Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2022.82: Verwaltungsgericht
Die Zivilkammer des Obergerichts hat in einem Eheschutzverfahren zwischen A.___ (Ehemann) und B.___ (Ehefrau) entschieden. Es ging um die Regelung der Obhut und des Unterhalts für ihre Kinder C.___ und D.___. Nach verschiedenen Verhandlungen und einer Mediation wurde ein Urteil gefällt, das unter anderem die Unterhaltsbeiträge für die Kinder festlegte. Der Ehemann erhob Berufung gegen Teile des Urteils, insbesondere bezüglich der Unterhaltsregelung. Die Berufungsklägerin, die Ehefrau, beantragte, die Berufung abzuweisen. Das Obergericht entschied teilweise zugunsten der Berufung des Ehemannes und legte die Unterhaltsbeiträge neu fest. Die Kosten des Verfahrens wurden den Parteien je zur Hälfte auferlegt, und beiden wurde die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2022.82 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 27.06.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Unterhalt; Kinder; Berufung; Phase; Ehemann; Ehefrau; Massnahme; Recht; Urteil; Eheschutz; Ziffer; Unterhaltsbeiträge; Amtsgerichtspräsident; Parteien; Obhut; Massnahmen; Berufungskläger; Verfügung; Eltern; Regelung; Apos; Verfahren; Kinderzulage; Kinderzulagen; Unterhaltsbeitrag; Phasen; Ziffern; Einkommen; Ehegatte |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 176 ZGB ;Art. 285a ZGB ;Art. 296 ZPO ;Art. 303 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2022.82 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 27.06.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.69 |
Titel: | Eheschutz |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 27. Juni 2023 Es wirken mit: Oberrichter Müller Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Hasler In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Bernadette Gasche,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwalt David Stämpfli,
Berufungsbeklagte
betreffend Eheschutz zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1.1 A.___ (nachfolgend: Ehemann) und B.___ (nachfolgend: Ehefrau) führten vor Richteramt Olten-Gösgen ein Eheschutzverfahren, das die Ehefrau am 1. September 2020 angehoben hatte. Im Anschluss an eine erste Eheschutzverhandlung verpflichtete der Amtsgerichtspräsident den Ehemann mit Verfügung vom 11. Dezember 2020 vorsorglich für die Dauer des Verfahrens, der Ehefrau für die gemeinsamen Kinder C.___ (geb. [...] 2014) und D.___ (geb. [...] 2016) monatliche Barunterhaltsbeiträge ab Januar 2021 von je CHF 1'012.00 und ab Februar 2021 von je CHF 349.00 zu bezahlen (Ziffer 2 der Verfügung). Gleichzeitig empfahl er den Parteien eine Mediation zur Vereinbarung in den Kinderbelangen (Ziffer 3). Die Verfügung blieb – nachdem der Amtsgerichtspräsident den Parteien am 5. Februar 2021 nachträglich die schriftliche Entscheidbegründung zugestellt hatte – unangefochten.
1.2 Die Ehegatten unterzeichneten im Rahmen der Mediation am 8. April 2021 eine Elternvereinbarung (AS 147 ff.). Sie vereinbarten insbesondere, die Obhut und der gesetzliche Wohnsitz von C.___ sollten beim Vater und die Obhut und der gesetzliche Wohnsitz von D.___ bei der Mutter sein (Ziffer 4.1 der Vereinbarung). Im Hinblick auf den Unterhalt hielten sie fest, dieser sei im Rahmen des Eheschutzverfahrens mit Verfügung vom 11. Dezember 2020 geregelt worden. Grundlage der gerichtlichen Unterhaltsberechnung sei die alternierende Obhut für C.___ und D.___ zu je 50 % gewesen (Ziffer 6.1). Nachdem die der gerichtlichen Unterhaltsberechnung zugrunde liegende Betreuungsregelung nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entspreche und sich zwischenzeitlich auch andere Parameter verändert hätten, sei auch die Unterhaltsregelung an die neuen Verhältnisse anzupassen (Ziffer 6.2). Die Eltern beantragten daher dem Gericht, den Unterhalt für C.___ und D.___ in dem Sinne neu festzulegen, dass der Ehemann künftig für den Unterhalt von C.___ direkt aufkommt und der Ehefrau an den Unterhalt von D.___ den Betrag von monatlich CHF 349.00 bezahlt (Ziffer 6.3).
