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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2021.66)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2021.66
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2021.66 vom 27.01.2022 (SO)
Datum:27.01.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Klägerin reichte am 3. Dezember 2019 eine Forderungsklage gegen die A.___ GmbH ein, um Lohn und ein Arbeitszeugnis zu erhalten. Nach verschiedenen Klageantworten und Repliken wurde die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen bestimmten Betrag zu zahlen und ein Arbeitszeugnis auszustellen. Die Beklagte legte Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde, da die Klägerin nachweislich ihre Arbeitsleistung angeboten hatte. Die Berufungsklägerin muss der Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung zahlen.
Schlagwörter: Berufung; Arbeit; Berufungsbeklagte; Recht; Berufungsklägerin; Apos; Vorinstanz; Berufungsbeklagten; Arbeitsverhältnis; Klage; Arbeitsvertrag; Mutterschaftsurlaub; Arbeitsleistung; Entscheid; Berufungsschrift; Beendigung; Arbeitgeber; Arbeitgeberin; Klagebeilage; Urteil; Erwägung; Beklagten; Feststellung; Kündigung; Lohnforderung; Rechtsbeiständin; ährend
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 324a OR ; Art. 343 ZPO ;
Referenz BGE:142 III 413;
Kommentar:
Thomas Sutter, Thomas Sutter-Somm, Sutter-Somm, Peter, Kommentar zum Strafgesetzbuch, Art. 317 Abs. 1 OR ZPO, 1900
Entscheid
 
Geschäftsnummer: ZKBER.2021.66
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 27.01.2022 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2022.13
Titel: Forderung aus Arbeitsvertrag

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 27. Januar 2022                  

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Müller

Oberrichter Frey    

Rechtspraktikantin Leuenberger

In Sachen

A.___ GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Gerrit Neuber,

 

Berufungsklägerin

 

gegen

 

B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Nicole Allemann,

 

Berufungsbeklagte

 

betreffend Forderung aus Arbeitsvertrag


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

 

1.1 Nach Durchlaufen eines Schlichtungsverfahrens reichte B.___ (Klägerin) am 3. Dezember 2019 beim Richteramt Solothurn-Lebern eine Forderungsklage aus Arbeitsvertrag gegen die A.___ GmbH (Beklagte) ein und stellte darin die folgenden Rechtsbegehren:

 

1.   Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin Lohn über brutto CHF 22'836.58 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5% ab Fälligkeit.

2.   Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin ein Arbeitszeugnis innert 10 Tagen nach Rechtskraft des Urteils aus- und zuzustellen, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 343 ZPO im Unterlassungsfall.

3.   Der Klägerin sei die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen, unter Beiordnung der Unterzeichneten als unentgeltliche Rechtsbeiständin.

4.   Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen inkl. MWSt zu Lasten der Beklagten.

 

1.2 Am 28. April 2020 reichte die Beklagte die Klageantwort ein und beantragte die Abweisung der Klage unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin.

 

1.3 Im Rahmen der Replik vom 8. Juli 2020 präzisierte die Klägerin die bereits gestellten Klagebegehren wie folgt:

 

1.   Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin Lohn über brutto CHF 28'000.00 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5% ab Fälligkeit.

2.   Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin ein Arbeitszeugnis innert 10 Tagen nach Rechtskraft des Urteils aus- und zuzustellen, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 343 ZPO im Unterlassungsfall.

3.   Der Klägerin sei die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen, unter Beiordnung der Unterzeichneten als unentgeltliche Rechtsbeiständin.

4.   Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen inkl. MWSt zu Lasten der Beklagten.

 

1.4 Mit Duplik vom 4. November 2020 bestätigte die Beklagte ihre bereits gestellten Rechtsbegehren.

 

2. Mit Entscheid vom 21. Juni 2021 wurde den Parteien das nachfolgende Urteil des Richteramtes Solothurn-Lebern eröffnet.

 

1.   Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin CHF 27'216.00 brutto zuzüglich Zins zu 5% auf

CHF      224.00

seit Februar 2018,

CHF   3'360.00

seit 30. April 2018 (mittlerer Verfall),

CHF      112.00

seit September 2018,

CHF 23'520.00

zu bezahlen.

seit 15. August 2019 (mittlerer Verfall)

 

2.   Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin innert 10 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids ein Arbeitszeugnis aus- und zuzustellen, dies unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 343 ZPO im Unterlassungsfall.

