Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2022.87: Verwaltungsgericht
Der Fall betrifft eine teilweise Einigung in einer Scheidungssache gemäss Artikel 112 ZGB. A.___ und B.___ hatten geheiratet und ein Kind namens C.___ bekommen. Nach der Trennung wurde die Obhut des Kindes der Mutter zugesprochen. Das Gericht entschied über die Scheidung, die elterliche Sorge und den Unterhalt des Kindes. Es wurden monatliche Unterhaltsbeiträge festgelegt, die der Vater zu zahlen hat. Es wurde auch festgestellt, dass die Unterhaltsbeiträge nicht ausreichen, um den angemessenen Unterhalt des Kindes zu decken. Die Gerichtskosten wurden beiden Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Das Urteil erging am 24. Mai 2023 durch das Obergericht, vertreten durch Richter Müller, mit Gerichtskosten in Höhe von CHF 3'000.00.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2022.87 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 24.05.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Ehefrau; Berufung; Ehemann; Obhut; Mutter; Kinder; Eltern; Recht; Kindes; Betreuung; Elternteil; Urteil; Woche; Apos; Berufungsbeklagte; Erziehung; Gutachten; Vorinstanz; Vater; Verfahren; Wochen; Scheidung; Berufungskläger; Berufungsbeklagten; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 112 ZGB ;Art. 123 ZPO ;Art. 133 ZGB ;Art. 277 ZGB ;Art. 277 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2022.87 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 24.05.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.54 |
Titel: | Scheidung teilweise Einigung - Art. 112 ZGB |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 24. Mai 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichter Müller Gerichtsschreiber Schaller In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Iten,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Cornelia Dippon,
Berufungsbeklagte
betreffend Scheidung teilweise Einigung - Art. 112 ZGB zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. A.___ (geb. [...] 1987, nachfolgend als Ehemann Berufungskläger bezeichnet) und B.___ (geb. [...] 1988, nachfolgend als Ehefrau Berufungsbeklagte bezeichnet) hatten am [...] 2020 geheiratet. Am […] 2021 wurden sie Eltern des Sohnes C.___. Kurz vor der Geburt des Kindes trennten sich die Ehegatten. Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens stellte der Amtsgerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt am 16. Juli 2021 den Sohn gestützt auf eine Vereinbarung der Parteien unter die alleinige Obhut der Mutter. Da die Ehegatten zudem erklärten, scheiden zu wollen, wandelte er das Eheschutzverfahren in ein Scheidungsverfahren um. Mit Urteil vom 20. April 2022 erkannte er Folgendes:
1. Die am [...] 2020 vor Zivilstandsamt [...] geschlossene Ehe wird geschieden. 2. Der Sohn C.___, geb. [...] 2021, wird unter der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen. 3. C.___ wird unter die Obhut der Mutter gestellt. 4. A.___ betreut C.___ wie folgt: - Ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 31. Januar 2023 Der Vater betreut C.___ jedes zweite Wochenende von Samstag 9.00 Uhr bis Sonntag 17.00 Uhr. Ausserdem hat der Vater das Recht und die Pflicht den Sohn während drei Wochen ferienhalber zu sich zu nehmen, jedoch nicht länger als eine Woche am Stück. - Ab 1. Februar 2023 Der Vater betreut C.___ jedes zweite Wochenende von Freitag 16.00 Uhr bis Sonntag 17.00 Uhr. Ausserdem hat der Vater das Recht und die Pflicht den Sohn während drei Wochen ferienhalber zu sich zu nehmen, jedoch nicht mehr als zwei Wochen zusammenhängend. Der Termin der Ferien ist vom Vater jeweils mindestens drei Monate im Voraus anzumelden. 5. Die mit Verfügung der KESB Region Solothurn vom 28. Januar 2021 für C.___ angeordnete und mit Verfügung des Richteramtes Bucheggberg‑Wasseramt vom 16. Juli 2021 modifizierte Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB wird bestätigt. Die Beistandsperson hat folgende Aufgaben: - Die Kindseltern in der Sorge um ihr Kind zu unterstützen und sie in Fragen der Erziehung zu beraten; - die körperliche, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes durch den Austausch mit den involvierten Fachpersonen zu begleiten und zu überwachen; - die Einhaltung der Weisungen durch die Kindseltern zu überprüfen und der KESB Region Solothurn zu melden, falls es diesbezüglich zu Unregelmässigkeiten kommt; - die Kindseltern bei der Umsetzung einer kindgerechten Besuchsregelung zu unterstützen, bei deren Organisation mitzuhelfen und den Informationsfluss betreffend Kinderbelangen zu gewährleisten; - das professionelle Helfernetz zu koordinieren, den involvierten Stellen und Fachpersonen als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen und den Informationsaustausch zu gewährleisten; - bei Bedarf weitere Unterstützungsmassnahmen zu organisieren. - Sie ist zudem berechtigt, anstelle des Vaters das Einverständnis für Ferien von C.___ mit der Mutter im Ausland zu erteilen und die Zustimmung für das Ausstellen von Ausweisdokumenten für C.___ zu erteilen. Die KESB wird mit dem Vollzug beauftragt. 6. Der Vater hat für C.___ monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen: - ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 31. Dezember 2023: CHF 602.00 (Barunterhalt) - vom 1. Januar 2024 bis 31. Januar 2031: CHF 968.00 (CHF 638.00 Barunterhalt; CHF 330.00 Betreuungsunterhalt) - vom 1. Februar 2031 bis 31. Januar 2037: CHF 968.00 (CHF 838.00 Barunterhalt; CHF 130.00 Betreuungsunterhalt) - vom 1. Februar 2037 bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung: CHF 825.00 (Barunterhalt) Allfällige vom Vater bezogene Kinder- und Ausbildungszulagen sind in diesen Beiträgen nicht inbegriffen, aber zusätzlich geschuldet. Die Unterhaltspflicht gegenüber C.