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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2022.78)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2022.78
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2022.78 vom 07.12.2022 (SO)
Datum:07.12.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Berufungsklägerin A.___ hat beim Richteramt Olten-Gösgen Klage eingereicht, um ihren Zivilstand bereinigen zu lassen. Sie behauptet, ledigen Standes zu sein, während das Amt für Gemeinden davon ausgeht, dass sie verheiratet ist. Nach einer ausführlichen Beweisaufnahme und verschiedenen Anhörungen konnte kein eindeutiger Zivilstand festgestellt werden. Das Obergericht weist die Berufung ab und legt die Verfahrenskosten von CHF 800.00 der Berufungsklägerin auf. Der unentgeltliche Rechtsbeistand erhält eine Entschädigung von CHF 1'559.60. Die Berufungsklägerin wird aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht einzureichen.
Schlagwörter: Berufung; Berufungsklägerin; Recht; Zivilstand; Beweis; Vorinstanz; Aussage; Aussagen; Heirat; Zivilstands; Sachverhalt; Gemeinden; Beweismittel; Gericht; Schweiz; Person; Entscheid; Gesuch; Dokument; Urteil; Verfahren; Personen; Rechtspflege; Dokumente
Rechtsnorm: Art. 153 ZPO ; Art. 168 ZPO ; Art. 192 ZPO ; Art. 22 ZPO ; Art. 29 BV ; Art. 41 ZGB ; Art. 42 ZGB ;
Referenz BGE:126 I 97; 129 I 232; 135 I 187; 137 I 195; 140 III 610;
Kommentar:
Karl Spühler, Schweizer, Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 2017
Entscheid
 
Geschäftsnummer: ZKBER.2022.78
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 07.12.2022 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2022.154
Titel: Bereinigung Personenstandsregister

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 7. Dezember 2022           

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Müller

Oberrichter Frey    

Gerichtsschreiberin Hasler

In Sachen

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Winiger,

 

Berufungsklägerin

 

 

 

betreffend Bereinigung Personenstandsregister


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

 

1. Am 6. Dezember 2021 reichte A.___ (im Folgenden: Gesuchstellerin), vertreten durch Rechtsanwalt Roland Winiger, beim Richteramt Olten-Gösgen eine Klage betreffend Bereinigung des Personenstandes gemäss Art. 42 ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210) ein und stellte folgende Rechtsbegehren:

 

1.    Es sei festzustellen, dass die Gesuchstellerin ledigen Standes sei.

2.    Der Gesuchstellerin sei die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung des Unterzeichnenden als ihr unentgeltlicher Rechtsvertreter zu gewähren.

3.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

2. Die Gesuchstellerin liess durch ihren Rechtsvertreter ihr Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass sie ledigen Standes sei, damit begründen, dass sie nicht verheiratet und lediglich mit einem Lebenspartner zusammen gewesen sei. Dieser gelte in […] als verschollen.

 

3. Der Amtsgerichtspräsident gewährte daraufhin dem Amt für Gemeinden, Zivilstand und Bürgerrecht (Amt für Gemeinden), Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Eingabe vom 14. Januar 2022 (Postaufgabe) beantragte das Amt für Gemeinden die Abweisung der Klage, eventuell sei – falls die Gesuchstellerin das Rechtsbegehren ändern würde – der eheliche Zivilstand festzustellen. Zur Begründung führte das Amt für Gemeinden aus, aufgrund der ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Akten, insbesondere gestützt auf die Aussagen der Gesuchstellerin (Befragungsprotokoll des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 1. Juni 2015) und das Schreiben des Zivilstandsamts vom 13. August 2021, sei es der Ansicht, die Gesuchstellerin habe glaubhaft und schlüssig ausgesagt, dass sie verheiratet sei; die nunmehr von der Gesuchstellerin in der Rechtsschrift gemachten Angaben, sie sei nicht verheiratet, sie habe lediglich eine Beziehung im Sinne einer Lebenspartnerschaft geführt, stehe im Widerspruch zu ihren vorangegangenen schlüssigen Erklärungen, weshalb der ledige Zivilstand nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne und das Gesuch abzuweisen sei.

 

4. Der Amtsgerichtspräsident lud die Gesuchstellerin und ihren Rechtsvertreter mit Verfügung vom 18. Januar 2022 zur Verhandlung im summarischen Verfahren vor und holte von Amtes wegen beim SEM sämtliche Anhörungsprotokolle bezüglich der Gesuchstellerin ein.

 

5. Am 24. März 2021 fand die Verhandlung statt, anlässlich welcher die Gesuchstellerin in Form einer Beweisaussage und unter Hinweis auf die Straffolgen bei Falschaussage nach Art. 306 StGB (Schweizerisches Strafgesetzbuch, SR 311.0) befragt wurde. An der Verhandlung stellte der Rechtsvertreter der Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren bzw. passte diese wie folgt an:

 

1.    Es sei festzustellen, dass der Zivilstand der Gesuchstellerin «verheiratet mit B.___, Geburtsdatum unbekannt» sei;

2.    Eventualiter sei festzustellen, dass der Zivilstand der Gesuchstellerin «geschieden von B.___, Geburtsdatum unbekannt» sei;

