Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2022.93: Verwaltungsgericht
Die Zivilkammer des Obergerichts hat über einen Eheschutzfall entschieden, bei dem die Parteien eine Vereinbarung unterzeichneten, die nun angefochten wird. Der Ehemann fordert eine Änderung der Unterhaltszahlungen für die gemeinsamen Kinder, da er einen Eingriff in sein Existenzminimum sieht. Die Ehefrau hingegen verteidigt die Vereinbarung und fordert eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge. Das Gericht prüft die finanzielle Situation beider Parteien und entscheidet, dass die Vereinbarung nicht offensichtlich unangemessen ist. Die Berufung wird abgewiesen, die Gerichtskosten werden je zur Hälfte auf die Parteien aufgeteilt. Die Ehefrau erhält unentgeltliche Rechtspflege und eine Parteientschädigung.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2022.93 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 03.04.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Kinder; Berufung; Unterhalt; Parteien; Kinderzulage; Vereinbarung; Unterhalts; Kinderzulagen; Apos; Gericht; Ehemann; Berufungskläger; Urteil; Ehefrau; Unterhaltsbeiträge; Berechnung; Existenzminimum; Vergleich; Eheschutz; Vergleichs; Über; Berufungsbeklagte; Ehemannes; Auslagen; Eheschutzverhandlung; Verhandlung; Vorderrichterin; ätten |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 107 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 133 ZGB ;Art. 23 OR ;Art. 279 ZPO ;Art. 285a ZGB ;Art. 296 ZPO ;Art. 93 KG ; |
Referenz BGE: | 140 III 337; 141 III 401; 142 III 518; 143 III 361; 147 III 265; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2022.93 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 03.04.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.36 |
Titel: | Eheschutz |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 3. April 2023 Es wirken mit: Oberrichter Müller Oberrichter Frey Gerichtsschreiber Schaller In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Advokatin Stephanie Trüeb,
Berufungsbeklagte
betreffend Eheschutz zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. Die Parteien führten ein Eheschutzverfahren vor dem Richteramt Olten-Gösgen. An der Eheschutzverhandlung vom 14. Oktober 2022 schlossen sie unter Vermittlung der a.o. Amtsgerichtsstatthalterin eine Vereinbarung ab, die vom Gericht gleichentags genehmigt wurde. 2. Das Urteil der a.o. Amtsgerichtsstatthalterin lautet, soweit hier angefochten, wie folgt: 1. - 2. … 3. Die von den Ehegatten am 14. Oktober 2022 abgeschlossene Trennungsvereinbarung wird wie folgt genehmigt: 1. - 5. … 6. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau ab 1. April 2022 an den Unterhalt der gemeinsamen Kinder monatliche und monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von CHF 875.00 pro Kind (zzgl. Kinderzulagen im Umfang von 60%) zu leisten. 7. – 13. … 14. Die Vereinbarung stützt sich auf folgende Berechnungsgrundlagen: - monatliches Nettoeinkommen (inkl. Anteil 13. Monatslohn, ohne · des Ehemannes CHF 5'923.00 (80%) · der Ehefrau CHF 775.00 (10%) · C.___ CHF 200.00 (Kinderzulage) · D.___ CHF 200.00 (Kinderzulage) · E.___ CHF 200.00 (Kinderzulage) - monatlicher Grundbedarf: · des Ehemannes CHF 3'200.00 (Steuern nur teilweise berücksichtigt) · der Ehefrau CHF 2'685.00 · C.___ CHF 530.00 · D.___ CHF 530.00 · E.