___ dauert bis zur Volljährigkeit. Vorbehalten bleiben Art. 276 Abs. 3 und Art. 277 Abs. 2 ZGB. 7. Es wird festgestellt, dass mit den in Ziffer 6 genannten Unterhaltsbeiträgen der gebührende Unterhalt von C.___ nicht gedeckt werden kann. Die Unterdeckung beträgt: - ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 31. Dezember 2023: CHF 1’533.00 (CHF 36.00 Barunterhalt, CHF 1'497.00 Betreuungsunterhalt) - vom 1. Januar 2024 bis 31. Juli 2026: CHF 800.00 (Betreuungsunterhalt) - vom 1. August 2026 bis 31. Januar 2031: CHF 655.00 (Betreuungsunterhalt) - vom 1. Februar 2031 bis 31. Juli 2034: CHF 856.00 (Betreuungsunterhalt) - vom 1. August 2034 bis 31. Januar 2037: CHF 431.00 (Betreuungsunterhalt) 8. Ausserordentliche Kosten (z.B. Zahnkorrekturen) für C.___ haben die Eltern je zur Hälfte, soweit diese nicht durch Versicherungsleistungen anderswie gedeckt sind, zu bezahlen. 9. Die Erziehungsgutschriften der AHV werden vollständig der Mutter angerechnet (Art. 52fbis Abs. 2 AHVV). 10. Mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit schulden sich die Parteien gegenseitig keinen nachehelichen Unterhaltsbeitrag gemäss Art. 125 ZGB. 11. Die in Ziffer 6 festgelegten Unterhaltsbeiträge (UB) basieren auf einem Stand des Landesindexes der Konsumentenpreise vom März 2022 von 103.0 Punkten auf der Basis Dezember 2020 = 100 Punkte. Die Beiträge werden jeweils per 1. Januar jeden Jahres dem Indexstand im vorausgegangenen November angepasst, erstmals per 1. Januar 2024. Es ist dabei auf ganze Franken auf- abzurunden. Der neue Unterhaltsbeitrag berechnet sich wie folgt:
Für den Fall, dass sich das Einkommen des Pflichtigen nicht in einem der Indexierung entsprechenden Umfang erhöht hat, erfolgt die Anpassung lediglich im Verhältnis der effektiven Lohnerhöhung. Beweisbelastet für eine geringere Einkommensveränderung ist der Pflichtige. 12. Der Ehemann schuldet der Ehefrau im Rahmen der Teilung der Guthaben aus beruflicher Vorsorge einen Betrag von CHF 1'254.80 per 14. Juli 2021. Die Personalvorsorgestiftung der D.___ AG [...], wird angewiesen, vom Vorsorgeguthaben des Ehemannes (AHV-Nr. [...]) den Betrag von CHF 1'254.80 (per 14. Juli 2021) auf d) der Ehefrau (AHV-Nr. [...]) bei der E.___ Freizügigkeitsstiftung, E.___, zu überweisen. 13. Güterrechtlich werden die Ehegatten wie folgt auseinandergesetzt: 13.1. Die Ehefrau hat dem Ehemann ihren Ehering zurückzugeben. 13.2. Im Übrigen wird festgestellt, dass die Ehegatten mit der heutigen Besitzstandwahrung güterrechtlich vollständig auseinandergesetzt sind. 14. Jeder Ehegatte hat seine Parteikosten selbst zu tragen. 15. Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin der Ehefrau, Rechtsanwältin Cornelia Dippon wird auf CHF 8'502.65 (Honorar CHF 7'704.00, Auslagen CHF 193.70 [wovon CHF 41.00 nicht mehrwertsteuerpflichtig] und MwSt CHF 604.95) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 3'687.65 (Differenz zu vollem Honorar von CHF 260.00/Std.), sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). 16. Die Gerichtskosten von CHF 3'000.00 werden den Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege der Ehefrau trägt ihren Anteil Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). 17. Das Urteil stützt sich auf die beigehefteten Berechnungstabellen. Sie bilden Bestandteil des Urteils.
2. Frist- und formgerecht erhob der Ehemann im Anschluss an die nachträgliche Zustellung der Entscheidbegründung Berufung gegen das Urteil mit folgenden Rechtsbegehren:
1. Ziff. 3, 4, 5, 6, 7 und 9 des Urteildispositivs vom Entscheid des Amtsgerichtspräsidenten des Richteramts Bucheggberg-Wasseramt im Verfahren BWZPR.2021.611 seien aufzuheben und es seien die Rechtsbegehren der Klageantwort vom 26. Oktober 2021 gutzuheissen, insbesondere: 1.1 Es sei der gemeinsame Sohn C.___ unter die Obhut des Berufungsklägers zu stellen. 1.2 Es sei der Kontakt von C.___ zur Berufungsbeklagten wie folgt zu regeln: Ab Rechtskraft Scheidungsurteil bis 31. Januar 2024: alternierend am Samstag bzw. Sonntag von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Ab 1. Februar 2024 bis 31. Juli 2025 jedes zweite Wochenende von Samstag, 9.00 Uhr, bis Sonntag, 17.00 Uhr. Zudem sei der Berufungsbeklagten ein Ferienrecht von zwei Wochen zu gewähren. Die Ferien seien mindestens zwei Monate im Voraus abzusprechen und seien nicht am Stück zu beziehen. Ab 1. August 2025 jedes zweite Wochenende von Freitag, 18.00 Uhr, bis Sonntag, 18.00 Uhr. Zudem sei der Berufungsbeklagten ein Ferienrecht von zwei Wochen zu gewähren. Die Ferien seien mindestens drei Monate im Voraus abzusprechen. 1.3. Die Beistandschaft für C.___ im Sinne der Verfügung des Richteramts Bucheggberg-Wasseramt vom 16. Juli 2021 sei nach erfolgter Obhutszuteilung des gemeinsamen Sohns an den Berufungskläger aufzuheben. 1.4. Die Berufungsbeklagte sei zu verpflichten, für C.___ monatlich im Voraus zu bezahlende Unterhaltsbeiträge zu bezahlen zzgl. allfälliger gesetzlicher und privater Kinderzulagen: Ab Rechtskraft Scheidungsurteil bzw. ab Umteilung der alleinigen Obhut bis 31. Juli 2025 sei die Unterdeckung des Barunterhalts von mindestens CHF 1'408. 00 festzuhalten. Ab 1. August 2025 bis 31. Januar 2032: mindestens CHF 870.00 Barunterhalt. Ab 1. Februar 2032 bis Abschluss Erstausbildung: mindestens CHF 1'060.00 Barunterhalt. Art. 277 ZGB sei vorzubehalten. Eventualantrag: Es sei die Unterdeckung festzuhalten. 1.5. Die Kindesunterhaltsbeiträge seien gerichtsüblich zu indexieren. 1.6. Die AHV-Erziehungsgutschriften seien dem Berufungskläger hälftig anzurechnen. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich MWST von 7.7 % zulasten der Beklagten.