3.    Subeventualiter sei festzustellen, dass der Zivilstand der Gesuchstellerin «verwitwet» sei;

4.    Subsubeventualiter sei festzustellen, dass der Zivilstand der Gesuchstellerin «ledig» sei.

5.    (…)

6.    (…)

 

6. Mit Verfügung vom 25. März 2022 stellte der Amtsgerichtspräsident dem Amt für Gemeinden sowohl das Verhandlungsprotokoll als auch die Beweisaussage der Gesuchstellerin zu, wiederum mit der Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

 

7. Mit Eingabe vom 26. April 2022 nahm das Amt für Gemeinden Stellung. Mit Verfügung vom 23. Mai 2022 bewilligte der Amtsgerichtspräsident der Gesuchstellerin das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung ihres Vertreters als unentgeltlichen Rechtsbeistand. Weiter forderte er die Gesuchstellerin zur Einreichung bestimmter Dokumente auf und machte sie auf ihre Mitwirkungspflichten aufmerksam.

 

8. Mit Eingabe vom 22. August 2022 teilte die Gesuchstellerin mit, dass sie nicht über die verlangten Dokumente verfüge und diese auch nicht besorgen könne. Von ihrer Familie in [...] könne sie keine Unterstützung erwarten, da sie mit ihr gebrochen habe.

 

9. Mit Urteil vom 29. September 2022 wies der Amtsgerichtspräsident das Gesuch um Bereinigung des Personenstandsregisters ab und auferlegte der Gesuchstellerin unter Berücksichtigung der bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege die Verfahrenskosten.

 

10. Die Gesuchstellerin (im Folgenden: Berufungsklägerin) erhob am 11. Oktober 2022 frist- und formgerecht Berufung beim Obergericht und verlangte die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Weiter sei das Gesuch gutzuheissen und festzustellen, dass die Gesuchstellerin ledigen Standes, eventualiter verheiratet sei. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Durchführung eines Beweisverfahrens ohne Beschränkung auf den Nachweis durch amtliche Urkunden. Schliesslich stellte sie wiederum ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

11. Dem Amtsgerichtspräsidenten wurde zur Vernehmlassung Gelegenheit geboten. Mit seiner Eingabe vom 18. Oktober 2022 verwies er auf das Urteil vom 29. September 2022 und verzichtete auf eine Stellungnahme.

 

 

II.

 

1. Der Vorderrichter erwog in seinem Urteil vom 29. September 2022 im Wesentlichen, dass aufgrund der erhobenen Beweismittel und insbesondere aufgrund der Aussagen der Gesuchstellerin unklar bleibe, ob sie verheiratet, geschieden, verwitwet gar ledig sei und nicht ersichtlich sei, welche weiteren Beweismittel zur Klärung des Sachverhalts noch erhoben werden könnten, nachdem die Gesuchstellerin selbst nicht in der Lage sei, weitere Beweismittel vorzubringen.

 

2.1. Die Berufungsklägerin bringt in ihrer Berufung zusammengefasst vor, dass sie mit ihrem Gesuch ihrer Tochter, geb. am […] 2021, auch rechtlich einen Vater geben wolle, welcher grundsätzlich für den finanziellen Unterhalt der Tochter mitverantwortlich sei und dazu verpflichtet werden könne. Die Anerkennung der Tochter durch den leiblichen Vater bedürfe des Nachweises des wahren Zivilstandes der Kindsmutter, da die Vaterschaftsvermutung nach Art. 255 ZGB gelte. Da der ledige Stand der Berufungsklägerin nirgends festgestellt worden sei, wolle sie diesen in das Schweizer Personenregister eintragen lassen. Ein eminent schützenswertes Interesse sei insbesondere auch mit Blick auf das Wohlergehen ihrer Tochter gegeben und sei auch im finanziellen Interesse des Staates.

 

2.2. Im vorliegenden Fall beschränke sich die Problematik bzw. die Frage darauf, ob die Berufungsklägerin ledig verheiratet sei. Die weiteren Zivilstandsarten (Status) gemäss Art. 8 lit. f Ziff. 1 ZStV (Zivilstandsverordnung, SR 211.112.2) spielten keine Rolle. Da keine offiziellen Dokumente über den Status existierten bzw. keine solchen hätten beschafft werden können, müsse auf ihre Aussagen abgestellt werden. Die Aussagen würden klar und eindeutig ergeben, dass die Berufungsklägerin nach örtlichen Gebräuchen bzw. nach christlich-orthodoxem Ritus d.h. Kirchenrecht verheiratet sei. Diese Art der Heirat werde in [...] gemäss Akten (Schreiben des Amts für Gemeinden vom 10. Januar 2022) anerkannt. Eine im Ausland geschlossene Ehe werde in der Schweiz unter Vorbehalt des schweizerischen Ordre Public anerkannt (Art. 45 i.V.m. Art. 27 IPRG). Die Berufungsklägerin habe in ihrer ersten (recte: zweiten; betitelt mit «erste Anhörung») Anhörung beim SEM vom 23. November 2016 glaubhaft angegeben, dass es sich um eine Zwangsheirat gehandelt habe. Zwangsheiraten verstiessen gegen den schweizerischen Ordre Public und dürften sich rechtlich nicht negativ auswirken (Art. 17 IPRG). Wenn diese im Ausland erzwungene Heirat nicht anerkannt werde, so müsse die Berufungsklägerin als ledig gelten (Hauptantrag). Sollte der Umstand einer Zwangsheirat nicht als erwiesen erachtet werden, würde der Ordre Public nicht verletzt. Dann müsste der Status «verheiratet» gelten (Eventualantrag).