___ CHF 530.00 4. - 7. … 3. Dagegen erhob der Ehemann (im Folgenden auch Berufungskläger Vater) form- und fristgemäss Berufung. Er stellt die folgenden Anträge: 1. Ziffer 3.6 des Urteils des Richteramts Olten-Gösgen vom 14. Oktober 2022 (OGZPR.2022.667-AOGKOF) sei teilweise aufzuheben. 2. Ziffer 3.6 des Urteils des Richteramts Olten-Gösgen vom 14. Oktober 2022 sei wie folgt zu formulieren: «Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau ab 1. April 2022 an den Unterhalt der gemeinsamen Kinder monatliche und monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von CHF 875.00 pro Kind zu leisten. Die Kinderzulagen verbleiben vollumfänglich dem Ehemann.» Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zu Lasten der Berufungsbeklagten 4. Die Ehefrau reichte ebenfalls form- und fristgerecht am 23. Dezember 2022 die Berufungsantwort ein. Ihre Rechtsbegehren lauten wie folgt: 1. Es sei die Berufung vom 8. Dezember 2022 vollumfänglich abzuweisen. 2. In Anwendung der Offizialmaxime sei der Ehemann in Abänderung von Dispositiv-Ziff. 3 des Urteils des Richteramts Olten-Gösgen vom 14. Oktober 2022 und Ziff. 6-9 sowie 14 der Trennungsvereinbarung vom 14. Oktober 2022 zu verpflichten, der Ehefrau ab 1. April 2022 an den Unterhalt der gemeinsamen Kinder C.___, D.___ und E.___ monatliche und monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von mindestens CHF 1'052.00 pro Kind (zzgl. Kinderzulagen im Umfang von 60 %) zu leisten. Die resultierenden Unterhaltsausstände seien festzustellen. 3. Es sei der Ehefrau die unentgeltliche Rechtspflege mit der Unterzeichneten als deren unentgeltliche Rechtsbeiständin zu gewähren. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten des Ehemannes. 5. Am 12. Januar 2023 reichte die Vertreterin der Ehefrau und am 13. Januar 2023 die Vertreterin des Ehemannes die Kostennote ein. Diese wurden der jeweiligen Gegenpartei zur Kenntnis zugestellt. 6. Die Streitsache ist spruchreif. Gestützt auf Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen. II. 1. Die Vorderrichterin begründete ihr Urteil damit, dass sie den Parteien an der Eheschutzverhandlung eine gerichtliche Berechnung zum Ehegatten- und Kindesunterhalt vorgelegt habe. Basierend darauf habe sie mit den Parteien Vergleichsgespräche geführt. Unter Berücksichtigung der Parteivorbringen habe sie den Vergleichsvorschlag anschliessend überarbeitet. Den modifizierten Vergleichsvorschlag hätten die Parteien dann unterzeichnet. Die abgeschlossene Trennungsvereinbarung sei klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen. Beide anwaltlich vertretenen Parteien hätten dieser zugestimmt. 2. Der Berufungskläger macht geltend, er habe dem Gericht am 7. November 2022 mitgeteilt, dass die Parteien wie auch das Gericht im Zusammenhang mit der am 14. Oktober 2022 abgeschlossenen Trennungsvereinbarung einem Grundlagenirrtum unterlegen seien. Die Kinderzulagen hätten nicht nach Massgabe der Betreuungsanteile aufgeteilt werden dürfen, was sich aus den Erläuterungen zu den Berechnungstabellen ergebe. Die Parteien seien deswegen in Verhandlung. Die Unterhaltsberechnung sei auf der Basis der geteilten Obhut gemacht worden im Verhältnis 60 % Mutter und 40 % Vater. Weder die Parteien noch die Gerichtsstatthalterin seien sich bewusst gewesen, dass bei Anwendung der Berechnungstabellen Bähler bei alternierender Betreuung die Kinderzulagen bei dem Elternteil belassen würden, der sie beziehe. Vorliegend zeige die Kontrollrechnung, dass die Verschiebung von 60 % der Kinderzulagen zusammen mit den Unterhaltsbeiträgen