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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWKLA.2023.7)

Zusammenfassung des Urteils VWKLA.2023.7: Verwaltungsgericht

Die A.___ AG, eine Tierklinik, klagte gegen die Gemeinde B.___, um CHF 3'321.85 für die medizinische Versorgung einer verletzten Katze namens `Brombeeri` zu erhalten. Die Klägerin argumentierte, dass die Gemeinde als Fundbüro und im Rahmen des Tierschutzgesetzes verpflichtet sei, die Kosten zu tragen. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass die Gemeinde keine rechtliche Verpflichtung dazu hat und wies die Klage ab. Die Verfahrenskosten von CHF 1'000.00 wurden der Klägerin auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWKLA.2023.7

Kanton:SO
Fallnummer:VWKLA.2023.7
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWKLA.2023.7 vom 18.09.2023 (SO)
Datum:18.09.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Tiers; Gemeinde; Tierschutz; Katze; Forderung; Klage; Gemeinwesen; Gemeinden; Vollzug; Fundtier; Kanton; Verwaltungsgericht; Polizei; Halter; Tiere; Finder; Tierschutzgesetz; «Brombeeri»; Schweizerischen; Apos; Fundtiere; Fundbüro; Frist; Eigentümer; Urteil; Wesentlichen; Versorgung
Rechtsnorm: Art. 59 ZPO ;Art. 720a ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWKLA.2023.7

 
Geschäftsnummer: VWKLA.2023.7
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 18.09.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.201
Titel: Forderung

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 18. September 2023    

Es wirken mit:

Präsident Thomann  

Oberrichter Frey   

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

A.___ AG, vertreten durch Prof. Dr. Bruno Mascello,   

 

Klägerin

 

 

gegen

 

 

Gemeinde B.___,   

 

Beklagte

 

 

 

betreffend     Forderung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Die A.___ AG (eine Tierklinik, nachfolgend Klägerin genannt) reichte am 5. April 2023 eine verwaltungsrechtliche Klage gegen die Einwohnergemeinde B.___ (nachfolgend: Beklagte) ein. Sie beantragte, die Beklagte zu verpflichten, ihr CHF 3’321.85, zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. Januar 2023, zu bezahlen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Die Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.

 

2. Die Klägerin führte zur Begründung der Klage im Wesentlichen aus, die Polizei habe ihr am 20. August 2022 die Katze «Brombeeri» zur medizinischen Versorgung gebracht (weil der Rufname der Katze nicht bekannt gewesen sei, habe man sie ihrerseits und seitens der Tierschutzorganisation «Brombeeri» genannt). Die Polizei habe ihr dabei erklärt, die Katze sei in [...] an der [...]strasse neben der Bushaltestelle «[...]» gefunden worden. Die Katze habe gehechelt, aus Maul und Nase geblutet, sich verwirrt gezeigt und ein Auge nicht mehr schliessen können. Es schien, als ob sie ein Schädeltrauma, eine Gaumenspalten- und Kieferfraktur aufgewiesen habe. Entsprechend seien sofort lebensrettende beziehungsweise leidmindernde Massnahmen und Operationen erforderlich gewesen. Der Gesundheitszustand der Katze habe sich positiv entwickelt. Da sie weder ein Halsband mit Name und Adresse noch einen Chip aufgewiesen habe, sei es nicht möglich gewesen, sie einem Halter zuzuordnen. Eine Ausschreibung auf der Plattform der Schweizerischen Tiermeldezentrale sei erfolglos geblieben.

 

Die Kosten für die medizinische Behandlung der Katze beliefen sich auf insgesamt CHF 3'321.85. Es handle sich um eine vermögensrechtliche Forderung öffentlich-rechtlicher Natur. Im Wesentlichen gehe es um eine Forderung im Zusammenhang mit dem Vollzug des Tierschutzgesetzes. Das Gemeinwesen beziehungsweise die Beklagte müsse den korrekten Vollzug des Tierschutzrechts sicherstellen. Bei der Katze handle es sich um ein Fundtier. Gemäss Art. 721 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) müsse das gefundene Tier entsprechend unterhalten, gepflegt und aufbewahrt werden. Wenn kein nicht umgehend der Halter des Tieres identifiziert gefunden werden könne, habe das Gemeinwesen zumindest zwischenzeitlich zum Schutz des Tieres in Vorleistung zu gehen und diese Funktion mit den damit zusammenhängenden Rechten und Pflichten zu übernehmen. Dies gelte erst recht, wenn ein Tier verletzt sei und umgehend medizinische Hilfe benötige. Für Fundgegenstände seien im Kanton Solothurn die Polizei beziehungsweise die Gemeinden zuständig. Wenn die Polizei ein verletztes Tier zur medizinischen Betreuung bei einer Privatperson abgebe, sei zumindest in der ersten Phase, um die Schutzlosigkeit des Tiers und des Eigentümers zu vermeiden, das Gemeinwesen für die Kosten verantwortlich. Wenn es um verletzte Fundtiere gehe, vollziehe das Gemeinwesen das Tierschutzrecht, indem es unter anderem verletzte Tiere versorge und auch für Fundtiere ein Fundbüro als öffentliche Dienstleistung zur Verfügung stelle.