 

2.3. Weiter führt die Berufungsklägerin aus, aus dem angefochtenen Entscheid sei nicht ersichtlich und werde nicht begründet, welche Fakten als bewiesen gelten würden, welche nicht und aus welchem Grund nicht. Namentlich werde nicht erwähnt, weshalb ihre Aussagen betreffend Zwangsheirat unberücksichtigt geblieben seien. Offenbar meine die Vorinstanz, dass zur Beweisführung nur offizielle Dokumente, Urkunden etc., als Beweismittel zu berücksichtigen seien und Aussagen nicht den verlangten Beweiswert hätten. Dafür würden namentlich die Ziffer 3 und 4 der Verfügung der Vorinstanz vom 23. Mai 2022 sprechen, womit die Berufungsklägerin ausdrücklich angehalten werde, offizielle schriftliche Belege beizubringen. Damit werde nicht nur das Recht falsch angewendet, sondern auch der Sachverhalt falsch festgestellt.

 

3.1. Die Berufungsklägerin verlangt die Berichtigung im Personenstandsregister betreffend den Eintrag ihres Zivilstands. Der Nachweis der einzutragenden Tatsachen ist gegenüber dem Zivilstandsamt grundsätzlich durch Urkunden zu erbringen (Art. 15a Abs. 3 e contrario; Art. 16 Abs. 2 ZStV). Nun kann es aber insbesondere bei Personen ausländischer Herkunft, die in Zusammenhang mit einem in der Schweiz stattfindenden Zivilstandsereignis ins Personenstandsregister aufgenommen werden sollen bzw. müssen, vorkommen, dass entsprechende heimatliche Urkunden aus irgendeinem Grund nicht verfügbar sind (wobei grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung und Vorlage fehlender Dokumente besteht [Art. 16 Abs. 2 und 5 ZStV]). Erweist sich der Nachweis durch Urkunden als unmöglich die Beschaffung solcher als unzumutbar, muss daher geprüft werden, ob eine Erklärung nach Art. 41 Abs. 1 ZGB entgegengenommen werden kann (Art. 15a Abs. 3 ZStV). Für Angaben, die nicht streitig sind, sieht Art. 41 Abs. 1 ZGB nämlich vor, dass der Nachweis mit Bewilligung der Aufsichtsbehörde auch durch Erklärung vor dem Zivilstandsamt erbracht werden kann (vgl. auch Art. 17 ZStV). Scheitert die Abgabe einer Erklärung nach Art. 41 Abs. 1 ZGB jedoch daran, dass die Angaben streitig sind – sich z.B. im konsultierten Asyldossier Widersprüchliches dazu findet (Cora Graf-Gaiser/Michel Montini in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 7. Auflage, Basel 2022, Art. 41 N 1b) – bzw. wird ein entsprechendes Gesuch von der Aufsichtsbehörde abgewiesen, verbleibt der betroffenen Person nur noch die Möglichkeit beim zuständigen Gericht (Art. 22 ZPO [Schweizerische Zivilprozessordnung, SR 272]) auf Eintragung der streitigen Angaben zu klagen (Cora Graf-Gaiser/Michel Montini, a.a.O., Art. 42 N 1; Art. 30 ZStV).

 

Dazu hat sie zunächst ein schützenswertes persönliches Interesse an der Eintragung glaubhaft zu machen (Art. 42 Abs. 1 ZGB). Gegenstand dieses summarischen Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Art. 248 lit. e und Art. 249 lit. a Ziff. 4 ZPO) ist alsdann der Nachweis der streitigen Angaben, wofür sämtliche Beweismittel gemäss Art. 168 ZPO (u.a. auch das Zeugnis, die Parteibefragung und die Beweisaussage) in Frage kommen (Art. 254 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 255 lit. b ZPO): Voraussetzung für die Eintragung bildet diesfalls nicht die Vorlage von Urkunden (Normalfall), aber auch nicht die blosse Erklärung (Ausnahme bei unstrittigen Tatsachen), sondern die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der einzutragenden Angaben. Angesichts der späteren Beweisfunktion des Registereintrags muss dabei grundsätzlich die volle Überzeugung nach dem Regelbeweismass verlangt werden (vgl. zum summarischen Verfahren allgemein auch: BGE 140 III 610 E. 4.3.1 m.w.H.; daneben Stephan Mazan in: Karl Spühler / Luca Tenchio / Dominik Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Basel 2017, Art. 254 N 9 und Art. 255 N 7). Mit anderen Worten dient die Klage auf Eintragung streitiger Angaben dazu, den Nachweis der Angaben auf andere Weise als durch Vorlage offizieller Dokumente wie Ausweis- und Identifikationspapiere, Geburtsscheine usw. zu erbringen. Im Interesse der Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen im Personenstandsregister wird der Sachverhalt dabei von Amtes wegen festgestellt (Art. 255 lit. b ZPO; Cora Graf-Gaiser/Michel Montini, a.a.O., Art. 42 N 8), was bedeutet, dass es dem Gericht gestattet ist, ein Beweismittel auch ohne entsprechenden Beweisantrag abzunehmen, wenn es zur Auffassung gelangt, dass eine rechtserhebliche Tatsache damit allenfalls bewiesen werden könnte (Art. 153 Abs. 1 ZPO). Aus dem nämlichen Grund (Registerwahrheit und Vollständigkeit) sind schliesslich die betroffenen kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen zwingend am Verfahren zu beteiligen: das Gericht hat sie vorgängig anzuhören und ihnen den Entscheid zuzustellen (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 ZGB; Cora Graf-Gaiser/Michel Montini, a.a.O., Art. 42 N 8).

