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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWKLA.2023.3)

Zusammenfassung des Urteils VWKLA.2023.3: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entscheidet über einen Fall betreffend Staatshaftung. Die Klägerin, vertreten durch Anwalt Leonhard Müller, fordert Schadenersatz vom Kanton Solothurn in Höhe von CHF 30'001.00 wegen eines Fehlers bei der Eintragung eines Kaufvertrags ins Grundbuch. Die Klägerin behauptet, dass ihre Dienstbarkeiten im Rang falsch eingetragen wurden, was zu einem Risiko bei einer möglichen Zwangsverwertung führt. Die Staatskanzlei lehnte das Staatshaftungsbegehren ab, worauf die Klägerin Klage einreichte. Das Gericht entscheidet, dass die Amtschreiberei ihre Pflichten verletzt hat und die Klage berechtigt ist. Der Richter Thomann verkündet das Urteil, dass der Kanton Solothurn der Klägerin den geforderten Betrag zuzüglich Zinsen zahlen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWKLA.2023.3

Kanton:SO
Fallnummer:VWKLA.2023.3
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWKLA.2023.3 vom 27.06.2024 (SO)
Datum:27.06.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Apos; Grundstück; Amtschreiber; Amtschreiberei; Dienstbarkeiten; Pfand; Hobbyraum; Schaden; Vertrag; Grundpfand; Käufer; Recht; Schuldbrief; Parteien; Kaufvertrag; Grundstücke; Käuferin; Gangserklärung; Parkplätze; Rangrücktritt; Grundbuch; Vertrags; Hinweis; Entwurf
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ;Art. 146 StGB ;Art. 183 ZPO ;Art. 187 ZPO ;Art. 28 OR ;Art. 41 OR ;Art. 59 ZPO ;Art. 812 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWKLA.2023.3

 
Geschäftsnummer: VWKLA.2023.3
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 27.06.2024 
FindInfo-Nummer: O_VW.2024.115
Titel: Staatshaftung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

 

 

 

Urteil vom 27. Juni 2024 

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey

Oberrichterin Obrecht Steiner

Gerichtsschreiberin Blut-Kaufmann

In Sachen

A.___    vertreten durch Leonhard Müller, Rechtsanwalt und Notar,    hier vertreten durch Lukas Müller, Rechtsanwalt,   

 

Klägerin

 

 

 

gegen

 

 

 

Kanton Solothurn, vertreten durch Staatskanzlei Legistik und Justiz,    

 

Beklagter

 

 

 

betreffend     Staatshaftung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Die A.___ bezweckt unter anderem die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Immobilienverwaltung und Immobilienhandel. Mit von der B.___ der Amtschreiberei [...] öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom [...] 2021 verkaufte die A.___ die Grundstücke Grundbuch (GB) [...] Nr. [...] (Wohnhaus) und GB [...] Nr. [...] (Nebengebäude und Autoabstellplätze) an C.___ zum Gesamtpreis von CHF 710'000.00 (GB [...] Nr. [...]: CHF 695'000.00; GB [...] Nr. [...]: CHF 15'000.00). Die A.___ behielt sich im Rahmen dieses Vertrags an GB [...] Nr. [...] ein Benützungsrecht am Hobbyraum sowie an drei Aussenparkplätzen vor. Zu diesem Zweck wurden auf GB [...] Nr. [...] zu Gunsten der A.___ entsprechende Dienstbarkeiten eingetragen. Auf den beiden Grundstücken lastete ein Gesamtpfandrecht als Registerschuldbrief über CHF 650'000.00. Am [...] 2021 bestätigte die A.___ den Erhalt des Kaufpreises, worauf der Kaufvertrag zur Eintragung ins Grundbuch angemeldet wurde.

 

2.1 Am 13. September 2022 gelangte die A.___ mit einem Schadenersatzbegehren an das Finanzdepartement des Kantons Solothurn. Sie verlangte, ihr sei aus der Staatskasse eine Entschädigung in der Höhe von CHF 130'000.00, zuzüglich Zins, zu bezahlen als Schadenersatz für die Tätigkeit der Amtschreiberei [...] im Zusammenhang mit der Ausarbeitung, Beurkundung und Eintragung im Grundbuch des Kaufvertrages zwischen ihr als Verkäuferin und C.___ als Käuferin über die Grundstücke GB [...] Nr. [...] und [...]. Konkret bestehe der Fehler darin, dass von der Käuferbank für den Schuldbrief keine Nachgangserklärung bezüglich der neu begründeten Dienstbarkeiten für den Hobbyraum und die Aussenparkplätze auf GB [...] Nr. [...] eingeholt worden sei. Da die Dienstbarkeiten neuer seien als das Grundpfandrecht, gingen die Dienstbarkeiten dem Grundpfandrecht im Rang nach. Dies bewirke, dass sie auf Grund des Prinzips der Rangfolgen im Grundbuch ihren Hobbyraum und ihre Aussenparkplätze ebenfalls zu Gunsten der Käuferin beziehungsweise deren finanzierenden Bank verpfändet habe. Es bestehe für sie nun das Risiko, dass bei einer Grundpfandverwertung bei einem Doppelaufruf die Dienstbarkeiten für den Hobbyraum und die Aussenabstellplätze gelöscht würden. Das Risiko sei besonders gross, weil auf GB [...] Nr. [...] ein Schuldbrief mit einem sehr hohen Betrag von CHF 650'000.00 laste. Das Wohnhaus GB [...] Nr. [...] könnte ohne ihre Mitwirkung aus der Pfandhaft des Schuldbriefes entlassen werden, so dass der Registerschuldbrief über CHF 650'000.00 dann nur noch auf GB [...] Nr. [...] lasten würde. Dieses Grundstück weise jedoch einen wesentlich tieferen Wert auf als die Pfandsumme des Schuldbriefes. Würde in einem solchen Fall der Schuldbrief über CHF 650'000.00 verwertet, käme es mit Sicherheit zu einem Doppelaufruf mit der Folge, dass die Dienstbarkeiten ersatzlos gestrichen würden. Ihr Schaden bestehe in der Wertdifferenz, welche die Dienstbarkeiten aufwiesen, je nachdem, ob sie dem Grundpfandrecht im Rang vor- nachgingen. Ohne Pfandbelastung sei von einem Wert des Hobbyraums und der drei Aussenparkplätze von insgesamt CHF 130'000.00 auszugehen.

 

2.2 Die Staatskanzlei des Kantons Solothurn lehnte das Staatshaftungsbegehren mit Stellungnahme vom 29. November 2022 ab.