3.   Die Beklagte hat der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 13'314.40 (42.32 Std. à CHF 280.00, Auslagen CHF 512.90 und 7,7% MWST) zu bezahlen. Für einen Betrag von CHF 8'756.55 (42.32 Std. à CHF 180.00, Auslagen CHF 512.90 und 7,7% MWST) besteht während zweier Jahre eine Ausfallhaftung des Staates.

4.   Die Gerichtskosten trägt der Staat.

 

3. Frist- und formgerecht erhob die Beklagte (von nun an: Berufungsklägerin) am 15. September 2021 dagegen Berufung und stellte folgende Rechtsbegehren:

 

1.    Das Urteil vom 21. Juni 2021 des Richteramtes Solothurn-Lebern (Geschäfts-Nr.: SLZPR.2019.1295-ASLAM) sei aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen.

2.    Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, letztere zuzüglich 7,7% MWST, zu Lasten der Berufungsbeklagten.

 

4. Die Klägerin (von nun an: Berufungsbeklagte) beantragte in ihrer Berufungsantwort vom 19. Oktober 2021 die vollumfängliche Abweisung der Berufung unter Gewährung integraler unentgeltlicher Rechtspflege zu Gunsten der Berufungsbeklagten und unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsklägerin.

 

5. In Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann über die Berufung ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.

 

II.

 

1. Mit der Berufung kann eine unrichtige Rechtsanwendung und/oder eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung. In der schriftlichen Berufungsbegründung (Art. 311 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist, beziehungsweise an einem der genannten Mängel leidet. Das setzt voraus, dass die Berufungsklägerin die vorinstanzlichen Erwägungen bezeichnet, die sie anficht, sich argumentativ mit diesen auseinandersetzt und mittels genügend präziser Verweisungen auf die Akten aufzeigt, wo die massgebenden Behauptungen, Erklärungen, Bestreitungen und Einreden erhoben wurden, beziehungsweise aus welchen Aktenstellen sich der geltend gemachte Berufungsgrund ergeben soll. Die pauschale Verweisung auf frühere Vorbringen deren blosse Wiederholung genügen nicht. Was nicht nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen entsprechenden Weise beanstandet wird, braucht von der Rechtsmittelinstanz nicht überprüft zu werden; diese hat sich – abgesehen von offensichtlichen Mängeln – grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der schriftlichen Begründung formgerecht gegen den erstinstanzlichen Entscheid erhoben werden (vgl. BGE 142 III 413 E. 2.2, mit weiteren Hinweisen).

 

2. Zur mitangefochtenen Dispositivziffer 3 des vorinstanzlichen Entscheids – der Verpflichtung zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses – erklärt die Berufungsklägerin, der Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses sei unbestritten (vgl. S. 13 der Berufungsschrift). Auf die Berufung ist deshalb, soweit sie sich auf Dispositivziffer 3 bezieht, nicht einzutreten.

 

3.1 Vorliegend ist ferner unbestritten, dass die Berufungsklägerin als Arbeitgeberin und die Berufungsbeklagte als Arbeitnehmerin am 12. Oktober 2015 einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben. Gemäss jenem Arbeitsvertrag war die Klägerin mit einem Teilzeitpensum von 12 Wochenstunden und einem monatlichen Grundsalär von brutto CHF 1'120.00 angestellt. Das Arbeitsverhältnis begann am 1. November 2015. Die Klägerin war zufolge Krankheit vom 6. Februar bis am 28. Februar 2018 sowie vom 30. Mai 2018 bis zur Geburt des Kindes am 20. Juni 2018 zu 100% arbeitsunfähig. Der Mutterschaftsurlaub dauerte bis am 27. September 2018.

 

3.2 Strittig sind der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die damit zusammenhängenden Lohnforderungen für die Monate Februar bis und mit Mai 2018 und Oktober 2018 bis und mit Juni 2020.