 

3.2. Vorliegend ist der wahre Zivilstand der Berufungsklägerin im zivilstandsamtlichen Beurkundungsverfahren strittig, weshalb das Verfahren gemäss Art. 42 ZGB zur Anwendung gelangt. Das vorausgesetzte schützenswerte persönliche Interesse an der Berichtigung im Personenstandsregister ist glaubhaft dargelegt und gegeben (Anerkennung des Kindes der Berufungsklägerin durch den leiblichen Vater).

 

Unbestritten dürfte sein, dass die Vorinstanz weitgehende Bemühungen anstellte, objektive Beweismittel wie Ausweispapiere, Bestätigungen etc. zu erhalten. Sie forderte zudem sämtliche Belege ein, die auch die Aufsichtsbehörde – das Amt für Gemeinden – nach gründlicher Abklärung (insbesondere betreffend Heirat in [...], Heiratsbestätigung, Ausweispapiere) zur Einholung vorgeschlagen hat. Zwar trifft die Berufungsklägerin insofern eine Mitwirkungspflicht, dass sie die geforderten Belege einzureichen hat. Allerdings gab sie an, keine weiteren Beweismittel als die in den Akten befindlichen einreichen zu können. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 24. März 2022 befragte die Vorinstanz die Berufungsklägerin eingehend zur vorliegend umstrittenen Frage, indem sie sie zur Beweisaussage verpflichtete. Bei der Beweisaussage handelt es sich um eine qualifizierte Parteibefragung, wobei der Richter die zu befragende Person zur Wahrheit ermahnt und sie auf die Straffolgen bei Falschaussage hinweist (Art. 192 ZPO). Die Berufungsklägerin wirft der Vorinstanz nicht vor, sie habe zu wenig nicht die richtigen Beweise abgenommen bzw. die objektiven Beweise nicht richtig gewürdigt und folglich den Grundsatz der Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen verletzt. Welche Beweise die Vorinstanz sonst noch hätte erheben können, ist zudem auch nicht ersichtlich und wird von der Berufungsklägerin auch nicht vorgebracht. Vielmehr macht die Berufungsklägerin geltend, die Vorinstanz meine, die Aussagen der Berufungsklägerin hätten nicht den gleichen Beweiswert wie die weiteren Beweismittel. Dem ist zu widersprechen. Einerseits stellt dies eine Frage der Beweiswürdigung und nicht der Beweiserhebung dar. Andererseits stützt sich die Vorinstanz insbesondere auf die Aussagen der Berufungsklägerin und kommt zum Schluss, sie seien unklar. Dem von der Berufungsklägerin ins Feld geführte Argument, die Vorinstanz berücksichtigte die Aussagen nicht, ist somit nicht zu folgen.

 

Allerdings führt die Berufungsklägerin zu Recht aus, die Vorinstanz habe die Gründe nicht dargelegt, weshalb ihre Aussagen insbesondere betreffend Zwangsheirat unberücksichtigt geblieben seien. Damit macht die Berufungsklägerin – zumindest implizit – eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, insbesondere der Begründungspflicht, geltend.

 

3.3. Gemäss Art. 29 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Gerichtsverfahren, unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit (Urteil des Bundesgerichts 4A_453/2016 vom 16. Februar 2017, E. 2.2).

 

Wesentlicher Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist die Begründungspflicht. Die Begründung soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, die Verfügung gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f. mit Hinweisen).

 

Die Vorinstanz kommt in ihrem Urteil gestützt auf lediglich ein bis zwei «Sätze» (Aufzählungszeichen) zum Schluss, im vorliegenden Fall bleibe aufgrund der erhobenen Beweismittel und insbesondere der Aussagen der Gesuchstellerin unklar, ob sie verheiratet, geschieden, verwitwet gar ledig sei. Weitere inhaltliche Ausführungen bzw. eine Würdigung der Aussagen der Berufungsklägerin fehlen im schriftlich begründeten Urteil der Vorinstanz vollends. Weshalb die Vorinstanz Aussagen der Berufungsklägerin als unklar einstufte und folglich die Klage abwies, ist aus der schriftlichen Begründung nicht ersichtlich. Sogar das Amt für Gemeinden empfahl der Vorinstanz in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2022, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Berufungsklägerin eingehend zu prüfen bzw. würdigen, was aber die Vorinstanz trotz durchgeführter Beweisaussage unterliess – zumindest im schriftlichen Urteil. Indem die Vorinstanz keine schriftliche Würdigung der Aussagen (und der restlichen Beweismittel) vornahm, verletzte sie das rechtliche Gehör.

 

3.4. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur, womit seine Verletzung ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Berufung und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt (BGE 135 I 187 E. 2.2. S. 190 mit Hinweisen). Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Berufungsinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus – im Sinne einer Heilung des Mangels – selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.; 132 V 387 E. 5.1 S. 390; je mit Hinweisen). 