 

3.1 Am 19. Januar 2023 reichte die A.___ (nachfolgend: Klägerin) beim Verwaltungsgericht eine (Teil-) Klage gegen den Kanton Solothurn (nachfolgend: Beklagter) ein. Sie beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr CHF 30'001.00, zuzüglich Zins zu 5 % seit 2. Juli 2021, zu bezahlen, unter Nachklagevorbehalt und unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Der Beklagte stellt in seiner Klageantwort das Rechtsbegehren, die Klage vollumfänglich abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

3.2 Am 4. Mai 2023 fand eine Instruktionsverhandlung statt, an welcher eine Parteibefragung durchgeführt wurde. Weiter erfolgte an dieser Verhandlung die Einvernahme von zwei Auskunftspersonen. Mit Verfügung vom 16. Mai 2023 bewilligte der Instruktionsrichter den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Gutachtens zur Ermittlung des auf dem Markt erzielbaren Preises der drei Parkplätze und des Hobbyraumes ohne und mit Pfandbelastung. Als Gutachter wurde in der Folge D.___, eingesetzt. Dieser erstattete das Gutachten am 30. August 2023 und beantwortete die Ergänzungsfragen am 11. Oktober 2023. Der Instruktionsrichter stellte hierauf fest, die Streitsache sei spruchreif und verfügte, sofern keine Partei die Durchführung einer Hauptverhandlung verlange, werde das Urteil im schriftlichen Verfahren gefällt. Beide Parteien erklärten in der Folge, auf die Durchführung einer Hauptverhandlung zu verzichten, worauf ihnen – wie vorgängig in Aussicht genommen – Frist gesetzt wurde, zum Beweisergebnis abschliessend Stellung zu nehmen. Beide Parteien machten von dieser Gelegenheit Gebrauch.

 

4. Die Streitsache ist – wie bereits vom Instruktionsrichter festgestellt – spruchreif. Gestützt auf § 63bis Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) kann das Urteil ohne Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund der Akten gefällt werden. Für die Parteistandpunkte wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1.1 § 11 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz (VG, BGS 124.21) bestimmt, dass bei Verantwortlichkeit des Staates beim zuständigen Departement schriftlich und begründet ein Schadenersatzbegehren einzureichen ist. Wird zum Schadenersatzbegehren innert drei Monaten seit seiner Einreichung nicht ablehnend Stellung genommen, so kann beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht werden (§ 11 Abs. 2 erster Satz VG). Das Verwaltungsgericht entscheidet als einzige Instanz unter anderem über vermögensrechtliche Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur zwischen Privaten und dem Staat (§ 48 Abs. 1 lit. a Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12).

 

1.2 Die Staatskanzlei lehnte mit Schreiben vom 29. November 2022 das mit Eingabe vom 13. September 2022 von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsbegehren ab. Der vorliegend eingeklagten Forderung ging somit ein Schadenersatzbegehren voraus, weshalb das Verwaltungsgericht zur Beurteilung des Begehrens angerufen werden kann. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen der Zivilprozessordnung (Art. 59 ZPO, SR 272), die nach § 58 VRG sinngemäss anzuwenden ist, sind erfüllt. Auf die Klage ist einzutreten.

 

2. Der Staat haftet für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich mit ohne Verschulden zufügt (§ 2 Abs. 1 VG). Die Klägerin muss somit beweisen, dass a) ihr ein Schaden entstanden ist, b) die schädigende Handlung eines Beamten dessen Amtstätigkeit zuzurechnen ist, c) die schädigende Handlung adäquate Ursache des Schadens bildet (Kausalzusammenhang) und d) die Schädigung widerrechtlich ist.

 

3. Die Klägerin führt zur Begründung der Klage im Wesentlichen aus, nach dem ursprünglichen Willen der Parteien des Kaufvertrags sei geplant gewesen, nicht beide Grundstücke vollständig zu verkaufen. Der Hobbyraum und die drei Aussenparkplätze hätten bei ihr als Verkäuferin verbleiben sollen. Dementsprechend habe die Amtschreiberei [...] einen ersten Kaufvertragsentwurf erstellt. Dieser habe vorgesehen, dass nur die Liegenschaft GB [...] Nr. [...] (Wohnhaus) verkauft werde und das Eigentum an GB [...] Nr. [...] bei ihr bleibe. Darüber hinaus sei als Dienstbarkeit ein Benützungsrecht an der Garage sowie am Garagenvorplatz zu Lasten von GB [...] Nr. [...] und zu Gunsten der Käuferin C.___ begründet worden. Im Vertragsentwurf sei vorgesehen gewesen, dass das bei der Klägerin verbleibende Grundstück GB [...] Nr. [...] aus der Pfandhaft des Schuldbriefes (Registerschuldbrief per CHF 650'000.00) entlassen und der Schuldbrief, welcher dann nur noch auf dem Kaufobjekt GB [...] Nr. [...] gelastet hätte, unbelastet an die Käuferin beziehungsweise deren Bank übertragen werde. Der Vertragsentwurf hätte dazu geführt, dass sie weiterhin Eigentümerin des Grundstücks GB [...] Nr. [...] geblieben wäre. Das Grundstück wäre mit einer Personaldienstbarkeit zu Gunsten der Käuferin belastet gewesen. Dies wäre eine mögliche und korrekte Vertragsgestaltung gewesen. Der Amtschreiberei [...] sei zu diesem Zeitpunkt voll bewusst gewesen, dass der Hobbyraum und die Aussenparkplätze, die bei ihr hätten verbleiben sollen, nicht mit einem fremden Pfandrecht der Bank der Käuferin belastet sein dürfen. Der Kaufvertragsentwurf habe in Ziff. 4, letzter Absatz, einen Hinweis bezüglich vorausgehender Grundpfandrechte enthalten. Dieser Hinweis habe sich erübrigt, weil das bei ihr verbleibende Grundstück GB [...] Nr. [...] aus der Pfandhaft entlassen werden sollte. Dies habe die Amtschreiberei [...] ihr mit E-Mail vom 10. Februar 2021 mitgeteilt.

 

Im Rahmen der weiteren Verhandlungen habe die Käuferin eine Abänderung des Geschäfts in dem Sinn gewünscht, dass nun auch das Grundstück GB [...] Nr.[...] verkauft werde, sie als Verkäuferin aber Dienstbarkeiten als Benützungsrecht für den Hobbyraum und für drei Aussenparkplätze auf GB [...] Nr. [...] erhalten soll. Damit sei bezüglich GB [...] Nr. [...] das ursprünglich angedachte Geschäft quasi umgedreht worden, nämlich dass das Eigentum an diesem Grundstück an die Käuferin übergegangen sei, sie hingegen für ihren Teil ein Benützungsrecht als Dienstbarkeit erhalten habe. Die Umstellung des Geschäfts habe nicht zu einer Änderung des Kaufpreises von CHF 710'000.00 geführt. Der definitive Kaufvertrag vom [...] 2021 sei entsprechend der vorgenannten Änderung unterzeichnet und im Grundbuch ab dem [...] 2021 eingetragen worden. An die Käuferin beziehungsweise deren finanzierender Bank sei auch der als Gesamtpfandrecht auf beiden Grundstücken lastende Registerschuldbrief über CHF 650'000.00 gegangen.

