Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2021.93: Verwaltungsgericht
Die B.___ AG hat gegen die C.___ AG und die A.___ AG Klage erhoben, um Mängel zu beheben und die Mietzinse zu reduzieren. Nach einem Zwischenentscheid des Richteramtes wurde entschieden, dass die Klage gegen beide Beklagten zulässig ist. Die Beklagte 2 hat Berufung eingelegt und argumentiert, dass sie nicht in den Prozess eingetreten sei. Der Amtsgerichtspräsident entschied jedoch, dass die Beklagte 2 automatisch in den Prozess eingetreten ist. Die Berufung wurde abgewiesen, und die Kosten gehen zu Lasten der Beklagten 2.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2021.93 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 20.09.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Parteiwechsel; Berufung; Recht; Miete; Klage; Mietzins; Beklagte; Beklagten; Erwerber; Schlichtungsbehörde; Solothurn; Mängel; Solothurn-Lebern; Klagebewilligung; Mietverhältnis; Gesetzes; Berufungsklägerin; Pacht; Bundesgericht; Berufungsbeklagte; Verfahren; Gericht; Zivilprozess; Baurecht; Kammer; Mietzinse; Veräusserung; Eigentümer; Prozesse |
Rechtsnorm: | Art. 202 ZPO ;Art. 209 ZPO ;Art. 261 OR ;Art. 261 ZPO ;Art. 273 OR ;Art. 292 StGB ;Art. 83 ZPO ;Art. 839 ZGB ; |
Referenz BGE: | 127 III 273; |
Kommentar: | Sutter, Hasenböhler, Leuenberger, Schwander, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 83 OR ZPO, 2016 |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2021.93 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 20.09.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2022.125 |
Titel: | Mietzinshinterlegung / Mängelbeseitigung / Mietzinsreduktion |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 20. September 2022 Es wirken mit: Oberrichter Müller Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Trutmann In Sachen A.___ AG, vertreten durch Fürsprecher Thomas Müller,
Berufungsklägerin
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gerber,
Berufungsbeklagte
betreffend Zwischenentscheid i.S. Mietzinshinterlegung / Mängelbeseitigung / Mietzinsreduktion zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. Die B.___ ist Eigentümerin der Liegenschaft Grundbuch [...] Nr. [...]. Am 15. September 1981 schloss sie mit der C.___ AG als Baurechtsberechtigte einen Baurechtsvertrag. Das Baurechtsgrundstück ist im Grundbuch [...] Nr. [...] als selbständiges und dauerndes Baurecht eingetragen. Dem Vertrag über die Abänderung dieses Baurechts vom 25. April 2005 zufolge besteht das Recht in der Errichtung und dem Betrieb einer Mehrzwecksporthalle inkl. Garderobe und Konsumationsmöglichkeit sowie einer Tennishalle und Aussenanlagen für Tennis. Die Vertragsparteien vereinbarten damals, die Mehrzwecksporthalle solle der Grundeigentümerin von Montag bis Freitag während den Abendstunden und an den Wochenenden für diverse Veranstaltungen zu einem bestimmten Mietpreis, der alle fünf Jahre angepasst werden kann, zur Verfügung stehen.
Die B.___ machte ab dem Jahr 2016 bei der C.___ AG mehrfach Mängel geltend. Am 5. September 2017 gelangte die Liegenschaftsverwaltung der B.___ an die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, und stellte einen Antrag um Mietzinshinterlegung. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2017 (Postaufgabe) stellte sie sodann ein Schlichtungsgesuch zwecks sofortiger Beseitigung der Mängel und angemessener Herabsetzung des Mietzinses. Das Schlichtungsverfahren wurde in der Folge mehrfach sistiert, bis am 20. Februar 2020 der B.___ die Klagebewilligung gegen die C.___ AG erteilt wurde.
