Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2022.7: Verwaltungsgericht
Die Zivilkammer des Obergerichts hat im Fall A.___ gegen B.___ über vorsorgliche Massnahmen in einer Ehescheidung entschieden. Die Ehefrau beantragte Unterhaltsbeiträge, die vom Gericht festgelegt wurden. Nach einer Berufung wurde das Urteil geändert, und die Unterhaltsbeiträge wurden neu festgesetzt. Es gab Diskussionen über Nebenkosten und den Bedarf des Ehemannes, die im Berufungsverfahren behandelt wurden. Letztendlich wurde die Berufung der Ehefrau angenommen, und die Kosten des Verfahrens wurden dem Ehemann auferlegt. Der Richter war Vizepräsident Frey, die Gerichtsschreiberin Trutmann.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2022.7 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 08.03.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Berufung; Unterhalt; Unterhalts; Apos; Ehefrau; Ehemann; Berufungsklägerin; Betrag; Unterhaltsbeiträge; Berufungsbeklagte; Vorinstanz; Recht; Geschäft; Nebenkosten; Ehegatte; Begehren; Ehegatten; Geschäftswagen; Unterhaltsbeitrag; Berufungsbeklagten; Zahlungen; Entscheid; Massnahmen; Ehemannes |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 173 ZGB ;Art. 173 ZPO ;Art. 276 ZPO ;Art. 8 ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2022.7 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 08.03.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2022.39 |
Titel: | vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 8. März 2022 Es wirken mit: Oberrichter Müller Oberrichter Flückiger Gerichtsschreiberin Trutmann In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Marie-Christine Müller Leu,
Berufungsklägerin
gegen
B.___, vertreten durch Advokat Michael Kull,
Berufungsbeklagter
betreffend vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. A.___ (nachfolgend: Ehefrau) und B.___ (nachfolgend: Ehemann) führen vor Richteramt Olten-Gösgen ein Ehescheidungsverfahren, das die Ehefrau am 1. Juni 2021 angehoben hatte. Dem Scheidungsbegehren zufolge zog der Ehemann am 22. August 2019 aus der ehelichen Liegenschaft aus und meldete sich per 1. Oktober 2019 offiziell nach seiner neuen Wohngemeinde ab. Mit dem Scheidungsbegehren stellte die Ehefrau auch den Antrag, den Ehemann im Rahmen vorsorglicher Massnahmen zu verpflichten, ihr für die Dauer des Verfahrens und rückwirkend ab dem 1. Juni 2020 einen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Die Amtsgerichtspräsidentin verfügte am 6. Dezember 2021 über die Anträge wie folgt:
1. Der Ehemann wird vorsorglich für die Dauer des Verfahrens verpflichtet, der Ehefrau monatliche Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen: - 1. Juni 2021 bis 31. Dezember 2021: CHF 1'049.00 - 1. Januar 2022 bis 28. Februar 2022: CHF 1'178.00 - 1. März 2022 bis 31. Oktober 2022: CHF 884.00 - ab 1. November 2022: CHF 1'309.00 Es wird festgestellt, dass beim Bedarf des Ehemannes die Abzahlung der gemeinsamen Steuerschulden bei der Einwohnergemeinde [...] im Betrag von CHF 786.00 respektive CHF 600.00 pro Monat berücksichtigt worden ist. Sollte der Ehemann diese Schulden nicht tilgen, ist dies im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu Gunsten der Ehefrau zu berücksichtigen. 2. Die Unterhaltsbeiträge gemäss der Ziffer 1 hiervor basieren auf den beigehefteten und abgestempelten Berechnungsblättern.
