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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2021.55)

Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2021.55: Verwaltungsgericht

Die Zivilkammer des Obergerichts hat in einem Fall von vorsorglichen Massnahmen entschieden, dass die A.___ AG angewiesen wird, dem Mieter innert einer Stunde den Strom in seinem Mietobjekt wieder zu ermöglichen. Die Gesuchsgegnerin hat daraufhin Berufung eingelegt, jedoch wurde diese abgewiesen. Der Richter entschied, dass die Kosten des Verfahrens von CHF 1'250.00 von der Gesuchsgegnerin zu tragen sind. Zudem muss sie dem Mieter eine Parteientschädigung von CHF 1'106.85 zahlen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZKBER.2021.55

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2021.55
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2021.55 vom 13.09.2021 (SO)
Datum:13.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Berufung; Gesuch; Gesuchs; Strom; Berufungsklägerin; Berufungsbeklagte; Vorinstanz; Massnahme; Gesuchsgegnerin; Verfügung; Mieter; Gesuchsteller; Recht; Entscheid; Mietzins; Berufungsbeklagten; Frist; Massnahmen; Mietobjekt; Verfügungsanspruch; Berufungsschrift; Entscheids; Anordnung; Vermieter; Mietvertrag; ältnismässig
Rechtsnorm: Art. 18 OR ;Art. 259a OR ;Art. 259g OR ;Art. 261 ZPO ;Art. 263 ZPO ;Art. 264 ZPO ;Art. 292 StGB ;Art. 310 ZPO ;Art. 82 OR ;
Referenz BGE:105 II 149; 137 III 617;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZKBER.2021.55

 
Geschäftsnummer: ZKBER.2021.55
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 13.09.2021 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2021.124
Titel: vorsorgliche Massnahmen

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 13. September 2021  

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Frey

Oberrichter Müller

Rechtspraktikantin Kohler

In Sachen

A.___ AG, vertreten durch Rechtsanwalt Joël Rupp,

 

Berufungsklägerin

 

 

gegen

 

 

B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Walter Keller,

 

Berufungsbeklagter

 

betreffend vorsorgliche Massnahmen


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1. Mit Gesuch vom 3. Mai 2021 ersuchte B.___ (nachfolgend Gesuchsteller/Mieter) das Richteramt Thal-Gäu um Erlass einer vorsorglichen Massnahme gemäss Art. 261 ff. der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) betreffend die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes. Als Gesuchsgegnerin wird die A.___ AG (nachfolgend Gesuchsgegnerin/Vermieterin) genannt. Es wurden folgende Rechtsbegehren gestellt:

1.    Die Gesuchsgegnerin sei gerichtlich anzuweisen, dem Gesuchsteller innert einer Stunde ab Erhalt der Anordnung der vorsorglichen Massnahme den Bezug elektrischen Stroms in seinem Mietobjekt an der [...]strasse [...] in [...] wieder zu ermöglichen.

2.    Für den Fall, dass die Gesuchsgegnerin der Anordnung gemäss Ziffer 1 nicht Folge leistet, seien deren Organe C.___, D.___, E.___, F.___ und G.___ auf die Strafbestimmung von Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) mit Bussandrohung hinzuweisen.

3.    Die Anordnung gemäss Ziffer 1 sei sofort, d.h. ohne vorgängige Anhörung der Gesuchsgegnerin, zu erlassen.

4.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

2. Mit superprovisorischer Verfügung vom 4. Mai 2021 wurde die Gesuchsgegnerin angewiesen, dem Gesuchsteller innert einer Stunde ab Erhalt der superprovisorischen Verfügung vom 4. Mai 2021 den Bezug elektrischen Stroms in seinem Mietobjekt an der [...]strasse [...] in [...] wieder zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 5. Mai 2021 nahm die Gesuchsgegnerin Stellung zum Gesuch. Sie stellte keine Anträge, hielt jedoch fest, der Stromunterbruch lasse sich auf einen technischen Defekt zurückführen. Es folgten Replik und Duplik.