2.1 Am 15. April 2020 erhob die nun neu anwaltlich vertretene B.___ (nachfolgend: Klägerin) beim Richteramt Solothurn-Lebern Klage gegen die C.___ AG (nachfolgend: Beklagte 1) und die A.___ AG (nachfolgend: Beklagte 2) mit folgenden Rechtsbegehren:
1. Es sei die A.___ AG unter Anordnung der Ungehorsamkeitsstrafe nach Art. 292 StGB gegen das einzige Mitglied des Verwaltungsrates, Herr D.___, zu verpflichten, die Mängel innert gerichtlich angesetzter Frist zu beseitigen, indem… - … - … - ... 2. Es sei der gegenüber der A.___ AG geschuldete Mietzins für den Zeitraum vom 9. Januar 2019 bis zum Zeitpunkt der Mängelbeseitigung um 30 % zu reduzieren. 3. Es sei der gegenüber der C.___ AG geschuldete Mietzins für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 9. Januar 2019 um 30 % zu reduzieren. 4. Zufolge Gutheissung des Rechtsbegehrens 3 seien die bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Solothurn-Lebern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 9. Januar 2019 hinterlegten Mietzinse im Umfang von CHF 4'507.00 pro Monat der B.___, zuzusprechen und zur Auszahlung freizugeben. 5. Zufolge Gutheissung des Rechtsbegehrens 2 seien die bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Solothurn-Lebern für den Zeitraum vom 9. Januar 2019 bis zur Beseitigung der Mängel gemäss Rechtsbegehren 1 hinterlegten Mietzinse im Umfang von CHF 4'507.00 pro Monat der B.___, zuzusprechen und zur Auszahlung freizugeben. 6. Es sei der B.___, für den Fall, dass die A.___ AG innert gerichtlich angesetzter Frist die Mängelbeseitigung gemäss Rechtsbegehren 1 nicht abschliesst, zu gestatten, unter Erklärung der Verrechnung der dadurch entstandenen Kosten mit den Mietzinsen die Mängel auf Kosten des Vermieters beseitigen zu lassen. Die hinterlegten Mietzinsen seien in diesem Fall im Betrag der Kosten der Mängelbeseitigung zur Auszahlung an die B.___, freizugeben. 7. ...
Dass sich die Klage im Gegensatz zum Schlichtungsverfahren neu auch gegen die A.___ AG als Beklagte 2 richte, begründete die Klägerin mit einer Handänderung am Mietobjekt. Gemäss einer Meldung der Amtschreiberei Region Solothurn vom 15. Januar 2019 sei mit Tagebucheintrag vom 9. Januar 2019, das heisst rund 15 Monate nach Eintritt der Rechtshängigkeit, infolge Zwangsverwertung die Beklagte 2 neue Eigentümerin des Baurechtsgrundstücks Grundbuch [...] Nr. [...] geworden. Art. 261 Abs. 1 OR zufolge sei das Mietverhältnis daher von Gesetzes wegen auf die Erwerberin übergegangen. Gestützt auf Art. 83 Abs. 4 ZPO sei die Beklagte 2 somit als neue Beklagte in das bereits laufende Schlichtungsverfahren eingetreten. Der Vollständigkeit wegen werde darauf hingewiesen, dass das mit Tagebucheintrag vom 9. Januar 2019 veräusserte, im Grundbuch eingetragene Baurecht nicht das Streitobjekt und die Bestimmung von Art. 83 Abs. 1 ZPO folglich nicht anwendbar sei. Die Beklagten bestritten, dass die Beklagte 2 in den Prozess eingetreten sei.
2.2 Auf Antrag der beiden Beklagten und im Einverständnis der Klägerin beschränkte der Amtsgerichtspräsident mit Verfügung vom 6. Mai 2021 das Verfahren unter anderem auf die Frage des Verfahrenseintritts der Beklagten 2. Mit Zwischenentscheid vom 17. September 2021 erkannte er Folgendes:
1. Auf die Klage vom 15. April 2020 wird gegen die Beklagte 1 und gegen die Beklagte 2 eingetreten. 2. Die Klagebewilligung vom 20. Februar 2020 wird zur Berichtigung und Einsetzung der A.___ AG als Beklagte 2 an die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, zurückgewiesen. 3. Die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, hat die berichtigte Klagebewilligung den Parteien und dem Gericht zuzustellen. 4. Über die Partei- und Gerichtskosten wird im Endentscheid befunden.