2. Frist- und formgerecht erhob die Ehefrau (nachfolgend auch: Berufungsklägerin) im Anschluss an die nachträgliche Zustellung der Entscheidbegründung Berufung. Sie stellt die folgenden Rechtsbegehren:
1. Die Ziffern 1 und 2 der Verfügung der Amtsgerichtspräsidentin von Olten-Gösgen vom 6.1.2022 (recte: 6. Dezember 2021) seien aufzuheben. 2. Der Berufungsbeklagte sei zu verpflichten, der Berufungsklägerin für die Dauer des Verfahrens folgende monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge zu bezahlen: a) ab 1.6.2020 bis 31.12.2020 CHF 876.00 b) ab 1.1.2021 bis 31.12.2021 CHF 1'091.00 c) ab 1.1.2022 bis 28.2.2022 CHF 1'217.00 d) ab 1.3.2022 bis 31.10.2022 CHF 1'095.00 e) ab 1.11.2022 CHF 1'511.00 3. Eventualiter sei die Angelegenheit zwecks Beurteilung der Unterhaltphase ab 1.6.2020 bis 31.5.2021 an die Vorinstanz zurückzuweisen. 4. Subeventualiter nach richterlichem Ermessen. 5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Berufungsbeklagten.
Der Ehemann (nachfolgend auch: Berufungsbeklagter) stellt den Antrag, die Berufung abzuweisen, eventualiter die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
3. Die Streitsache ist spruchreif. Gestützt auf Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II. 1.1 Im Scheidungsverfahren trifft das Gericht die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Dabei sind die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 ZPO). Der eheschutzrechtlichen Bestimmung von Art. 173 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) zufolge setzt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Geldbeiträge an den Unterhalt der Familie fest. Die Leistungen können für die Zukunft und für das Jahr vor Einreichung des Begehrens gefordert werden (Art. 173 Abs. 3 ZPO).
1.2 Die Vorderrichterin ermittelte die angefochtenen Unterhaltsbeiträge praxisgemäss anhand der zweistufigen Methode mit Überschussverteilung. Die Ehefrau und Berufungsklägerin rügt zunächst, dass die Vorderrichterin den Unterhaltsbeitrag nicht wie beantragt mit Wirkung ab 1. Juni 2020, sondern erst mit Wirkung ab Einreichung des Begehrens am 1. Juni 2021 festsetzte. Sodann beanstandet sie zwei Positionen der Bedarfsrechnungen.
2.1 Vorsorgliche Unterhaltsbeiträge können in analoger Anwendung von Art. 173 Abs. 3 ZGB auch rückwirkend für ein Jahr vor Einreichung des Begehrens verlangt werden. Dem berechtigten Ehegatten wird dadurch die notwendige Zeit eingestanden, um – ohne Gefahr zu laufen, seine Ansprüche zu verlieren – anstelle der Anrufung des Gerichts zunächst eine einvernehmliche Regelung zu suchen. Für diesen Fall muss das Gericht aber berücksichtigen, was der ins Recht gefasste Gatte schon geleistet hat. Die bereits erbrachten Leistungen müssen im Urteil beziffert werden sich zumindest in Verbindung mit der Begründung aus dem Verweis auf andere Dokumente klar ergeben, um die Vollstreckbarkeit des Unterhaltsanspruchs im Rahmen eines definitiven Rechtsöffnungstitels zu gewährleisten. Zudem muss geprüft werden, ob im Verhalten des klagenden Gatten, der sich während Monaten oppositionslos mit den ausgerichteten (nunmehr als zu niedrig empfundenen) Beiträgen abgefunden hat, nicht ein Verzicht zu erblicken ist. Ebenfalls kann keine rückwirkende Festsetzung verlangt werden, wenn sich die Ehegatten über die während des Getrenntlebens zu leistenden Unterhaltsbeiträge einvernehmlich, und ohne eine richterliche Instanz anzurufen, geeinigt haben (Isenring/Kessler, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N 11 zu Art. 173 ZGB). Beweispflichtig für das Vorliegen einer aussergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung ist nach dem Grundsatz von Art. 8 ZGB derjenige Ehegatte, der eine Rückwirkung verhindern will (Jann Six, Eheschutz, 2. Aufl. 2014, N 2.60 S. 103).