1.3 Der Amtsgerichtspräsident hob in der Folge mit Verfügung vom 25. Mai 2021 die zuvor angeordnete Sistierung des Verfahrens auf und hielt fest, die von den Parteien mit der Elternvereinbarung getroffenen Regelungen könnten grundsätzlich zum Urteil erhoben beziehungsweise genehmigt werden. Weiter lud er die Kinder zu einer Anhörung ein. Am 14. Oktober 2021 fand eine weitere Eheschutzverhandlung statt und auch die Kinder wurden nochmals angehört. Gestützt auf eine entsprechende Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten reichten die Parteien am 24. November 2021 in Bezug auf den Unterhalt schriftliche Schlussvorträge ein. Die Ehefrau beantragte dabei, den Ehemann gemäss der Mediationsvereinbarung zur Zahlung an sie von CHF 349.00 pro Monat exkl. Kinderzulagen für den Sohn D.___ zu verpflichten (AS 251). Der Ehemann stellte im Wesentlichen die Anträge, die Ehefrau zu verpflichten, für die beiden Kinder einen angemessenen Barunterhalt, mindestens jedoch CHF 750.00 pro Kind, zuzüglich allfällige Kinderzulagen, auszurichten. Darüber hinaus sei festzustellen, dass sich die Parteien gegenseitig keinen persönlichen Unterhaltsbeitrag schulden (AS 255).
1.4 Der Amtsgerichtspräsident fällte am 28. Januar 2022 folgendes, im Dispositiv eröffnetes Urteil:
1. (Getrenntleben). 2. (Zuweisung eheliche Liegenschaft). 3. Die gemeinsame Tochter C.___ (geb. [...]2014) wird für die Dauer des Getrenntlebens unter alleinige Obhut des Vaters, der gemeinsame Sohn D.___ (geb. [...]2016) unter die alleinige Obhut der Mutter gestellt. 4. (Kontakt- und Ferienrecht). 5. (Weisung). 6. Der Vater wird verpflichtet, an den Unterhalt der Kinder monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen: 6.1. Phase I 1. November 2020 bis 31. März 2021 Für C.___: CHF 1'250.00; davon CHF 376.00 BarU + CHF 875.00 BetU Für D.___: CHF 1'250.00; davon CHF 376.00 BarU + CHF 875.00 BetU 6.2. Phase II 1. April 2021 bis 30. April 2021 Für D.___: CHF 992.00; davon CHF 815.00 BarU + CHF 177.00 BetU 6.3. Phase III: 1. Mai 2021 bis 31. Oktober 2021 Für D.___: CHF 975.00; davon CHF 801.00 BarU + CHF 174.00 BetU 6.4. Phase IV: 1. November 2021 bis 31. März 2024 Für D.___: CHF 1’123.00; davon CHF 917.00 BarU + CHF 206.00 BetU 6.5. Phase V: 1. April 2024 bis 30. April 2026 Für D.___: CHF 1’079.00; davon CHF 883.00 BarU + CHF 196.00 BetU 6.6. Phase VI: 1. Mai 2026 bis 31. Juli 2028 Für D.___: CHF 1’268.00; davon CHF 1’050.00 BarU + CHF 218.00 BetU 6.7. Phase VII: 1. August 2028 bis 31. März 2030 Für D.___: CHF 1’064.00 BarU 6.8. Phase VIII: 1. April 2030 bis 30. April 2032 Für D.___: CHF 1’274.00 BarU 6.9. Phase IX: 1. Mai 2032 bis 31. Mai 2034 Für D.___: CHF 1’357.00 BarU