 

4.1 Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwog die Vorinstanz, die Klägerin stelle sich auf den Standpunkt, die Arbeitgeberin habe den Arbeitsvertrag erst mit Einschreiben vom 14. April 2020 auf Ende Juni 2020 gekündigt (vgl. Klagebeilage 38). Keinesfalls könne von einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrags bereits per 31. Dezember 2018 ausgegangen werden, zumal die Klägerin der Beklagten mehrfach schriftlich mitgeteilt habe, den bestehenden Arbeitsvertrag unverändert weiterführen zu wollen. Die Beklagte habe entgegnet, es sei zwar richtig, dass eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrags nicht leichthin angenommen werden könne, die dafür erforderlichen Willensäusserungen könnten aber auch stillschweigend erfolgen. Vorliegend habe es der Klägerin klar sein müssen, dass die Beklagte (aufgrund ihres Schweigens) das Arbeitsverhältnis nicht habe fortsetzen wollen, weshalb von einer stillschweigenden Kündigung im Oktober 2018 per Ende 2018 nach Ablauf der zweimonatigen Kündigungsfrist gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Allpura für die Reinigungsbranche in der Deutschschweiz vom 1. Januar 2011 ausgegangen werden müsse. Auch die Klägerin selber sei von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses per 31. Dezember 2018 ausgegangen. Im Schlichtungsverfahren habe sie ein entsprechendes Feststellungsbegehren gestellt. Folglich sei von einer einvernehmlichen Beendigung per 31. Dezember 2018 auszugehen.

 

Die Vorderrichterin stellte sodann fest, die Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 24. September 2018, worin diese die Arbeitgeberin über das bevorstehende Ende ihres Mutterschaftsurlaubes orientiert und mitgeteilt habe, dass sie wieder arbeitsfähig sei, weiterhin im Monatslohn arbeiten wolle und um Zustellung des Arbeitsplans bitte (Klagebeilagen 21), unbeantwortet gelassen. Daraus könne sie nicht ableiten, die Klägerin habe nach einigen Tagen Wochen davon ausgehen müssen, dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werde und im Oktober 2018 stillschweigend gekündigt worden sei. Die Untätigkeit der Beklagten widerspreche den Anstandsregeln und Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr und sei ungehörig. Von einer Beendigung des Arbeitsvertrags im gegenseitigen Einverständnis könne auch aus nachfolgendem Grund keine Rede sein: Die Vertreterin der Klägerin habe kurz vor dem angeblich einvernehmlichen Beendigungszeitpunkt (31.  Dezember 2018) mit Einschreiben vom 27. Dezember 2018 ausdrücklich festgehalten, die Forderungen und Anliegen der Klägerin vom 24. September 2018 seien unbeantwortet geblieben und sie habe bisher «weder einen Arbeitsplan noch eine gültige Kündigung» erhalten, weshalb sie die Beklagte um Stellungnahme bis zum 16. Januar 2019 ersuche (Klagebeilage 23). Dieses Schreiben sei wiederum unbeantwortet geblieben. Vorliegend seien die Parteibehauptungen der Klägerin zu einem wesentlichen Anteil durch die eingereichte Korrespondenz zwischen ihrer damaligen Vertreterin, […], und der Arbeitgeberin, aber auch durch Zeugenaussagen bestätigt worden. Die überraschenden Ausführungen des Inhabers und Geschäftsführers der Arbeitgeberin während der Parteibefragung, wonach es wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft der Klägerin am 1. Mai 2018 nicht zu einer Arbeitsaufnahme im […] gekommen sei, würden sich nicht mit den bisherigen schriftlichen Ausführungen in der Stellungnahme und Replik der Arbeitgeberin decken und trügen deshalb nicht zur Glaubwürdigkeit der Beklagten bei. Die Kündigung des Arbeitsvertrags sei vorliegend nachweislich erst mit Schreiben vom 14. April 2020 auf den 30. Juni 2020 erfolgt (Klagebeilage 38). Das Arbeitsverhältnis habe somit am 30. Juni 2020 geendet (vgl. S. 46 ff. des angefochtenen Entscheids).

 

Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe sie wegen ihrer Schwangerschaft loswerden wollen, sei im Übrigen auch im Lichte Folgender Urkunden erstellt: Einschreiben der Arbeitgeberin vom 28. Februar 2018 mit Folgendem Inhalt («Falls Sie einverstanden sind, können Sie gerne im Stundenlohn weiterhin für uns arbeiten. Leider haben wir im Moment kein Objekt, wo wir Sie fest zuteilen können. […] Es ist kein fester Stundeneinsatz möglich»), E-Mail vom 4. April 2018 («Unser Vorschlag wäre eine gegenseitige Kündigung eine Kündigung von B.___») und Einschreiben vom 30. Mai 2018 («B.___ kommt täglich mit Chemikalien in Berührung und muss Sachen tragen, verschieben, die ein gewisses Gewicht haben. Das beinhaltet ein gewisses Risiko. Im Moment arbeitet sie nicht und hat keine zusätzlichen Belastungen. Was, wenn sie wieder arbeitet? […] Wir können uns keine Reklamationen erlauben, falls es B.___ mal nicht gut geht und sie ihre Arbeit nicht einwandfrei ausführen kann. […] Wir bitten Sie, sich in diesem Sinne das Ganze zu überlegen und in Erwägung zu ziehen, dies mit […] zu besprechen» (Klagebeilage 16). Nach dem Gesagten sei kein Arbeitnehmerverzug der Klägerin, sondern ein Arbeitgeberverzug der Beklagten ab dem 16. Februar 2018 (erstmaliges vergebliches Anbieten der Arbeitsleistung durch die Klägerin; Parteibefragung der Klägerin, Ziff. 185 f.) bis zur Beendigung des Arbeitsvertrags am 30. Juni 2020 erstellt (vgl. S. 48 des angefochtenen Entscheids).

 

4.2 Die Berufungsklägerin bringt dagegen zusammenfassend und im Wesentlichen vor, die Vorderrichterin habe die (Zeugen-)Beweise unrichtig gewürdigt und den rechtserheblichen Sachverhalt falsch festgestellt. Durch die Zeugenaussage von […], dem Teamleiter der Berufungsklägerin, sei erstellt, dass die Berufungsbeklagte nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubes, Ende September 2018, nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Dass die Berufungsklägerin der Berufungsbeklagten verschiedene Objekte vorgeschlagen habe, wo sie ihre Arbeit hätte verrichten können, sei von der Vorinstanz nicht berücksichtigt worden. Weshalb diese Zeugenaussage von der Vorinstanz ignoriert und die Parteibehauptung der Berufungsbeklagten höher gewichtet worden sei, könne nicht nachvollzogen werden (vgl. S. 11 der Berufungsschrift). Noch im Schlichtungsverfahren habe die Berufungsbeklagte die Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Ende Dezember 2018 verlangt. Dass sie sich nun auf den Standpunkt stelle, das Arbeitsverhältnis habe bis Ende Juni 2020 angedauert, sei rechtsmissbräuchlich und nicht statthaft. Ginge man davon aus, dass die Berufungsbeklagte nach dem Mutterschaftsurlaub nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, wie es […] ausgesagt habe, hätte das Arbeitsverhältnis per 31. Dezember 2018 geendet und die Lohnforderung der Berufungsbeklagten wäre unbegründet.

 

4.3 Die Berufungsklägerin vertritt in ihrer Rechtsmitteleingabe durchwegs die Auffassung, das Arbeitsverhältnis mit der Berufungsbeklagten habe per Ende Dezember 2018 geendet. Sie verweist diesbezüglich im Wesentlichen auf die entsprechende Begründung in der Klageantwort und der Duplik und wiederholt damit das bereits vor der Vorinstanz Vorgetragene (S. 15 der Berufungsschrift). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der Behauptungs- und Substanziierungslast in den Rechtsschriften nachzukommen. Der blosse pauschale Verweis auf Beilagen genügt – wie bereits unter Ziffer II/E.1 hiervor dargelegt – in aller Regel nicht. Es geht darum, dass nicht das Gericht und die Gegenpartei aus den Beilagen die Sachdarstellung zusammensuchen müssen. Es ist nicht an ihnen, Beilagen danach zu durchforsten, ob sich daraus etwas zu Gunsten der behauptungsbelasteten Partei ableiten lässt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.1). Die Vorinstanz begründete im angefochtenen Entscheid einlässlich, dass keine (schriftlichen) Nachweise vorlägen, aus welchen ersichtlich wäre, dass das Arbeitsverhältnis vor dem 30. Juni 2020 aufgelöst worden wäre. Die Klägerin habe nachweisen können, dass sie ihre Arbeitsleistung nach dem Mutterschaftsurlaub mehrfach angeboten und an ihren vertraglichen Ansprüchen festgehalten habe (vgl. S. 40 ff. des angefochtenen Entscheids). Auf die massgebenden Erwägungen der Vorderrichterin geht die Berufungsklägerin in ihrer Berufungsschrift kaum ein. Ebenfalls keinen Bezug nimmt sie zur arbeitsvertraglich vereinbarten Anwendung des GAVs und dem darin vorgeschriebenen Schriftformerfordernis einer Arbeitsvertragskündigung (vgl. Ziff. 17.2 GAV Allpura). Und auch zu den vorinstanzlichen Erwägungen zur Zulässigkeit der Klageänderung äussert sich die Berufungsklägerin mit keinem Wort. In ihrer Berufungsschrift vertritt sie diesbezüglich lediglich die Auffassung, das Verhalten der Berufungsbeklagten sei nicht statthaft und rechtsmissbräuchlich (vgl. S. 15 der Berufungsschrift). Worin die falsche Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz konkret bestehen soll, inwiefern die Ausführungen zum angeblichen arbeitsrechtlichen Fehlverhalten der Berufungsbeklagten überhaupt prozessrelevant wären, vermag die Berufungsklägerin in ihrer Berufungsschrift jedenfalls nicht aufzuzeigen. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach das Arbeitsverhältnis mit der Berufungsbeklagten mit schriftlicher Kündigung vom 14. April 2020 per 30. Juni 2020 endete, kann nach dem Gesagten nicht beanstandet werden.