2.2 Die Ehefrau und Berufungsklägerin bringt vor, sie habe in ihrem Gesuch gestützt auf Art. 276 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. 173 Abs. 3 ZGB Unterhalt rückwirkend ab dem 1. Juni 2020 beantragt. Da vorgängig der Anhängigmachung der Ehescheidung per 1. Juni 2021 keine Eheschutzmassnahmen verfügt worden seien und der Berufungsbeklagte ihr auch keinen persönlichen Unterhalt gestützt auf eine aussergerichtliche Vereinbarung bezahlt habe, könne das Scheidungsgericht im Rahmen vorsorglicher Massnahmen auch für das Jahr vor Einreichung des Begehrens Unterhalt festsetzen. Die Vorinstanz habe nun jedoch nicht rückwirkend ab dem 1. Juni 2020, sondern lediglich rückwirkend ab Klageeinreichung, das heisst ab dem 1. Juni 2021 Unterhalt festgelegt. Eine Begründung für die damit implizite Abweisung des Unterhaltsantrages für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2021 fehle vollends, womit die Vorinstanz den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt habe. Die Rechtsmittelinstanz könne die Sache an die erste Instanz zurückweisen, wenn ein wesentlicher Teil der Klage nicht beurteilt worden sei. Um die Angelegenheit zu beschleunigen, sei sie jedoch damit einverstanden, wenn die Berufungsinstanz die Berufung gesamthaft selber entscheide. Zu beachten seien dabei die Rügen zur konkreten Berechnung des Bedarfs der Parteien.
2.3 Der Ehemann und Berufungsbeklagte entgegnet, es liege im Ermessen des Gerichts, rückwirkend über das Datum der Klageeinreichung einen Unterhaltsbeitrag festzulegen, zumal es sich um eine Kann-Vorschrift auf beide Seiten handle. Das Gericht habe mithin nach Recht und Billigkeit zu entscheiden. Der Zweck der gesetzlichen Möglichkeit einer rückwirkenden Geltendmachung von Unterhaltsbeiträgen liege einzig in der Befreiung vom Zwang, bei Ausbleiben eines Unterhaltsbeitrages bei faktischem Getrenntleben sofort den Eheschutzrichter anrufen zu müssen. Es handle sich dabei jedoch um keine starre Regelung, insbesondere nicht in knappen Verhältnissen wie vorliegend. Die Vorinstanz sei zum Schluss gelangt, dass aufgrund der Gesamtumstände eine rückwirkende Festlegung des nachehelichen Unterhalts nicht gerechtfertigt und ein solcher erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage geschuldet sei, was nicht zu beanstanden sei. Zumal unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen des Berufungsbeklagten in der Vergangenheit sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten die Festlegung eines rückwirkenden Unterhalts nicht gerechtfertigt wäre und zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde. Dies insbesondere auch, weil er keinen rückwirkenden Unterhalt zufolge seiner substanziellen und belegten Verschuldung leisten könne. Es könne nicht angehen, dass er sich für die Bezahlung eines rückwirkenden Unterhalts zusätzlich verschulden gar eine Lohnpfändung riskieren müsse. Die Parteien hätten sich im August 2019 getrennt und sich dabei über ihre familiären Unterstützungspflichten geeinigt. Er habe an die Berufungsklägerin und die Kinder eine Liegenschaft überschrieben, welche diese mittlerweile verkauft und auch einen entsprechenden Ertrag erwirtschaftet habe. Weiter habe er der Berufungsbeklagten diverse Zahlungen in Höhe von CHF 6'870.00 ausgerichtet und verschiedene eheliche Schulden übernommen. Es handle sich hierbei um offene Steuerschulden sowie andere gemeinsame Ausstände aus der Zeit des ehelichen Zusammenlebens. Ferner habe er monatlich CHF 1'000.00 an den volljährigen Sohn bezahlt, der bei der Ehefrau wohne, sich noch in Ausbildung befinde und ihr monatlich CHF 800.00 abgeliefert habe. Wäre die Berufungsklägerin mit dem von ihm geleisteten Unterhalt nicht einverstanden gewesen, hätte sie einen Unterhaltsbeitrag schon früher geltend machen müssen und damit nicht gut zwei Jahre seit der Trennung