 

Der Fehler in der definitiven Vertragsgestaltung beziehungsweise der Abwicklung des Geschäfts und der Grundbucheintragung bestehe darin, dass von der Käuferbank für den Schuldbrief keine Nachgangserklärung bezüglich der neu begründeten Dienstbarkeiten für den Hobbyraum und die Aussenparkplätze auf GB [...] Nr. [...] eingeholt worden sei. Da die Dienstbarkeiten neuer seien als das Grundpfandrecht, gingen die Dienstbarkeiten dem Grundpfandrecht im Rang nach. Dies bewirke, dass auf Grund des Prinzips der Rangfolgen im Grundbuch sie ihren Hobbyraum und ihre Aussenparkplätze ebenfalls zu Gunsten der Käuferin beziehungsweise deren finanzierenden Bank verpfändet habe, was nie beabsichtigt gewesen sei. Für sie als Dienstbarkeitsberechtigte des Hobbyraums und der drei Aussenabstellplätze bestehe nun das Risiko, dass bei einer Grundpfandverwertung bei einem Doppelaufruf die Dienstbarkeiten für den Hobbyraum und die Aussenabstellplätze gelöscht würden. Das Risiko sei besonders gross, weil auf GB [...] Nr.[...] ein Schuldbrief mit einem sehr hohen Betrag von CHF 650'000.00 laste. Das Wohnhaus GB [...] Nr. [...] könnte ohne ihre Mitwirkung aus der Pfandhaft des Schuldbriefes entlassen werden, so dass der Registerschuldbrief über CHF 650'000.00 dann nur noch auf GB [...] Nr. [...] lasten würde. Dieses Grundstück weise jedoch einen wesentlich tieferen Wert auf als die Pfandsumme des Schuldbriefes. Würde in einem solchen Fall der Schuldbrief über CHF 650'000.00 verwertet, käme es mit Sicherheit zu einem Doppelaufruf mit der Folge, dass die Dienstbarkeiten ersatzlos gestrichen würden.

 

Der Geschäftsführer E.___ habe die Amtschreiberei von Anfang an darauf hingewiesen, dass der bei ihr verbleibende Hobbyraum und die Aussenabstellplätze nicht mit einem Pfandrecht der Käuferin belastet sein dürften. Bei der Ausarbeitung des ersten Entwurfs habe das die Amtschreiberei [...] auch beachtet. Im E-Mail vom 10. Februar 2021 habe F.___ von der Amtschreiberei [...] explizit erklärt, dass keine Pfandbelastung bestehe, weil eine Pfandentlassung eingeholt werde. Der im ersten Entwurf enthaltene Hinweis sei deshalb gestrichen worden. Sie sei davon ausgegangen, dass auch bei der Umstellung des Vertrages beachtet werde, dass das Pfandrecht der Käuferbank nicht auf dem Hobbyraum und den Aussenabstellplätzen laste. Sie sei davon ausgegangen, dass die Amtschreiberei eine Nachgangserklärung der Käuferbank einholen werde, bevor die Handänderung im Grundbuch eingetragen werde. Im definitiven Kaufvertrag habe sich – anders als im ersten Entwurf – auch kein Hinweis mehr gefunden, dass Grundpfandrechte vorgehen könnten. Als sie der Amtschreiberei die Zustimmungserklärung zur Eigentumsübertragung an C.___ vom 1. Juli 2021 zugestellt habe, habe E.___ einen handschriftlichen Hinweis angebracht, dass ihr Benützungsrecht für den Hobbyraum sowie den Abstellplätzen A-C vorrangig zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragen werden müsse. E.___ habe die Zustimmungserklärung vorab per E-Mail an die Amtschreiberei [...] gesandt. F.___ habe mit E-Mail vom 2. Juli 2021 wie folgt geantwortet: «Die Bank wird auf jeden Fall «nur» die von C.___ gekauften Grundstücke mit den entsprechenden Belastungen als Sicherheit erhalten». Dies habe sie nicht anders verstehen können, als dass ihr Hobbyraum und ihre Aussenparkplätze nicht für den Kredit (Schuldbrief) der Käuferin verpfändet werde. Sie sei deshalb davon ausgegangen, dass die Eintragungen in ihrem Sinn, gemäss der handschriftlichen Anmerkung, vollzogen würden.

 

Dass die Eintragungen im Grundbuch nicht wie erwartet vorgenommen worden seien, habe sie erst später realisiert, als die Bank des neuen Käufers, an welchen C.___ das Grundstück weiterverkauft habe, auf sie zugekommen sei mit dem Anliegen, dass diese für die Dienstbarkeiten eine Nachgangserklärung für eine Schuldbrieferhöhung erteilen solle. Erst jetzt sei ihr bewusst geworden, dass beim Vollzug des damaligen Kaufvertrages vom 17. Februar 2021 kein Nachgang des Schuldbriefes gegenüber den neu begründeten Dienstbarkeiten eingeholt worden sei. Sie sei daraufhin mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 an die Amtschreiberei [...] gelangt und habe erklärt, dass ihre Benützungsrechte den Vorrang gegenüber dem Grundpfand haben müssten. Die Amtschreiberei habe daraufhin mit unzutreffenden Ausflüchten mit Schreiben vom 2. November 2021 reagiert und ihr unzutreffend und pflichtwidrig erklärt, dass sie sich beim Obergericht beschweren müsse, das dafür jedoch offensichtlich nicht zuständig sei.

 

Sie möchte den Hobbyraum und die drei Aussenparkplätze verkaufen und habe diese zum Verkauf angeboten. Sie gehe von erzielbaren Verkaufspreisen für den Parkplatz A von CHF 20'000.00, für den Parkplatz B von CHF 25'000.00, für den Parkplatz C von CHF 25'000.00 und für den Hobbyraum von CHF 60'000.00 aus. Diese Preise liessen sich aber nur erzielen, wenn vorgängig das Problem mit der Pfandbelastung zu Gunsten der Grundeigentümerin gelöst werde. Kein Käufer sei bereit, das Risiko zu tragen, die Rechte jederzeit ersatzlos verlieren zu können. Die Parkplätze und der Hobbyraum liessen sich auf Grund des vorgenannten Problems auf dem Markt praktisch nicht mehr verkaufen. Sie sei verpflichtet gewesen, die Kaufinteressenten aufzuklären, um nicht den Tatbestand von Art. 28 OR zu erfüllen. Sämtliche Kaufinteressenten seien abgesprungen, als ihnen das Problem mit der Verpfändung mitgeteilt worden sei. Sie habe versucht, das Problem zu lösen und die Bank des neuen Eigentümers der Grundstücke GB [...] Nr. [...] und [...] angefragt, ob diese bereit sei, gegen Entschädigung eine Nachgangserklärung des Schuldbriefes gegenüber ihren Dienstbarkeiten zu unterzeichnen. Ihr Schaden hätte sich in diesem Fall auf die der Gläubigerbank für den Nachgang zu bezahlende Entschädigung beschränkt. Die Gläubigerin sei dazu indes nicht bereit gewesen und habe es abgelehnt, eine Nachgangserklärung zu unterzeichnen, auch nicht gegen Entschädigung. Damit bestehe aktuell keine Lösungsmöglichkeit des Problems, da die Gläubigerbank zwingend mitwirken müsste. Der Hobbyraum und die Aussenparkplätze seien nun sehr stark entwertet, da sie für den im Rang vorgehenden Kredit des Grundeigentümers hafteten. Besonders gravierend sei die Situation auf Grund des Gesamtpfandrechts. So könnte das Wohnhaus GB [...] Nr. [...] ohne ihre Mitwirkung aus der Pfandhaft entlassen werden, so dass dann das Pfandrecht in der Höhe von CHF 650'000.00 nur noch auf GB [...] Nr. […] lasten würde. Kein vernünftiger Käufer sei bereit, das Risiko des Verlusts der Dienstbarkeiten in der Zwangsverwertung zu tragen, und wenn doch, dann nur zu einem deutlich reduzierten Kaufpreis. Da die Differenz zwischen Marktwert ohne Pfandbelastung und jenem mit Pfandbelastung den Schaden darstelle, habe das Gericht im Bestreitungsfall den Schaden gutachterlich festzustellen.