3. Frist- und formgerecht erhob die Beklagte 2 (nachfolgend auch: Berufungsklägerin) im Anschluss an die nachträgliche Zustellung der Entscheidbegründung Berufung. Sie stellt dabei folgende Anträge:
Es sei der Zwischenentscheid des Richteramtes Solothurn-Lebern vom 17.09.2021, wonach 1. auf die Klage vom 15.04.2020 gegen die Beklagte 2 eingetreten wird; 2. die Klagebewilligung vom 20.02.2020 zur Berichtigung und Einsetzung der A.___ AG als Beklagte 2 an die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, zurückgewiesen wird; 3. die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, die berichtigte Klagebewilligung den Parteien und dem Gericht zuzustellen hat, und 4. über die Partei- und Gerichtskosten im Endentscheid befunden wird, aufzuheben und 1. es sei auf die Klage vom 15.04.2020 - soweit die Beklagte 2 betreffend - nicht einzutreten; 2. es seien die bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, seit dem 9.01.2019 hinterlegten Mietzinse inklusive Zinsen der Beklagten 2 freizugeben; Eventualiter: es sei die Sache zum Entscheid über die Freigabe der bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, seit dem 9.01.2019 hinterlegten Mietzinse inkl. Zinsen an die Beklagte 2 an die Vorinstanz zurückzuweisen; 3. alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin.
Die Klägerin (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) beantragt, die Berufung abzuweisen.
4. Die Streitsache ist spruchreif. In Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann über die Berufung ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II. 1. Thema des angefochtenen Zwischenentscheids ist im Wesentlichen, ob es im vorliegenden Verfahren zu einem Parteiwechsel gekommen ist. Der Parteiwechsel ist in Art. 83 ZPO geregelt. Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten (Art. 83 Abs. 1 ZPO). Ohne Veräusserung des Streitobjektes ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten (Art. 83 Abs. 4 ZPO). Umstritten ist, wie in diesem Zusammenhang die Bestimmung von Art. 261 Abs. 1 Schweizerisches Obligationenrecht (OR, SR 220) einzuordnen ist. Gemäss Art. 261 Abs. 1 OR geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über, wenn der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrags veräussert sie ihm in einem Schuldbetreibungs- Konkursverfahren entzogen wird.
2. Der Amtsgerichtspräsident hielt fest, vorliegend stehe ein teilweiser Parteiwechsel zur Diskussion, da die Beklagte 1 nicht gänzlich aus dem Verfahren ausscheide. Obwohl vom Gesetzgeber nicht explizit vorgesehen, sei ein solcher teilweiser Parteiwechsel möglich. Es gehe darum, ob die Beklagte 2 zum Zeitpunkt des Handwechsels zusätzlich zur Beklagten 1 in das bereits laufende Schlichtungsverfahren eingetreten sei, da Ansprüche aus dem Mietverhältnis vor und nach dem materiell-rechtlichen Eigentumsübergang in Frage stünden. Es handle sich gewissermassen um einen Parteibeitritt. Weiter erwog er unter Hinweis auf die Lehre, wenn durch das materielle Recht bestimmt werde, dass ein Anspruch von Gesetzes wegen auf eine andere Person übergehe, dann müsse auch im Prozess ein entsprechender Parteiwechsel im Sinne von Art. 83 Abs. 4 Halbsatz 2 ZPO ohne weiteres zulässig sein. Eine Rechtsnachfolge finde von Gesetzes wegen beim Erbgang, bei fusionsrechtlichen Tatbeständen und im Konkurs statt. Ausserdem gebe es weitere Fälle, bei welchen das materielle Recht bei einer Einzelrechtsnachfolge auch einen Übergang der Prozessführungsbefugnis und damit einen Parteiwechsel statuiere. In all diesen Fällen komme es von Gesetzes wegen zu einem Parteiwechsel, ohne dass es der Zustimmung der Gegenpartei bedürfte. So finde etwa bei einem Eigentümerwechsel eines Grundstückes, sofern die streitige Verpflichtung subjektivdinglich verknüpft ist, wie etwa beim Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 839 ZGB), bei dem sich der Anspruch auf Eintragung des Pfandrechtes gegen den jeweiligen Eigentümer richte, während des laufenden Verfahrens ein Parteiwechsel statt. Ebenfalls ein Parteiwechsel finde bei der Veräusserung der Mietsache statt, wobei auch die laufenden Prozesse aus dem Mietverhältnis auf den Erwerber übergingen. Mithin habe auch formell-rechtlich ein Parteiwechsel von Gesetzes wegen zu erfolgen.