zuwarten dürfen. Dieser habe jedoch auf einer entsprechenden Parteivereinbarung basiert und die nachträglich mandatierte Vertreterin habe ihn dann rückwirkend eingefordert, da diese ihr offenbar mitgeteilt habe, dass dies rechtlich noch möglich sei. Indem die Ehefrau gute zwei Jahre oppositionslos seine Unterhaltsbeiträge akzeptierte, habe sie auf einen rückwirkenden Unterhaltsanspruch verzichtet. Er selber akzeptiere sodann die Unterhaltszahlung ab Rechtshängigkeit der Scheidungsklage und habe auf eine Berufung verzichtet. Dies insbesondere gerade auch wegen seiner Verschuldung, bereite ihm doch bereits die rückwirkende Bezahlung der Unterhaltsbeiträge ab dem 1. Juni 2021 erhebliche Schwierigkeiten und führe zu weiteren finanziellen Einschränkungen beziehungsweise Drittgläubiger müssten länger auf ihre Zahlungen warten. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von CHF 3'420.00 und einem Bedarf von CHF 2'887.00 verbleibe der Ehefrau ein Überschuss in Höhe von CHF 533.00 sowie zusätzlich die verfügten Unterhaltsbeiträge ab Einreichung der Scheidungsklage. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen wie auch an den gemeinsamen Sohn, der Übernahme der gemeinsamen Schulden sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Berufungsklägerin sei die rückwirkende Festlegung eines Unterhaltsbeitrags nicht gerechtfertigt und unangemessen. Sollte eine solche jedoch wider Erwarten im Grundsatz angenommen werden, so wäre die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. So wären dann die von ihm der Berufungsklägerin sowie dem gemeinsamen Sohn bereits geleisteten und belegten Zahlungen, die Tilgung der gemeinsamen Schulden wie auch die Liegenschaftsübertragung zu berücksichtigen und von einem allfälligen Anspruch in Abzug zu bringen. Hierfür enthalte der erstinstanzliche Entscheid jedoch keine Angaben und es wären weitere Abklärungen angezeigt. Dies indiziere eine Rückweisung an die Vorinstanz. Diese hätte dabei unter Würdigung der obgenannten Gesamtumstände nach Recht und Billigkeit zu befinden und seine anrechenbaren Leistungen festzuschreiben.
2.4.1 Die Ehefrau hatte bei der Vorinstanz gestützt auf Art. 173 Abs. 3 ZGB die Zusprechung von Unterhaltsbeiträgen mit Wirkung ab 1. Juni 2020 beantragt. Die Amtsgerichtspräsidentin begründet im angefochtenen Entscheid mit keiner Silbe, weshalb sie dem Begehren nicht entsprach. Gründe, um von der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen auch für das Jahr vor Einreichung des Begehrens abzusehen, sind denn auch schwer auszumachen. Die Ehefrau wies in ihrem Scheidungsbegehren vom 1. Juni 2021 ausdrücklich darauf hin, dass Konventionsgespräche mittels eines Drittanwaltes, insbesondere auch bezüglich eines vorläufigen Unterhaltsbeitrages, gescheitert seien (Scheidungsbegehren, S. 3, Ziff. 2, AS 10). Diese Bemerkung wird untermauert durch die Tatsache, dass die Teilvereinbarung der Ehegatten mit dem gemeinsamen Scheidungsbegehren bereits am 10. März 2021 unterzeichnet worden war (AS 1). Der Ehemann belegt seine Behauptungen, er sei rückwirkend für den Unterhalt aufgekommen und die Ehegatten hätten den Unterhalt für die Vergangenheit mit einer Parteivereinbarung geregelt, nicht. Bezeichnenderweise verlangt er eventualiter, die Sache für den Fall, dass Alimente trotzdem rückwirkend festzulegen wären, an die Vorinstanz zurückzuweisen, da noch weitere Abklärungen angezeigt seien. Die Rüge der Berufungsklägerin ist daher begründet. Die Vorderrichterin hätte die Unterhaltsbeiträge rückwirkend ab 1. Juni 2020 festsetzen müssen. Die Einwände des Berufungsbeklagten, er müsste sich diesfalls zusätzlich verschulden und Drittgläubiger müssten länger auf ihre Zahlungen warten und er habe bereits monatlich CHF 1'000.00 an den volljährigen Sohn bezahlt, vermögen daran nichts zu ändern: Die eheliche Unterhaltspflicht geht vor.