3. Am 22. Juli 2021 fällte der Amtsgerichtspräsident folgendes Urteil:

1.    Die Gesuchsgegnerin hat dem Gesuchsteller innert einer Stunde ab Erhalt dieses Urteils den Bezug elektrischen Stroms in seinem Mietobjekt an der [...]strasse [...] in [...] wieder zu ermöglichen.

2.    Falls die Gesuchsgegnerin der Anordnung gemäss Ziff. 1 nicht Folge leistet, wird deren Organe, C.___, D.___, F.___ und G.___ eine Busse gemäss Art. 292 StGB angedroht.

Art. 292 StGB lautet: Wer der von einer zuständigen Behörde einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn erlassene Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.

3.    Dem Gesuchsteller wird zur Einreichung einer Klage in der Hauptsache eine Frist von 3 Monaten gesetzt. Leitet der Gesuchsteller das ordentliche Verfahren nicht innert der gesetzten Frist ein, werden die vorsorglich angeordneten Massnahmen aufgehoben.

4.    Die Gesuchsgegnerin hat dem Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Walter Keller, Solothurn, eine Parteientschädigung von CHF 1'000.00 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

5.    Die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 800.00 hat die Gesuchsgegnerin zu bezahlen. Sie werden mit dem vom Gesuchsteller geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von CHF 800.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat ihm diesen zurückzuerstatten.

4. Gegen dieses Urteil erhob die Gesuchsgegnerin (nachfolgend u.a. auch Berufungsklägerin) am 2. August 2021 frist- und formgerecht Berufung beim Obergericht und verlangte dessen Aufhebung, die Abweisung des Gesuchs um Erlass vorsorglicher Massnahmen vom 3. Mai 2021, zudem sei der Berufung die aufschiebende Wirkung zu erteilen, u.K.u.E.F.

5. Mit Verfügung vom 3. August 2021 wurde der Antrag der Berufungsklägerin, es sei der vorliegenden Berufung die aufschiebende Wirkung zu erteilen, abgewiesen.

6. Der Gesuchsteller (nachfolgend u.a. auch Berufungsbeklagter) schloss in seiner Berufungsantwort vom 12. August 2021 auf Abweisung der Berufung, u.K.u.E.F.

7. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.

II.

1. Umstritten ist die Frage, ob ein gültiger Verfügungsanspruch besteht und der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu zurecht die Voraussetzungen von Art. 261 ZPO als gegeben erachtet hat. Der Vorderrichter bejahte dies und erwog zusammenfassend das Folgende:

Der Mieter habe grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung des Mietobjekts mit Strom. Dies ergebe sich aus der Pflicht des Vermieters, die Sache mangelfrei dem Mieter zu übergeben und sie in diesem Zustand zu erhalten. Die Mietsache sei mangelhaft, wenn sie nicht nicht mehr zum vorausgesetzten Gebrauch tauge, wenn ihr mithin eine vertragliche Eigenschaft fehle, die den Gebrauchswert beeinträchtigen könne. Es handle sich beim Mietobjekt um die Geschäftsliegenschaft des Gesuchstellers. Die Stromzufuhr, beziehungsweise die Möglichkeit dazu, stelle somit eine vorausgesetzte Eigenschaft dar. Dies sei vorliegend denn auch nicht strittig. Da die Stromversorgung unterbrochen sei, liege eine Schlechterfüllung des Mietvertrages vor. Der Bezug von elektrischem Strom sei, aufgrund einer Ursache, welche mit dem Mietobjekt zusammenhänge, nicht möglich. Für eine solche hafte grundsätzlich der Vermieter (vgl. Ziff. II E. 2 ff. [S. 3/4] des angefochtenen Entscheids).

