an einen Elternteil hat das Wohl der Kinder Vorrang vor allen anderen Überlegungen, insbesondere vor den Wünschen der Eltern. Vorab ist deren Erziehungsfähigkeit zu klären. Ist sie bei beiden Elternteilen gegeben, kann die Stabilität der örtlichen und familiären Verhältnisse ausschlaggebend sein. Diesen Kriterien lassen sich die weiteren Gesichtspunkte zuordnen, so die Bereitschaft eines Elternteils, mit dem andern in Kinderbelangen zusammenzuarbeiten, die Forderung, dass eine Zuteilung der Obhut von einer persönlichen Bindung und echter Zuneigung getragen sein sollte. Wesentlich sein kann ferner der Grundsatz, Geschwister nach Möglichkeit nicht zu trennen. Die Möglichkeit der Eltern, die Kinder persönlich zu betreuen, spielt hauptsächlich dann eine Rolle, wenn spezifische Bedürfnisse der Kinder eine persönliche Betreuung notwendig erscheinen lassen wenn ein Elternteil auch in den Randzeiten (morgens, abends und an den Wochenenden) nicht beziehungsweise kaum zur Verfügung stünde; ansonsten ist von der Gleichwertigkeit von Eigen- und Fremdbetreuung auszugehen. Je nach Alter ist auch den Äusserungen der Kinder beziehungsweise ihrem eindeutigen Wunsch Rechnung zu tragen. Während bei älteren Kindern zunehmend die Wohn- und Schulumgebung sowie der sich ausbildende Freundeskreis wichtig werden, sind kleinere Kinder noch stärker personenorientiert. Entsprechend können im Zusammenhang mit dem wichtigen Kriterium der Stabilität und Kontinuität die Beurteilungsfelder ja nach Lebensalter des Kindes variieren (Urteil des Bundesgerichts 5A_589 und 590/2021 vom 23. Juni 2022, E 3.1.2).
2.4.3 Die Vorderrichterin beachtete bei ihrem Entscheid die hiervor dargelegten Zuteilungskriterien. Was der Ehemann gegen die Obhutszuteilung an die Kindsmutter vorbringt, vermag daran nichts zu ändern. Entscheidend für die Vorderrichterin war, dass bei der Kindsmutter der Anteil der persönlichen Betreuung grösser sei und dass bei ihr – soweit nötig – eine Fremdbetreuung sichergestellt sei. Die zeitliche Verfügbarkeit des Ehemannes ist durch seine Schichtarbeit begrenzt. Die Ehefrau ist – wie die Amtsgerichtspräsidentin im angefochtenen Urteil darlegt – in dieser Hinsicht wesentlich flexibler. Dieser Einschätzung hat der Ehemann und Berufungskläger nichts Wesentliches entgegenzusetzen. Sodann erwähnt er mit keinem Wort, wie er bei sich die Drittbetreuung sicherstellen will. Wie die Kindsmutter anlässlich der Befragung durch die Vorderrichterin ausführte, leistet sie keine Nachtwache (AS 43, N. 199 f.). Die Verfügbarkeit der Kindsmutter bzw. die sichergestellte Drittbetreuung sowie die Kontinuität sprechen für eine Zuteilung der Kinder an die Ehefrau und Mutter. An dieser Einschätzung vermag weder der vom Kindsvater angesprochene Vorfall noch der Umstand, dass die KESB den Sachverhalt abklärt, etwas zu ändern. Die Kritik des Ehemannes am Obhutsentscheid der Amtsgerichtspräsidentin ist daher unbegründet. Die Berufung ist, soweit sie sich gegen die Ziffer 4 des angefochtenen Urteils richtet, abzuweisen.
3. Mit der Berufung gegen die Ziffer 5 des angefochtenen Urteils verlangt der Ehemann für den Fall der Neuzuteilung der Obhut eine Anpassung der Regelung des persönlichen Verkehrs. Da es bei der von der Amtsgerichtspräsidentin vorgenommenen Zuteilung der Obhut an die Ehefrau und Mutter bleibt, ist auch die Berufung gegen die Ziffer 5 ohne Weiteres abzuweisen.
4. Strittig und zu klären sind schliesslich die Höhe der vom Kindsvater an seine beiden Kinder zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge.