 

3.5. Die Berufung ist ein vollkommenes Rechtsmittel. Der ganze Prozessstoff des erstinstanzlichen Verfahrens kann überprüft werden. Das bedeutet volle Überprüfung des angefochtenen Entscheides in allen Rechts- und Sachfragen. Die obere kantonale Instanz hat bei der Überprüfung der Rechtsfragen und des Sachverhaltes freie Kognition. Die Rechtsmittelinstanz hat den Entscheid einer unabhängigen neuen Beurteilung zu unterziehen. Die Berufung ist grundsätzlich ein reformatorisches Rechtsmittel. Eine Rückweisung an die erste Instanz ist zwar möglich, sollte aber die Ausnahme bilden. Die Berufungsinstanz kann eine freie Sachverhaltsprüfung vornehmen. Sie ist demnach nicht an die Sachverhaltsprüfung der Vorinstanz gebunden. Eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes liegt vor, wenn das Gericht seinen Entscheid auf einen Sachverhalt stützt, der nicht aktenmässig sauber belegt ist. Eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes liegt sodann vor, wenn ein Entscheid eine aktenmässige Feststellung übersieht sie unrichtig festhält. Die unrichtige Handhabung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung hat ebenfalls eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung zur Folge (Karl Spühler in: Karl Spühler / Luca Tenchio / Dominik Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Basel 2017, Art. 310 N 1 ff.).

 

3.6. Unter Berücksichtigung, dass die Rückweisung des Verfahrens an die erste Instanz eine Ausnahme bilden soll, die obere Instanz eine freie Sachverhaltsprüfung vornehmen kann und das Hauptbegehren der Berufungsklägerin auf Feststellung eines Zivilstands lautet, werden im Folgenden die Akten bzw. sämtliche erhobenen Beweismittel gewürdigt und geprüft. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann somit geheilt werden. Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz würde zu einem formalistischen Leerlauf führen und damit zu unnötigen Verzögerungen, die mit dem Interesse der Berufungsklägerin an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären. Im Übrigen lautet das Hauptbegehren der Berufungsklägerin sowohl in ihrem Gesuch an die erste Instanz als auch in der Berufung auf Feststellung des ledigen Zivilstandes. Erst eventualiter sei das Verfahren zurückzuweisen und zu vervollständigen. Allerdings muss die Beweiserhebung – wie sich zeigen wird – nicht vervollständigt werden, weshalb sich eine Rückweisung ohnehin nicht rechtfertigt.

 

3.7.1. Im Rahmen des Asylverfahrens beim SEM wurde die Berufungsklägerin das erste Mal am 1. Juni 2015 befragt. Am 15. Mai 2015 sei sie in der Schweiz angekommen. Sie sei seit 2011 mit B.___ verheiratet. Der Heiratsort sei [...] gewesen. Sie sei 17 Jahre alt gewesen, als sie geheiratet hätten und sie habe aufgrund der geplanten Heirat die sechste Klasse abgebrochen. Die sechste Klasse habe sie in [...] besucht. Ihr Ehemann sei bei der Heirat 27-jährig gewesen. Bevor ihr Ehemann aus [...] geflüchtet sei, habe sie mit ihm zusammengelebt. Im Juli 2014 sei auch sie aus [...] geflüchtet. Grund für seine Flucht sei gewesen, da er auch die Schule abgebrochen habe und ins Militär habe gehen müssen. Er sei nach [...] beordert worden. Von [...] aus sei er dann geflüchtet.

 