Die Berechnung basiert auf der Annahme, dass der Ehemann die Kinder- und Ausbildungszulagen für D.___ bezieht. Falls der Ehemann ab Phase II keine Kinder- Ausbildungszulagen für D.___ mehr bezieht, so ist er berechtigt, während der Phasen II bis VIII CHF 200.00 und in Phase IX CHF 250.00 in Abzug zu bringen. Bei der Phase I sind die durch den Ehemann bezogenen Kinderzulagen bereits berücksichtigt und nicht zusätzlich geschuldet. Die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern dauert bis zur Volljährigkeit. Vorbehalten bleiben Art. 276 Abs. 3 und Art. 277 Abs. 2 ZGB. 7. Der Ehemann wird verpflichtet, der Ehefrau folgenden monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag zu bezahlen: 7.1 Phase I 1. November 2020 bis 31. März 2021 Null 7.2 Phase II 1. April 2021 bis 30. April 2021 CHF 287.00 7.3 Phase III: 1. Mai 2021 bis 31. Oktober 2021 CHF 261.00 7.4 Phase IV: 1. November 2021 bis 31. März 2024 CHF 491.00 7.5 Phase V: 1. April 2024 bis 30. April 2026 CHF 424.00 7.6 Phase VI: 1. Mai 2026 bis 31. Juli 2028 CHF 358.00 7.7 Phase VII: 1. August 2028 bis 31. März 2030 Null 7.8 Phase VIII: 1. April 2030 bis 30. April 2032 CHF 14.00 7.9 Phase IX: ab 1. Mai 2032 Null 8. (Herausgabebegehren). 9.-12. (Kosten- und Entschädigungen).
2. Das nachträglich schriftlich begründete Urteil wurde dem Ehemann am 10. Oktober 2022 zugestellt. Frist- und formgerecht erhob er (nachfolgend auch: Berufungskläger) dagegen Berufung. Er stellt die folgenden Rechtsbegehren:
1. Die Ziffern 6 und 7 des Urteils vom 28.01.2022 des Richteramtes Olten-Gösgen seien aufzuheben. 2. a) Die Ziffern 6.1.-6.3. seien ersatzlos aufzuheben und festzustellen, dass für die Zeit ab Trennung bis zum 31.01.2022 die vorsorglichen Massnahmen gemäss gerichtlicher Verfügung vom 05.02.2021 (recte: 11. Dezember 2020) gelten. Eventualiter: der Berufungskläger sei zu verpflichten, für die Kinder C.___ (geb. [...].2014) und D.___ (geb. [...]2006) im Haushalt der Berufungsbeklagten monatliche und monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen: 01.11.2020 - 31.01.2021 pro Kind CHF 376.00 Ab 01.02.2021 pro Kind CHF 17.00 b) Der Berufungskläger sei in Abänderung von Ziffer 6.4. zu verpflichten, für die Kinder C.___ (geb. [...]2014) und D.___ (geb. [...]2006) im Haushalt der Berufungsbeklagten mit Wirkung ab 01.02.2022 bis auf weiteres monatliche und monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je CHF 17.00 zu bezahlen und es sei festzustellen, dass die Kinderzulagen den Kindern im Haushalt des Vaters zustehen. c) Die Ziffern 6.5.-6.9. (Phasen V-IX) seien ersatzlos aufzuheben. 3. a) Es sei festzustellen, dass der Berufungskläger zu Gunsten der Berufungsbeklagten keinen monatlichen persönlichen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen hat. b) Die Ziffern 7.5.-7.9. (Phasen V-IX) seien ersatzlos aufzuheben. 4. Eventualiter: Die Angelegenheit sei zur Neuberechnung der Unterhaltsbeiträge zu Gunsten der Kinder sowie zu Gunsten der Berufungsbeklagten an die Vorinstanz zurückzuweisen. 5. Dem Berufungskläger sei für das obergerichtliche Berufungsverfahren das Recht zur unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung der Unterzeichnenden als amtliche Anwältin zu gewähren. 6. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Die Ehefrau (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) beantragt in ihrer Berufungsantwort, die Berufung vollumfänglich abzuweisen. Weiter ersucht auch sie für das Berufungsverfahren um Gewährung der vollumfänglichen unentgeltlichen Rechtspflege.