 

Die rechtliche Frage, wer – zumindest während der gesetzlichen Wartefrist von zwei Monaten – für das Tier verantwortlich sei, wenn sich kein Tierhalter auffinden lasse, scheine nicht restlos geklärt zu sein. Es sei zu klären, wer für Fundtiere generell verantwortlich sei beziehungsweise die während der Frist von zwei Monaten angefallenen Kosten, wie zum Beispiel für Tierarzt und Tierheim, tragen müsse, bis der allfällige Halter gefunden werden beziehungsweise gestützt auf Art. 722 Abs. 1bis und 728 Abs. 1bis ZGB allenfalls ein rechtmässiger Eigentumserwerb stattfinden könne. Zumindest während dieser Zeitperiode müsse stellvertretend stets das Gemeinwesen quasi als Finder beziehungsweise temporärer Halter des Tiers als verantwortlich angesehen werden. Dem Gemeinwesen müsse der Wille, Eigentümer am Fundtier zu werden und es in Besitz zu nehmen, unterstellt werden. Andernfalls würde das Tier und dessen Halter schutzlos werden. Im Kanton Solothurn seien für Fundtiere die Gemeinden am Fundort zuständig. Da sich vorliegend kein Finder im rechtlichen Sinne bestimmen lasse, müsse die Gemeinde am Fundort des Tiers, das heisst die Beklagte, stellvertretend als Finderin beziehungsweise in der Funktion als öffentliches Fundbüro eintreten und die für «Brombeeri» erforderliche Unterbringung, Pflege und medizinische Versorgung übernehmen, das heisst einschliesslich der angefallenen Tierarztkosten. Sollte sich später ein Tierhalter finden, könne die Beklagte die von ihr übernommenen Kosten bei diesem einfordern.

 

3. Die Beklagte bezeichnet in der Klageantwort die von der Klägerin ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe als haltlos. Es werde mit Emotionen argumentiert und in gewisser Weise unterstellt, sie handle herzlos gegenüber Tieren. Sie verweise auf die Möglichkeit des Nationalen Garantiefonds.

 

4. Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts bewilligte mit Verfügung vom 5. Juni 2023 die von den Parteien eingereichten Urkunden. Die übrigen Beweisanträge wies er ab. Gleichzeitig stellte er in Aussicht, aufgrund der Akten zu entscheiden und auf die Durchführung einer Hauptverhandlung zu verzichten, sofern keine Partei eine solche verlangt.

 

5. Der Instruktionsrichter stellte am 5. Juli 2023 fest, dass innert der mit Verfügung vom 5. Juni 2023 angesetzten Frist keine Partei die Durchführung einer Hauptverhandlung verlangt hat. Über die Streitsache kann daher im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Für die Parteistandpunkte wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird im vorliegenden Urteil darauf eingegangen.

 

 

II.

 

1. Das Verwaltungsgericht entscheidet als einzige Instanz über vermögensrechtliche Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur zwischen Privaten und den Gemeinden (§ 48 Abs. 1 lit. a Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Indem die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei angesichts ihrer Eigenschaft als öffentliches Fundbüro und zwecks Vollzugs des Tierschutzgesetzes zur Begleichung der in Rechnung gestellten Forderung von CHF 3'321.85 verpflichtet, beruft sie sich auf einen öffentlich-rechtlichen Anspruch. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen der Zivilprozessordnung (Art. 59 ZPO, SR 272), die nach § 58 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) sinngemäss anzuwenden ist, sind erfüllt. Auf die Klage ist einzutreten.