2.4.2 Der Berufungsbeklagte verlangt, die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gemäss Art. 318 Abs. 1 lit. c. ZPO kann beim Entscheid über eine Berufung in diesem Sinne verfahren werden, wenn ein wesentlicher Teil der Klage nicht beurteilt worden ist der Sachverhalt in wesentlichen Teilen zu vervollständigen ist. Vorliegend rechtfertigt sich eine Rückweisung indessen nicht. Die angefochtenen Unterhaltsbeiträge können im Berufungsverfahren nicht nur für die Zeit ab 1. Juni 2021, sondern auch für das Jahr zuvor ohne Weiteres beurteilt werden. Die Ehefrau hatte den Antrag auf rückwirkende Zusprechung bei der Vorinstanz unmissverständlich formuliert. Die für die Beurteilung erforderlichen Grundlagen (Einkünfte und Bedarf der Ehegatten) liegen auch für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2021 vor. Aufgrund des Rechtsbegehrens der Ehefrau hätte der Ehemann die von ihm behaupteten Zahlungen, die nach seiner Auffassung jetzt noch abzuklären seien, bereits im Hinblick auf den Entscheid vom 6. Dezember 2021 bei der Vorinstanz belegen können und müssen. Von einer Rückweisung ist daher abzusehen und es ist im Berufungsverfahren über die Sache neu zu entscheiden (Art. 318 Abs. 1 lit. b ZPO).
3.1 Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass dem Ehemann für das Jahr 2020 monatliche Nettoeinkünfte von CHF 7'865.00 sowie ab 2021 von CHF 8'310.00 und der Ehefrau für die Jahre 2020 und 2021 bis Februar 2022 CHF 3'420.00 sowie ab März 2022 CHF 4'275.00 anzurechnen sind. Umstritten sind zwei Positionen im Rahmen der Bedarfsrechnungen.
3.2.1 Die Berufungsklägerin beanstandet den ihr von der Vorinstanz für Nebenkosten der Liegenschaft zugestandenen Betrag von CHF 350.00. Sie habe weit höhere Nebenkosten ausgewiesen. Prüfe man die von ihr eingereichten Unterlagen, so seien mindestens die folgenden Positionen als Nebenkosten anzuerkennen: Unterhalt Miteigentümer pro Jahr (nur gemeinsame Anlagen) CHF 480.00, Erneuerungsfonds Miteigentümer (nur gemeinsame Anlagen) CHF 780.00, Solothurnische Gebäudeversicherung CHF 357.55, Gebäudesachversicherung CHF 462.00, Gas für Heizung CHF 2'806.35, Hoval Wartung Heizung CHF 613.90, Kaminfeger CHF 85.10, Wasser CHF 898.10. Auf den Monat umgerechnet entspreche dies einem Betrag von CHF 540.24. Gehe man von jährlichen Unterhaltskosten von rund CHF 600.00 beziehungsweise CHF 50.00 pro Monat aus, resultierten anrechenbare Nebenkosten von CHF 590.00 pro Monat. Ein Betrag von CHF 350.00 reiche bei Weitem nicht, um die Nebenkosten der Liegenschaft, welche teilweise Gebäulichkeiten im Miteigentum umfasse, abzudecken. Selbstverständlich veränderten sich bei einer Erhöhung der Nebenkosten auch die Wohnbeiträge.
3.2.2 Der Berufungsbeklagte erachtet die von der Vorinstanz ermessensweise festgelegten Nebenkosten von CHF 350.00 als korrekt, stellten diese doch ungefähr ein Drittel der Mietkosten dar. Es handle sich nicht um eine falsche Sachverhaltsfeststellung, sondern um einen vertretbaren Ermessensentscheid, welchen diese unter Berücksichtigung sämtlicher ins Recht gelegter Positionen der Berufungsklägerin getroffen habe. Dies insbesondere auch im Lichte des Umstands, dass diverse der geltend gemachten Nebenkosten nicht jährlich anfielen und damit auch nicht vollständig berücksichtigt werden könnten.