für die drei Kinder beim Ehemann zu einem Eingriff ins Existenzminimum führe, was nicht zulässig sei. Daraus folge, dass er zwar die Kinder zu 40 % betreue, die Kinderkosten in seinem Bedarf aber nicht berücksichtigt würden. Es handle sich dabei um einen Fehler, der weder vom Gericht noch von den Parteien bemerkt worden sei. Aufgrund dessen komme es unter den Parteien stets zu unschönen Streitigkeiten über die Kinderkosten. Kinderunterhaltsbeiträge unterlägen der Untersuchungs- und Offizialmaxime, weshalb diese selbst dann mit Berufung angefochten werden könnten, wenn dem Entscheid ein gerichtlicher Vergleich zugrunde liege. Die Parteien seien an der Verhandlung vom 14. Oktober 2022 unter grossem zeitlichem Druck gestanden, weshalb sie die Berechnung nicht hätten überprüfen können. Es liege ein Willensmangel gemäss Art. 23 ff. Obligationenrecht (OR, SR 220) vor. Die Kinderzulagen seien in der Verhandlung nicht thematisiert worden, sondern diskussionslos von der Vorderrichterin 60 : 40 aufgeteilt worden. Es sei nicht realisiert worden, was das für Folgen habe. Wäre ihm das bewusst gewesen, hätte er dem Vergleich nicht zugestimmt. Die Vereinbarung sei im Ergebnis offensichtlich unangemessen, weil in sein Existenzminimum eingegriffen werde. 3.1 Die berufungsbeklagte Ehefrau macht geltend, es sei falsch zu behaupten, dass die Parteien und das Gericht einem Grundlagenirrtum erlegen seien. Der Berufungskläger setze sich in seiner Berufung überhaupt nicht mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinander. Das Gericht habe unter Berücksichtigung der Parteivorbringen den ins Urteil aufgenommenen Vergleichsvorschlag erarbeitet, welchen die anwaltlich vertretenen Parteien unterzeichnet hätten. Die Trennungsvereinbarung vom 14. Oktober 2022 sei das Ergebnis der Vergleichsgespräche. Dass zusätzlich zu den Unterhaltsbeiträgen 60 % der Kinderzulagen geschuldet seien, sei daraus klar ersichtlich. In Bezug auf die Höhe der geschuldeten Beträge könne kein Irrtum vorliegen. Auch habe der Ehemann auf dem bis September 2022 bezahlten Betrag von CHF 3'000.00 eine Reduktion aushandeln können. Dass er nun nachträglich noch einen Irrtum geltend mache, sei treuwidrig. Der Ehemann sei stets der Meinung gewesen, dass die Kinderzulagen im Verhältnis 60 : 40 aufzuteilen seien. Umso widersprüchlicher sei es, dass er nun diese für sich alleine beanspruche. Er sei sowohl mit der Höhe der Unterhaltsbeiträge als auch mit der Aufteilung der Kinderzulagen einverstanden gewesen. Überdies seien in seinen Berechnungen diverse Posten enthalten, die nicht zum Existenzminimum gehörten so z.B. die Steuern, die Auslagen für Telekommunikation und Mobiliarversicherung. Sodann seien die Nebenkosten des Ehemannes mit CHF 650.00 pro Monat völlig unhaltbar und auch nicht belegt. Der gebührende Unterhalt der Kinder sei nicht gedeckt. In solchen Fällen sei die Erweiterung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen auf den familienrechtlichen Bedarf nicht zulässig. Sie bestreite, dass sie einen monatlichen Überschuss von CHF 743.00 generiere. Er verkenne die Realität, dass sie in Armut lebe und Familienergänzungsleistungen beziehen müsse. Deren Bezug sei subsidiär zur familienrechtlichen Unterhaltspflicht. Bei der Überprüfung von Unterhaltsvereinbarungen sei im Rahmen von Rechtsmittelverfahren grösste Zurückhaltung geboten. Ein Willensmangel liege nicht vor. Der Berufungskläger sei nicht zur Unterzeichnung der Vereinbarung gedrängt worden. Diese sei überdies nicht offensichtlich unangemessen. Es liege auch kein Rechnungsfehler vor. Die Berufung sei daher abzuweisen. 