 

Wenn das Geschäft gemäss ihrem Willen beurkundet und vollzogen worden wäre, so würden die Dienstbarkeiten auf den Grundstücken GB [...] Nr. [...] und Nr. [...] vorgehen und wären nicht an die Grundpfandgläubigerin der Käuferin verpfändet und nicht mit dem geschilderten Risiko eines Verlustes bei Doppelaufruf ausgesetzt. Es sei auch davon auszugehen, dass es im damaligen Zeitpunkt der Käuferin möglich gewesen wäre, eine Finanzierung des Grundstückkaufs zu erzielen, ohne dass dafür die Parkplätze und der Hobbyraum der Klägerin hätten verpfändet werden müssen. Es entspreche dem Standard, dass einer Käuferin einer Liegenschaft ihre Finanzierung gestützt auf ihre eigenen Mittel und das Kaufsobjekt als Pfandobjekt gewährt werde. So liege nichts dafür vor, dass die Bank der damaligen Verkäuferin explizit verlangt hätte, dass sie als zusätzliche Sicherheit die Parkplätze und den Hobbyraum der Klägerin erhalte. Der finanzierenden Bank der Käuferin sei auch klar gewesen, dass die Parkplätze und die Garage nicht mitverkauft würden. Die Frage, ob das Geschäft so hätte beurkundet werden können, dass ihr kein Schaden entstanden wäre, sei indes nicht entscheidend. Hätte die Bank der Käuferin die Verpfändung der Parkplätze und des Hobbyraums verlangt, so wäre der Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen. In diesem Fall hätte sie keinen Schaden erlitten, weil sie Eigentümerin der beiden Grundstücke geblieben wäre. Sie hätte dann die Grundstücke behalten an jemand anderen verkaufen können. Ausgewiesen sei jedoch, dass sie den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie damit ihre Parkplätze und ihren Hobbyraum für den Kredit einer Drittperson verpfände. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie dem Grundbuchamt bei Erteilung der Zustimmung zur Handänderung explizit geschrieben habe, dass ihre Rechte vorrangig sein müssten. Ihr Schaden bestehe wie erwähnt in der Differenz des Wertes, den ihre Rechte ohne Pfandbelastung hätten zum Wert mit der Pfandbelastung. Bei den Dienstbarkeiten handle es sich faktisch um einen non-valeur. Der Schaden gehe in die Nähe des Gesamtwertes der Parkplätze und des Hobbyraums von CHF 130'000.00.

 

Die Amtschreiberei [...] habe sowohl die lnteressenwahrungspflicht als auch die Belehrungspflicht verletzt. Ihr Interesse als Verkäuferin des Grundstücks und Berechtigte der Dienstbarkeiten habe offenkundig darin bestanden, dass sie ihre Rechte, das heisst die Parkplätze und den Hobbyraum unbelastet erhalte und nicht für den Kredit der Käuferin verpfände. Bereits aufgrund der Vorgeschichte des grundbuchlichen Geschäfts habe es der Amtschreiberei bewusst sein müssen, dass sie die drei Aussenparkplätze sowie den Hobbyraum nicht an den Grundpfandgläubiger habe verpfänden wollen. Es sei keinesfalls so, dass sie die korrekte Abwicklung des Geschäfts mit Nachgangserklärung explizit hätte verlangen müssen. Das Amtsnotariat sei gehalten, von sich aus eine sachgerechte Gestaltung des Geschäfts vorzunehmen. Letztendlich sei dies nicht entscheidend, weil sie vor der Grundbuchanmeldung explizit verlangt habe, dass ihre Rechte vorrangig eingetragen werden müssen. Der klare Parteiwille sei der Amtschreiberei deshalb bewusst gewesen. Die Amtschreiberei habe dies explizit zur Kenntnis genommen und ihr bestätigt, dass die Käuferin jedenfalls «nur» die von ihr gekauften Grundstücke mit den entsprechenden Belastungen als Sicherheit erhalten würde. Dies habe von ihr nicht anders verstanden werden können, als dass ihr Hobbyraum und ihre Aussenparkplätze nicht für den Kredit (Schuldbrief) der Käuferin verpfändet würden. Die Eintragung sei indessen nicht in diesem Sinn und damit entgegen ihrem klar geäusserten Willen erfolgt. Der Fehler in der definitiven Vertragsgestaltung bestehe darin, dass von der Käuferbank für den Schuldbrief keine Nachgangserklärung bezüglich der neu begründeten Dienstbarkeiten für den Hobbyraum und die Aussenparkplätze auf GB [...] Nr. [...] eingeholt worden sei. Sie sei indessen davon ausgegangen, dass auch bei der Umstellung des Vertrages beachtet werde, dass das Pfandrecht der Käuferbank nicht auf dem Hobbyraum und den Aussenabstellplätzen laste. Im definitiven Kaufvertrag habe sich – anders als im ersten Entwurf – auch kein Hinweis mehr befunden, dass Grundpfandrechte ihren Rechten vorgehen könnten. Die Amtschreiberei habe damit die lnteressenwahrungspflicht verletzt. Die vorliegende Ausführung des Geschäfts durch die Amtschreiberei widerspreche den objektiven Interessen der Verkäuferin und sei auch nicht durch die Interessen der Käuferin gedeckt und stelle eine absolut unübliche Gestaltung des Geschäfts dar. Dies führe dazu, dass nicht nur die lnteressenwahrungspflicht, sondern auch die Belehrungspflicht der Urkundsperson verletzt worden sei.

 

Die Amtschreiberei [...] habe sie nicht darüber informiert, dass mit der vorzunehmenden Beurkundung die damit eingeräumten Dienstbarkeiten an die Grundpfandgläubigerin der Käuferin verpfändet werde. Die Belehrung über die eingetretene Rechtsfolge wäre besonders wichtig gewesen, weil das Ergebnis besonders unüblich sei und ihr darüber hinaus einen grossen Schaden verursacht habe. Dass die Belehrung über die negative Rechtsfolge die Pflicht der Amtschreiberei gewesen wäre, zeige insbesondere auch der entsprechende Passus im ersten Entwurf. Daraus ergebe sich, dass der Amtschreiberei die Problematik bewusst gewesen sei. Aufgrund dessen und insbesondere der Tatsache, wonach es sich um ein Gesamtpfand von substantieller Höhe, lastend auf zwei Grundstücken, gehandelt habe, wobei das Grundstück mit dem Wohnhaus (GB [...] Nr. [...]) ohne ihre Mitwirkung aus der Pfandhaft des Schuldbriefes entlassen werden könnte, so dass der Registerschuldbrief über CHF 650'000.00 dann nur noch auf GB [...] Nr. [...] lasten würde, welches einen massiv tieferen Wert aufweise, womit es im Falle eines Doppelaufrufs zu einer ersatzlosen Streichung der Dienstbarkeiten kommen würde, hätte eine Belehrung stattfinden müssen. Aus ihrer Sicht bestehe die Pflichtverletzung der Amtschreiberei in erster Linie darin, dass sie das Geschäft in einer Weise abgewickelt habe, wie es den objektiven, ihr bekannten Parteiinteressen sowie der expliziten Anordnung ihres Vertreters zuwiderlaufe. Das Geschäft hätte in der vorliegenden Weise nicht vollzogen werden dürfen, ohne sie vorgängig als Verkäuferin über die negativen und unüblichen Folgen aufzuklären. So liege in jedem Fall auch eine Verletzung der Rechtsbelehrungspflicht vor.