 

5.1 Weiter bemängelt die Berufungsklägerin die konkrete Höhe der von der Vorinstanz festgesetzten Lohnzahlung an die Berufungsbeklagte im Umfang von insgesamt CHF 27'216.00 brutto zuzüglich Zins zu 5% auf CHF 244.00 seit 28. Februar 2018, auf CHF 3'360.00 seit 30. April 2018 (mittlerer Verfall), auf CHF 112.00 seit 30. September 2018 und auf CHF 23'520.00 seit 15. August 2019 (mittlerer Verfall).

 

5.2 Im Einzelnen macht die Berufungsklägerin geltend, der durch die Vorinstanz zugesprochene Lohn sei nicht geschuldet. Betreffend die geltend gemachte Lohnforderung für den Monat Februar 2018 in der Höhe von CHF 244.00 brutto habe die Vorinstanz ohne jegliche gesetzliche vertragliche Grundlage, und ohne dass die Berufungsbeklagte überhaupt ihrer Behauptungs- und Beweislast nachgekommen sei, der Berufungsbeklagten die entsprechende Forderung zugesprochen. Die Berufungsbeklagte sei vom 6. bis zum 28. Februar 2018 krank gewesen. Der auf diesen Zeitraum entfallene Krankenlohn sei von der Berufungsklägerin an die Berufungsbeklagte nachbezahlt worden, nachdem sie mit erheblicher Verspätung ein Arztzeugnis erhalten habe (vgl. S. 13 der Berufungsschrift).

 

5.3 Die Vorinstanz erwog diesbezüglich, die Klägerin habe in Beweissatz 20 bzw. Beweissatz 48 der Replik verlangt, die Beklagte habe für den Monat Februar 2018 den Differenzbetrag von CHF 244.00 brutto zu bezahlen. Dabei handle es sich um den Differenzbetrag zwischen dem vollen Lohn und dem Krankenlohn. Aus den eingereichten Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin eine Taggeldversicherung abgeschlossen habe. Aufgrund des vereinbarten Pensums von lediglich 12 statt mindestens 12.5 Wochenstunden sei die Beklagte gemäss GAV auch nicht verpflichtet gewesen, für die Klägerin bei Verhinderung an der Arbeitsleistung wegen Krankheit eine Taggeldversicherung abzuschliessen. Damit gelange Art. 324a Abs. 1 Obligationenrecht (OR, SR 220) zur Anwendung. Demnach habe die Klägerin infolge Krankheit im Februar 2018 den vollen Lohn zugute. Die Beklagte sei somit zu verpflichten, ihr den Differenzbetrag von CHF 224.00 brutto zu bezahlen.

 

5.4 Art. 324a Abs. 1 OR besagt, wenn ein Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird, ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat für mehr als drei Monate eingegangen wurde, zu entrichten hat. Gemäss Art. 324a Abs. 4 OR kann durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag Gesamtarbeitsvertrag eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.

 

Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden im Berufungsverfahren neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b). Als Noven gelten – über den Wortlaut von Art. 317 Abs. 1 ZPO hinaus – auch neue Tatsachenbehauptungen, neue Bestreitungen von Tatsachenbehauptungen, neue Einreden und neue Beweismittel (Peter Reetz / Sarah Hilber, in: Thomas Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 317 N 31).