Zwar halte Ziff. 5 des Mietvertrages fest, dass Reparaturen an den vorhandenen Maschinen zu Lasten des Mieters gehen würden. Dass damit aber auch die Stromversorgungsanlagen gemeint sein sollten, erschliesse sich nicht ohne weiteres. Würde man dennoch zu diesem Resultat kommen, sei zu beachten, dass Vereinbarungen, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht i.S.d. Art. 256 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR; SR 220) zum Nachteil des Mieters abändern, d.h. erweitern, nichtig seien. Diese Bestimmung gelte auch für Geschäftsräume. Eine Überwälzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Vermieters auf den Mieter sei nur dann zulässig, wenn sie dem Mieter nicht zum Nachteil gereiche, d.h., wenn der Mieter voll entschädigt werde (vgl. Ziff. II E. 2.6 [S. 4] des angefochtenen Entscheids).

Zusammenfassend sei von einem immer noch wirksamen Mietvertrag auszugehen. Hierauf gründe der Anspruch des Gesuchstellers auf ein mangelfreies Mietobjekt. Mangelfreiheit bedeute vorliegend insbesondere auch, dass die Versorgung mit elektrischem Strom, respektive die Möglichkeit hierzu, gegeben sein müsse. Die Möglichkeit der Stromversorgung sei als vorausgesetzte Eigenschaft anzusehen. Somit sei die erste Voraussetzung gemäss Art. 261 ZPO, das Bestehen eines Verfügungsanspruchs, glaubhaft gemacht (vgl. Ziff. II E. 2.7 [S. 4] des angefochtenen Entscheids).

Als zweite Voraussetzung müsse ein Verfügungsgrund gegeben sein. Die Darstellung des Gesuchstellers sei als glaubhaft einzustufen. So sei die bereits bestehende Mietstreitigkeit ein Indiz dafür, dass der Strom bewusst abgeschaltet worden sei. Dies erscheine als naheliegendes Mittel, unliebsame Mieter zur Räumung des Mietobjektes zu bewegen. Auffallend sei in diesem Zusammenhang das Datum des behaupteten technischen Defekts: So habe die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller, trotz hängigem Schlichtungsverfahren, Frist zur Räumung des Mietobjekts bis am 30. April 2021 gesetzt. Der Gesuchsteller sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Am darauffolgenden Montag, den 3. Mai 2021, sei das Mietobjekt dann plötzlich ohne Strom gewesen. Die Gesuchsgegnerin könne ihre Behauptung, es handle sich um einen technischen Defekt, auch nicht anderweitig glaubwürdig darlegen. Insbesondere könne man aus den beigelegten Offerten nicht auf einen solchen schliessen. Auch nicht nachvollziehbar sei, weshalb dem vom Gesuchsteller beigezogenen Elektriker kein Zutritt zu den Räumlichkeiten der Gesuchsgegnerin gewährt worden sei. Unter Beachtung der empfohlenen Sicherheitsvorschriften bezüglich der Covid-19-Pandemie, hätte dies möglich sein müssen. Insbesondere im Hinblick auf die gewichtigen Interessen des Gesuchstellers. Die Verletzung des Anspruchs durch die Gesuchsgegnerin, indem sie absichtlich den Strom abgestellt habe, sei nach dem Gesagten glaubhaft gemacht (vgl. Ziff. II E. 3 ff. [S. 4-5] des angefochtenen Entscheids).

Weiter müsse diese Verletzung zu einem nicht wieder leicht gutzumachenden Nachteil führen. Die Stromunterbrechung gefährde die wirtschaftliche Existenz des Gesuchstellers in mehreren Bereichen. Der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil sei somit glaubhaft gemacht. Zudem sei zum einen die Wiederherstellung der Stromversorgung dringend, da ohne sie in den Räumlichkeiten nicht gearbeitet werden könne und der drohende Schaden wachse. Andererseits seien die daraus resultierenden Nachteile später nicht leicht wieder gutzumachen, da die genaue Bezifferung der Schadenssumme nicht ohne weiteres möglich sei. Die Dringlichkeit sei damit auch glaubhaft gemacht (vgl. Ziff. II E. 3.4 + 4 [S. 5/6] des angefochtenen Entscheids).