 

Der Beklagte könne sich mit der Behauptung, sie hätte selber eine entsprechende Vertragsbestimmung verlangen müssen, nicht entlasten. Sie habe in ihrer Zustimmungserklärung zur Grundbuchanmeldung selber explizit verlangt, dass ihre Rechte vorrangig sein müssten. Erforderlich sei das Einholen einer Nachgangserklärung gewesen. Die Nachgangserklärung habe nicht zwingend im Kaufvertrag aufgeführt gewesen sein müssen. Sie hätte einfach eingeholt werden müssen. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die Amtschreiberei eine solche Nachgangserklärung einhole. Schliesslich sei es auch unzulässig, die Verantwortung auf die Parteien abzuschieben. Die Pflicht, das Geschäft sachgerecht abzuwickeln und die Parteien zu belehren, sei eine zwingende Pflicht der Urkundsperson. Die Urkundsperson könne sich nicht der Verantwortung entziehen mit der Argumentation, dass die geschädigte Partei selber dafür hätte besorgt sein müssen, keinen Schaden zu erleiden. Die Verantwortung für eine korrekte Vertragsgestaltung liege der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zufolge stets bei der Urkundsperson und könne nicht auf die Parteien abgeschoben werden. Die jetzige grundbuchliche Situation, und die Auswirkungen davon auf die als Dienstbarkeiten ausgestalteten drei Parkplätze und den Hobbyraum sei das direkte Resultat der Tätigkeit der Amtschreiberei [...] beziehungsweise deren Angestellten. Wäre die Amtschreiberei ihren Amtspflichten nachgekommen und hätte eine Nachgangserklärung eingeholt, wäre der Schaden nicht eingetreten. Indem die Amtschreiberei trotz klarer Anweisung und entgegen dem objektiven Verständnis in guten Treuen der E-Mail-Nachricht vom 2. Juli 2021, wonach die Gläubigerbank auf jeden Fall «nur» die von der Gläubigerin gekauften Grundstücke mit den entsprechenden Belastungen als Sicherheit erhalten werde, es unterlassen habe, eine Nachgangserklärung der Käuferbank einzuholen und die Handänderung ohne weiteres im Grundbuch eingetragen habe, müsse sowohl ein natürlicher als auch ein adäquater Kausalzusammenhang zweifelsohne bejaht werden. Es liege nichts dafür vor, dass es nicht möglich gewesen wäre, eine Nachgangserklärung erhältlich zu machen. Selbst wenn das Geschäft nicht zustande gekommen wäre, wenn die Amtschreiberei eine Nachgangserklärung verlangt hätte, so wäre in diesem Fall der Schaden nicht eingetreten, weil sie ihre Grundstücke behalten hätte. Ihr Schaden sei ausschliesslich deshalb eingetreten, weil keine Nachgangserklärung eingeholt worden sei. Der Kausalzusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Eintritt des Schadens sei damit gegeben. Es liege auch kein Mitverschulden ihrerseits vor. Das Verschulden liege ausschliesslich bei der Amtschreiberei.

 

Die Haftungsvoraussetzungen seien aus diesen Gründen alle erfüllt. Einzig die definitive Höhe des Schadens stehe noch nicht fest. Sie habe sich dazu entschieden, vorliegend lediglich eine Teilklage zu erheben. Der Schaden liege nahe an einem Totalschaden entsprechend dem Wert der Parkplätze und des Hobbyraumes, so dass die Klageforderung den eingeklagten Betrag übersteige. Die Klageforderung sei damit im Umfang der erhobenen Teilklage in jedem Fall berechtigt. Der genaue Schaden werde vom einzuholenden Gutachten abhängen.

 

4. Der Beklagte verweist in seiner Klageantwort zunächst auf den von der Klägerin mit E-Mail vom 10. Januar 2021 der Amtschreiberei erteilten Auftrag, einen Vertragsentwurf für den Verkauf der Grundstücke GB [...] Nr. [...] und Nr. [...] zu erstellen. Daraufhin sei ein Entwurf erstellt worden. Am 7. Februar 2021 habe die Klägerin per E-Mail mitgeteilt, dass der Vertragsentwurf abgeändert werden sollte. Die Kaufpartei sei neu C.___ und es werde nur das Grundstück GB [...] Nr. [...] verkauft, das Grundstück GB [...] Nr. [...] solle bei der Verkäuferin verbleiben und mit einer Dienstbarkeit belastet werden. Im neuen Entwurf sei dies umgesetzt und vorgesehen worden, dass das Grundstück Nr. [...] bei der Verkäuferin verbleibe und aus der Pfandhaft des Schuldbriefes entlassen werde. Irrtümlicherweise habe der Entwurf noch einen Hinweis auf Art. 812 Abs. 2 und 3 ZGB enthalten, welcher auf Rückmeldung der Klägerin gestrichen worden sei. Am 15. Februar 2021 habe die Klägerin gemeldet, dass die Kaufpartei auch noch das Grundstück GB [...] Nr. [...] kaufen wolle und gleichzeitig zugunsten der Verkaufpartei vier Benutzungsrechte begründet werden sollten. Diese Anpassungen seien vorgenommen worden, der neue Entwurf der Klägerin zugeschickt und der Vertrag sei am 17. Februar 2021 beurkundet worden. Am 2. Juli 2021 habe die Amtschreiberei die Zustimmung der Klägerin zur Eigentumsübertragung erhalten und der Vertrag sei im Grundbuch eingetragen worden. Da die Dienstbarkeiten neu begründet worden seien, gingen sie dem Grundpfandrecht im Rang nach. Der Kaufvertrag sehe keinen Rangrücktritt vor, wonach das Grundpfandrecht im Nachgang zu den zu begründenden Benutzungsrechten stehen soll. In der ganzen Korrespondenz wie auch in den Telefongesprächen mit der Amtschreiberei sei dies von den Parteien nie gewünscht worden. Eine solche Rangregelung werde von Seiten der Amtschreibereien nicht von Amtes wegen gemacht. Eine neue Rangregelung, ein Rangrücktritt, müsse von den Parteien ausdrücklich verlangt werden, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Bei der Vertragsgestaltung sei kein Fehler gemacht worden. Der von der Klägerin geäusserte Vertragswille sei korrekt umgesetzt worden.

 

Dass es zu einer Zwangsverwertung und einem Doppelaufruf kommen werde, sei äusserst unwahrscheinlich. Im Jahr 2021 sei für die beiden Grundstücke ein Kaufpreis von CHF 710'000 bezahlt worden, was weit über der Summe des Gesamtpfandes von CHF 650'000 liege und wohl auch bei einer Steigerung erzielt werden könnte. Die Klägerin behaupte, dass GB [...] Nr. [...] aus der Pfandhaft entlassen werden könnte und der Schuldbrief in der Höhe von CHF 650'000.00 dann nur noch auf der Parzelle GB [...] Nr. [...] lasten würde. Das Grundstück GB [...] Nr. [...] weise einen erheblich tieferen Wert auf (Kaufpreis CHF 15'000.00) als das Grundstück GB Nr. [...] (Kaufpreis 695'000.00). Eine Pfandentlassung wäre nur unter Mitwirkung der Gläubigerin des Schuldbriefes möglich. Es sei völlig ausgeschlossen, dass eine Gläubigerin als Haftung für einen Schuldbrief von CHF 650'000.00 nur eine Parzelle im Wert von CHF 15'000.00 akzeptiere. Es würde sich klar um eine Überbelastung handeln, was nie im Interesse einer Grundpfandgläubigerin sei.