Im Weiteren habe sich das Bundesgericht in einem Mieterstreckungsverfahren dahingehend geäussert, dass die Erbwerberin von Gesetzes wegen als neue Eigentümerin und Vermieterin anstelle des Veräusserers in den Prozess eingetreten sei. Es erscheine vor diesem Hintergrund naheliegend, dass diese Rechtsprechung auch für andere mietrechtliche Ansprüche, namentlich Mängelbeseitigung, Mietzinsreduktion und Mietzinshinterlegung, Bestand haben müsse. Insoweit die Beklagte 2 vorbringe, die Klägerin hätte den Parteiwechsel aktiv herbeiführen müssen, könne ihr deshalb nicht gefolgt werden. Der Parteiwechsel sei ipso iure, das heisst automatisch von Gesetzes wegen erfolgt. Unabhängig davon habe Rechtsanwältin Jeanette Frech mit Schreiben vom 22. August 2019 der Klägerin mitgeteilt, sie vertrete in Sachen A.___ AG die Interessen der Beklagten 2. Es erschliesse sich demnach mit Blick auf die Anwaltsvollmacht vom 26. Juli 2019 zumindest nicht ohne Weiteres, insbesondere aufgrund des doch relativ allgemein gehaltenen Betreffs «[...] (Baurecht und Miete)» sowie Ziff. 1 Abs. 2 («vor allen Behörden, insbes. Verwaltung, Gerichte, Schiedsgerichte») der Anwaltsvollmacht, inwiefern die Rechtsvertreterin nur mit der aussergerichtlichen Interessenwahrung betraut worden sein sollte. Zudem habe die Rechtsvertreterin im Schreiben vom 22. August 2019 ausgeführt, dass es aufgrund des mit der Veräusserung des Mietobjekts erfolgten Parteiwechsels auf der Beklagtenseite als sinnvoll erscheine, mit allen involvierten Personen (auch der C.___ AG) zu diskutieren, ob und gegebenenfalls wie die vor der Mietschlichtungsbehörde hängige Streitigkeit weitergeführt werden sollte. Ob die Beklagte 2 dadurch explizit in das Schlichtungsverfahren eingetreten sei, könne aufgrund der vorstehenden Erwägungen offengelassen werden.