Die vorsorgliche Massnahme müsse schliesslich verhältnismässig sein. Die Interessen des Gesuchstellers, welche dessen wirtschaftlichen Existenz sowie die ungehinderte Nutzung des gemieteten Objekts beträfen, erschienen im Vergleich zur minimalen Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie der Gesuchsgegnerin als gewichtiger. Der Eingriff sei geeignet, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen und die vorsorgliche Massnahme sei daher verhältnismässig (vgl. Ziff. II E. 5 [S. 6] des angefochtenen Entscheids).

2. Die Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin bringt dagegen vor, die Anordnung vorsorglicher Massnahmen setze zunächst einen Verfügungsanspruch voraus. Soweit die Vorinstanz das Vorliegen eines solchen bejahe, wende sie insbesondere Art. 259a, Art. 259b und Art. 259g OR falsch an. Der Berufungsbeklagte habe den Stromausfall selbst verschuldet, habe er doch den Strombezug nicht auf den speziell für ihn vorbereiteten Zähler umgehängt und offenbar zwingend notwendige Unterhaltsarbeiten an der Stromversorgung unterlassen. Ein selbstverschuldeter Schaden könne der Mieter nicht vom Vermieter beheben lassen, schon gar nicht mittels superprovisorischer bzw. vorsorglichen Massnahmen. Der Berufungsbeklagte führe weder substantiiert aus noch belege er, dass der Stromausfall dem Verantwortungsbereich der Berufungsklägerin zuzuordnen sei (vgl. Ziff. III E. 6-7 [S. 4-5] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Verlange der Mieter einer unbeweglichen Sache vom Vermieter die Beseitigung eines Mangels, so müsse er ihm dazu schriftlich eine angemessene Frist setzen. Es werde bestritten, dass der Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin schriftlich Frist zur Behebung des Stromausfalls gesetzt habe. Gegenteiliges belege der Berufungsbeklagte weder mit Urkunden, noch behaupte er dies. Ein gerichtlich einklagbarer Mangelbeseitigungsanspruch bestehe erst nach vom Mieter angesetzter angemessener und vom Vermieter unbenutzt gelassener Frist. Anders als die Vorinstanz auszuführen scheine, gewähre das blosse Vorliegen eines Mietvertrags keinen solchen Anspruch. Nach dem Gesagten habe die Vorinstanz Art. 259g Abs. 1 OR verletzt (vgl. Ziff. III E. 10 [S. 5] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Sollte die angerufene Behörde den angefochtenen Entscheid wider Erwarten trotz fehlender vorgängiger Fristansetzung schützen, müsse beachtet werden, dass der Mietvertrag ein vollkommen zweiseitiger (synallagmatischer) Vertrag sei. Wer bei einem solchen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten wolle, müsse entweder bereits erfüllt haben die Erfüllung anbieten. Art. 82 OR sei auf den Mietvertrag anwendbar. Nach wie vor sei mindestens der Mietzins Februar 2021 unbezahlt. Der Berufungsbeklagte habe damit weder seinen Teil des Vertrages erfüllt, noch habe er die Erfüllung angeboten (vgl. Ziff. III E. 11 [S. 6] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Mit Schreiben vom 31. Mai 2021 habe der Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin mitgeteilt, dass er keinen Mietzins mehr leisten werde, bis die Stromversorgung wiederhergestellt worden sei. Der Mieter habe unter keinen Umständen das Recht, Mietzinszahlungen eigenständig zurückzubehalten. Der Berufungsbeklagte habe der Berufungsklägerin weder eine Mietzinshinterlegung angezeigt, noch ausstehende Mietzinse auf einem vom Kanton bezeichneten Konto hinterlegt. Ohne Leistung bzw. Hinterlegung seiner Mietzinsschuld könne sich der Mieter nicht auf einen Verfügungsanspruch berufen (vgl. Ziff. III E. 12 [S. 6-7] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Zusammengefasst