3. Die Streitsache ist spruchreif. In Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II. 1.1 Der Amtsgerichtspräsident beabsichtigte ursprünglich, den Entscheid ohne zweite Verhandlung gestützt auf die Akten zu fällen (vgl. Verfügung vom 15. Juli 2021, AS 188). Nachdem der Ehemann mit Schreiben vom 20. August 2021 (AS 207) Bedenken gegen die in der Mediationsvereinbarung getroffene Regelung der Obhut geäussert hatte, lud er dennoch zu einer weiteren Eheschutzverhandlung vor. In seinem Urteil erwog er sodann, den Bedenken des Ehemannes in Bezug auf die Betreuung von D.___ durch die Grossmutter mütterlicherseits könne mit einer Weisung begegnet werden und die Partnerschaft der Ehefrau führe nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohls. Entsprechend seien keine Gründe ersichtlich, warum von der Regelung gemäss Elternvereinbarung vom 8. April 2021, mit welcher der Ehemann ursprünglich ja auch einverstanden gewesen sei, abzuweichen wäre. Folglich sei die Vereinbarung zum Urteil zu erheben, das heisst, die gemeinsame Tochter C.___ sei für die Dauer des Getrenntlebens unter die alleinige Obhut des Ehemannes zu stellen und der gemeinsame Sohn D.___ sei für die Dauer des Getrenntlebens unter die alleinige Obhut der Ehefrau zu stellen.
1.2 Zur Begründung der Unterhaltsregelung führte der Amtsgerichtspräsident im Wesentlichen aus, gemäss Art. 296 ZPO entscheide das Gericht in Kinderbelangen ohne Bindung an die Parteianträge und erforsche den Sachverhalt von Amtes wegen. Die Elternvereinbarung vom 8. April 2021 sei demnach für die Festlegung der geschuldeten Unterhaltsbeiträge nicht verbindlich. Vielmehr sei nachfolgend eine genaue Berechnung der zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge vorzunehmen. Aufgrund verschiedener Faktoren veränderten sich die Einkommens- und Bedarfszahlen im Laufe der Zeit. Deshalb seien bei der Unterhaltsberechnung neun Phasen unterschieden. Bis Ende März 2021 hätten die Eltern die beiden Kinder alternierend zu je 50 % betreut. Ab April 2021 betreue jeder Elternteil ein Kind, das heisst der Sohn D.___ lebe seither bei der Mutter und die Tochter C.___ beim Vater. Im Hinblick auf die massgebenden Einkünfte sei bei der Ehefrau ab 1. April 2021 bis 31. Juli 2027 von einem 50 %-Pensum und beim Ehemann von einem Erwerbspensum von 100 % auszugehen.
Im Übrigen ermittelte der Amtsgerichtspräsident den Unterhaltsbeitrag praxisgemäss anhand der zweistufigen Methode. Beim Erlass der vorsorglichen Massnahme vom 11. Dezember 2020 hatte er beiden Parteien mit Wirkung ab Februar 2021 ein Einkommen aufgrund eines Erwerbspensums von 80 % angerechnet.