Überdies habe das Bundesgericht festgehalten, dass bei einer Veräusserung der Liegenschaft der Mietvertrag bestehen bleibe und der Erwerber von Gesetzes wegen in den Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten eintrete; in die hängigen Prozesse nur insoweit, als sie Sachverhalte betreffen würden, die sich auch nach dem Parteiwechsel auf das Mietverhältnis auswirken könnten. Nach der vom Bundesgericht angewandten Spaltungstheorie schulde der Veräusserer weiterhin alle vor dem Eigentumsübergang gegenüber dem Mieter entstandenen Verbindlichkeiten und Nebenpflichten, namentlich insbesondere die Abrechnungs- und Rückerstattungspflicht bei Akonto- und Sicherheitsleistungen des Mieters und Ersatzansprüche wegen mangelhafter Mietsache, aus seiner mit dem Eigentumswechsel erloschenen Gebrauchsüberlassungspflicht. Der Spaltungstheorie entsprechend stelle die Klägerin auch ihre Rechtsbegehren. Der vorliegende Prozess betreffe zweifelsohne Sachverhalte, insbesondere Mängelbeseitigung, Mietzinsherabsetzung und hinterlegte Mietzinse, die sich auch nach der Veräusserung und nach dem infrage stehenden Parteibeitritt auf das Mietverhältnis auswirken würden. Die Beklagtenrolle sei demnach nur mit Bezug auf den Sachverhalt, der das Mietverhältnis auch nach der Veräusserung berühre, auf die Beklagte 2 übergegangen. Mit Bezug auf Ansprüche, die vor Veräusserung der Mietsache entstanden seien, verbleibe die Beklagtenrolle bei der Beklagten 1. In Anlehnung an Lehre und Rechtsprechung stehe somit fest, dass im konkreten Fall nicht Art. 83 Abs. 1 ZPO, sondern Art. 83 Abs. 4 ZPO i.V.m. Art. 261 Abs. 1 OR Anwendung finde. Folglich sei auf die Klage vom 15. April 2020 sowohl gegen die Beklagte 1 als auch gegen die Beklagte 2 einzutreten. Die vorliegende Klagebewilligung sei daher, da sie die Beklagte 2 nicht aufführe, offensichtlich unrichtig beziehungsweise unvollständig. Folglich sei sie zur Berichtigung und Einsetzung der A.___ AG als Beklagte 2 an die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht, Kammer Solothurn-Lebern, zurückzuweisen.
3.1 Die Beklagte 2 und Berufungsklägerin bestreitet, in den Prozess eingetreten zu sein. Sie rügt, entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfolge der Parteiwechsel bei einer Veräusserung der Sache nach Abschluss des Mietvertrags während hängigem Prozess gestützt auf Art. 83 Abs. 1 ZPO. Die Einwilligung der Gegenseite bedürfe es nicht. Der Erwerber könne in den Prozess eintreten, müsse aber nicht. Selbst wenn davon ausgegangen würde, ein Parteiwechsel erfolge gestützt auf Art. 83 Abs. 4 ZPO i.V.m. Art. 261 Abs. 1 ZPO, wäre ein Prozesseintritt der Erwerberin erforderlich, was die Vorinstanz übersehen habe.
3.2 Veräussert der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrags wird sie ihm in einem Schuldbetreibungs- Konkursverfahren entzogen, so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über (Art. 261 Abs. 1 OR). Der Erwerber eines Mietobjekts tritt somit von Gesetzes wegen in das Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten ein, in die hängigen Prozesse nur, soweit sie Sachverhalte betreffen, die sich auch nach dem Parteiwechsel auf das Mietverhältnis auswirken können (Urteil des Bundesgerichts 4A_ 622/2013 vom 26. Mai 2014, E. 6.4; BGE 127 III 273 E. 4 c/aa; Tarkan Göksu, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N 27 zu Art. 83 ZPO; Gross/Zuber, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N 31f. zu Art. 83 ZPO; Mark Livschitz, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N 7 zu Art. 83 ZPO; Eva Bachofner, Die Mieterausweisung, 2019, S. 167 Rz 316; SVIT-Kommentar, Das schweizerische Mietrecht, 4. Aufl. 2018, N 12 zu Art. 273 OR; Irène Spirig, in: Mietrecht für die Praxis, 9. Aufl. 2016, S. 654, Rz 23.4.6.4). Diese Rechtslage bestand bereits vor dem Inkrafttreten der eidgenössischen ZPO (vgl. z.B. Peter Higi, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N 35 zu Art. 273 OR; Urteil Mietgericht Zürich vom 6. Februar 2003, in: mp 2004 S. 101 ff.). Bei Art. 261 Abs. 1 OR handelt es sich somit um eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 Halbsatz 2. Der neue Eigentümer ist im Gegensatz zur Auffassung der Berufungsklägerin gezwungen, in den hängigen Zivilprozess einzutreten. Bei den von Art. 83 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO für die Rechtsnachfolge ausdrücklich vorbehaltenen besonderen gesetzlichen Bestimmungen kann es sich um eine Gesamtrechtsnachfolge aber wie vorliegend um eine Einzelrechtsnachfolge handeln (Daniel Schwander: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., 2016, N 38 zu Art. 83 ZPO). Die von der Berufungsklägerin angerufene Einzelmeinung von Püntener, welche dieser im Übrigen nicht weiter begründet (Richard Püntener, Zivilprozessrecht für die Mietrechtspraxis, 2016, N 293), vermag daran nichts zu ändern: Wäre es dem Belieben des Erwerbers einer Mietliegenschaft überlassen, in den Prozess einzutreten nicht, würde die Bestimmung von Art. 261 Abs. 1 OR (Kauf bricht Miete nicht) ihrer Bedeutung zu einem wesentlichen Teil beraubt.