Die Ehefrau stellt in ihrer Berufungsantwort die Anträge, die Berufung umfassend abzuweisen und eine Verhandlung anzuordnen.
3. Der Instruktionsrichter der Zivilkammer verfügte am 9. Dezember 2022 im Zusammenhang mit Anträgen zum Ferienrecht und den Aufgaben der Beistandschaft vorsorgliche Massnahmen für die weitere Dauer des Verfahrens. Innert der dafür angesetzten Frist reichte der Ehemann am 23. Januar 2023 eine Stellungnahme zur Berufungsantwort ein. Die Ehefrau nahm am 2. Februar 2023 unaufgefordert dazu Stellung.
4.1 Mit Verfügung vom 21. Februar 2023 lud der Instruktionsrichter die Parteien und die Beiständin F.___ zu einer Instruktionsverhandlung vor. Am 8. März 2023 verfügte er, dass anstelle der Beiständin F.___ deren Stellvertreterin G.___ befragt werde. Gestützt auf zwei weitere Eingaben der Parteien bewilligte der Instruktionsrichter sodann diverse neu eingereichte Berichte und zusätzlich die Befragung von H.___, welche die Besuchssonntage begleitet hatte, als Zeugin. Die übrigen Beweisanträge wies er ab.
4.2 Am 18. April 2023 fand die Instruktionsverhandlung statt, an der G.___ und F.___ als Zeuginnen einvernommen und eine Parteibefragung durchgeführt wurden. Eine einvernehmliche Lösung konnte nicht gefunden werden. Mit Verfügung vom 21. April 2023 wies der Instruktionsrichter die noch offenen Beweisanträge ab, insbesondere auch denjenigen auf Beizug der KESB-Akten betreffend der beiden vorehelichen Kinder I.___ und J.___. Von der Empfehlung Anordnung einer Mediation sah er ab. Weiter stellte er den Parteien die Protokolle der Instruktionsverhandlung zur Kenntnis zu und verfügte, das Urteil werde ohne weitere Verhandlung im schriftlichen Verfahren gefällt. Am 2. Mai 2023 reichte die Vertreterin der Ehefrau aufforderungsgemäss ihre Honorarnote ein. Der Vertreter des Ehemannes erklärte, die Festsetzung der Entschädigung dem richterlichen Ermessen zu überlassen, verbunden mit dem Hinweis, dass das Berufungsverfahren aussergewöhnlich umfangreich und zeitintensiv gewesen sei.
5. Die Streitsache ist spruchreif. Wie bereits vom Instruktionsrichter verfügt, kann in Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II. 1.1 Bei einer Scheidung befindet das Gericht auch über die Elternrechte und –pflichten. Dazu gehört insbesondere die Regelung der Obhut über die der Ehe entsprossenen Kinder (Art. 133 Abs. 1 Ziff. 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, ZGB, SR 210). Vorliegend ist umstritten, wem die Obhut über den Sohn C.___ zuzuweisen ist.
1.2 Die Zuteilung der Obhut hat dem Kindeswohl zu dienen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Obhut dem erziehungsfähigen Elternteil zuzuteilen. Erziehungsfähigkeit ist das wichtigste Kriterium für die Zuteilung der Obhut. Sind beide Elternteile erziehungsfähig, wird die tatsächliche Betreuungssituation berücksichtigt; dabei kommt es, insbesondere bei kleinen Kindern sowie bei Schulkindern, in erster Linie darauf an, welcher Elternteil die Möglichkeit und die Bereitschaft hat, sich persönlich um das Kind zu kümmern; zu berücksichtigen sind aber auch die Qualität und Kontinuität einer bestehenden Betreuungslösung. Weisen beide Elternteile auch hinsichtlich der Betreuungssituation des Kindes in etwa gleichwertige Voraussetzungen auf, ist auf die Stabilität der Verhältnisse abzustellen. Schliesslich ist auch ein vom Kind geäusserter Wunsch zur Zuteilung an einen Elternteil zu berücksichtigen. Zu diesen Kriterien können weitere hinzukommen, insbesondere die Kooperationsfähigkeit eines Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil, aber auch gegenüber Dritten, etwa der Schule weiteren Bezugspersonen des Kindes. Massgeblich ist eine Gesamtschau der konkret relevanten Gesichtspunkte. Während die Obhut in jedem Fall die Erziehungsfähigkeit des betreffenden Elternteils voraussetzt, sind die weiteren Beurteilungskriterien oft voneinander abhängig und je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Bedeutung. So spielen das Kriterium der Stabilität und dasjenige der Möglichkeit zur persönlichen Betreuung des Kindes bei Säuglingen und Kleinkindern eine wichtige Rolle. Geht es hingegen um Jugendliche, kommt der Zugehörigkeit zu einem sozialen Umfeld grosse Bedeutung zu. Die Kooperationsfähigkeit der Eltern wiederum verdient besondere Beachtung, wenn das Kind schulpflichtig ist. Geschwister sind nach Möglichkeit nicht zu trennen. Der Mutter kommt kein «natürlicher Vorsprung» zu, sondern es ist darauf abzustellen, welcher Elternteil die besseren Voraussetzungen zur Betreuung und Erziehung des Kindes bietet (Christiana Fountoulakis, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl. 2022, N 10 ff. zu Art. 133 ZGB, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).