2. Der Ehemann verweist in seiner Berufung auf die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten vom 11. Dezember 2020, mit welcher dieser im Sinne von vorsorglichen Massnahmen die Unterhaltsbeiträge ab Januar 2021 festgelegt hatte. Im Rahmen der Begründung habe der Vorderrichter ausführlich begründet, weshalb es angezeigt sei, vorsorgliche Massnahmen zu erlassen. Daraus ergäben sich Unterhaltsbeiträge zu Gunsten der Kinder von je CHF 1'012.00 bis zum 31. Januar 2021 und je CHF 349.00 ab 1. Februar 2021. Es sei rechtlich nicht zulässig, im Rahmen des Endentscheids nochmals rückwirkend für denselben Zeitraum andere Unterhaltsbeiträge zu verfügen, nachdem diese im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen erlassen worden seien. Gemäss Lehre und Rechtsprechung sei es zulässig, auch im Eheschutzverfahren vorsorgliche Massnahmen zu erlassen. Solche Regelungen seien rechtsbindend. Soweit sich Änderungen während der Dauer des Verfahrens ergäben, sei wiederum ein Antrag auf vorsorgliche Anpassung einzureichen. Dazu komme, dass das nachträgliche Zusprechen von Ehegattenunterhalt für die Phasen bis zum 31. Januar 2022 nicht möglich sei. Im Rahmen des Antrages der Ehefrau anlässlich der Verhandlung vom 10. Dezember 2020 auf vorsorgliche Regelung habe die Ehefrau keinen persönlichen Unterhalt geltend gemacht. Im Eheschutzurteil vom 28. Januar 2022 könne somit frühestens ab 1. Februar 2022 über Unterhaltsbeiträge befunden werden. Die Ziffern 6.1.-6.3. sowie 7.1.-7.3. seien deshalb ersatzlos aufzuheben. Auch die Regelungen ab Ziffern 6.4. und 7.4. seien aufzuheben. Ab dem 1. Februar 2022 seien aber zumindest für den Kinderunterhalt wiederum Regelungen zu erlassen.
Abgesehen davon habe die Vorinstanz in der Begründung zur vorsorglichen Massnahme vom 11. Dezember 2020 korrekt festgehalten, beide Elternteile müssten aufgrund des Alters der Kinder und des entsprechenden Kindergarten- beziehungsweise Schulbesuchs je in einem Pensum von mindestens 75 % arbeiten. In derselben Verfügung sei ihm zugestanden worden, dass er ab Februar 2021 sein Pensum auf 80 % reduzieren könne. Gleichzeitig habe der Amtsgerichtspräsident festgelegt, dass die Ehefrau ab Februar 2021 ebenfalls 80 % zu arbeiten habe. Wenn die Vorinstanz der Ehefrau im Urteil vom 28. Januar 2022 nun ab April 2021 lediglich ein 50 %-Pensum anrechne, gehe sie von einem falschen massgeblichen Sachverhalt aus und wende das Recht unrichtig an. Aus den gleichen Gründen sei auf seiner Seite ab Februar 2021 von einem Einkommen aufgrund eines Pensums von 80 % auszugehen. Sollte bei ihm mit einem höheren Pensum gerechnet werden, müsse im Gegenzug ein Betrag für die Drittbetreuung von C.___ zugestanden werden, was ein allfällig höheres Einkommen aufwiegen würde. Weiter sei auch die Bedarfsrechnung des Vorderrichters in diversen Positionen fehlerhaft.
Aufgrund des der Ehefrau anzurechnenden Einkommens sei sie in der Lage, ihren Bedarf selber zu decken, weshalb kein Betreuungsunterhalt festgesetzt werden könne. Da beide Elternteile grundsätzlich zu gleichen Teilen betreuten, sei ohnehin nicht von gegenseitigem Betreuungsunterhalt auszugehen. Es sei unbestritten, dass sich die Einkommens- und Bedarfszahlen aufgrund verschiedener Faktoren im Laufe der Zeit veränderten. Hingegen widerspreche es jeglicher Prozessökonomie und sei zudem nicht praktikabel, wenn der Eheschutzrichter Unterhaltsbeiträge für die Dauer von 12 Jahren berechne, zumal die Parteien in der Zwischenzeit am 12. September 2022 ein Ehescheidungsverfahren nach Art. 112 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) eingeleitet hätten. Es sei deshalb obsolet, bis ins Jahr 2034 neun Phasen zu bilden. Die Phasen V-IX der Ziffern 6 und 7 seien deshalb ersatzlos aufzuheben.