 

5.5 Die durch die Berufungsklägerin im Rahmen der Berufungsschrift nachgereichte Police einer abgeschlossenen Taggeldversicherung ist verspätet. Die Berufungsklägerin legt nicht dar, weshalb sie dieses neue Beweismittel nicht schon vor erster Instanz eingereicht hat nicht hat einreichen können (Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO). Die erstmals im Berufungsverfahren ins Recht gelegte Versicherungspolice ist aus diesen Gründen nicht zu beachten. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach sich aus den im Recht liegenden Urkunden nicht ergebe, dass die Beklagte für die Klägerin eine Taggeldversicherung abgeschlossen habe und somit in Anwendung von Art. 324a Abs. 1 OR der volle Lohn geschuldet ist, kann demnach nicht beanstandet werden.

 

5.6 Die Berufungsklägerin moniert weiter, die Vorinstanz habe betreffend die Lohnforderungen für die Monate März bis Mai 2018 den Sachverhalt falsch festgestellt. Es habe bis Ende April 2018 kein Arbeitsangebot der Berufungsbeklagten bestanden. Aus diesem Grund sei der Lohn für die genannten Monate in der Gesamthöhe von CHF 3’360.00 brutto nicht geschuldet.

 

5.7 Die Vorinstanz erwog, die Klägerin sei vom 1. März 2018 bis Ende Mai 2018 arbeitsfähig gewesen und habe ihre Arbeitsleistung nachweislich angeboten, ohne dass es zu einer Arbeitsaufnahme gekommen sei. Anschliessend sei die Klägerin ab dem 30. Mai 2018 als Folge der fortgeschrittenen Schwangerschaft zu 100% arbeitsunfähig gewesen. Die Beklagte schulde ihr demnach drei volle Monatslöhne zu je CHF 1'120.00 insgesamt CHF 3'360.00 brutto.

 

5.8 Im Rahmen der Parteibefragung gab die Berufungsklägerin vor der Vorinstanz zu Protokoll, die Berufungsbeklagte habe sie am 15. Februar 2018 kontaktiert und ihre Arbeitsleistung angeboten (Parteibefragung Beklagte, Ziff. 111). Insbesondere hat sich die Berufungsklägerin auch dahingehend geäussert, dass die Berufungsbeklagte Ende April 2018 hochschwanger gewesen sei und sie bis zur letzten Minute bei ihr habe arbeiten wollen, das habe sie nicht verantworten können (Parteibefragung Beklagte, Zeilen 199 f.). Auch den Schreiben von […] vom 29. März 2018, vom 12. April 2018 sowie vom 24. April 2018 ist zu entnehmen, dass die Berufungsbeklagte ihre Arbeitsleistung wiederholt angeboten hat. Die Vorinstanz schilderte betreffend den Lohnanspruch für die Monate März bis Mai 2018 somit zutreffend, die Klägerin habe in besagtem Zeitraum ihre Arbeitsleistung wiederholt angeboten, ohne dass es zu einer entsprechenden Arbeitsaufforderung von Seiten der Beklagten gekommen ist. Die Rüge der Berufungsklägerin ist unbegründet.

 

5.9 Betreffend die Lohnforderung für den Monat September 2018 bringt die Berufungsklägerin vor, die Berufungsbeklagte habe ihre Stelle nach dem Mutterschaftsurlaub gar nicht mehr angetreten. Damit sei erstellt, dass die Berufungsbeklagte in besagtem Zeitraum keinen Anspruch auch Entrichtung des Lohnes habe.

 

5.10 Die Vorinstanz erwog, der Mutterschaftsurlaub der Klägerin habe am 27. September 2018 geendet. Der Betrag von CHF 37.33 brutto sei aus diesem Grund nur für drei nicht aber für fünf Tage geschuldet. Der Klägerin seien aus diesem Grund CHF 111.99 (3x CHF 37.33) (aufgerundet) CHF 112.00 brutto geschuldet.