4.1 Bei der Festsetzung der Höhe der vom Kindsvater an die beiden Kinder zu leistenden Unterhaltsbeiträge äusserte sich die Vorderrichterin zuerst zu den erzielbaren Einkommen und erwog dazu Folgendes: Der Ehemann erziele einen Netto-Monatslohn von CHF 3'681.70 zuzüglich Anteil 13. Monatslohn von CHF 307.00. Die Ehefrau habe im Februar 2023 einen Netto-Monatslohn von CHF 2'267.60 (inkl. 13. Monatslohn) erzielt. Dieser setze sich zusammen aus den Nettoeinkommen für den Monat Februar 2023 in der Höhe von CHF 172.35 bei der [...], von CHF 1'086.80 bei der [...], von CHF 806.90 exkl. Kinderzulagen bei der [...] sowie von CHF 201.56 bei der [...]. Da die Ehefrau im Stundenlohn angestellt sei, habe sie kein Einkommen während der Ferien. Der Lohn werde ihr bei einem Ferienanspruch von vier Wochen pro Jahr deshalb nur 11-mal ausbezahlt, woraus sich im Jahresschnitt ein monatlicher Nettolohn von CHF 2'078.00 (inkl. 13. Monatslohn) ergebe. Das Einkommen der Kinder entspreche den Kinderzulagen von monatlich je CHF 275.00. Zum Bedarf der Familie erwog die Vorderrichterin Folgendes: Der Grundbetrag für den Ehemann betrage CHF 1'200.00. Der Ehefrau sei aufgrund der Obhutszuteilung ein Grundbetrag von CHF 1'350.00 anzurechnen. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem Vater ein grosszügiges Besuchsrecht zu gewähren sei und er während dieser Zeit ebenfalls Auslagen für die Kinder habe, rechtfertige es sich, bei den Grundbeträgen der Kinder einen Abzug von je CHF 40.00 zu machen und die Grundbeträge auf je CHF 560.00 festzusetzen. Der Abzug von CHF 80.00 sei sodann beim Ehemann im Bedarf unter dem Titel «weitere besondere Auslagen für Kinder nicht hauptbetreuender Elternteil» angerechnet. Die Wohnkosten würden sich aus den eingereichten Mietverträgen ergeben und sich auf CHF 800.00 (Ehemann) bzw. CHF 1'450.00 (Ehefrau) belaufen. Der Wohnkostenanteil der Kinder entspreche praxisgemäss je 14% der Wohnkosten der obhutsberechtigten Person, d.h. je CHF 196.00. Die Krankenkassenprämien des Ehemannes würden monatlich CHF 479.00 betragen, die Krankenkassenprämien der Ehefrau CHF 446.00, jene der Kinder je CHF 109.00. Für den Arbeitsweg seien den Ehegatten praxisgemäss jeweils die Kosten für ein U-Abo von CHF 80.00 anzurechnen. Im vorliegenden Fall ergebe sich nach Deckung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des Ehemannes ein Überschuss von CHF 1'350.00. Die Kinder hätten einen Unterhaltsanspruch von je CHF 1'018.00 (Barunterhalt CHF 590.00, Betreuungsunterhalt CHF 428.00). Da es sich demnach um einen Mankofall handle, seien effektiv bezahlte Steuern und Telekommunikationskosten in der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen. Die Berechnung ergebe beim Ehemann einen Überschuss von CHF 1'350.00 (CHF 3'989.00 – 2'639.00), bei der Ehefrau ein Manko von CHF 856.00 (CHF 2'078.00 – 2'934.00). Den Kindern würde zur Deckung ihres Bedarfs gerundet CHF 590.00 (CHF 275.00 – 864.00) fehlen. Mit dem Überschuss des Ehemannes sei zunächst der Barbedarf der Kinder in Höhe von total CHF 1'179.00 zu decken. Der Restbetrag von CHF 170.00 sei zu je CHF 85.00 an den Betreuungsunterhalt der Kinder von je CHF 428.00 anzurechnen. Der Ehemann habe für die Kinder demnach Unterhaltsbeiträge von je CHF 675.00 (Barunterhalt CHF 590.00, Betreuungsunterhalt CHF 85.00) zu bezahlen. Damit ergebe sich für die Kinder eine monatliche Unterdeckung von je CHF 343.00 (Betreuungsunterhalt).
