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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2021.9)

Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2021.9: Verwaltungsgericht

Das Handelsregisteramt des Kantons Solothurn reichte ein Gesuch ein, um Massnahmen gegen die A.___ AG zu ergreifen, da diese keine vorgeschriebenen Organe hatte. Die Amtsgerichtsstatthalterin ordnete schliesslich die Auflösung der Gesellschaft an und verpflichtete die A.___ AG zur Übernahme der Gerichtskosten und einer Parteientschädigung. Die Berufungsklägerin reichte fristgerecht Berufung ein und argumentierte, dass die Mängel behoben seien, da ein neuer Verwaltungsrat gewählt wurde. Das Obergericht entschied, dass die Berufung teilweise erfolgreich war und hob einige Punkte des Urteils auf. Die A.___ AG wurde zur Zahlung der Gerichtskosten und einer Parteientschädigung verurteilt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZKBER.2021.9

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2021.9
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2021.9 vom 17.03.2021 (SO)
Datum:17.03.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Berufung; Berufungsklägerin; Solothurn; Gesuch; Verwaltungsrat; Entscheid; Gesellschaft; Schweiz; Handelsregister; Verfahren; Obergericht; Handelsregisteramt; Kantons; Auflösung; Urteil; Gesuchsgegnerin; Frist; Zustand; Berufungsbeklagte; Organ; Zivilkammer; Vertretung; Solothurn-Lebern; Parteientschädigung; Entscheids; Ziffern; Verwaltungsrates
Rechtsnorm: Art. 317 ZPO ;Art. 718 OR ;Art. 731b OR ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Peter, Heinrich, Basler Kommentar zum Obligationenrecht II, 2016

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZKBER.2021.9

 
Geschäftsnummer: ZKBER.2021.9
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 17.03.2021 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2021.47
Titel: Ernennung eines Geschäftsführers und einer Vertretung der Gesellschaft in der Schweiz eines Sachwalters bzw. Auflösung der Gesellschaft nach Art. 731b OR

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 17. März 2021

Es wirken mit:

Präsident Frey

Oberrichter Müller

Oberrichterin Hunkeler    

Gerichtsschreiberin Trutmann

In Sachen

A.___ AG,

vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Leuch

 

 

Berufungsklägerin

 

 

gegen

 

 

Handelsregisteramt des Kantons Solothurn

 

Berufungsbeklagter

 

betreffend Ernennung eines Geschäftsführers und einer Vertretung der Gesellschaft in der Schweiz eines Sachwalters bzw. Auflösung der Gesellschaft nach Art. 731b OR


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

 

1. Das Handelsregisteramt des Kantons Solothurn (nachfolgend: der Gesuchsteller) reichte am 23. Oktober 2020 beim Richteramt Solothurn-Lebern ein Gesuch nach Art. 252 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) ein und verlangte, es seien bei der A.___ AG wegen Fehlens der vorgeschriebenen Organe (fehlender Verwaltungsrat, fehlende Vertretung) die erforderlichen Massnahmen nach Art. 731b des Schweizerischen Obligationenrechts (OR, SR 220) zu ergreifen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

2. Die Amtsgerichtsstatthalterin von Solothurn-Lebern räumte der Gesuchsgegnerin mit Verfügung vom 26. Oktober 2020 Frist zur Stellungnahme sowie zur Herstellung des rechtmässigen Zustands und zur entsprechenden Anmeldung beim Handelsregisteramt des Kantons Solothurn bis am 1. Dezember 2020 ein. Im Säumnisfall wurde der Gesuchsgegnerin die Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angedroht. Wegen Unzustellbarkeit der Verfügung vom 26. Oktober 2020 wurde deren Inhalt im Amtsblatt des Kantons Solothurn publiziert und die Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands bis zum 11. Dezember 2020 erstreckt.

 

3. Die Gesuchsgegnerin hat sich auch innert erstreckter Nachfrist weder vernehmen lassen noch den rechtmässigen Zustand wiederhergestellt.

 

4. Mit Entscheid vom 11. Januar 2021 ordnete die Amtsgerichtsstatthalterin die Auflösung der A.___ AG sowie deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs an (Ziff. 1 – 4). Zudem verpflichtete sie die Gesuchsgegnerin zur Tragung der Gerichtskosten von total CHF 600.00 sowie zur Bezahlung einer Parteientschädigung an den Gesuchsteller von CHF 300.00 (Ziff. 5 und 6).

 

5. Gegen das begründete Urteil liess die Gesuchsgegnerin (nachfolgend: die Berufungsklägerin) am 4. Februar 2021 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn erheben und die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragen.

 

6. In seiner Berufungsantwort vom 10. Februar 2021 schloss der Gesuchsteller (nachfolgend: der Berufungsbeklagte) auf Gutheissung der Berufung und auf Aufhebung der Ziffern 1 – 4 des angefochtenen Entscheids. Die Berufungsklägerin sei zu verpflichten, sämtliche Gerichts- und Parteikosten beider Instanzen zu bezahlen.

 

7. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1.1 Nach Art. 718 Abs. 4 OR muss eine Aktiengesellschaft durch eine Person vertreten werden können, die Wohnsitz in der Schweiz hat. Dieses Erfordernis kann durch ein Mitglied des Verwaltungsrates einen Direktor erfüllt werden. Das Wohnsitzerfordernis kann entweder durch eine Person mit Einzelzeichnungsberechtigung von zwei Personen mit Kollektivunterschrift zu zweien erfüllt werden (Rolf Watter in: Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Rolf Watter (Hrsg.), Basler Kommentar zum Obligationenrecht II, Basel 2016, 718 N 13).