2.1 Der Amtsgerichtspräsident erwog, weder die Mutter noch der Vater machten substantiiert geltend, der andere Elternteil sei nicht erziehungsfähig. Die Ehefrau arbeite zwei Nächte pro Woche im Alterszentrum [...] in [...]. Wenn sie arbeite, würden I.___ und C.___ gemäss dem von der Ehefrau als Urkunde 17 eingereichten Betreuungsvertrag von K.___ betreut. C.___ gehe zudem am Mittwoch von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr und am Donnerstag von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr in die Kita. C.___ werde somit acht Stunden pro Woche in der Kita betreut. Am Mittwoch habe die Ehefrau dadurch eine Entlastung und am Donnerstag begleite sie I.___ in die Therapie. Die Betreuung durch K.___ erfolge hauptsächlich in der Nacht, wenn die Kinder schliefen. Der Ehemann arbeite seit 1. Dezember 2021 Vollzeit. C.___ würde, während er arbeite, von seiner Mutter, der Grossmutter von C.___, der Gotte des Ehemannes und deren Mann sowie in der Kita betreut. Auch er selber möchte den Sohn unter der Woche betreuen und dafür einen zusätzlichen Tag frei nehmen und an den anderen Tagen früher aufhören. Der Arbeitgeber sei sehr offen und er könnte auch weniger – 65 bis 80 Prozent – arbeiten. Wie viel der Ehemann seinen Sohn effektiv persönlich betreuen werde, sei nicht klar. Insgesamt sei davon auszugehen, dass C.___ in der Obhut der Mutter mehr von dieser persönlich betreut werden werde als in der Obhut des Vaters von diesem.
C.___ lebe seit der Geburt zusammen mit seinem älteren Bruder I.___ bei der Mutter. Die Stabilität der örtlichen und familiären Verhältnisse spreche für eine Obhutszuteilung an die Mutter. Um selber einen eindeutigen Wunsch zu kommunizieren, sei C.___ noch zu jung. Er lebe zusammen mit seinem älteren Halbbruder I.___ bei der Mutter. Es sei davon auszugehen, dass beide Buben vom gemeinsamen Aufwachsen profitierten. Der Altersunterschied von sieben Jahren sei nicht so gross, dass die Bedürfnisse grundlegend anders wären. Auch werde nicht in Frage gestellt, dass eine emotionale Bindung zwischen den Brüdern bestehe. Der Grundsatz, dass Geschwister nach Möglichkeit nicht getrennt werden sollen, spreche dafür, dass C.___ unter der Obhut der Mutter bleiben sollte. Dass beide Eltern eine persönliche und von echter Zuneigung geprägte Bindung zu C.___ hätten, sei unbestritten.
Betrachte man alle diese Kriterien, komme man zum Schluss, dass beide Elternteile geeignet seien, die Obhut über C.___ auszuüben. Auf Seiten der Ehefrau falle jedoch ins Gewicht, dass sie den Sohn zu einem grösseren Teil, als dies beim Ehemann der Fall sei, persönlich betreuen könne. Auch die Tatsache, dass bei einer Obhutszuteilung an die Ehefrau die beiden Halbbrüder zusammen aufwachsen können, stelle einen Pluspunkt auf der Seite der Ehefrau dar.
2.2 Der Vorderrichter stellt weiter fest, dass der Ehemann nicht auf die vorstehenden Kriterien der Obhutszuteilung eingehe. Er stütze seine Argumentation hauptsächlich darauf, dass C.___ in der Obhut der Mutter in seiner geistigen und körperlichen Unversehrtheit gefährdet wäre. Er stütze seine Befürchtungen im Wesentlichen auf das im Rahmen des Strafverfahrens erstellte Gutachten. Er schliesse aus diesem Gutachten auf eine von der Ehefrau ausgehende Gefährdung des Kindswohls, sollte C.___ noch länger in ihrer Obhut sein. Sodann mache er wiederholt auf das vom Gutachter festgestellte manipulative Verhalten der Ehefrau aufmerksam. Das vom Ehemann erwähnte psychiatrische Gutachten vom 8. Juni 2020 sei im Rahmen einer gegen die Ehefrau geführten Strafuntersuchung wegen versuchter schwerer Körperverletzung zum Nachteil ihres späteren Ehemannes erstattet worden. Es sei nicht erstellt worden, um abzuklären, ob die Ehefrau geeignet sei, die Obhut über ihre Kinder auszuüben. Das Gutachten mache daher keine Aussagen zu den Kindern der Ehefrau und deren Fähigkeit diese zu betreuen. Zur Persönlichkeit der Ehefrau werde im Gutachten ausgeführt, sie sei in ihrer Entwicklungsgeschichte wiederholt mit Beziehungsabbrüchen und Gewalterfahrungen konfrontiert gewesen. Dabei habe sie ihre guten intellektuellen Ressourcen nutzen können und eine gute Schulbildung erhalten. Die polizeikundigen Beziehungskonflikte seien jeweils an objektivierbare Belastungen gekoppelt gewesen. Möglicherweise seien in den Beziehungen auch die kulturellen Unterschiede unterschätzt worden. Die Auffälligkeiten der Ehefrau stünden jedoch nicht in Zusammenhang mit einer episodisch auftretenden Erkrankung. Es scheine, dass die Ehefrau in Beziehungssituationen eher rasch in erhebliche Konflikte, die eskalierten und polizeiliche Interventionen erforderten, gerate. Ihre Fähigkeit zur Deeskalation in Konfliktsituationen sei unzureichend. Demgegenüber sei die Bereitschaft, sich auf eine Therapie einzulassen, vorhanden und ihre Einsicht, dass eine Therapie sinnvoll sei, sei gewachsen, wobei ihre gute Intelligenz und ihr Verbalvermögen den Therapieprozess begünstigen würden. Im Gutachten sei nirgends die Rede davon, dass die älteren Kinder der Ehefrau aufgrund eines bestimmten Verhaltens der Ehefrau traumatischen Erlebnissen ausgesetzt durch das Verhalten der Ehefrau gefährdet gewesen wären. In der Folge setzt sich der Amtsgerichtspräsident mit dem Inhalt der von ihm beigezogenen KESB-Akten und verschiedenen Berichten neueren Datums auseinander, die ebenfalls keine Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung enthielten. Im Einzelnen kann dafür auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil (S. 12 ff.) verwiesen werden.