könne betreffend Verfügungsanspruch nicht angehen, dass der Berufungsbeklagte diversen Mieterpflichten nicht nachkomme, selbst aber die Beseitigung von notabene selbstverschuldeten Mängeln gerichtlich verlange. Der Mieter gehe infolge seines Zahlungsrückstands, der unterlassenen Ansetzung einer Frist zur Mängelbehebung, der unterlassenen Mietzinshinterlegung sowie der in die Zukunft gerichteten Ankündigung, keine Mietzinse mehr zu leisten, dem Anspruch auf Mängelbeseitigung verlustig. Nach dem Gesagten bejahe die Vorinstanz einen Verfügungsanspruch des Berufungsbeklagten zu Unrecht bzw. unterliege mit der Anordnung der vorliegend fraglichen vorsorglichen Massnahme einer Rechtsverletzung. Der Entscheid der Vorinstanz sei damit aufzuheben (vgl. Ziff. III E. 13 [S. 7] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen setze weiter einen Verfügungsgrund vor- aus. Ein solcher liege vor, wenn ein drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil drohe. Der Stromausfall hindere den Berufungsbeklagten nicht an der Ausführung seiner Arbeiten. Er belege weder mit Fotos noch mit sonstigen Urkunden, dass die Arbeitsausführung erschwert werde bzw. erschwert sei. Selbst wenn die Arbeitsausführung des Berufungsbeklagten erschwert sein solle, unterlasse dieser sämtliche Ausführungen zu seiner Arbeitsauslastung bzw. seinem momentanen Auftragsvolumen, weshalb bereits im Vornherein nicht ersichtlich sein könne, ob überhaupt ein Nachteil bestehe bzw. drohe (vgl. Ziff. III E. 14-16 [S. 7-8] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Eine «Beeinträchtigung» einer ungestörten Nutzung der Mietsache begründe gerade keinen «drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil». Die blosse Möglichkeit, dass ein Vermögensschaden «entstehen kann», genüge gerade nicht um einen unmittelbar drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil zu begründen. Nach dem Gesagten erachte die Vorinstanz einen Verfügungsgrund fälschlicherweise als gegeben (vgl. Ziff. III E. 17 [S. 8] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Letztlich sei der Entscheid auch infolge Unverhältnismässigkeit aufzuheben. Die angeordnete Massnahme sei bereits deshalb nicht verhältnismässig, weil weder der Berufungsbeklagte noch die Vorinstanz aufzeige, inwiefern vorliegend konkret ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe. Unbesehen dessen könne nicht angehen, dass der Berufungsbeklagte zur Behebung eines Stromausfalls noch am selben Tag und ohne Fristansetzung zur Mängelbehebung an den Vermieter richterlichen Rechtsschutz beanspruche. Insbesondere deshalb nicht, weil im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung zwingend mildere Mittel zu konsultieren seien. Insgesamt betrachtet erscheine die Erwirkung vorsorglicher Massnahmen im Zusammenhang mit der Behebung von Mängeln an einer Mietsache unmittelbar am Tag der Mängelentstehung komplett vermessen (vgl. Ziff. III E. 19-23 [S. 9] der Berufungsschrift vom 2. August 2021).

Mit Schreiben vom 5. Mai 2021 habe die damals noch nicht anwaltlich vertretene Berufungsklägerin zum Superprovisorium vom 4. Mai 2021 Stellung genommen. Mit diesem Schreiben sei gleichsam der Kostenvoranschlag für die Arbeiten im Zusammenhang mit der Behebung der Problematik mit der Stromzufuhr eingereicht worden. Die Berufungsklägerin habe damit als juristische Laiin von ihrem Recht auf Sicherheitsleistung i.S.v. Art. 263 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht und einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Vorinstanz hätte den Berufungsbeklagten verpflichten müssen eine Sicherheitsleistung zu leisten.