3.2.3 Die Ehefrau hatte die von ihr geltend gemachten Nebenkosten belegt (vorinstanzliche Urkunden 12 und 16). Es handelt sich dabei durchwegs um Ausgaben, die jährlich anfallen. Die Amtsgerichtspräsidentin setzte sich damit nicht auseinander, sondern hielt einzig fest, es seien «bei der Ehefrau Nebenkosten von ermessensweise CHF 350.00 zu berücksichtigen» (angefochtenes Urteil S. 5). Angesichts der von der Ehefrau eingereichten detaillierten Unterlagen handelt es sich dabei nicht mehr um einen – wie der Berufungsbeklagte meint – vertretbaren Ermessensentscheid. Die Berufung ist in dieser Hinsicht begründet und der Ehefrau ist für Nebenkosten der geltend gemachte Betrag von CHF 590.00 zuzugestehen.
3.3.1 Beim Bedarf des Ehemannes beanstandet die Berufungsklägerin sodann den Zuschlag für den Geschäftswagen von CHF 150.00. Die Vorderrichterin erwog dazu, der Ehemann habe ein Schreiben seines Arbeitgebers ins Recht gelegt, wonach er zur Ausübung seiner Tätigkeit zwingend auf ein Geschäftsfahrzeug angewiesen sei. Auf den eingereichten Lohnabrechnungen sei zwar jeweils ein Betrag von CHF 150.00 für den Geschäftswagen aufgeführt, jedoch werde dieser dem Lohn nicht hinzugerechnet und dem Ehemann demnach auch nicht ausbezahlt. Gestützt auf diesen Vermerk in den Lohnabrechnungen sei davon auszugehen, dass die monatlich anfallenden Auslagen für den Arbeitsweg CHF 150.00 betragen würden. Dieser Betrag sei im Bedarf des Ehemannes zu berücksichtigen.
3.3.2 Die Berufungsklägerin weist darauf hin, dass der Ehemann über einen Geschäftswagen verfüge, was dieser in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 2021 bestätigt habe. Benzin tanke er ebenfalls über das Geschäft. Wie den von ihm eingereichten Lohnausweisen entnommen werden könne, werde ihm ein Betrag von CHF 150.00 als Naturallohn für das Auto theoretisch, das heisst lediglich für die Steuern, aufgerechnet. Bei den von der Vorinstanz berechneten Einkommen des Berufungsbeklagten sei dieser Lohnbestandteil jedoch nicht enthalten. Dem von ihm eingereichten Lohnausweis für das Jahr 2020 zufolge habe er exklusiv dem Naturallohn «Geschäftswagen» von CHF 1’800.00 insgesamt CHF 94'283.00 netto beziehungsweise CHF 7'856.90 pro Monat verdient. Bei den monatlichen Lohnabrechnungen werde der Geschäftswagen zwar mit einem Betrag von CHF 150.00 Monat aufgeführt, effektiv aber nicht dazugerechnet, was bedeute, dass bei dem von der Vorinstanz ab dem Jahr 2021 berechneten Einkommen von CHF 8'310.00 der Geschäftswagen ebenfalls nicht eingeschlossen sei. Dem Berufungsbeklagten könne deshalb im Existenzminimum kein weiterer Abzug von CHF 150.00 gewährt werden.
3.3.3 Der Berufungsbeklagte bezeichnet die Feststellung der Vorinstanz, dass ihm monatliche Auslagen für den Arbeitsweg in Höhe von CHF 150.00 anfielen, als korrekt. Es sei unbestritten, dass er zur Ausübung seiner Tätigkeit auf ein Geschäftsfahrzeug zwingend angewiesen sei. Er habe dabei für dessen Benutzung monatlich mindestens einen Betrag von rund CHF 150.00 zu bezahlen. Sein Arbeitgeber übernehme nicht sämtliche Kosten, welche im Zusammenhang mit dem Geschäftsfahrzeug anfielen. So habe er die Unterhaltskosten wie zum Beispiel das Waschen des Fahrzeugs und Niveaukontrollen und Auffüllungen etc. selber zu tragen. Entsprechend sei dieser Betrag im seinem Bedarf zu berücksichtigen. Andernfalls müsste ihm für das Wochenende und Ferien/Feiertage ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs angerechnet werden, was einem ähnlichen Betrag entspreche.