2.3 Zusammenfassend hält der Vorderrichter fest, die Argumente für eine Obhutszuteilung an die Ehefrau würden überwiegen. Einerseits vermöge sie den Sohn zu einem grösseren Teil als der Ehemann persönlich zu betreuen und andererseits könnten so die beiden Halbbrüder zusammen aufwachsen. Das vom Ehemann gezeichnete Bild der Ehefrau als einer aggressiven und unberechenbaren Person sei entkräftet worden. Das Gutachten basiere auf einer anderen Ausgangslage, da es im Rahmen eines Strafverfahrens erstellt worden sei und somit keinen Aufschluss über die Eignung der Ehefrau als hauptbetreuender Elternteil gebe. Im Gutachten finde sich kein Hinweis darauf, dass die Ehefrau gegenüber den Kindern gewalttätig geworden wäre und diesbezüglich Handlungsbedarf bestünde. Die Ehefrau besuche regelmässig psychotherapeutische Therapiesitzungen, womit die vom Gutachter mit einem Fragezeichen versehene Therapiebereitschaft als gefestigt anzusehen sei. Das manipulative Verhalten, auf welches der Gutachter diesbezüglich hingewiesen habe, habe sich nicht gezeigt. Die Ehefrau sei bereit, an sich zu arbeiten und habe diesen Willen bewiesen. Der Gutachter habe die Ehefrau an vier Terminen im Jahr 2020 gesehen. Die Hebamme L.___ habe die Ehefrau nach der Geburt von C.___ im Januar 2021 während mehreren Wochen - erst zweimal täglich, später einmal täglich - besucht und sei bis heute bei den Übergaben des Sohnes dabei. L.___ sei beauftragt gewesen, zu beobachten, wie die Ehefrau den Alltag mit zwei Kindern bewältige. Sie habe festgestellt, dass sie das sehr gut mache. Auch den aktuellsten Berichten von März 2022 könne entnommen werden, dass die Ehefrau gut zu ihren Kindern schaue, angebotene Hilfe annehme und mit den involvierten Fachpersonen zusammenarbeite. Die problematische Persönlichkeit der Ehefrau trete dann hervor, wenn es um die Übergaben von C.___ an den Ehemann im Rahmen des Besuchsrechts gehe. Die Fachpersonen des Helfernetzes hätten in diesem Zusammenhang aber auch festgestellt, dass sich die Ehegatten bei diesen Eskalationen in nichts nachstünden. Da die Parteien ein Leben lang die Eltern von C.___ blieben, würden sie sich – bei welchem Elternteil auch immer die Obhut sein werde – über Kinderbelange austauschen müssen und es würden Besuche des nichtobhutsberechtigten Elternteils stattfinden, an welchen sie sich begegneten. Erst mit fortgeschrittenem Alter von C.___ werde dieser selbständig von einem Elternteil zum andern gehen können und eine physische Begegnung werde nicht mehr notwendig sein. Auch die Obhutszuteilung an den Ehemann würde also die konfliktbeladene Situation bei den Übergaben nicht entschärfen. Es spreche somit alles für die Zuteilung der Obhut von C.___ an die Ehefrau und Mutter.
3.1 Der Ehemann rügt mit seiner Berufung im Wesentlichen, die Vorinstanz unterlasse es, wesentliche Vorbringen von seiner Seite zur Frage des Kindeswohls zu würdigen. Seine Bedenken würden ignoriert und sie würdige auch das Gutachten willkürlich. Im Gutachten werde darauf hingewiesen, dass die beiden vorehelichen Kinder der Berufungsbeklagten, J.___ und I.___, immer wieder Zeugen der Gewaltausbrüche der eigenen Mutter geworden seien. Die Vorinstanz verkenne offensichtlich, dass das Miterleben von Gewalt für die Kinder nie ohne Auswirkungen bleibe. Dass sie meine, die älteren Kinder seien keinen traumatischen Erlebnissen ausgesetzt gewesen, grenze an Hohn und zeige auf, dass die Vorinstanz den Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen habe. Alleine der Umstand, dass die Kinder nachgewiesenermassen Zeugen der Gewalt geworden seien, beweise die Gefährdung des Kindeswohls. Obschon bei beiden vorehelichen Kinder die KESB habe intervenieren müssen, habe sie es nicht für nötig befunden, die beantragten KESB-Akten beizuziehen. Das Gericht habe die Gefährdungssituation bei C.___ unzureichend abgeklärt und schütze das Kind nicht. Weshalb die Ehefrau am Mittwoch eine Entlastung benötige, werde nicht weiter ausgeführt. Es liege der Verdacht nahe, dass die Kinderbetreuung für die Berufungsbeklagte eine objektive «Trigger Situation» darstellen könne. Er selber arbeite seit 1. Dezember 2021 Vollzeit. Er wolle sodann für seinen Sohn sein Arbeitspensum herunterfahren, damit er ihn auch unter der Woche persönlich betreuen könne. Wie viel er seinen Sohn effektiv persönlich betreuen werde, sei für die Vorinstanz nicht klar. Es sei unverständlich, wieso die Vorinstanz, wo sie doch die persönliche Betreuung als ausschlaggebend erachte, nicht genau abkläre, wie viel er seinen Sohn persönlich betreuen werde. Das Scheidungsgericht verletze somit Art. 277 Abs. 3 ZPO.