3.1 Mit Berufung kann die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsklägerin hat dabei im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid falsch ist und deshalb abgeändert werden muss.

3.2 Von der Berufungsklägerin wird eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie die unrichtige Rechtsanwendung beanstandet, so insbesondere eine Verletzung von Art. 82 OR (Leistung Zug um Zug), Art. 259g Abs. 1 OR (Hinterlegung des Mietzinses, Frist zur Behebung des «Mangels»), Art. 264 ZPO (Sicherheitsleistung und Schadenersatz) sowie Art. 18 OR (falsche Vertragsauslegung). Auf die Berufung ist grundsätzlich einzutreten.

4.1.1 Von der Berufungsklägerin wird zunächst gerügt, die Behauptung des Berufungsbeklagten, sie habe den Stromausfall absichtlich herbeigeführt, sei unbegründet und werde bestritten.

4.1.2 Wie oben wiedergegeben, erklärt die Vorinstanz in überzeugender Weise, wieso sie zu dem Schluss gekommen ist, dass der Stromausfall absichtlich herbeigeführt worden ist. Die Rügen der Berufungsklägerin reichen nicht aus, um die detailliert begründete Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zu erschüttern. Die Berufungsklägerin bestreitet den Sachverhalt, ohne aufzuzeigen, worin die falsche Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz liegen soll (vgl. Ziff. III E. 4 + 7 [S. 4/5] der Berufungsschrift vom 2. August 2021). Auch der Behauptung der Berufungsklägerin, wonach der Berufungsbeklagte die Stromzufuhr ganz einfach über seinen Zähler anschliessen könnte, wurde von der Vorinstanz nicht gefolgt. Diese stellt, wie bereits ausgeführt - vielmehr darauf ab, dass der Strom absichtlich abgestellt worden ist. Dabei folgt sie offensichtlich den Darstellungen des Berufungsbeklagten, dass sich der Haupt- sowie der Unterzähler im Hausteil der Berufungsklägerin befindet und ihm kein Zugang zu deren Räumlichkeiten gewahrt worden sei. Die Entgegnung des Berufungsbeklagten in der Berufungsantwort bestätigen die Schlussfolgerung der Vorinstanz. Vor allem das Datum der Berufungsbeilage 3 sowie die widersprüchliche Darstellung des Grundes für den Stromausfall, belegen die Ausführungen der Vorinstanz, welche diese Aspekte bereits im angefochtenen Entscheid erkannt hat (vgl. Ziff. II E. 4 + 5 [S. 6] des angefochtenen Entscheids). Die Schlussfolgerung, wonach der Stromausfall von der Berufungsklägerin absichtlich herbeigeführt worden ist, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

4.2.1 Das Verfahren dreht sich in der Folge um das Vorliegen eines genügenden Verfügungsanspruchs i.S.v. Art. 261 ZPO. Dabei ist zunächst strittig, ob die Vorinstanz Art. 259a, Art. 259b und Art. 259g OR falsch angewendet hat.

4.2.2 Die Berufungsklägerin hat vor der Vorinstanz nie den Antrag um Anwendung von Art. 259a, Art. 259b und Art. 259g OR gestellt. Gerügt werden könnte, die grundsätzlich fehlende Anwendung dieser Bestimmungen durch die Vorinstanz, wobei es die Berufungsklägerin unterlässt auszuführen, wieso die Rechte gemäss Art. 259a ff. OR hätten geltend gemacht werden müssen. Zudem legt die Berufungsklägerin nicht dar, weshalb sich der Mieter ohne vorhergehende Fristansetzung nicht auf einen Verfügungsanspruch berufen kann.