 

Es sei der Sachverhalt zwischen dem ersten Entwurf mit C.___ als Kaufpartei und dem später beurkundeten Vertrag zu unterscheiden. Im ersten Entwurf sei der Inhalt des Vertrags grundlegend anders. Richtigerweise sei im ersten Entwurf eine Pfandentlassung vorgesehen worden, da auch nur ein Grundstück verkauft worden und somit die Eigentümer der Grundstücke GB [...] Nrn. [...] und [...] nicht identisch gewesen wären. In dieser Konstellation sei eine Pfandentlassung einer Parzelle notwendig. Irrtümlicherweise habe der Entwurf noch einen Hinweis auf Art. 812 Abs. 2 und 3 ZGB enthalten, welcher auf Rückmeldung der Klägerin aber gestrichen worden sei. Später hätten die Parteien eine Änderung des Entwurfs gewünscht. Die Kaufpartei habe nun beide Parzellen kaufen wollen. Somit sei die Pfandentlassung entfallen. Die Amtschreiberei habe nicht wissen können, dass bei einem Verkauf beider Grundstücke ein Rangrücktritt gewünscht gewesen wäre. Die Klägerin habe weder vor noch während der Beurkundung einen solchen Wunsch geäussert. In den Akten seien keine entsprechenden Belege zu finden und ein solcher Wille sei auch nicht mündlich geäussert worden. Den Parteien werde der Entwurf immer vor der Beurkundung zugestellt, was auch hier erfolgt sei. Es sei Sache der Parteien, den Entwurf durchzusehen und der Amtschreiberei allfällige Änderungswünsche mitzuteilen. Der Amtschreiberei sei nie mitgeteilt worden, dass ein Rangrücktritt im Vertrag aufgenommen werden sollte. Der Amtschreiberei seien nur Änderungswünsche betreffend eine Garantie für die Gebäudetechnik mitgeteilt worden. Eine neue Rangregelung müsse immer im Vertrag festgehalten werden und bedürfe der schriftlichen Zustimmung der Grundpfandgläubigerin. Die Klägerin könne nicht davon ausgehen, dass die Amtschreiberei ohne Zustimmung der betroffenen Parteien und ohne dies im Vertrag festzuhalten, Änderungen im Grundbuch vornehme. Es sei zudem sehr unwahrscheinlich, dass die Grundpfandgläubigerin einem solchen Rangrücktritt zugestimmt hätte. Eine Verletzung der Belehrungspflicht sei nicht nachgewiesen. Zudem sei der Klägerin bereits bekannt gewesen, dass bei der Neubegründung von Dienstbarkeiten diese im Nachgang zu den bestehenden Grundpfandrechten zu stehen kommen. Die erwähnte E-Mail vom 2. Juli 2021 der Amtschreiberei beziehe sich auf ein mit E.___ geführtes, vorangegangenes Telefongespräch. E.___ habe befürchtet, dass die Dienstbarkeiten bei einem allfälligen Gläubigerwechsel (Wechsel von G.___ auf H.___) von der neuen Gläubigerin gelöscht werden könnten. In diesem Zusammenhang sei ihm bestätigt worden, dass die Grundpfandgläubigerin die Dienstbarkeiten dulden müsse. In diesem Telefongespräch und der E-Mail sei es nicht um eine allfällige neue Rangregelung gegangen. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 1. Juli 2021 die Zustimmung zur Eigentumsübertragung gegeben. Eine handschriftliche Notiz auf einer Zustimmungserklärung führe nicht zu einer Abänderung des Vertrags. Eine solche könne einseitig auch nicht mehr erfolgen, da das Verpflichtungsgeschäft bereits rechtsgültig abgeschlossen worden sei. Die Eintragung im Grundbuch sei somit rechtmässig erfolgt.

 

Es sei nicht belegt, dass die Dienstbarkeiten nicht verkauft werden könnten. Zudem sei der Wert der Dienstbarkeiten (Hobbyraum und drei Aussenparkplätze) erheblich tiefer als von der Klägerin geltend gemacht. Im Jahr 2016 habe die Klägerin das Grundstück für lediglich CHF 30'000.00 gekauft und im Jahr 2021 mit den Dienstbarkeiten für CHF 15'000.00 verkauft. Der Wert der Dienstbarkeiten liege somit nicht über CHF 15'000.00. Es werde insbesondere bestritten, dass die Dienstbarkeiten entwertet seien. Einer Entlassung des Grundstücks GB [...] Nr. [...] aus der Pfandhaft würde die Gläubigerbank nie zustimmen.

 

Es liege keine Amtspflichtverletzung vor. Zudem sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Grundpfandgläubigerin einem solchen Rangrücktritt zugestimmt hätte. Der Klägerin zufolge habe die Gläubigerbank es am 18. August 2022 abgelehnt, eine Nachgangserklärung zu unterzeichnen. Dass die Klägerin auf den Verkauf an C.___ verzichtet hätte, werde bestritten. Schliesslich habe die Klägerin mit dem Verkauf über CHF 300'000.00 Gewinn erzielt. Nebst der fehlenden Amtspflichtverletzung sei es auch äusserst unwahrscheinlich, dass es zu einer Zwangsverwertung und einem Doppelaufruf kommen könnte. Solange dies nicht eintrete, liege kein Schaden vor. Auch die Höhe des angeblichen Schadens könne die Klägerin nicht belegen. Sie behaupte, dass die Benutzungsrechte einen Wert von total CHF 130'000.00 aufwiesen und somit auch ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei. In der Klage sei die Rede von Kaufinteressenten, die abgesprungen seien. Belege zu dieser Aussage lägen der Klage aber nicht bei. Es sei durchaus möglich, dass Parkplätze am Rand der Stadt [...] nicht gross nachgefragt würden. Ein Schaden sei bis heute nicht eingetreten. Erst recht nicht vor dem angeblich gescheiterten Verkauf der Dienstbarkeiten.

 