3. Die Berufungsbeklagte führt aus, vorsorgliche Massnahmen würden konzeptionell bis zum Entscheid in der Hauptsache, das heisst bis zum Eheschutzentscheid gelten und durch diesen grundsätzlich ersetzt. Sie basierten mitunter auf der Glaubhaftmachung eines Anspruchs und könnten sich rückwirkend nach Durchführung des vollständigen Verfahrens als unzureichend unpassend herausstellen. Vorsorgliche Massnahmen präjudizierten das Urteil in der Hauptsache grundsätzlich nicht, selbst wenn dagegen kein Rechtsmittel ergriffen worden sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers sei es folglich nicht zu beanstanden, wenn der Endentscheid auch für die Dauer der vorsorglichen Massnahmen abweichende Regelungen vorsehe, soweit solche ab Einreichung des Eheschutzgesuchs beantragt seien. Die Argumentation des Berufungsklägers wäre lediglich für die Änderung Aufhebung der vorsorglichen Massnahmen während dem laufenden Verfahren zutreffend. Eine derartige Konstellation liege jedoch nicht vor. Aufgrund des fehlenden präjudizierenden Charakters der vorsorglichen Massnahme sei der Vorderrichter nicht unzulässigerweise von den damals sowohl für sie als auch für den Ehemann als zumutbar erachteten Erwerbspensen von 80 % abgewichen. Der Eventualstandpunkt des Berufungsklägers, wonach er bei der Annahme eines höheren Einkommens Anspruch auf einen Betrag für die Drittbetreuung haben soll, lasse sich nicht mit dem objektiven Beweisergebnis des erstinstanzlichen Verfahren vereinbaren und stelle letzten Endes eine blosse bestrittene Parteibehauptung dar. Sollte sich die Situation tatsächlich verändert haben, so wäre dieser Umstand einer Abänderung im Berufungsverfahren nicht zugänglich.
Die Kritik an der Bedarfsrechnung des Vorderrichters sei unbegründet. Wie im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt werde, sei ihr grundsätzlich eine Erwerbstätigkeit von 50% zumutbar. Entsprechend vermöge sie ihren eigenen Bedarf aufgrund der Betreuungsaufgaben nicht vollständig selbst zu decken, womit zusätzlich ein Betreuungsunterhalt in von der Vorinstanz festgestellten Höhe zuzusprechen sei. Es sei unbestritten, dass es sich beim Summarverfahren um ein schnelles Verfahren mit eingeschränktem Beweisverfahren handle und entsprechend die Unterhaltsregelungen nach Möglichkeit nicht all zu kompliziert ausfallen sollten. Nichtsdestotrotz könne nicht von vornhinein davon ausgegangen werden, dass ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht werde und die Massnahmen des Eheschutzes ohnehin einem zeitlichen Ablauf unterliegen würden. Vielmehr habe das Gericht die absehbaren Veränderungen in den massgebenden Verhältnissen nach Möglichkeit bereits zu berücksichtigen, da ansonsten unnötige Verfahren betreffend Anpassungen provoziert würden, was ebenfalls der Prozessökonomie widerspreche.
4. Der Berufungskläger verlangt das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Amtsgerichtspräsident nicht nur für Phasen I–IV, sondern auch für Phasen V-IX Unterhaltsbeiträge festlegte. Es sei in einem Eheschutzverfahren nicht praktikabel und widerspreche jeglicher Prozessökonomie, bis ins Jahr 2034 neun Unterhaltsphasen zu bilden, zumal seit 12. September 2022 ein Scheidungsverfahren hängig sei.
Die Rüge ist begründet (SOG 2021 Nr. 3 und 2020 Nr. 9). Die Ziffern 6.5–6.9 und 7.5-7.9 des Urteils vom 28. Januar 2022 sind daher aufzuheben.