C.___ sei aktuell rund zweijährig und jedes zweite Wochenende bei ihm in [...]. Er kenne die örtlichen und familiären Verhältnisse bei seinem Vater. Das Argument der Stabilität habe dementsprechend nicht stark ins Gewicht zu fallen. Mit Blick auf das Kindeswohl seien anderweitige Faktoren wichtiger. Entscheidend sei, bei welchem Elternteil das Kind aller Wahrscheinlichkeit nach am besten aufgehoben sein werde und welcher Elternteil aller Voraussicht nach auf längere Sicht ein dem Kindeswohl günstiges, stabiles Milieu zu bieten vermöge. Das sei bei ihm der Fall. Gegen die Ehefrau sei Anklage wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, eventuell vorsätzliche schwere Körperverletzung, subeventuell versuchte schwere Körperverletzung zu seinem Nachteil erhoben worden. Auch sei sie wegen Tätlichkeit zum Nachteil von C.___ verurteilt worden. Werde die Ehefrau zu einer Gefängnisstrafe verurteilt gar ausgeschafft, werde sie sich nicht um C.___ kümmern können. Auf lange Sicht sei es somit auch betreffend Stabilität der örtlichen und familiären Verhältnisse unabdingbar, die Obhut ihm zu übertragen. Er habe ein stabiles Umfeld und einen sicheren Arbeitsplatz.
Nachweislich falsch sei die Feststellung der Vorinstanz, er habe nicht substantiiert geltend gemacht, die Ehefrau sei nicht erziehungsfähig. In der Klageantwort habe er – wie bereits auch in seiner Stellungnahme zum Eheschutzgesuch - genauestens ausgeführt, weshalb der gemeinsame Sohn unter der Obhut der Kindsmutter einer latenten Kindeswohlgefährdung ausgesetzt und die Ehefrau somit nicht erziehungsfähig sei. Insbesondere habe er auf die ständige Gefahr hingewiesen, welcher die Kinder durch das hohe Gewaltrisiko ausgesetzt gewesen seien. Ebenso habe er erwähnt, dass auch die Beiständin von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgehe, wenn die Ehefrau nicht durch staatlich eingerichtete und staatlich finanzierte Helfer unterstützt werde.
3.2 Der Berufungskläger führt weiter aus, er habe sich entgegen der Darstellung im angefochtenen Urteil in der Klageantwort sehr wohl auch zu den Fragen der persönlichen Betreuung und der Stabilität der örtlichen und familiären Verhältnisse geäussert. Die Ehefrau könne die persönliche Betreuung des Kindes nur durch Unterstützung eines grossen staatlichen Helfernetzes bewerkstelligen. Aufgrund des Gleichwertigkeitsgrundsatzes zwischen Eigen- und Fremdbetreuung könne die Ehefrau daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Das Argument, die beiden Halbgeschwister könnten bei einer Zuteilung an die Mutter zusammen aufwachsen, werde dadurch entkräftigt, dass es damals keine Alternative gegeben habe. Ob Carlos sich auch in der Obhut der Ehefrau befinden würde, wäre sein Vater nicht verstorben, sei mehr als fraglich.
Wenn die Vorinstanz aufgrund der Berichte der Beiständin, der Hebamme und der Familienbegleiterin zum Ergebnis komme, es liege keine Kindeswohlgefährdung vorliege, lasse sie ausser Acht, dass sich die Ehefrau momentan in keiner Beziehung befinde. Irritierend sei zudem, dass der Einschätzung der Hebamme, L.___, die über keine höhere Ausbildung zur Einschätzung der Situation verfüge, zu Anzeichen einer psychischen Erkrankung, einer Impulsstörung eines aggressiven Verhaltens mehr Glauben geschenkt werde als der Meinung des Gutachters als Experte auf diesen Gebieten. Die Hebamme kenne die Vorgeschichte der Ehefrau nicht und könne deshalb keine Angaben zum Vorhandensein psychischer Erkrankungen Impulsstörungen machen. Zu beachten sei, dass im psychiatrischen Gutachten explizit neben dem manipulativen Verhalten auch das teilweise scheinbar unauffällige Verhalten der Ehefrau als Teil der Diagnose der psychischen Störung hervorgehoben werde. Die nicht fachgerechten Berichte des Helfernetzes stellten bloss eine Momentaufnahme dar und enthielten keine Angaben darüber, wie sich die Berufungsbeklagte in Zukunft und im Rahmen einer Beziehung verhalten werde. Die Vorinstanz gehe auf die im Gutachten bestätigte hohe Rückfallgefahr der Ehefrau mit keinem Wort ein. Es sei wohl unbestritten, dass die Ehefrau in Zukunft wieder eine Beziehung eingehen werde. Folglich bestehe ein hohes Risiko, dass es in ihrem Haushalt zu erneuter Gewalt vor den Augen der Kinder komme.
3.3 Der Ehemann und Berufungskläger macht weiter geltend, er sei in der Lage, dem gemeinsamen Sohn ohne das grossangelegte staatliche Helfernetz ein sicheres und liebevolles Zuhause zu bieten, weshalb die Obhutszuteilung an ihn vorrangig zur Beibehaltung des Helfernetzes zu erfolgen habe. Alleine die Tatsache, dass bereits nach der Geburt ein engmaschiges Helfernetz habe installiert werden müssen, zeige, dass ihre Erziehungsfähigkeit in Frage gestellt worden sei. Bei ihm hingegen wären solche Massnahmen nicht nötig geworden. Dass die Vorinstanz mit ihrer Vermutung, das Wohl des Kindes sei bei der Mutter nicht gefährdet, falsch liege, lasse sich mit dem Strafbefehl vom 4. Oktober 2022 beweisen, in welchem die Mutter der Tätlichkeit zum Nachteil von C.___ für schuldig befunden worden sei. Die Ehefrau sei leider nach wie vor unberechenbar und gefährde mit ihrer Impulsivität sogar das eigene Kind. Auch am 28. Oktober 2022 habe er bei der Vorbereitung der Rückreise zur Mutter beim Sohn ein ungewöhnliches Verhalten festgestellt. Es sei traurig, dass zuerst etwas passieren müsse, bevor reagiert werde. Trotz aller Hinweise, dass die Mutter als Obhutsinhaberin nicht geeignet sei und trotz des Gutachtens, das ihr hohe Rückfallgefahr attestierte, sei C.___ in der Obhut der Mutter belassen worden. Die Vorinstanz stelle richtig fest, dass seine eigene Erziehungsfähigkeit gegeben sei. Das Wohl des Kindes sei in seiner Obhut gesichert, was auch die Berichte der begleiteten Besuchssamstage aufzeigten.