4.2. Während der Berufungskläger die Höhe der vorinstanzlich festgelegten Unterhaltsbeiträge rügt und ausführt, nach gehöriger Berücksichtigung seiner gesamten Lebensumstände und nach Deckung seines Existenzminimums verblieben ihm noch maximal CHF 1'000.00, so dass er für jedes Kind einen Unterhaltsbeitrag von maximal CHF 500.00 leisten könne, entgegnet die Berufungsbeklagte, der festgesetzte Unterhalt sei korrekt berechnet worden.
4.3 Der geschuldete Unterhaltsbeitrag ergibt sich aus der Verteilung der vorhandenen Mittel vor dem Hintergrund der ermittelten Bedarfszahlen, unter Berücksichtigung der Betreuungsverhältnisse und weiterer Umstände des Einzelfalles (BGE 147 III 265 E. 7.3).
4.4 Beim Ehemann ging die Vorderrichterin von einem monatlichen Nettoeinkommen von CHF 3'988.70 (CHF 3'681.70 zuzüglich Anteil 13. Monatslohn von CHF 307.00) aus. Der Berufungskläger moniert, wegen der Schichtarbeit sei sein Lohn nicht immer gleich hoch.
Der Berufungskläger bringt zwar vor, wegen Schichtarbeit sei sein Lohn nicht immer gleich hoch, wie hoch denn nun sein Lohn aber effektiv sei, wird von ihm mit keinem Wort erläutert. Dass die Vorderrichterin beim Ehemann aufgrund der von ihm vor Vorinstanz eingereichten Urkunden, namentlich dem neuen Arbeitsvertrag per 1. Januar 2023 (Beilage Nr. 5 des Ehemannes) und der Lohnabrechnung für Januar 2023 (Beilage Nr. 7 des Ehemannes) von einem monatlichen Nettolohn von CHF 3'988.70 ausging, ist nicht zu beanstanden. Nur der Vollständigkeit halber bleibt zu erwähnen, dass der Kindsvater selbst in seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege von einem monatlich erzielbaren Nettolohn (inkl. 13. Monatslohn) von CHF 3'990.90 ausging.
4.5 In Bezug auf die Bedarfsermittlung der einzelnen Familienmitglieder moniert der Berufungskläger diverse Punkte auf die im Folgenden nach der Reihenfolge in der Berechnungstabelle eingegangen wird.
4.5.1 Der Berufungskläger hält dafür, dass die Vorderrichterin seinen Grundbetrag zu tief bemessen habe, zumal er die Kinder mehr als gerichtsüblich betreue. Da er die Kinder nicht nur wie nach klassischem Betreuungsmodell alle zwei Wochen für ein Wochenende bei sich zu Besuch habe, sondern erheblich mehr, sei ihm ebenfalls ein erhöhter Grundbetrag von CHF 1'350.00 anzurechnen. Es sei zu berücksichtigen, dass er seinen Haushalt anhaltend auf die Bewirtschaftung der dreiköpfigen Familie ausrichten müsse, dass er regelmässig für die Kinder koche, sie bei ihren Hausaufgaben begleite und sie bei ihren Freizeitbeschäftigungen fördere und begleite. Der ihm diesbezüglich von der Vorinstanz angerechnete Betrag von CHF 80.00 sei erheblich zu tief.
Nach dem Gesagten ist der Berufungskläger nicht obhutsberechtigt. Die Vorderrichterin hat dem Umstand, dass dem Vater ein ausgedehntes Besuchsrecht gewährt wurde, dadurch Rechnung getragen, dass sie bei den Grundbeträgen der Kinder einen Abzug von je CHF 40.00 machte und diesen beim Ehemann im Bedarf unter dem Titel «weitere besondere Auslagen für Kinder nicht hauptbetreuender Elternteil» anrechnete. Der Berechnungstabelle für Unterhaltsbeiträge – welche zum integrierenden Bestandteil des vorinstanzlichen Urteils erklärt worden ist – ist zu entnehmen, dass die Vorderrichterin den Grundbetrag der beiden Kinder von je CHF 600.00 durch 30 teilte (Anzahl Tage pro Monat). Weil der Kindsvater im Vergleich zu einem praxisüblichen Besuchsrecht die Kinder während der Woche zwei Tage mehr pro Monat betreut, hat sie diese zwei Tage berücksichtig und ist so auf einen Betrag von CHF 40.00 pro Kind und Monat gekommen. Damit hat sie den Betreuungsverhältnissen genügend Rechnung getragen. Gemäss den Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG beträgt der monatliche Grundbetrag für einen alleinstehenden bzw. die Obhut nicht innhabenden Schuldner CHF 1'200.00. Die vorinstanzliche Festsetzung des Grundbetrags des Kindsvaters ist deshalb nicht zu beanstanden.