3.2 Aufgrund der für Kinderbelange geltenden Offizialmaxime entscheide das Berufungsgericht ohne Bindung an die Parteianträge, weshalb auch eine reformatio in peius möglich sei. Wie bereits erwähnt, gebe es bei den Kinderunterhaltsbeiträgen ein Manko. Sofern das Gericht eine Abänderung erwäge, wäre das zu beheben und den Kindern Unterhaltsbeiträge von mindestens CHF 1'052.00 pro Monat und Kind zuzüglich 60 % der Kinderzulagen zuzusprechen. 3.3 Antragsgemäss seien die Gerichtskosten dem Ehemann aufzuerlegen und er sei zu verpflichten, der Ehefrau eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen. Sie sei mittellos, weshalb ihr auch für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen sei. Aufgrund der sich stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen sei sie auf den Beizug eines Rechtsbeistands angewiesen. 4.1 Der Berufungskläger macht unrichtige Rechtsanwendung geltend, da ihn die Vorderrichterin zu Kinderunterhaltsbeiträgen verpflichtet habe, die in sein Existenzminimum eingriffen. 4.2.1 Wie über die Scheidungsfolgen eine genehmigungsbedürftige Konvention geschlossen werden kann (Art. 279 ZPO), können auch die Unterhaltsregelungen im Eheschutzverfahren (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 Zivilgesetzbuch; ZGB, SR 210) auf einer Vereinbarung beruhen, wobei auch in diesem Fall eine gerichtliche Genehmigung vorausgesetzt ist (vgl. BGE 142 III 518 E. 2.5; Urteil 5A_30/2019 vom 8. Mai 2019 E. 3.2.1). Folglich genehmigt das Gericht eine im Eheschutzverfahren geschlossene Unterhaltsvereinbarung, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Ehegatten diese aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen haben und sie klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist (vgl. Art. 279 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO [analog]). Diejenigen Materien, über welche die Parteien nicht verfügen können, unterliegen dieser Regelung nicht (Bähler, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 1c zu Art. 279 ZPO; Sutter-Somm/Gut, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, N. 7 zu Art. 279 ZPO), so die Kinderbelange: Über diese entscheidet das Gericht ohne Bindung an die Parteianträge (Offizialgrundsatz; Art. 296 Abs. 3 ZPO). Eine Übereinkunft der Eheleute in diesem Bereich verpflichtet das Gericht nicht. Ihr kommt der Charakter eines gemeinsamen Antrags zu, den das Gericht in seine Entscheidung einfliessen lässt (vgl. Art. 285 Lit. d ZPO und Art. 133 Abs. 2 ZGB; zum Ganzen: BGE 143 III 361E. 7.3.1; Urteile des Bundesgerichts 5A_1031/2019 E. 2.2 vom 26. Juni 2020; 5A_915/2018 E. 3.3 vom 15. Mai 2019; 5A_418/2019 vom 29. August 2019 E. 3.5.3). 4.2.2 Das Gericht nimmt nach Art. 279 Abs. 1 ZPO insoweit eine inhaltliche Kontrolle der von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung vor, als diese nicht offensichtlich unangemessen sein darf (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_1031/2019 E. 2.2). Über die (Un-)Angemessenheit der Vereinbarung entscheidet es aufgrund eines Vergleichs der darin getroffenen Regelung mit dem Entscheid, den es träfe, wenn keine Vereinbarung vorläge. Die Vereinbarung ist offensichtlich unangemessen, wenn sie in sofort erkennbarer und eklatanter Art und Weise von der gesetzlichen Regelung