4.3 Gemäss Art. 261 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist eine Verletzung zu befürchten ist (lit. a) und ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (lit. b). Damit verbunden ist die zeitliche Dringlichkeit. Der befürchtete Nachteil muss aufgrund objektiver Anhaltspunkte wahrscheinlich sein, ohne dass eine Fehleinschätzung völlig auszuschliessen wäre. Die Massnahme muss verhältnismässig sein (vgl. Botschaft ZPO, S. 7354).

4.4.1 Zu prüfen ist in einem nächsten Schritt, ob die Voraussetzungen von Art. 261 ZPO erfüllt sind und ein genügender Verfügungsanspruch gegeben ist. Die Berufungsklägerin führt hierzu zunächst aus, dass sich der Berufungsbeklagte mit den Mietzinszahlungen in Verzug befinde und darum keinen Verfügungsanspruch belegen könne.

4.4.2 Von den Parteien unbestritten ist der Abschluss eines Mietvertrages, wie auch die durch die Berufungsklägerin erfolgte Kündigung und anschliessende Anfechtung ebendieser durch den Berufungsbeklagten. Bestritten ist der von der Berufungsklägerin angegebene Kündigungsgrund von Mietzinsrückständen des Berufungsbeklagten. Dass der Mietzins des Monats Februar 2021 nicht bezahlt worden ist, ist eine reine Behauptung der Berufungsklägerin und von dieser nicht ausreichend belegt (vgl. Ziff. III E. 11 [S. 6] der Berufungsschrift vom 2. August 2021). So hat sie bei der Vorinstanz die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach Art. 82 OR auch nicht erhoben. Die Einstellung der Mietzinszahlung ist ein echtes Novum, das erst nach Einreichung der Replik vom 31. Mai 2021 eingetroffen ist. In jenem Zeitpunkt hat die Berufungsbeklagte aber bereits selbst den Vertrag nicht mehr gehörig erfüllt (Stromunterbruch vom 3. Mai 2021). Auch der Berufungsbeklagte beruft sich auf Art. 82 OR, indem er keinen Mietzins mehr leisten will. Da die Berufungsklägerin selbst den Vertrag im fraglichen Zeitpunkt nicht mehr ordentlich erfüllte, hat sie ihren Anspruch gemäss Art. 82 OR verwirkt. Den Ausführungen der Vorinstanz folgend, kann hierzu festgehalten werden, dass dem Berufungsbeklagten die Rechte aus dem Mietvertrag also weiterhin zustehen (vgl. Ziff. II E. 2.4 + 2.5 [S. 3/4] des angefochtenen Entscheids).

5.1 Vorliegend steht nicht mehr zur Diskussion, dass der Berufungsbeklagte über einen ausreichenden Verfügungsanspruch verfügt. Die erste Voraussetzung, die von Art. 261 ZPO zur Verfügung vorsorglicher Massnahmen verlangt wird, liegt somit grundsätzlich vor. Zu prüfen bleiben die Einreden des fehlenden Verfügungsgrundes und der Unverhältnismässigkeit der verfügten vorsorglichen Massnahme.