5.1 Bei einer Trennung hat der Eheschutzrichter auf Begehren eines Ehegatten die Folgen des Getrenntlebens zu regeln (Art. 176 ZGB). Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen (Art. 176 Abs. 3 ZGB). Neben der Obhut gilt es namentlich die Unterhaltspflicht für die Kinder (und auf entsprechendes Begehren auch für die Ehegatten selber) zu regeln. In analoger Anwendung von Art. 303 ZPO ist es möglich, bereits vor dem Eheschutzentscheid im Sinne einer vorsorglichen Massnahme vorläufig zu bezahlende Unterhaltsbeiträge für die Kinder festzulegen (Moret/Steck, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 10a zu Art. 303 ZPO). Für die Frage der Rückwirkung des definitiven Unterhaltsentscheids wendet das Bundesgericht seine Rechtsprechung zum Scheidungsrecht analog an (im Scheidungsrecht gilt, dass der Scheidungsunterhalt mittels Scheidungsurteil nicht rückwirkend für einen Zeitraum vor Rechtskraft der Scheidung zugesprochen werden darf). Es argumentiert, für die vorsorglichen Massnahmen gelte der Grundsatz der formellen Rechtskraft, sie könnten daher rückwirkend nicht abgeändert werden (Urteil des Bundesgerichts 5A_712/2021 vom 23. Mai 2022 E. 7.3.2.2 und 7.3.2.3). Diese Praxis des Bundesgerichts wird von verschiedener Seite kritisiert (Aebi-Müller, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Familienrecht im Jahr 2022, in: Jusletter vom 6. März 2023, Rz. 44; Jean-Michel Ludin, 5A_712/2021: Verhältnis zwischen vorsorglichem Massnahmen- und Endentscheid bei selbständiger Unterhaltsklage, swissblawg vom 17. Juli 2022).
5.2 Dass die Kritik am erwähnten Entscheid des Bundesgerichts berechtigt ist, zeigt exemplarisch der vorliegende Fall: Wenn keine rückwirkende Abänderung der vorsorglichen Unterhaltsregelung möglich ist, muss der Ehemann auch für die Zeit nach dem 1. April 2021, als er die Obhut über die Tochter C.___ übernahm, für die Tochter Unterhaltsbeiträge bezahlen. Das kann nicht sein. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers ist daher davon auszugehen, dass die im vorliegenden Eheschutzentscheid zu treffende Regelung des Kindesunterhalts auch die Zeit vor dem Erlass des Entscheids betreffen kann mit der Wirkung, dass aufgrund der vorsorglichen Massnahme zu viel zu wenig geleistete Alimente zurückzuerstatten, beziehungsweise nachzuzahlen sind. Wie bei einem Abänderungsverfahren sind bei einer solchen Rückwirkung indessen die damaligen, im Massnahmeentscheid getroffenen Feststellungen und Wertungen zu beachten. Konkret bedeutet das, dass im vorliegenden Eheschutzentscheid zu beachten ist, dass im Rahmen der vorsorglichen Massnahme bei beiden Parteien von einem gleich hohen Erwerbspensum ausgegangen wurde. Dies, weil beide Parteien die Kinder damals im gleichen Umfang betreuten und das unter dem Strich auch nach dem Eheschutzentscheid so sein wird (vorher alternierende Obhut zu je 50 %, neu hat jeder Ehegatte ein Kind in seiner Obhut). Entgegen der Annahme des Amtsgerichtspräsidenten ist bei der Unterhaltsregelung somit von einem gleich hohen Erwerbspensum der Parteien auszugehen.