4.1 Die Berufungsklägerin macht weiter geltend, auch wenn angenommen werde, der Parteiwechsel erfolge gestützt auf Art. 83 Abs. 4 Halbsatz 2 ZPO aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung, so müsse ein Prozesseintritt herbeigeführt werden. Die Autoren, welche eine Passivlegitimation des Erwerbers einer Mietliegenschaft bejahten, äusserten sich nicht bloss indirekt zur Frage, wie der Prozesseintritt zu erfolgen habe. Bei der Äusserung des Bundesgerichts in BGE 127 III 273 E. 2c/aa, wonach ein Erwerber im hängigen Prozess nur insoweit eintrete, als dies Sachverhalte betreffe, die sich auch nach dem Parteiwechsel auf das Mietverhältnis auswirken könnten, handle es sich um ein obiter dictum, ohne sich näher zu den Modalitäten des Parteiwechsels zu äussern. Der Entscheid des Bundesgerichts sei im Übrigen noch unter der Herrschaft der kantonalen Zivilprozessordnungen ergangen. Damals habe ein minimaler Konsens dahingehend geherrscht, dass ein Parteiwechsel nicht automatisch erfolge, sondern es dazu der ausdrücklichen Erklärung einer Partei bedürfe. Aus dem von der Vorinstanz angeführten Urteil des Bundesgerichts 4A_622/2013 E. 6.4 ergebe sich, dass ein Eigentümerwechsel gestützt auf Art. 261 Abs. 1 OR nicht bedeute, dass das Verfahren ohne Weiteres gegen die neue Partei fortgeführt werde. Die Mieterin, welche gegen einen Vermieter einen Prozess führe, müsse den Parteiwechsel aktiv herbeiführen. Das habe die Berufungsbeklagte nicht getan. Die Vorinstanz übersehe, dass im Schlichtungsgesuch gemäss Art. 202 Abs. 2 ZPO unter anderem die Gegenpartei anzugeben sei und die Klagebewilligung die entsprechenden Namen und Adressen der Parteien und allfällige Vertretungen enthalten müsse. Die Berufungsbeklagte habe das Schlichtungsverfahren gegen die Beklagte 1 eingeleitet. Sie selber sei weder in den Prozess eingetreten, noch habe die Berufungsbeklagte einen Parteiwechsel herbeigeführt. Sie habe im Gegenteil mit Schreiben vom 14. Februar 2020, mithin nach dem Eigentümerwechsel, um Erteilung der Klagebewilligung gegen die C.___ AG ersucht. Sie habe damit genau jene Klagebewilligung erhalten, die sie gewünscht habe. Entsprechend sei diese weder unvollständig noch unrichtig und könne damit auch nicht zur Korrektur zurückgewiesen werden. Die Parteiangaben der Berufungsbeklagten im Schlichtungsgesuch seien zwingend zu übernehmen.