4.1 Der Amtsgerichtspräsident prüfte bei seinem Entscheid über die Zuteilung alle nach der Rechtsprechung dafür massgebenden Kriterien. An seiner Würdigung ist nichts auszusetzen und es kann grundsätzlich vollumfänglich auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Was der Ehemann und Berufungskläger dagegen vorbringt, vermag daran nichts zu ändern. Mit seiner Berufung und den damit verbundenen Vorwürfen stellt er im Wesentlichen die Erziehungsfähigkeit der Ehefrau und Mutter in Frage. Im Rahmen der Parteibefragung vor dem Instruktionsrichter bestritt er die Erziehungsfähigkeit der Ehefrau indessen nicht mehr. Er bemerkte, im Grossen und Ganzen sei seine Exfrau schon in der Lage, C.___ kindgerecht zu erziehen. Nachdem er zunächst sagte, die Frage, ob der Sohn es bei ihm besser habe als bei der Mutter, sei schwer zu beantworten (Protokoll der Parteibefragung des Ehemannes vom 18. April 2023, Rz 8 f.), meinte er später, er sei der Meinung, der Sohn wäre bei ihm besser aufgehoben (Rz 37 f.). Zusätzlich zu den von der Vorinstanz bereits erwähnten Berichten enthält auch der Schlussbericht zur Familienbegleitung durch M.___ vom 30. Dezember 2022 ein sehr positives Résumé: «… Der Familienverlauf gestaltete sich weiterhin sehr erfreulich…Das Familiensystem ist nun gut stabilisiert und es besteht eine altersgemässe und sichere Tagesstruktur für I.___ und C.___. I.___ und C.___ geht es gut und sie entwickeln sich altersgemäss und gesund. I.___ hat gute Freunde gefunden und schulisch grosse Fortschritte gemacht. Er geht nun gerne zur Schule. B.___ ist eine verantwortungsvolle und engagierte Mutter, welche sich jederzeit für das Wohlergehen und eine gesunde Entwicklung von I.___ und C.___ einsetzte und weiterhin einsetzt. Es kann der Mutter viel Wertschätzung ausgesprochen werden für ihr unermüdliches Engagement zum Wohl ihrer Kinder und als alleinerziehende Mutter in einer sehr komplexen Familiengeschichte» (Beilage 20 der Berufungsbeklagten). Auch die Zeugin G.___ bestätigte anlässlich der Befragung durch den Instruktionsrichter das Resultat der verschiedenen Berichte und dass sich das Kind gut entwickle. Beide Eltern seien erziehungsfähig (Protokoll der Befragung von G.___ vom 18. April 2023, Rz 22 f. und 37 f.). Die vom Ehemann beantragte Zeugin H.___, die mit der Begleitung des Besuchsrechts betraut war, bezeichnete die Ehefrau als wohlwollende Mutter, die C.___ für die Besuche ermuntert habe. Wenn etwas mit dem Kind gewesen sei, habe sie geschaut und das mitgeteilt (Protokoll der Befragung von H.___ vom 18. April 2023, Rz 13 und 18).
Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, äussert sich das im Strafverfahren gegen die Ehefrau erstellte Gutachten von Dr. N.___ vom 8. Juni 2020 (vorinstanzliche Urkunde 11 des Ehemanns) nicht zur Erziehungsfähigkeit der Ehefrau. Für die Frage der Obhut kann deshalb nichts zuungunsten der Erziehungsfähigkeit der Ehefrau daraus abgeleitet werden. Immerhin bemerkte der Gutachter im Rahmen der Beantwortung der Ergänzungsfragen am 28. Oktober 2020, dass die Therapie positiv verlaufe (Beilage 2 der Berufungsbeklagten). Diese Entwicklung wird durch den aktuellen Therapieverlaufsbericht von N.___ vom 28. Dezember 2022 bekräftigt (Beilage 21 der Berufungsbeklagten). Dass die Ehefrau mit Strafbefehl vom 4. Oktober 2022 infolge einer Auseinandersetzung am 10. Juli 2022 mit dem Ehemann, bei der auch C.___ im Kinderzimmer zugegen war, rechtskräftig wegen Tätlichkeiten zu einer Busse von CHF 200.00 verurteilt wurde, ändert daran nichts. Auch der Ehemann wurde wegen derselben Auseinandersetzung verurteilt, und zwar sogar zu einer Geldstrafe (5 Tagessätze wegen Beschimpfung und Tätlichkeiten; Beilagen 34 und 35 der Berufungsbeklagten). Dass die Strafsache gegen den Ehemann wegen seiner Einsprache bis anhin noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und er daher (noch) von der Unschuldsvermutung profitieren kann, ändert daran ebenfalls nichts. Die Auseinandersetzung zeigt einzig, dass die Kommunikation und der Umgang der Parteien miteinander besonders herausfordernd sind, was unter anderem auch die Zeugin G.___ bestätigt hatte (Protokoll der Befragung von G.___ vom 18. April 2023, Rz 40 f.). Alles in allem bleibt es dabei, dass nicht nur der Ehemann, sondern genau gleich auch die Ehefrau als erziehungsfähig zu qualifizieren ist. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beizug von KESB-Akten, welche die beiden vorehelichen Kinder betreffen, an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermöchte. Aus dem gleichen Grund braucht auch die vom Ehemann aufgeworfene Frage, ob die Ehefrau wieder einmal eine Beziehung eingehen werde, nicht weiter vertieft zu werden.