3.3.4 Auch diese Rüge der Berufungsklägerin ist begründet: Die von ihr erwähnten Lohnabrechnungen und der Lohnausweis 2020 (Beilage 2 des Ehemannes zur Stellungnahme vom 15. Juli 2021 und Beilagen 2 und 3 des Ehemannes zur Eingabe vom 24. November 2021) belegen, dass in den ihm angerechneten Einkünften (CHF 7'856.00 beziehungsweise CHF 8'310.00) der Betrag für den Geschäftswagen von CHF 150.00 nicht eingeschlossen ist. Wenn ihm aber ein Geschäftswagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, ist konsequenterweise beim Bedarf nichts zu berücksichtigen. Dass mit diesem Betrag die Kosten für das Waschen, Niveaukontrollen und Auffüllungen nicht erfasst sein sollen, ist eine blosse Behauptung des Berufungsklägers. Ganz abgesehen davon untermauert er entsprechende Auslagen – die ohnehin bescheiden sein dürften – in keiner Art und Weise. Auslagen für das Wochenende und Ferien sind bereits im Grundbetrag eingeschlossen und daher im Rahmen der zweistufigen Berechnungsmethode nicht mit einem weiteren Zuschlag zu berücksichtigten. Der dem Ehemann unter dem Titel «Arbeitsweg» in der Bedarfsrechnung zugestandene Betrag von CHF 150.00 ist daher zu streichen.
4. Die Berufungsklägerin berechnet in ihrer Berufung ausgehend von den von ihr beantragten Korrekturen, die aufgrund der vorstehenden Erwägungen zu berücksichtigen sind, die Unterhaltsbeiträge neu (Berufung, S. 8 ff.). Mit der Beilage von entsprechenden Berechnungsblättern zeigt sie zudem auf, dass bei der Ermittlung der mutmasslichen Steuern bei ihr die Eigenmietwerte und die Hypothekarzinsen sowie die Tatsache, dass sie nach wie vor zum Familientarif besteuert wird, berücksichtigt wurden. Weiter geht daraus hervor, dass sie die konkreten Steuerfüsse der Wohngemeinden der Ehegatten einsetzte. Die Berechnungen sind plausibel und der Berufungsbeklagte bringt nichts dagegen vor, was diese erschüttern könnte. Für die Neubeurteilung kann deshalb vollumfänglich darauf abgestützt werden. Die Berufung gegen die Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Urteils ist daher vollumfänglich gutzuheissen. Die Unterhaltsbeiträge sind entsprechend den Anträgen der Ehefrau und Berufungsklägerin neu festzusetzen. Zu bestätigen ist die vorinstanzliche Feststellung betreffend Abzahlung der gemeinsamen Steuerschulden.
5. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Ausgang entsprechend (Art. 106 Abs. 1 ZPO) dem Ehemann und Berufungsbeklagten zu auferlegen. Weiter hat er die Ehefrau und Berufungsklägerin für deren Bemühungen zu entschädigen. Der von ihr geltend gemachte Betrag von CHF 2'970.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) ist angemessen.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird gutgeheissen. Die Ziffern 1 und 2 der Verfügung der Amtsgerichtspräsidentin von Olten-Gösgen vom 6. Dezember 2021 werden aufgehoben. 2. Der Ehemann wird vorsorglich für die Dauer des Verfahrens verpflichtet, der Ehefrau monatliche Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen: - ab 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2020 CHF 876.00 - ab 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 CHF 1'091.00 - ab 1. Januar 2022 bis 28. Februar 2022 CHF 1'217.00 - ab 1. März 2022 bis 31. Oktober 2022 CHF 1'095.00 - ab 1. November 2022 CHF 1'511.00 Es wird festgestellt, dass beim Bedarf des Ehemannes die Abzahlung der gemeinsamen Steuerschulden bei der Einwohnergemeinde [...] im Betrag von CHF 786.00 respektive CHF 600.00 pro Monat berücksichtigt worden ist. Sollte der Ehemann diese Schulden nicht tilgen, ist dies im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu Gunsten der Ehefrau zu berücksichtigen. 3. Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'000.00 hat B.___ zu tragen. Sie werden mit dem von A.___ geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. B.___ hat A.___ den Betrag von CHF 1'000.00 zu erstatten. 4. B.___ hat A.___ für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 2'970.85 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 30'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Frey Trutmann |
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