abweicht und sich diese Abweichung aus Billigkeitsüberlegungen nicht rechtfertigen lässt (Urteil des Bundesgerichts 5A_980/2018 vom 5. Juni 2019 E. 4.1 mit zahlreichen Hinweisen, in: FamPra.ch 2019 S. 1180). Nach ständiger Rechtsprechung ist der unterhaltsverpflichteten Partei bei der hoheitlichen Festlegung des Unterhalts für alle familienrechtlichen Unterhaltskategorien und in Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz stets das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu belassen, mit der Folge, dass die unterhaltsberechtigte Partei in Mangellagen das gesamte Manko zu tragen hat (BGE 140 III 337 E. 4.3 mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch BGE 141 III 401 E. 4.1). Nach bestimmten Lehrmeinungen liegt jedoch im Umstand, dass die Parteien eine von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweichende Mankoteilung vereinbaren, keine offensichtliche Unbilligkeit nach Art. 279 Abs. 1 ZPO (Van De Graaf, in: Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Oberhammer/Domej/ Haas [Hrsg.], Helbling Lichtenhahn, 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 279 ZPO; Stein-Wigger, in: FamKomm Scheidung, Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], Band II, Stämpfli, 3. Aufl. 2017, N. 29 zu Art. 279 ZPO; Urteil des Bundesgerichts 5A_1031/2019 E. 3.2 vom 26. Juni 2020). 4.3.1 Der Berufungskläger macht zunächst geltend, weder die Parteien noch das Gericht sei sich bewusst gewesen, dass bei Anwendung der Berechnungstabelle Bähler bei alternierender Obhut die Kinderzulagen bei dem Elternteil belassen würden, der sie beziehe. Die Aufteilung der Kinderzulagen unter den Parteien führe bei ihm zu einem Eingriff ins Existenzminimum, was unzulässig sei. Hier liege ein Willensmangel im Sinn von Art. 23 ff. OR. vor, da anzunehmen sei, dass er in Kenntnis des wahren Sachverhalts die Erklärung nicht nicht so abgegeben hätte. Die Parteien hätten über das Einkommen und die Bedarfspositionen verhandelt. Die Aufteilung der Kinderzulagen sei nicht thematisiert worden. Die Berufungsbeklagte weist darauf hin, dass die Vereinbarung das Resultat von Vergleichsgesprächen gewesen sei, da die Parteien mit dem ursprünglichen Vorschlag der Gerichtsstatthalterin nicht einverstanden gewesen seien. Der Ehemann sei stets der Auffassung gewesen, dass die Kinderzulagen 60 : 40 aufzuteilen seien. Es sei widersprüchlich, wenn er nun erstmals die Kinderzulagen vollständig für sich beanspruche. Die Aufteilung der Kinderzulagen nach Massgabe der Betreuungsanteile entspreche Art. 285a Abs. 1 ZGB. 4.3.2 Der Ablauf der vorinstanzlichen Verhandlung und die dortigen Vorbringen der Parteien sind dem Verhandlungsprotokoll und dem Protokoll der Parteibefragung zu entnehmen (Aktenseiten, AS 32 – 53). Aus Ziff. 14 der Vereinbarung (AS 56) gehen die Berechnungsgrundlagen hervor auf denen die Vereinbarung beruht. Ein Hinweis auf die vom Berufungskläger erwähnten Bähler Tabellen ergibt sich weder aus den Akten noch aus der Vereinbarung. Aus der behaupteten Anwendung der Bähler Tabellen kann der Berufungskläger daher nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Berufungskläger hat anlässlich der Eheschutzverhandlung, unabhängig von der Anwendung des Hilfsmittels, einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von CHF 875.00 zuzüglich 60 % der Kinderzulagen je Kind (60 % von CHF 200.00 = CHF 120.00) zugestimmt. Was das finanziell für ihn bedeutete, war sofort feststellbar. Hinzu kommt: Der Berufungskläger hat in der Eheschutzverhandlung in seinem ersten Parteivortrag, noch bevor die Vorderrichterin ihren Vergleichsvorschlag präsentierte und Vergleichsgespräche geführt wurden, die Aufteilung der Kinderzulagen im Verhältnis 40 : 60 beantragt (Antrag Ziff. 7; AS 35). Das wurde in die Vereinbarung und in das Urteil übernommen. 