 

 

2.1 Die Klägerin macht geltend, das Gemeinwesen, konkret die beklagte Einwohnergemeinde, auf deren Gebiet die verletzte Katze aufgefunden wurde, müsse den korrekten Vollzug des Tierschutzrechts sicherstellen. Die bundesrechtlichen Vorschriften über den Schutz der Tiere sind von den Kantonen zu vollziehen (Art. 80 Abs. 3 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BV, SR 101). Der Tierschutz beruht bundesrechtlich im Wesentlichen auf dem Tierschutzgesetz (TSchG, SR 455) und den gestützt darauf erlassenen Verordnungen. Kantonal ist in diesem Zusammenhang die Tierseuchen- und Tierschutzverordnung (TSSV, BGS 926.711) von Bedeutung.

 

2.2 § 67 Abs. 1 TSSV nennt unter anderem auch die Gemeindebehörden als Organe des Tierschutzes (lit. f). Gemäss § 75 TSSV unterstützen sie die kantonalen Behörden beim Vollzug der Tierschutzgesetzgebung (Abs. 1). Die Gemeinden unterbreiten Baugesuche und andere Vorhaben, welche die Tierhaltung betreffen, dem Veterinärdienst zur Durchführung des Mitberichtsverfahrens, zur Stellungnahme zum Entscheid (Abs. 2). Wird festgestellt, dass sich Verwaltungsmassnahmen gemäss Art. 24 und 25 TSchG aufdrängen, so stellen sie dem Veterinärdienst Antrag. Bei Dringlichkeit kann die Gemeindebehörde unter Beizug eines Amtstierarztes unverzüglich einschreiten; sie erstattet darüber dem Veterinärdienst Bericht (Abs. 3). Darüber hinaus obliegen den Gemeinden keine Aufgaben im Rahmen des Tierschutzes. Insbesondere enthält die eidgenössische und kantonale Tierschutzgesetzgebung keine Verpflichtung der Gemeinden, für Kosten der medizinischen Versorgung, Unterbringung und Pflege von auf ihrem Gemeindegebiet aufgefundenen Katzen aufzukommen. Die Klägerin kann sich für die eingeklagte Forderung nicht auf irgendwelche Verpflichtungen der Gemeinden im Rahmen des Vollzugs des Tierschutzes berufen.

 

3.1 Wer ein verlorenes Tier findet, hat den Eigentümer davon zu benachrichtigen und, wenn er ihn nicht kennt, den Fund anzuzeigen (Art. 720a Abs. 1 ZGB). Wer seinen Pflichten als Finder nachkommt, erwirbt ein Tier, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- Erwerbszwecken gehalten wird, zu Eigentum, wenn der Eigentümer während zwei Monaten von der Anzeige an nicht festgestellt werden kann (Art. 722 Abs. 1 und 1bis ZGB). Vertraut der Finder das Tier einem Tierheim mit dem Willen an, den Besitz daran endgültig aufzugeben, so kann das Tierheim nach Ablauf von zwei Monaten, seitdem ihm das Tier anvertraut wurde, frei über das Tier verfügen (Art. 722 Abs. 1ter ZGB).

 

Zur Entgegennahme von Fundanzeigen ist im Kanton Solothurn ausser der Polizei der Gemeindepräsident zuständig (§ 269 Abs. 1 Gesetz über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, EG ZGB, BGS 211.1). Auf Fundgegenstände, die von den Gemeindeammannämtern, der Gemeinde- Kantonspolizei kommunalen Anstalten zur Aufbewahrung entgegengenommen worden sind, findet die kantonale Verordnung über die Verwertung von Fundgegenständen und die Verwendung des Erlöses (BGS 212.555) Anwendung.

 

3.2 Die Argumentation der Klägerin, die Beklagte müsse allein wegen ihrer Funktion als öffentliches Fundbüro für die eingeklagte Forderung aufkommen, ist gesucht. Aufgrund der vorstehend dargelegten rechtlichen Ausgangslage ergibt sich keine solche Verpflichtung. «Brombeeri» wurde der Beklagten nie zur Aufbewahrung übergeben. Ebensowenig erteilte die Beklagte der Klägerin den Auftrag, die Katze medizinisch zu versorgen. Auch diese von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlage besteht nicht.

 

4. Die Klage ist unbegründet und muss daher abgewiesen werden. Die Verfahrenskosten von CHF 1'000.00 gehen zu Lasten der Klägerin. Da die Beklagte keine Parteientschädigung fordert, sind die Parteikosten wettzuschlagen.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Kosten des Verfahrens von CHF 1'000.00 hat die A.___ AG zu tragen.

3.    Die Parteikosten werden wettgeschlagen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Thomann                                                                          Schaad

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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