3.7.2. Knapp 1.5 Jahre später, am 23. November 2016, wurde die Berufungsklägerin erneut vom SEM befragt. Anlässlich der zweiten Einvernahme beim SEM führte sie bezüglich Heirat im Wesentlichen aus, dass sie «am Schluss» (vor seiner Ausreise) mit ihrem Mann in einem Haushalt gelebt habe (A zu F 18 und F 21). Sie habe die sechste Klasse erreicht (A zu F 44). Sie wisse nicht mehr, wie alt sie gewesen sei, als sie die Schule abgebrochen habe, sie wisse aber, dass es im 2011 gewesen sei (A zu F 45). Die Schule abgebrochen habe sie, weil ihre Familie gesagt habe, sie solle heiraten (A zu F 50). Am […] 2011 habe sie geheiratet (A zu F 58). Ihr Stiefvater und ein anderer Mann, der viele Ländereien gehabt habe, seien Nachbarn gewesen. Zwischen diesen beiden Männern sei ein Streit entstanden, bei dem es um diese Ländereien gegangen sei. Sie hätten sich gegenseitig vorgeworfen, den Grenzzaun zu ihren Gunsten verschoben zu haben (A zu F 59, 75, 86, 87). Es sei so eskaliert, dass ihr Stiefvater C.___ (A zu F 77) mit einer Axt geschlagen habe (A zu F 87), woraufhin dieser verstorben sei. Im Dorf gebe es keine Ambulanz schnelle medizinische Versorgung. Als Versöhnungswiedergutmachung sei sie verheiratet worden, aber ohne dass sie über diese Sachen gewusst habe. Erst später sei ihr erklärt worden, unter welchen Umständen sie damals zwangsverheiratet worden sei (A zu F 59). B.___ sei mütterlicherseits der Bruder von C.___ gewesen (A zu F 82). Sie habe dann B.___ heiraten müssen (A zu F 79). Die Heirat habe in [...] stattgefunden (A zu F 92). Auf den Widerspruch (zu ihrer ersten Befragung, wo sie aussagte, die Heirat habe in [...] stattgefunden) angesprochen, führte sie aus, es könne sein, dass das ein Missverständnis gewesen sei. Sie habe bereits damals [...] gesagt (A zu F 93). Im zweiten Monat des Jahres 2011 habe die Heirat stattgefunden (A zu F 99 f.). Innerlich sei sie sehr traurig geworden, als sie von ihrer Mutter erfahren habe, sie solle heiraten. Sie habe die Schule weiterhin besuchen wollen. Die Gleichaltrigen seien weiter zur Schule gegangen. Ihr habe nicht gepasst, dass sie heiraten solle, aber die Familie habe es eben so beschlossen und dabei sei es geblieben. Ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei die Älteste und sie hätten keinen anderen Ausweg, ausser sie zu verheiraten (A zu F 101). Sie habe sich nicht gewehrt, was hätte sie tun sollen? Es habe keine Möglichkeit gegeben, sie sei ihrer Familie unterstellt gewesen (A zu F 102 f.). Nachdem sie geheiratet hätten, hätten sie und ihr Ehemann alleine in ihrem eigenen Haus gelebt (A zu F 105). Zwischen den Streitfamilien sei Ruhe eingekehrt. Es habe sich alles beruhigt. Ihr Mann habe dann auch die Schule abgebrochen. Es hätten Razzien stattgefunden, weshalb sich ihr Mann versteckt gehalten habe. Die Soldaten hätten ihn dann aber erwischt und ihn nach [...] gebracht. Dann habe sie alleine in dem Haus gelebt, wo er sie zurückgelassen habe (A zu F 106). Auf erneute Nachfrage bestätigt sie, am […] 2011 geheiratet zu haben (A zu F 197).

 

3.7.3. Gemäss Schreiben des Zivilstandsamts vom 13. August 2021 («Antrag [an die Zivilstandsaufsicht – Amt für Gemeinden] um Bewilligung zur Entgegennahme einer Erklärung zum Nachweis nicht streitiger Angaben nach Art. 41 ZGB») hätten die Abklärungen ergeben, dass die Berufungsklägerin gestützt auf das Befragungsprotokoll des SEM in der Schweiz als verheiratet geführt werde. Sie besitze kein Dokument, welches die Eheschliessung in [...] bestätige. Gemäss ihrer Aussage habe sie eine Heiratsbestätigung in [...], welche sie aber unter den aktuellen Umständen nicht beschaffen könne. Sie habe nicht genau erläutern können, wie die Eheschliessung in [...] zustande gekommen sei. Auf der Geburtsanzeige gebe sie an, ledig zu sein. Sie habe sich telefonisch von ihrem Ehemann geschieden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Berufungsklägerin seit ihrer Einreise in die Schweiz mit verheiratetem Zivilstand geführt werde und sie diesen Registereintrag nie bestritten habe und kein Dokument vorliege, womit die in [...] geschlossene Ehe geprüft werden könnte, schlage das Zivilstandsamt vor, die Berufungsklägerin mit Zivilstand «unbekannt» zu registrieren.

 

3.7.4. In ihrem Gesuch ans Richteramt Olten-Gösgen vom 6. Dezember 2021 führte die Berufungsklägerin zusammengefasst aus, sie sei nie verheiratet gewesen, habe aber mit ihrem Partner in [...] zusammen gelebt. Im Jahr 2014 sei sie aus [...] geflüchtet, ihr Lebenspartner sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt geflüchtet. Sie habe zu ihrem ehemaligen Partner seit der Flucht keinerlei Kontakt mehr gehabt. Er gelte in […] als verschollen.

 

3.7.5. Das Amt für Gemeinden führte in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2022 im Wesentlichen aus, da die Zivilstandsrubrik der Berufungsklägerin in der Hauptidentität im ZEMIS mit verheiratet erfasst beziehungsweise keine neue Nebenidentität erstellt worden sei, könne vermutet werden, dass die Aussagen anlässlich der Anhörung – in Bezug auf ihren Zivilstand verheiratet – dem SEM schlüssig und glaubhaft erschienen seien. Auch gegenüber dem Zivilstandsamt spreche die Berufungsklägerin konkludent über die Heirat und ihren Mann und verstricke sich nicht in Ungereimtheiten. Die Ausführungen unter Ziffer 1.17.04 im Befragungsprotokoll des SEM vom 1. Juni 2015 seien authentisch, entsprächen der heimatlichen Kultur der Berufungsklägerin und den Erfahrungen der Zivilstandsbehörden. Es mache keinen logischen beziehungsweise für die Berufungsklägerin gewinnbringenden Sinn, ihre Heirat, den Eheschliessungsort und das –jahr, den Namen, das Alter und das Zusammenleben mit dem Ehemann zu erfinden sowie seinen aktuellen Aufenthaltsort zu erwähnen und gegenüber dem Zivilstandsamt gar eine Ehebestätigung und den telefonischen Kontakt zu erfinden. Die nunmehr von der Berufungsklägerin in ihrer Rechtsschrift gemachten Angaben, sie sei nicht verheiratet, sie habe lediglich eine Beziehung im Sinne einer Lebenspartnerschaft, stehe im Widerspruch zu ihren vorangegangen schlüssigen Erklärungen und sei daher nicht geeignet, ihren ledigen Zivilstand zweifelsfrei festzustellen und zu bereinigen. Daher stelle das Amt für Gemeinden dem Gericht den Antrag, die Klage abzuweisen, eventualiter sei, falls die Berufungsklägerin ihre Rechtsbegehren ändern würde, der eheliche Zivilstand festzustellen.