4.4.1 Der Berufungskläger macht weiter einen Willensmangel beim Abschluss der Vereinbarung geltend. Er führt aus, er sei sich nicht bewusst gewesen, dass die Bähler Tabelle bei alternierender Obhut keine Verschiebung der Familienzulagen vorsehe, ansonsten er dem Vergleich nicht zugestimmt und dagegen opponiert hätte. Einen Eingriff in sein Existenzminimum müsse er sich nicht gefallen lassen. Die Berufungsbeklagte bestreitet, dass beim Ehemann ein monatliches Defizit von CHF 280.00 und bei ihr ein Überschuss von CHF 743.00 resultiere. Sie bestreitet auch, dass mit den vereinbarten Unterhaltsbeiträgen in das Existenzminimum des Berufungsklägers eingegriffen werde. Die von ihm im Berufungsverfahren eingereichte Berechnungstabelle sei nicht in den Akten. Eine solche sei auch nicht integrierender Bestandteil der Vereinbarung. Ausserdem seien die von ihr bezogenen Familienergänzungsleistungen subsidiär zum familienrechtlichen Unterhalt. Der monatliche Grundbedarf der Kinder sei zudem mit CHF 530.00 je Kind deutlich zu tief bemessen worden. Die Einigung der Parteien sei mit Blick auf die Höhe der zu zahlenden Beträge erfolgt. 4.4.2 Die Parteien haben sich aufgrund der Vergleichsgespräche an der Eheschutzverhandlung auf Unterhaltsbeiträge in der Höhe von CHF 875.00 je Kind zuzüglich 60 % der vom Vater bezogenen Kinderzulagen (60 % von CHF 200.00 = CHF 120.00), total CHF 995.00 je Kind und Monat geeinigt. Das geht aus Ziffer 6 der Vereinbarung vom 14. Oktober 2022 unmissverständlich hervor. Die Berechnungstabellen waren nicht Bestandteil der Einigung. Darauf wird auch nicht verwiesen. Nach der oben zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist nicht zu prüfen, ob einzelne Positionen in der Bedarfsrechnung falsch ermittelt wurden. Das wäre auch gar nicht möglich, da die vom Berufungskläger im Berufungsverfahren eingereichte Bedarfsberechnung nicht Teil der Vereinbarung war. Vielmehr ist zu prüfen, ob die abgeschlossene Vereinbarung insgesamt unangemessen ist. Dazu sind die finanziellen Verhältnisse der Parteien zu überprüfen. 4.4.3 In einem ersten Schritt ist das Familieneinkommen festzustellen. Der Ehemann arbeitet mit einem 80 % Pensum und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 5'923.00 inkl. Anteil 13. Monatslohn. Er bezieht zudem drei Kinderzulagen à CHF 200.00. Bei der Ehefrau wurde ein Nettoerwerbseinkommen von CHF 775.00 berücksichtigt, was ebenfalls nicht beanstandet wird. 4.4.4 Der Bedarf des Ehemannes wurde in der Vereinbarung mit CHF 3'200.00 beziffert, was er nicht beanstandet. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Steuern nur teilweise berücksichtigt seien (Ziff. 14 der Vereinbarung, AS 56). Ausserdem fallen bei ihm Kinderkosten in der Höhe von total CHF 636.00 an (40 % von CHF 530.00 x 3). Die Berufungsbeklagte wendet ein, dass in der vom Ehemann eingereichten Berechnungstabelle (Berufungsbeil. 