5.3 Die Parteien vereinbarten in der Elternvereinbarung vom 8. April 2021 für die Zeit ab der neuen Obhutsregelung in Anlehnung an die vorsorgliche Massnahme einen vom Ehemann für D.___ zu bezahlenden monatlichen (Bar-)Unterhaltsbeitrag von CHF 349.00 (Ziffer 6.3). Über die Kinderzulagen schweigt sich die Vereinbarung aus, so dass diese der gesetzlichen Bestimmung von Art. 285a Abs. 1 ZGB zufolge zusätzlich zu leisten sind. Angesichts der im Massnahmeverfahren getroffenen Wertungen ist der vereinbarte Unterhaltsbeitrag ohne Weiteres angemessen. Die Differenz zur Berechnung des Vorderrichters ergibt sich im Wesentlichen aus dem Umstand, dass beim Ehemann von einem geringeren und bei der Ehefrau von einem höheren massgebenden Erwerbseinkommen auszugehen ist. Angesichts des der Ehefrau anzurechnenden Einkommens rechtfertigt es sich auch nicht, einen Betreuungsunterhalt festzulegen. Dass die Regelung der Unterhaltsvereinbarung angemessen ist, entsprach ursprünglich offenbar auch der Auffassung des Amtsgerichtspräsidenten: In der Verfügung vom 25. Mai 2021 hatte er noch ausdrücklich festgehalten, die mit der Elternvereinbarung getroffenen Regelungen könnten grundsätzlich zum Urteil erhoben werden, beziehungsweise genehmigt werden (AS 152). Und auch die Ehefrau selber forderte in ihrem Schlussvortrag vom 24. November 2021 einen Unterhaltsbeitrag von CHF 349.00. Ehegattenunterhalt machte sie nicht geltend (AS 251). Obwohl in Kinderbelangen grundsätzlich die Offizialmaxime gilt (Art. 296 Abs. 3 ZPO), besteht bei dieser Ausgangslage kein Anlass, davon abzuweichen.
6. Nach dem Gesagten hat es für die Zeit bis zur Neuzuteilung der Obhut, das heisst bis Ende März 2021, bei der Unterhaltsregelung der vorsorglichen Massnahme vom 11. Dezember 2020 zu bleiben. Der Ehemann schuldet der Ehefrau damit für den Januar 2021 monatliche Barunterhaltbeiträge von je CHF 1'012.00 pro Kind und für die Monate Februar und März 2021 je CHF 349.00. Die Kinderzulagen stehen dem Ehemann zu. Für die Zeit ab 1. April 2021 hat der Ehemann der Ehefrau nur noch einen Unterhaltsbeitrag für den Sohn D.___ zu bezahlen, und zwar pro Monat CHF 349.00, zuzüglich Kinderzulage. Die Berufung gegen Ziffer 6 des angefochtenen Urteils ist in diesem Sinne teilweise gutzuheissen. Nachdem die Ehefrau im Schlussvortrag nur noch einen Unterhaltsbeitrag für D.___, nicht aber für sich selber forderte, ist die in Ziffer 7 des angefochtenen Urteils festgehaltene Pflicht des Ehemannes, der Ehefrau einen Ehegattenunterhaltsbeitrag zu bezahlen, aufzuheben.
7. Die Kosten des Verfahrens sind dem Ausgang entsprechend und angesichts des familienrechtlichen Charakters des Verfahrens (Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO) den Parteien je zur Hälfte zu auferlegen. Wie bereits bei der Vorinstanz ist beiden Parteien auch für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.
Demnach wird erkannt: 1. In teilweiser Gutheissung der Berufung werden die Ziffern 6 und 7 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen vom 28. Januar 2022 aufgehoben. 2. Der Ehemann hat der Ehefrau für die Kinder folgende monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge zu bezahlen: - für Januar 2021: je CHF 1'012.00 für C.___ und D.___, exklusive Kinderzulagen, - für Februar und März 2021: je CHF 349.00 für C.___ und D.___, exklusive Kinderzulagen, - ab April 2021: CHF 349.00 für D.___, zuzüglich Kinderzulagen. 3. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 1’000.00 werden A.___ und B.___ je zur Hälfte auferlegt. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt sie der Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage sind (Art. 123 ZPO). 4. Die Parteikosten der Berufungsverfahren werden wettgeschlagen. Die Entschädigungen der unentgeltlichen Rechtsbeistände der Parteien werden für das Berufungsverfahren wie folgt festgesetzt (je inkl. Auslagen und MwSt.): - Rechtsanwältin Bernadette Gasche: CHF 2'619.70, - Rechtsanwalt David Stämpfli: CHF 2'335.58. Die Entschädigungen sind vom Staat zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage sind (Art. 123 ZPO). Sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist, hat er zudem seiner Rechtsanwältin, Bernadette Gasche, die Differenz von CHF 1'426.00 zum vollen Honorar zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 30'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Hasler |
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