Das Amtsnotariat habe die Interessen beider Parteien, und nicht nur einer Partei, zu wahren. Es sei richtig, dass die Urkundsperson die Interessen der Parteien nach bestem Wissen und Gewissen zu wahren habe. Das Interesse der Parteien, dass die Dienstbarkeiten im Vorgang zum Grundpfand bestehen sollen, sei der Amtschreiberei [...] nie mitgeteilt worden. E.___ habe weder schriftlich noch mündlich diesen Willen gegenüber der Amtschreiberei geäussert. In den Akten seien keine entsprechenden Belege zu finden. Es handle sich auf keinen Fall um ein offenkundiges Interesse der Parteien. Da die Amtschreibereien nicht automatisch bei jeder Dienstbarkeitsbe­gründung einen entsprechenden Rangrücktritt vorsehen und bei der Grundpfandgläu­bigerin eine Nachgangserklärung einholen würden, stimme die Aussage nicht, dass die Amtschreiberei [...] aufgrund der Sachlage gehalten gewesen wäre, eine Nachgangs­erklärung einzuholen. Es liege eine korrekte und übliche Vertragsgestaltung vor. Die E-Mail vom 2. Juli 2021 beziehe sich nicht auf einen allfälligen Rangrücktritt, sondern auf ein mit E.___ geführtes, vorangegangenes, Telefongespräch. Zu diesem Zeitpunkt sei zudem der Vertrag bereits rechtsgültig unterzeichnet gewesen. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 1. Juli 2021 die Zustimmung zur Eigentumsübertragung gegeben. Hätte sie die Eintragung nicht gewollt, so hätte sie diese Zustimmung nicht unterzeichnen dürfen. Eine handschriftliche Notiz auf einer Zustimmungserklärung führe nicht zu einer Abänderung des Vertrages. Eine solche könne einseitig auch nicht mehr erfolgen, da das Verpflichtungsgeschäft bereits rechtsgültig abgeschlossen worden sei. Ein rechtswidriges Verhalten der Amtschreiberei eine Amtspflichtverletzung könne nicht erkannt werden. Eine Nachgangserklärung werde von der Amtschreiberei nur eingeholt, wenn die Parteien dies explizit verlangten. Von Amtes wegen werde dieses Verfahren nicht angewendet. Im gesamten Kaufvertrag sei kein Rangrückritt erwähnt. Unter diesen Umständen hätte ein Rangrücktritt gar nicht umgesetzt werden können. Ein Rangrücktritt könne nur mit Zustimmung der Parteien erfolgen und ein solcher Passus müsse im Vertrag aufgenommen werden. Die Amtschreiberei nehme niemals ohne Mitwirkung der betroffenen Parteien und ohne entsprechende Grundbuchanmeldung eine Änderung im Grundbuch vor. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei es keineswegs unüblich, keinen Rangrücktritt zu wünschen. Bei Begründung von Dienstbarkeiten werde sehr selten ein solcher Rangrücktritt gewünscht. In 15 Jahren komme dies höchstens zwei bis drei Mal vor. Es liege eine korrekte und übliche Vertragsgestaltung vor.

 

Die Klägerin sei bei der Beurkundung über das bestehende Grundpfandrecht im ersten Rang belehrt worden, was sich aus der Grundstückbeschreibung im Kaufvertrag ergebe. Eine Verletzung der Belehrungspflicht sei nicht nachgewiesen. Zudem sei der Klägerin bereits bekannt gewesen, dass bei der Neubegründung von Dienstbarkeiten diese im Nachgang zu den bestehenden Grundpfandrechten zu stehen kämen. Im ersten Entwurf sei der Hinweis auf Art. 812 Abs. 2 und 3 ZGB aufgeführt gewesen. Dieser sei in Bezug auf den ursprünglichen Sachverhalt (Pfandentlassung von GB [...] Nr. [...]) nicht relevant gewesen, weshalb er aufgrund eines Hinweises der Klägerin gestrichen worden sei. Die Klägerin habe Kenntnis von dieser Bestimmung gehabt, denn sie sei erst nach deren Rückmeldung aus dem früheren Entwurf gestrichen worden. Im Weiteren werde darauf hinzuweisen, dass die Klägerin gemäss Handelsregisterauszug im Bereich Immobilen und Immobilienhandel spezialisiert sei. Die Abläufe einer Vertragserrichtung sowie Rangregelungen bei Dienstbarkeiten und Grundpfandrechten und deren gesetzliche Grundlagen hätten ihr folglich bekannt sein müssen.

 

Der Klägerin sei der Vertragsentwurf ohne neue Rangregelung bekannt gewesen und dieser sei auch so beurkundet worden. Zu keiner Zeit habe sie einen Änderungswunsch angebracht, nicht einmal anlässlich der Beurkundung. Die Parteien hätten mit ihrer Unterschrift dem Vertragsinhalt ausdrücklich zugestimmt. Es wäre in der Verantwortung der Klägerin gelegen, den Entwurf zu prüfen, Erwartungen zu thematisieren und Änderungswünsche mitzuteilen. Indem sie das unterlassen habe, sei ihre Nachlässigkeit ursächlich für den von ihr behaupteten Schaden. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Grundpfandgläubigerin einem Rangrücktritt zugestimmt hätte. Gemäss Klägerin habe es die Gläubigerbank am 18. August 2022 abgelehnt, eine Nachgangserklärung zu unterzeichnen. Es werde bestritten, dass die Klägerin auf den Verkauf verzichtet hätte. Schliesslich habe sie mit dem Verkauf über CHF 300'000.00 Gewinn erzielt.

 

Es liege weder ein widerrechtliches Verhalten in der Vertragsgestaltung noch eine Amtspflichtverletzung vor. Auch sei kein Schaden belegt, noch wäre dieser adäquat kausal durch die Amtschreiberei verursacht worden. Der Vertrag sei inhaltlich korrekt gewesen. Den Parteien werde immer ein Entwurf vor der Beurkundung zugestellt. So könne der Inhalt des Vertrages geprüft und allfällige Änderungen und/oder Ergänzungen könnten gemeldet werden. Dass noch ein Rangrücktritt im Vertrag aufgenommen werden solle, sei der Amtschreiberei [...] nie mitgeteilt worden. Bei Begründung von Dienstbarkeiten werde sehr selten ein solcher Rangrücktritt erklärt. Es liege eine korrekte und übliche Vertragsgestaltung vor. Die Vorbringen der Klägerin seien nicht belegt und sämtliche Voraussetzungen für eine Staatshaftung seien nicht erfüllt.

 

5.1 Das Erfordernis der Widerrechtlichkeit ist eine zentrale Voraussetzung der Staatshaftung. Eine Vermögensschädigung, wie sie vorliegend geltend gemacht wird, ist dann widerrechtlich, wenn sie sich aus der Verletzung einer Norm der Rechtsordnung ergibt, welche dem Schutz des Vermögens der betroffenen Person dient (Felix Uhlmann, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, 2017, S. 66 Rz. 117 f.). Die Klägerin behauptet, die Amtschreiberei habe die der Urkundsperson obliegende Interessenwahrungspflicht und die Belehrungspflicht verletzt. Die Amtschreiberei hätte sie darüber informieren müssen, dass mit der vorzunehmenden Beurkundung die damit eingeräumten Dienstbarkeiten an die Grundpfandgläubigerin der Käuferin verpfändet würden.

 

5.2 Als Notar ist zu verstehen, wer als Notar patentiert und vom Regierungsrat zur Ausübung des Notariats ermächtigt ist (§ 4 Abs. 2 und 2bis Gesetz über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, EGZGB, BGS 211.1). Die Berufspflichten des Notars sind in der Notariatsverordnung (NotV, BGS 129.11) geregelt. Gemäss § 15 NotV («Rechtsbelehrung») soll der Notar diejenigen, die seine Dienste beanspruchen, unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen beraten. Er achtet besonders darauf, dass Geschäfts- und Rechtsunkundige, die vor ihm rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, die nötigen Aufschlüsse erhalten und nicht in Unkenntnis der Sachlage zu ihrem Nachteil handeln.

 

Zuständig für die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften über Grundstücke ist im Kanton Solothurn nicht der Notar gemäss Notariatsverordnung, sondern der Amt­schreiber. Die Rechtsbelehrungspflicht stellt indessen eine bundesrechtliche Minimal­vorschrift dar, die als solche durch das kantonale Recht erweitert, aber nicht eingeschränkt werden darf. Die Rechtsbelehrungspflicht gilt daher uneineingeschränkt auch für den Amtschreiber. Im Zusammenhang mit Eigentumsübertragungsgeschäften kommt ihr zentrale Bedeutung zu. Dass und worüber durch den Notar orientiert worden ist, ist vorzugsweise in die öffentliche Urkunde aufzunehmen, damit der Beweis der erfolgten Rechtsbelehrung auch gesichert ist (vgl. dazu Stephan Wolf, Notarielle Berufspflichten, insbesondere Rechtsbelehrung, im Zusammenhang mit der Eigentums­übertragung an Grundstücken – mit Blick namentlich auf sich aus öffentlichem Recht ergebende Aspekte, Der Bernische Notar, BN 2021 S. 207 ff.).