4.5.2 Weiter reklamiert der Berufungskläger, nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung sei er kurzerhand an die [...]strasse in [...] umgezogen, ohne vom ehelichen Mobiliar etwas mitzunehmen. Er benötige insbesondere für die Herrichtung und Instandhaltung der Kinderzimmer gewisse monatliche Mittel, schätzungsweise CHF 100.00 pro Monat.
Stehen grössere Auslagen für einen Wohnungswechsel bevor, kann diesem Umstand gemäss Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG in billigender Weise durch eine zeitweise Erhöhung des Bedarfs Rechnung getragen werden. Zwar hat der Ehemann die eheliche Wohnung verlassen (müssen). Dass ihm monatliche Auslagen in der vorgetragenen Höhe entstehen bzw. entstanden sind, ist jedoch durch nichts belegt, und folglich sind solche Auslagen in seinem Bedarf nicht zu berücksichtigen.
4.5.3 Der Berufungskläger moniert weiter, er arbeite im 3-Schichtbetrieb im 100 % Pensum. Er müsse sich teilweise nachts und teilweise tagsüber auswärts verpflegen, wobei er nicht auf eine Betriebskantine zurückgreifen könne. Es sei ihm deshalb beim Bedarf für auswärtige Verpflegung monatlich CHF 200.00 anzurechnen.
Bei den vorliegenden finanziellen Verhältnissen ist es nicht angezeigt, im Bedarf eine Position für auswärtige Verpflegung zu berücksichtigen. Dem Ehemann – wie übrigens auch der Ehefrau – ist es zumutbar, Essen von zu Hause mitzunehmen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Ehemann – gemäss Lohnausweis 2022 (Beilage Nr. 8 des Ehemannes) – die Mahlzeiten aufgrund der kurzen Mittagspause vor Ort einnehmen muss. So anders ist beim Bedarf nichts für auswärtige Verpflegung anzurechnen.
4.5.4 Schliesslich will sich der Berufungskläger einen monatlichen Betrag in der Höhe von CHF 100.00 für die Schuldentilgung anrechnen lassen. Es sei ihm in der Betreibung Nr. […] mitgeteilt worden, dass er noch CHF 943.70 nebst Zinsen und Kosten an die Amtschreiberei bezahlen müsse. Diese Schulden seien mindestens so lange im monatlichen Bedarf angemessen zu berücksichtigen, bis sie nicht gestoppt werden könnten.
Bei den vom Ehemann geltend gemachten Schulden handelt es sich um eine Steuerforderung des Kantons Solothurn (Beilage Nr. 10 des Ehemannes). Dass Steuern bei einer Mankolage – wie vorliegend – nicht berücksichtigt werden, hat die Vorderrichterin ebenfalls zu Recht festgestellt.
Nach dem Gesagten erweist sich die Berufung somit auch in Bezug auf Ziffer 5 des angefochtenen Urteils als unbegründet.
5. Aufgrund der Erwägungen ist die Berufung des Berufungsklägers gegen das Urteil der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 30. März 2023 vollumfänglich abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens gehen dem Ausgang entsprechend zu Lasten des Ehemannes. Beiden Parteien ist wie bei der Vorinstanz die vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen. Die von den Parteivertretern eingereichten Honorarnoten sind abgesehen von einer Ausnahme nicht zu korrigieren. Die Ausnahme betrifft die Höhe des Honoraransatzes für die unentgeltliche Rechtsvertretung, welche im Kanton Solothurn CHF 190.00/Std. und nicht CHF 200.00/Std. beträgt.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung gegen das Urteil vom 30. März 2023 der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'000.00 hat A.___ zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt sie der Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). 3. A.___ hat B.___, vertreten durch den unentgeltlichen Rechtsbeistand Fürsprecher Lars Rindlisbacher, für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 3'490.70 zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege beider Parteien hat der Staat Fürsprecher Lars Rindlisbacher eine Entschädigung von CHF 2'670.85 und Advokat Dieter Roth eine Entschädigung von CHF 2'627.65 (je inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist/sind (Art. 123 ZPO). 4. Sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO) hat sie Fürsprecher Lars Rindlisbacher die Differenz zum vollen Honorar zu leisten. Diese beträgt CHF 819.85.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Trutmann |
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