5) ersichtlich sei, dass ihm ein Steueranteil von monatlich CHF 431.00 und Auslagen für Telekom und Mobiliarversicherung im Betrag von CHF 100.00 pro Monat angerechnet worden seien. Beides gehöre nicht zum Existenzminimum. Überdies seien die angerechneten Nebenkosten im Betrag von CHF 650.00 pro Monat völlig unhaltbar, zumal diese nicht belegt seien. An dieser Stelle ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Vereinbarung der Parteien keine detaillierte Bedarfsberechnung zugrunde gelegt wurde, so dass nicht einzelne Bedarfspositionen zu überprüfen sind. Rechtlich zutreffend ist allerdings der Einwand der Berufungsbeklagten, dass die Auslagen für Telekommunikation/Mobiliarversicherung und Steuern nicht zum betreibungsrechtlichen Notbedarf zählen (Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums; zuletzt veröffentlicht in: BlSchk 2009 S. 193 ff; vgl. auch BGE 147 III 265 E. 7.2). Die Berufungsbeklagte bestreitet auch die Nebenkosten der vom Berufungskläger bewohnten Liegenschaft von monatlich CHF 650.00 (Berufungsbeil. 5) als zu hoch. Sie macht geltend, dass diese nicht belegt seien. Dazu gilt das oben gesagte. 4.4.6 Das Nettoeinkommen des Berufungsklägers beläuft sich auf monatlich CHF 5'923.00 netto inkl. Anteil 13. Monatslohn. Zudem bezieht er die drei Kinderzulagen à je CHF 200.00. Sein Einkommen beläuft sich auf total CHF 6'523.00. Sein Bedarf wurde vorinstanzlich mit CHF 3'200.00 beziffert. Weiter hat er die bei ihm anfallenden Kinderkosten von CHF 212.00 je Kind, total CHF 636.00 zu tragen. Es verbleiben somit CHF 2'687.00. Die vereinbarten Unterhaltsbeiträge betragen CHF 995.00 je Kind (CHF 875.00 + CHF 120.00 Anteil Kinderzulage), total CHF 2'985.00. Auf Seiten des Ehemannes resultiert somit ein Minus von CHF 298.00 pro Monat. Für die Berufungsbeklagte wurde ein persönlicher Bedarf von CHF 2'685.00 festgestellt (Ziff. 14 der Vereinbarung, AS 56). Bei ihr fallen zudem Kosten von CHF 318.00 je Kind (60 % von CHF 530.00), total CHF 954.00 an, was Gesamtkosten von CHF 3'654.00 ergibt, die sie zu tragen hat. Sie erzielt ein monatliches Erwerbseinkommen von CHF 775.00, womit ungedeckte Kosten von CHF 2'879.00 bleiben. Die Unterhaltsbeiträge betragen CHF 995.00 je Kind (CHF 875.00 + CHF 120.00 Anteil Kinderzulage), total CHF 2'985.00. Auf Seiten der Ehefrau resultiert somit ein Plus von CHF 106.00 pro Monat. 4.5.1 Es trifft zu, dass auf Seiten der Ehefrau ein leichtes Plus resultiert, während auf Seiten des Ehemannes ein leichtes Minus resultiert. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Unterhaltsbeiträge auf einer gegenseitigen Vereinbarung beruhen, die beide Parteien unter Mithilfe des Gerichts und assistiert von ihren Rechtsbeiständen abgeschlossen haben. Weder wird ein Ehegatte offensichtlich über Gebühr belastet noch einer über Gebühr begünstigt. 4.5.2 Falsch ist die Behauptung des Berufungsklägers, dass die vereinbarten Unterhaltsbeiträge in sein Existenzminimum eingriffen. In seiner Unterhaltsberechnung gemäss Berufungsbeilage 5 sind ein monatlicher Steueranteil von CHF 431.00 und Auslagen für Telekom und Mobiliarversicherung von CHF 100.00 enthalten. Diese Auslagen gehören nicht zum betreibungsrechtlichen Notbedarf (vgl. Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums [Notbedarf] nach Art. 93 SchKG der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamtenkonferenz der Schweiz vom 1.7.2009), sondern zum familienrechtlichen Bedarf. Zutreffend ist, dass sein familienrechtlicher Bedarf mangels vorhandener Mittel um CHF 298.00 nicht gedeckt ist. In sein betreibungsrechtliches Existenzminimum wird jedoch nicht eingegriffen, da in seinem Bedarf von CHF 3'200.00 Auslagen von total CHF 531.00 berücksichtigt wurden, die zum familienrechtlichen Bedarf gehören. Gemäss BGE 147 III 265 E. 7.2 bleibt es in knappen Verhältnissen ohnehin bei der Deckung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs. Ein Mankofall liegt nicht vor. Nur der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Unterhaltsbeiträge unter dem Betrag liegen, den der Berufungskläger bis zur Eheschutzverhandlung bezahlt hatte. 4.5.3 Von einer sofort feststellbaren und eklatanten Verletzung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und einem auch unter dem Gesichtspunkt von Billigkeitserwägungen nicht zu rechtfertigenden Vorgehen, kann nach dem Gesagten jedenfalls keine Rede sein. Es gibt daher keinen Grund, die vorinstanzlich einvernehmlich geschlossene Vereinbarung aufzuheben. 5.1 Die Ehefrau verlangt unter Berufung auf die in Kinderbelangen geltende Offizialmaxime eine Unterhaltserhöhung. Es kann auf die obigen Erwägungen zur Ausgewogenheit der Vereinbarung verwiesen werden. Es gibt auch keinen Grund, diese zu Gunsten der Ehefrau und den Kindern abzuändern. Es bleibt daher bei der vorinstanzlich abgeschlossenen Vereinbarung die von der Vorderrichterin zum Urteil erhoben wurde. III. 1. Die Gerichts- und Parteikosten sind entsprechend dem Verfahrensausgang auf die Parteien aufzuteilen (Art. 106 ZPO). U.a. in familienrechtlichen Verfahren kann von diesen Grundsätzen abgewichen werden (Art. 107 ZPO). Dazu gibt es vorliegend keinen Grund. A.___ ist mit seinen Anträgen ebenso wenig durchgedrungen wie B.___ mit den ihren. Das rechtfertigt eine je hälftige Kostenaufteilung. Die Parteien haben die Gerichtskosten je hälftig zu tragen und die Parteikosten sind wettzuschlagen. 2. Die Gerichtskosten von Berufungen gegen Eheschutzverfahren werden praxisgemäss auf CHF 1'000.00 festgesetzt. Es gibt keinen Grund davon abzuweichen. Der Anteil von B.___ ist aufgrund der ihr gewährten unentgeltlichen Rechtspflege vom Staat Solothurn zu tragen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). Der Anteil von A.___ wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 3. Die unentgeltliche Rechtsbeiständin von B.___, Advokatin Stephanie Trüeb, macht für das Berufungsverfahren einen Aufwand von 8.75 Stunden geltend. Das ist nicht zu beanstanden. Hingegen sind die Kopien lediglich mit CHF 0.50. zu entschädigen (§ 158 Abs. 5 Gebührentarif), so dass Auslagen von total CHF 68.20 resultieren. Die unentgeltliche Kostennote wird auf CHF 1'775.10 festgesetzt. Der Nachforderungsanspruch der Advokatin beläuft sich auf CHF 648.90 und ist zahlbar, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist. Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 2. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'000.00 werden A.___ und B.___ je zur Hälfte auferlegt. Der Anteil von B.___ erliegt zufolge unentgeltlicher Rechtspflege auf dem Staat Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). 3. Die Parteikosten werden wettgeschlagen. 4. Die Kostennote der unentgeltlichen Rechtsbeiständin von B.___, Advokatin Stephanie Trüeb, wird auf CHF 1'775.10 festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch der Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 648.90, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 30'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Hunkeler Schaller |
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