 

3.7.6. Am 24. März 2022 fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgerichtspräsidenten statt. Anlässlich der Befragung gab die Berufungsklägerin insbesondere zu Protokoll, dass sie im Jahr 2011 (Rz. 35) B.___ (Rz. 31) geheiratet habe. Dabei hätten sie in der Kirche in [...] einen Vertrag geschlossen (Rz. 66 ff.), seit 2016 2017 seien sie nun aber geschieden (Rz. 27, 39). Zuerst hätten sie telefonisch geschieden und dann durch die Familien (Rz. 43, 52 ff.). Üblich sei, dass die Eltern in einem Haus sässen und diskutierten und entscheiden, sie sollten scheiden (Rz. 107 ff.). Ihr Ex-Ehemann befinde sich zurzeit in […] und als sie sich geschieden hätten, sei er in […] gewesen (Rz. 115 ff.). Bei der Heirat sei er 27-jährig gewesen (Rz. 138). Auf das genaue Datum ihrer Heirat angesprochen, gibt die Berufungsklägerin den […] 2011 an (Rz. 232). Sie könne sich so konkret an dieses Datum erinnern, da es eine Zwangsheirat gewesen sei (Rz. 241). Sie sei minderjährig gewesen und habe nicht heiraten wollen (Rz. 284 f.). Sie sei von ihren Eltern gezwungen worden (Rz. 289). Es habe einen Streit zwischen den Eltern gegeben und zur Wiedergutmachung hätten sie vorgeschlagen, sie werde verheiratet (Rz. 308 ff.).

 

3.7.7. In seiner Stellungnahme vom 26. April 2022 führte das Amt für Gemeinden namentlich aus, sofern die Berufungsklägerin die Ehe in der Kirche vor einem religiösen Würdenträger gültig geschlossen habe, was nachvollziehbar sei, da sie orthodoxe Christin sei, bestehe ein Registereintrag. Dieser könne eingeholt werden. Eine weitere Möglichkeit, wie die Berufungsklägerin dem Gericht ein Indiz betreffend Zivilstand liefern könnte, sei die «Residence Card», welche bei der Flucht zu Hause belassen werde, worauf aber der Zivilstand ersichtlich sei. Die Berufungsklägerin vermittle nicht den Anschein in der sie selbst betreffenden Sache sich ernsthaft kundig zu machen beziehungsweise nachzugehen. Vielmehr zeugten die Aussagen, man habe sich am Telefon scheiden lassen, der Ehemann sei verschollen, von Desinteresse, fehlendem Bewusstsein und gar der Inkaufnahme bigamischer Ehen. Ob das Verhalten der Gesuchstellerin auf eine beschränkte kognitive Fähigkeit gar ein bewusstes Vorgehen zurückzuführen sei, habe das Gericht zu entscheiden.

 