 

1.2 Ein Organisationsmangel liegt vor, wenn nach erfolgter Gründung eines der gesetzlich vorgeschriebenen Organe fehlt nicht rechtmässig zusammengesetzt ist (Rolf Watter / Charlotte Pamer-Wieser in: Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Rolf Watter (Hrsg.), Basler Kommentar zum Obligationenrecht II, Basel 2016, 731b N 5). Gemäss Art. 731b Abs. 1 OR kann der Richter der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist setzten, binnen derer der rechtmässige Zustand wieder herzustellen ist, das fehlende Organ ernennen die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.

 

2.1 Nach Angaben des Handelsregisteramtes wurde am 11. September 2020 die Demission des damals einzigen Verwaltungsrates der Berufungsklägerin im Handelsregister eingetragen. Am 11. Januar 2021 beziehungsweise im Zeitpunkt der Fällung des vorinstanzlichen Entscheids verfügte die Berufungsklägerin über keinen neuen Verwaltungsrat und damit auch über keine Vertretung in der Schweiz. Sie war demnach nicht gesetzeskonform organisiert.

 

2.2 Die Berufungsklägerin führt in ihrer Berufungsschrift diesbezüglich aus, mit Kaufvertrag vom 19. Januar 2021 habe Herr B.___ ohne Kenntnis vom Verfahren beim Richteramt Solothurn-Lebern alle 100 Namenaktien der Berufungsklägerin erworben. Der Käufer sei im Aktienregister der Berufungsklägerin eingetragen. Am 21. Januar 2021 habe die C.___ GmbH als Vertreterin der Berufungsklägerin Kenntnis vom Auflösungsentscheid des Richteramtes erhalten und gleichentags eine Begründung des Urteils verlangt. Am 25. Januar 2021 habe eine als Universalversammlung ausgestaltete Generalversammlung der Berufungsklägerin stattgefunden, in welcher Herr B.___ einstimmig als neuer Verwaltungsrat der Berufungsklägerin gewählt worden sei. Zudem sei eine Statutenrevision beschlossen worden, der Gesellschaftszweck sei angepasst und der Sitz der Gesellschaft nach […] verlegt worden. Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 habe die C.___ GmbH als Beauftragte der A.___ AG beim Handelsregisteramt in Zürich die Eintragung der Sitzverlegung, der Zweckänderung und der Änderung des Verwaltungsrates verlangt. Mit Schreiben vom 1. Februar 2021 habe der neu gewählte Verwaltungsrat der Berufungsklägerin die Vollmachtserteilung an die C.___ GmbH sowie die von der Vollmachtnehmerin bereits angeordneten Massnahmen anerkannt. Vorliegend seien neue Tatsachen und Beweismittel gestützt auf Art. 317 ZPO im Berufungsverfahren zu berücksichtigten. Der Vertreter der Berufungsklägerin, Herr D.___ von der C.___ GmbH, habe erst am 21. Januar 2021 Kenntnis vom angefochtenen Entscheid erhalten. Die (rechtmässige) Bestellung des Verwaltungsrates sei am 25. Januar 2021 erfolgt. Damit seien die Mängel in der Organisation der Berufungsklägerin behoben.

 

2.3 Das am 25. Januar 2021 neu gewählte und in der Schweiz wohnhafte Verwaltungsratsmitglied der Berufungsklägerin ist mit Einzelzeichnungsberechtigung im Handelsregister eingetragen. Der entsprechende Tagesregistereintrag vom […] 2021 wurde am […] 2021 im SHAB publiziert. Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ist mit den eingereichten Urkunden belegt, was auch der Berufungsbeklagte anerkennt. Die Belege sind als echtes Novum zum Beweis zuzulassen (Art. 317 ZPO). Die Berufung wird grundsätzlich gutgeheissen.

 

3. Wie die Berufungsklägerin selber ausführt, hat sie zufolge Säumnis sowohl das erst- als auch das zweitinstanzliche Verfahren verursacht. Es sind ihr daher die Kosten beider Verfahren aufzuerlegen. Aus demselben Grund hat sie dem Berufungsbeklagten für beide Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen. Die Ziffern 5 und 6 des angefochtenen Entscheids können deshalb bestehen bleiben. Im Übrigen kann die Berufung gutgeheissen werden. Die Ziffern 1 – 4 sind demnach aufzuheben.

 

4. Die Entscheidgebühr für das Verfahren vor Obergericht wird auf CHF 1'000.00 festgesetzt. Die Gerichtskosten werden mit dem von der Berufungsklägerin geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet. Zudem hat die Berufungsklägerin dem Berufungsbeklagten für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 100.00 zu bezahlen.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und Ziffern 1 – 4 des Urteils der Amtsgerichtsstatthalterin von Solothurn-Lebern vom 11. Januar 2021 werden aufgehoben.

2.    Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

3.    Die A.___ AG hat die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1‘000.00 zu bezahlen. Diese werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

4.    Die A.___ AG hat dem Handelsregisteramt des Kantons Solothurn für das Verfahren vor Obergericht eine Parteientschädigung von CHF 100.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 30'000.00.  

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Frey                                                                                  Trutmann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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