4.2 Der Amtsgerichtspräsident geht weiter zu Recht davon aus, dass C.___ mehr von der Ehefrau persönlich betreut werden kann als vom Ehemann. Dessen Vorwurf, der Vorderrichter habe nicht genau abgeklärt, wie viel er seinen Sohn persönlich betreuen würde, fällt auf ihn selber zurück. Es wäre an ihm, ein hieb- und stichfestes Betreuungskonzept vorzulegen. Das unterlässt er indessen auch im Berufungsverfahren. Im Rahmen der Parteibefragung erklärte er zwar, er könnte sein Arbeitspensum reduzieren und sei auch schon mit Kitas in Kontakt gewesen. Zudem könnte sein bester Freund, der gerade eine Tochter bekommen habe, einspringen und auch seine 78-jährige Mutter würde einen halben Tag übernehmen (Parteibefragung des Ehemannes vom 18. April 2023, Rz 12 ff.). Diese Angaben sind aber zu vage, um gegen die eingespielte und mittlerweile bewährte Betreuung durch die Ehefrau und Mutter aufzukommen. Daran ändert auch das Urteil in der Strafsache gegen die Ehefrau nichts. Der Ehemann, der als Opfer dieser Auseinandersetzung nachträglich das Desinteresse an der Strafuntersuchung erklärt und die Ehefrau geheiratet hatte, ging in seiner Berufung davon aus, dass der Ehefrau eine lange Gefängnisstrafe und anschliessend der obligatorische Landesverweis drohten. Mit dem in der Zwischenzeit vorliegenden Urteil des Amtsgerichts vom 6. Februar 2023 wurde die Ehefrau wegen fahrlässiger Körperverletzung und qualifizierter einfacher Körperverletzung (bloss) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und eine ambulante Behandlung angeordnet. Ein Landesverweis wurde nicht ausgesprochen (Beilage 27 der Berufungsbeklagten). Auch wenn dieser Entscheid noch nicht rechtskräftig sein sollte, vermag er daher nichts an der vorinstanzlichen Einschätzung, die Möglichkeiten zur persönlichen Betreuung durch die Ehefrau seien besser als beim Ehemann, zu ändern.
4.3 Die Zuteilung der Obhut an den Ehemann hätte eine Trennung der beiden Halbbrüder C.___ und I.___ zur Folge. Dass die beiden – wie bereits der Amtsgerichtspräsident feststellte – eine emotionale Bindung zueinander haben, wird vom Ehemann nicht ernsthaft in Frage gestellt. Die vom Instruktionsrichter befragten Zeuginnen berichteten ebenfalls nichts Anderes. Auch dies spricht für eine Zuteilung von C.___ an die Ehefrau. Dasselbe gilt für das Kriterium der Bereitschaft, mit dem anderen Elternteil in Kinderbelangen zusammenzuarbeiten. Diese Bereitschaft scheint bei der Ehefrau grösser zu sein als beim Ehemann. L.___ jedenfalls hatte sich entschieden, die Besuchsbegleitungen aufzugeben und dabei bemerkt, dass sie diesen Entscheid der Art und Weise des Ehemannes anlaste (Beilage 15 der Berufungsbeklagten). Von den Übergaben des Sohnes hatte der Ehemann offenbar Videoaufnahmen angefertigt, die er im Berufungsverfahren als Beweismittel einreichen wollte. Er hatte auch sonst während des gesamten Verfahrens versucht - entgegen den Ergebnissen der diversen Berichte – die Ehefrau und Mutter mit grosser Hartnäckigkeit schlecht zu machen, um damit ihre Erziehungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Es fällt ihm offensichtlich schwerer, von der eigentlichen Ehestreitigkeit zu abstrahieren und in den Kinderbelangen konstruktiv mit der Mutter umzugehen.
4.4 Wie der Amtsgerichtspräsident zutreffend erwog, überwiegen damit die Argumente für eine Zuteilung der Obhut an die Ehefrau. Die Vorbringen des Berufungsklägers sind unbegründet. Die Berufung gegen Ziffer 3 des angefochtenen Entscheids ist abzuweisen.
5. Die Anträge des Berufungsklägers zu den ebenfalls angefochtenen Urteilsziffern 4 (Kontaktrecht), 5 (Beistandschaft), 6 und 7 (Kindesunterhalt) sowie 9 (Erziehungsgutschriften) beziehen sich auf den Fall, dass die Obhut über C.___ ihm zugewiesen wird. Weil die Obhut jedoch bei der Ehefrau bleibt, ist die Berufung gegen diese Ziffern ohne Weiteres ebenfalls abzuweisen. Da die Ehefrau eine Verschiebung der Rückgabezeit von 17.00 auf 18.00 Uhr nicht wünscht, rechtfertigt sich auch eine Anpassung in diesem Punkt nicht. Zudem stellt der Ehemann in dieser Hinsicht gar keinen formellen Antrag und er beantragt für den umgekehrten Fall (Obhut bei ihm) – jedenfalls bis 31. Juli 2025 - als Rückgabezeit ebenfalls 17.00 Uhr.
6. Die Berufung ist unbegründet und vollumfänglich abzuweisen. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens gehen dem Ausgang entsprechend zu Lasten des Ehemannes. Die Gerichtskosten betragen inklusive den Auslagen total CHF 2'500.00 und können mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet werden. Die von ihm der Ehefrau zu bezahlende Parteientschädigung ist gestützt auf die beiden von deren Vertreterin eingereichten Kostennoten (CHF 1'787.05 für das Massnahmeverfahren betreffend Ferien und CHF 7'902.30 für das Berufungsverfahren) auf CHF 9'689.35 (inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen. Wie beantragt, ist der Ehefrau die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu bewilligen. Die Berechnung der Ausfallhaftung beruht auf Stundenansätzen von CHF 180.00 bis 31. Dezember 2022 und CHF 190.00 ab 1. Januar 2023.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 2'500.00 hat A.___ zu tragen. Sie werden mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 3. A.___ hat B.___, vertreten durch die unentgeltliche Rechtsbeiständin Rechtsanwältin Cornelia Dippon, für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 9'689.35 zu bezahlen. Für einen Betrag von CHF 7'026.20 besteht während zweier Jahre eine Ausfallhaftung des Staates. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 2’663.15 (Differenz zu vollem Honorar), sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Hunkeler Schaller
Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 22. Mai 2024 die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gutgeheissen (BGer 5A_474/2023) und das Urteil der Zivilkammer des Obergerichts aufgehoben. |
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