3.8. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Aussagen der Berufungsklägerin sowohl beim SEM als auch vor Gericht nicht als unglaubhaft erscheinen. Ihr kann nicht vorgeworfen werden, sie würde bewusst lügen Tatsachen verschweigen. Sie erfüllt ausserdem verschiedene Realkennzeichen. Sie schildert nicht relevante Nebensächlichkeiten, wie z.B., dass es in ihrem Dorf in [...] keine Ambulanz gab und deswegen die medizinische Versorgung für den getöteten Mann nicht gewährleistet war. Sie schildert eigene psychische Vorgänge, wie z.B., dass sie aufgrund der Heirat die Schule habe abbrechen müssen, sie das aber nicht gewollt habe, da die Gleichaltrigen weiterhin die Schule hätten besuchen können. Das Heiratsdatum stimmt in allen Befragungen überein, auch die zeitliche Abfolge der Ereignisse ab dem Jahr 2011. Wie bereits das Amt für Gemeinden festgehalten hat, ist kein gewinnbringender Sinn für die Berufungsklägerin zu erkennen, die Heirat mit B.___ zu erfinden. Es empfindet ihre Ausführungen als authentisch, sie entsprächen der heimatlichen Kultur der Berufungsklägerin und den Erfahrungen der Zivilstandsbehörden. Nichtsdestotrotz sind auch Widersprüchlichkeiten zu finden (z.B. betreffend Heiratsort) und die Aussagen sind nicht immer detailliert, wo man Detailreichtum erwarten könnte (z.B. betreffend Tag der Heirat). Die Widersprüche bzw. detailarmen Ausführungen könnten allenfalls mit schlichter Unkenntnis bzw. Resignation erklärt werden, wo doch die Eltern und andere über ihr Leben in [...] bestimmt haben, ohne sie aufzuklären zu orientieren. Die Aussagen machen zusammen mit ihren Rechtsschriften (insbesondere mit den mehrfach geänderten Rechtsbegehren), den Ausführungen an der Hauptverhandlung und den gänzlich fehlenden Dokumenten den Anschein, sie wolle irgendeinen Zivilstand eingetragen haben, nur nicht unbekannt, damit sie für ihr Kind den leiblichen Vater als Vater eintragen könne, um ihn für Unterhaltszahlungen verpflichten zu können. Im Hinblick auf das Kindswohl erscheint dies verständlich, doch müsste ein Zivilstand (und nicht irgendeiner) als sehr wahrscheinlich gelten. Wie bereits erwähnt, muss die Berufungsklägerin aufgrund der erhöhten Beweiskraft der Register den vollen Beweis erbringen, auch wenn der Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären ist. Das Amt für Gemeinden tätigte äusserst gründliche Abklärungen, erstellte ausführliche Stellungnahmen und versuchte mit verschiedenen Lösungsansätzen den wahren Zivilstand der Berufungsklägerin herauszufinden. Auch der Amtsgerichtspräsident tat zur Sachverhaltsabklärung alles ihm Zumutbare. Auch wenn der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist die Berufungsklägerin zur Mitwirkung verpflichtet, dies umso mehr, als ihre Aussagen zu keinem klaren Sachverhaltsergebnis führen. Diesbezüglich ist auch dem Argument der Beschwerdeführerin zu widersprechen, wonach Ziffern 3 und 4 der Verfügung der Vorinstanz vom 23. Mai 2022, wonach die Beschwerdeführerin ausdrücklich angehalten werde, offizielle Belege beizubringen, dafür spreche, dass die Vorinstanz nur offizielle Dokumente als Beweismittel berücksichtige. Führen die Aussagen nicht zu einem klaren Beweisergebnis, müsste doch zumindest ein mehrere Dokumente als Indiz für den wahren Zivilstand eingereicht werden. Beim SEM sagte sie im Jahr 2015 aus, sie sei verheiratet, bei der zweiten Einvernahme beim SEM im Jahr 2016 sprach sie von Zwangsheirat, vor dem Zivilstandsamt im Jahr 2021 gab sie an, sie habe sich telefonisch und dann durch die Familien von ihrem Mann scheiden lassen, beim Gesuch ans Richteramt Olten-Gösgen im Jahr 2021 führte sie aus, sie habe lediglich einen Lebenspartner gehabt und sei deshalb ledig, ihr Lebenspartner sei nun aber verschollen, an der Hauptverhandlung vor Gericht im März 2022 führte sie aus, sie sei zwangsverheiratet worden, sei nun aber geschieden, dem Rechtsvertreter fiel es mit Blick auf das Verhandlungsprotokoll an der Hauptverhandlung schwer, sich auf einen Zivilstand festzulegen, am wahrscheinlichsten sei, dass sie verheiratet sei, und schliesslich beantragte die Berufungsklägerin in der Berufung, es sei festzustellen, sie sei ledigen Standes (aufgrund der Zwangsheirat, die in der Schweiz nicht gültig sei), eventualiter verheiratet. Kein Zivilstand kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen und kein Zivilstand zweifelsfrei festgestellt werden. Zusammen mit den Rechtsschriften, den mehrmals geänderten Rechtsbegehren inkl. geänderter Begründung und den Ausführungen an der Hauptverhandlung kann kaum von einem vollen Beweis ausgegangen werden. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Berufungsklägerin selbst davon ausgeht, dass «ein sicheres Beweisergebnis […] somit voraussichtlich wohl nicht möglich» sei (vgl. S. 4 des Verhandlungsprotokolls vom 24. März 2022). Gestützt auf die obigen Ausführungen ist die Berufung abzuweisen. Das Verfahren kann auch nicht gestützt auf Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO an die Vorinstanz zurückgewiesen werden (Eventualbegehren), da weder ein wesentlicher Teil der Klage nicht beurteilt wurde noch ist der Sachverhalt in wesentlichen Teilen zu vervollständigen.

 

4. Die Beschwerdeführerin hat vor Obergericht ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt. Dieses wird vollumfänglich bewilligt. Da die Berufung abzuweisen ist, werden die Prozesskosten der Berufungsklägerin auferlegt. Vorliegend rechtfertigt es sich mit Blick auf die Komplexität des Falles und des Aufwands des Gerichts, die Kosten auf CHF 800.00 festzulegen. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind die Kosten vorerst durch den Staat zu tragen. Der unentgeltliche Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Roland Winiger, macht mit seiner Honorarnote einen Aufwand 7.75 Stunden à CHF 180.00, ausmachend CHF 1'395.00, Auslagen von CHF 53.10 sowie MwSt. von CHF 111.52, total CHF 1'559.60, geltend. Die Höhe der Kostennote erscheint angemessen und ist zu genehmigen.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird abgewiesen.

2.    Der Berufungsklägerin wird die unentgeltliche Rechtspflege durch Rechtsanwalt Roland Winiger gewährt.

3.    Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands von A.___, Rechtsanwalt Roland Winiger, wird auf CHF 1'559.60 festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage (Art. 123 ZPO).

4.    Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 800.00 werden der Berufungsklägerin auferlegt. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt sie der Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

Hunkeler                                                                           Hasler



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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