4.2 Es trifft zu, dass die von der Berufungsklägerin zitierten Autoren nicht erwähnen, wie der Prozesseintritt zu erfolgen hat. Dies dürfte aber bloss daran liegen, weil es offensichtlich ist, dass seitens des Mieters grundsätzlich keine Handlungen erforderlich sind. Wird nach Einleitung eines Verfahrens durch den Mieter das Mietobjekt veräussert, so wird der im Grundbuch eingetragene Erwerber während des laufenden Verfahrens anstelle des ausscheidenden Vermieters «ohne Weiteres» (SVIT-Kommentar, a.a.O.), «automatisch» (Bachofner, a.a.O.) passivlegitimiert. Schwander (a.a.O., N 39 zu Art. 83 ZPO) weist ausdrücklich darauf hin, eine Anpassung der Parteibezeichnung infolge gesetzlicher Rechtsnachfolge bedürfe keiner ausdrücklichen Erklärung einer Partei. Es genüge, dass das Gericht aufgrund der vorliegenden Tatsachen davon Kenntnis erlange und den Parteien das rechtliche Gehör gewähre. Da der Schlichtungsbehörde bekannt war, dass eine Versteigerung der Mietliegenschaft anstand (vgl. deren Verfügung vom 29. August 2018, an der vorinstanzlichen Verhandlung eingereichte Urkunde 30 der Klägerin), hätte bereits diese den Parteiwechsel beziehungsweise den Beitritt der Beklagten 2 zum gegebenen Zeitpunkt formell festhalten müssen. Indem die Klägerin und Berufungsbeklagte am 15. April 2020 ausdrücklich auch gegen die Beklagte 2 Klage erhob, wurde sie selber im Hinblick auf den bereits vorher automatisch erfolgten Parteiwechsel aktiv. Dass sie dies nicht früher tat, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. In diesem Sinne unterscheidet sich der vorliegende Fall – wie die Berufungsbeklagte zutreffend darlegt (Berufungsantwort BS 45, S. 10) – auch von demjenigen, der dem Urteil des Bundesgerichts 4A_622/2013 zugrunde lag. Die Hinweise der Berufungsklägerin auf die Kommentierungen der früheren kantonalen Zivilprozessordnungen sind nicht einschlägig und betreffen zum Teil sogar den Zeitraum vor der auf den 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Revision des Mietrechts, als noch der Grundsatz «Kauf bricht Miete» galt.
Da auf der Beklagtenseite von Gesetzes wegen ein Parteiwechsel beziehungsweise Parteibeitritt erfolgte, wäre die Schlichtungsbehörde von sich aus gehalten gewesen, die Parteibezeichnungen gegenüber dem Schlichtungsgesuch anzupassen (Dominik Infanger, in: Basler Kommentar, 3. Aufl. 2017, N 7 zu Art. 209 ZPO). Dass die Klägerin in ihrem Ersuchen vom 14. Februar 2020 um Ausstellung der Klagebewilligung nicht ausdrücklich auf die nötige Anpassung hinwies, schadet ihr nicht, da es sich um einen von Gesetzes wegen eingetretenen Parteiwechsel handelt. Zudem stammte der Vorschlag für die in diesem Zusammenhang von der Klägerin formulierten Rechtsbegehren von der Schlichtungsbehörde selber und diese hätte wie erwähnt vom Handwechsel wissen müssen (Urkunden 2 – 4 der Beklagten). Der Amtsgerichtspräsident ging daher zu Recht davon aus, dass die eingereichte Klagebewilligung offensichtlich unrichtig beziehungsweise unvollständig ist. Ob es wirklich angezeigt war, die Klagebewilligung zur Verbesserung zurückzuweisen, kann, da es von keiner Seite beanstandet wurde, offen bleiben. Die Rügen der Berufungsklägerin sind folglich auch in diesem Punkt unbegründet.
5. Die Berufung ist aus diesen Gründen abzuweisen. Die Gerichtskosten des zweitinstanzlichen Verfahrens von CHF 5'000.00 gehen dem Ausgang entsprechend zu Lasten der Beklagten 2 und Berufungsklägerin. Gestützt auf die von der Berufungsbeklagten eingereichte Kostennote ist sie zudem zu verpflichten, eine Parteientschädigung von CHF 3'925.15 zu bezahlen.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 5'000.00 werden der A.___ AG auferlegt. Sie werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 3. Die A.___ AG hat der B.___ für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 3'925.15 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 15'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Trutmann |
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