5.2 Den Ausführungen der Vorinstanz kann, wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, vollumfänglich zugestimmt werden: Glaubhaft ist, dass ohne eine ausreichende Stromversorgung die Räume nicht ihrem Zweck entsprechend genutzt werden können. Sie werden für den Mieter unbrauchbar. Die Unterbrechung der Stromzufuhr bedroht die wirtschaftliche Existenz des Berufungsbeklagten. Die Wiederherstellung der Stromzufuhr ist dringend, da ohne sie in den Räumen nicht gearbeitet werden kann (vgl. Ziff. II E. 3.4 + 5 [S. 5] des angefochtenen Entscheids). Ergänzend ist festzuhalten, dass eine ununterbrochene Stromzufuhr ein elementares Bedürfnis eines Mieters ist. Durch eine fehlende Stromzufuhr stört die Vermieterin den Besitz des Mieters an der Mietsache und verletzt den Mietvertrag. Es ist dem Mieter nicht zuzumuten, diesen Mangel bis zur Erledigung eines ordentlichen Verfahrens hinzunehmen. In diesem Sinne sind auch der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil sowie die zeitliche Dringlichkeit offensichtlich gegeben. Diese Auffassung wird durch die herrschende Lehre gestützt (Lukas D. Frese / Marcel Kobel, a.a.O, S. 100; Byrde, Vorsorgliche Massnahmen im Mietrecht: Eine Untersuchung der neueren Rechtsprechung, in mp 4/06 S. 247 ff.). Das Mietobjekt verliert durch die unterbrochene Stromzufuhr seine Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch vollständig. Zur Verhältnismässigkeit wird von der Vorinstanz ausgeführt, dass die Anordnung die Stromversorgung wiederherzustellen, kein schwerer Eingriff in die Interessen der Gesuchsgegnerin sei. Die Interessen des Gesuchstellers an der Nutzung des gemieteten Objekts wiegen im Vergleich schwerer, da es um seine wirtschaftliche Existenz ging. Die Rügen der Berufungsklägerin schlagen in keiner Weise durch. Dasselbe gilt in Bezug auf die Verhältnismässigkeit, für welche die Berufungsklägerin in ihrer Berufungsschrift einen eigenen Abschnitt macht, ohne etwas Neues vorzubringen. Den Ausführungen der Vorinstanz (vgl. Ziff. II E. 3 [S. 4-6] des angefochtenen Entscheids) ist damit vollumfänglich zuzustimmen und die Berufung auch in diesem Punkt abzuweisen.

6.1 Schliesslich wird von der Berufungsklägerin die Rüge erhoben, sie habe als juristische Laiin von ihrem Recht auf Sicherheitsleitung im Sinne von Art. 261 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht und einen Antrag auf Sicherheitsleistung gestellt. Zu prüfen bleibt, ob durch das Eintreten der Vorinstanz auf das Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen ohne Forderung einer Sicherheitsleistung Art. 264 ZPO verletzt wurde.

6.2 Erklärungen der Parteien im Rahmen eines Prozesses sind nach Treu und Glauben auszulegen (BGE 105 II 149 E. 2a), d.h. sie müssen so ausgelegt werden, wie sie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Dabei ist neben dem Wortlaut eines Begehrens auch die Begründung zu berücksichtigen (BGE 137 III 617 E. 6.2).

6.3 Die Erklärungen in den beiden Stellungnahmen, die die Berufungsklägerin als Laiin eingegeben hat, sind unmissverständlich und klar formuliert; ihr Hauptanliegen ist die Weiterleitung des Kostenvoranschlags, da sie die Auffassung vertritt, dass diese Kosten durch den Berufungsbeklagten zu tragen sind. Ein potentieller Schaden durch die vorsorgliche Massnahme wird in ihren Ausführungen nicht geltend gemacht. Damit wurde bei der Vorinstanz kein entsprechender Antrag auf Sicherheitsleistung gestellt – auch nicht sinngemäss, wie die Berufungsklägerin mit dem Hinweis, sie sei eine juristische Laiin, behauptet. Die Berufung ist auch in diesem Punkt abzuweisen.

7. Zusammenfassend erweist sich die Berufung als unbegründet und ist vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit bleibt über die Kosten zu befinden.

8. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1'250.00 sind dem Ausgang entsprechend der Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin aufzuerlegen. Nach dem Ausgang des Verfahrens hat die Berufungsklägerin auch die Parteikosten des Berufungsbeklagten zu bezahlen. Der Vertreter des Berufungsbeklagten, Rechtsanwalt Walter Keller, macht eine Parteientschädigung von CHF 1'106.85 geltend. Diese Kostennote gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird abgewiesen.

2.    Die A.___ AG hat die Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von CHF 1‘250.00 zu bezahlen. Diese werden mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.    Die A.___ AG hat B.___ für das Verfahren vor Obergericht eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 1'106.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 15'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Rechtspraktikantin

Hunkeler                                                                           Kohler



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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