 

5.11 Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Berufungsbeklagte die Berufungsklägerin am 24. September 2018 über ihren Arbeitswillen nach Ende des Mutterschaftsurlaubes informierte und um Zustellung des Arbeitsplanes bat (Klagebeilage 21). Indem die Berufungsklägerin vorbringt, die Berufungsbeklagte hätte ihren Job nach Ende des Mutterschaftsurlaubes nicht mehr angetreten, verkennt sie, dass die Berufungsklägerin selbst im Schreiben vom 22. August 2019 an die damalige Rechtsvertreterin der Berufungsbeklagten, […], festgehalten hat, der Verzicht auf Arbeitsleistung der Berufungsbeklagten sei ab dem 26. September 2018 von Seiten der Berufungsklägerin erfolgt (Klagebeilage 43). Auch diesbezüglich geben die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zu keinerlei Beanstandungen Anlass.

 

5.12 Im Weiteren moniert die Berufungsklägerin betreffend die Lohnforderung für die Monate Oktober 2018 bis und mit Juni 2020, die Berufungsbeklagte habe nach dem Mutterschaftsurlaub ihre Stelle nicht wieder angetreten und das Arbeitsverhältnis habe per 31. Dezember 2018 als aufgelöst gegolten. Die Lohnforderung nach dem 31. Dezember 2018 sei unbegründet.

 

5.13 Es ist aktenkundig, dass die Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin ihre Arbeitsleistung nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubes mit Schreiben vom 24. September 2018 angeboten hat (vgl. Klagebeilage 21). Auch die Berufungsklägerin selbst sieht es in Ziffer 37 ihrer Berufungsschrift als erstellt an, dass die Berufungsbeklagte ihre Arbeitsleistung ab dem 28. September 2018 wieder angeboten hat. Dass die Klägerin nach dem Mutterschaftsurlaub nicht arbeitsfähig gewesen wäre, ist demnach weder ersichtlich, noch wird dies geltend gemacht. In ihrer Berufungsschrift nimmt die Berufungsklägerin keinen Bezug auf die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz. Ihre Kritik erweist sich damit als rein appellatorischer Natur. Auch diese Feststellung der Vorinstanz, wonach die Klägerin nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubes wieder zu 100% arbeitsfähig gewesen war und der Beklagten nachweislich, aber vergeblich, ihre Arbeitsleistung angeboten hat, kann folglich nicht beanstandet werden.

 

6. Zusammenfassend erweist sich die Berufung somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 

7.1 In Anwendung von Art. 106 f. ZPO bleibt über die Kosten zu befinden.

 

7.2 Die Berufungsbeklagte ist ausgewiesen prozessarm. Antragsgemäss ist ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.

 

7.3 Gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO sind die Prozesskosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen. In Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis werden gemäss Art. 114 lit. c ZPO bis zu einem Streitwert von CHF 30'000.00 keine Gerichtskosten erhoben.

 

7.4 Die unentgeltliche Rechtsvertreterin der Berufungsbeklagten macht für das Berufungsverfahren einen Aufwand von insgesamt 18.88 Stunden geltend. Abzuziehen sind 0.38 Stunden für die Rechnungspositionen vom 3. und 8. September 2021 für zwei E-Mail-Nachrichten und ein Telefonat mit der Klientin, da diese Aufwände bereits von der Vorinstanz entschädigt wurden. Ebenfalls nicht entschädigt werden können die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die pauschalen Abschlussarbeiten am 2. November 2021 im Umfang von insgesamt 0.83 Stunden. Die Berufungsklägerin hat der Berufungsbeklagten, vertreten durch die unentgeltliche Rechtsbeiständin, Rechtsanwältin Nicole Allemann, somit eine Parteientschädigung von CHF 5'469.65 (Honorar: 17.67 Stunden à CHF 280.00, Auslagen: CHF 131.00, MWST: CHF 391.05) zu bezahlen. Für einen Betrag von CHF 3'566.60 besteht während zweier Jahre eine Ausfallhaftung des Staates. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sowie der Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 1'903.05 (Differenz zum vollen Honorar), sobald B.___ dazu in der Lage ist.

 

Demnach wird erkannt:

1.      Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.      Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.      Die Berufungsklägerin hat der Berufungsbeklagten, vertreten durch die unentgeltliche Rechtsbeiständin, Rechtsanwältin Nicole Allemann, eine Parteientschädigung von CHF 5'469.65 zu bezahlen. Für einen Betrag von CHF 3'566.60 besteht während zweier Jahre eine Ausfallhaftung des Staates. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sowie der Nachzahlungsanspruch der unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Umfang von CHF 1'903.05 (Differenz zum vollen Honorar), sobald B.___ dazu in der Lage ist.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 15'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Rechtspraktikantin

Hunkeler                                                                           Leuenberger



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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