 

5.3.1 Gemäss einem ersten Kaufvertragsentwurf sollte nur die Liegenschaft GB [...] Nr. [...] (Wohnhaus) verkauft werden und das Eigentum an GB [...] Nr. [...] bei der Klägerin verbleiben. Demgegenüber wäre zu Gunsten der Verkäuferin und zu Lasten von GB [...] Nr. [...] als Dienstbarkeit ein Benützungsrecht an der Garage sowie am Garagevorplatz begründet worden. Dieser Kaufvertragsentwurf beinhaltete in Ziffer 4, letzter Absatz, folgende Klausel: «Falls auf dem belasteten Grundstück vorgehende Grundpfandrechte eingetragen sind, kann die neu begründete Dienstbarkeit in einem Zwangsverwertungsverfahren untergehen (Art. 812 Abs. 2 und 3 ZGB)». Mit E-Mail vom 9. Februar 2021 an die Amtschreiberei nahm E.___, Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, unter anderem Bezug auf diese Klausel und wies darauf hin, dass die Käuferin zu 100 % sicher sein müsse, dass ihr auf ewig diese Dienstbarkeit zustehe und nicht untergehen könne. F.___, Sachbearbeiter der Amtschreiberei, antwortete am 10. Februar 2021, da eine Pfandentlassung erfolge, bestehe auf dem Grundstück GB [...] Nr. [...] dann gar kein Pfand mehr, weshalb die Dienstbarkeit auch nicht in einem Zwangsverwertungsverfahren untergehen könne. Mit dem schlussendlich beurkundeten Kaufvertrag vom 17. Februar 2021 wurde GB [...] Nr. [...] ebenfalls verkauft, der Klägerin anderseits zu Lasten dieses Grundstücks als Dienstbarkeit ein Benützungsrecht am Hobbyraum und drei Aussenparkplätzen eingeräumt. Das Gesamtpfandrecht blieb auf beiden Grundstücken bestehen. Eine Nachgangserklärung bezüglich der Dienstbarkeiten vereinbarten die Parteien nicht. Im Gegensatz zum ersten Kaufvertragsentwurf enthält der beurkundete Kaufvertrag keinen Hinweis auf einen möglichen Untergang der Dienstbarkeiten in einem Zwangsverwertungsverfahren.

 

5.3.2 Die im Kaufvertragsentwurf erwähnte Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB besagt, dass dann, wenn nach der Errichtung eines Grundpfandrechtes eine Dienstbarkeit auf das Grundstück gelegt wird, ohne dass der Pfandgläubiger zugestimmt hat, das Grundpfandrecht der späteren Belastung vorgeht, und diese gelöscht wird, sobald bei der Pfandverwertung ihr Bestand den vorgehenden Pfandgläubiger schädigt. Die dadurch entstehende Kollision wird dahingehend gelöst, dass der Grundpfandgläubiger mit Hilfe des Doppelaufrufverfahrens erreichen kann, dass eine Dienstbarkeit mit schlechterem Rang gelöscht wird (Art. 142 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG, SR 281.1). Reicht beim ersten Aufruf das Angebot zur Befriedigung des Gläubigers aus (oder allenfalls durch sofortige Barzahlung des Fehlbetrages durch den Dienstbarkeitsberechtigten), so wird die Last dem Ersteigerer überbunden und ein zweiter Aufruf findet nicht statt. Unter solchen Umständen wirkt sich die Last nicht zum Nachteil der vorgehenden Grundpfandgläubiger aus. Wird der Gläubiger nicht voll gedeckt, erfolgt ein zweiter Aufruf ohne die Last. Ergibt dieser ein höheres Angebot, so wird das Grundstück ohne die Last zugeschlagen und diese muss im Grundbuch gelöscht werden, selbst wenn der Gläubiger voll gedeckt wird (vgl. Christina Schmid-Tschirren, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 7. Aufl. 2023, N. 21 zu Art. 812 ZGB, mit weiteren Hinweisen). Gemäss Art. 812 Abs. 3 ZGB hat der aus der Dienstbarkeit Berechtigte jedoch gegenüber nachfolgenden Eintragungen für den Wert der Belastung Anspruch auf vorgängige Befriedigung aus dem Erlös.

 

5.4 Der vom Instruktionsrichter als Auskunftsperson befragte Sachbearbeiter der Amtschreiberei, F.___, bezeichnete es als Fehler, dass der beurkundete Vertrag die erwähnte Klausel nicht enthält. Die entsprechende Klausel werde eigentlich standardmässig in den Vertrag aufgenommen. Man mache die Parteien bei einer Neubegründung von Dienstbarkeiten darauf aufmerksam, dass es vorgehende Schuldbriefe habe. Der Entwurf für den beurkundeten Kaufvertrag sei der Klägerin vorgängig zugestellt worden. Diese habe sich indessen nicht gemeldet. Auf die Frage, ob man nicht habe davon ausgehen müssen, dass der Klägerin dies wichtig sei, meinte der Sachbearbeiter F.___, «jein». Die Konstellation gegenüber dem ersten Kaufvertragsentwurf sei eine andere gewesen. Im Nachhinein sei man immer schlauer. Er hätte vielleicht nachfragen können. Das habe man in diesem Fall nicht gemacht. Im Gegensatz zur fraglichen Klausel, die standardmässig aufgenommen werde, sei dies bei Nachgangserklärungen definitiv nicht so. Die werde im ganzen Kanton Solothurn nicht gemacht. Wenn eine Dienstbarkeit angemeldet werde, sei es in einem Kauf nicht, werde nur auf Antrag einer Partei eine Nachgangserklärung eingeholt.

 

Auch die B.___, die den Kaufvertrag beurkundet hatte, führte als Auskunftsperson aus, die Klausel mit dem Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung sollte bei der Begründung von Dienstbarkeiten eigentlich immer aufgenommen werden. Dass man eine spezielle Rangrücktrittsregelung hätte machen müssen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Das sei ihnen nie mitgeteilt worden und von Amtes wegen würden sie eine solche Regelung nicht vornehmen. Das werde nur auf Verlangen der Parteien gemacht. Wenn ein Grundstück verkauft und eine Dienstbarkeit eingeräumt nur eine Dienstbarkeit eingeräumt werde in einem reinen Dienstbarkeitsvertrag, werde nie ein Rangrücktritt eingeholt, wenn es nicht explizit verlangt werde. Und das sei sehr, sehr selten der Fall. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, wenn man es reingeschrieben hätte. Weil dann wäre der Vertrag komplett gewesen mit allen Hinweisen auf alle geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

 

5.5 Die Tatsache, dass im beurkundeten Vertrag der ansonsten standardmässig angebrachte Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen zu einem möglichen Untergang der Dienstbarkeiten in einem Zwangsverwertungsverfahren unterblieb, begründet für sich allein noch keine Verletzung der Rechtsbelehrungspflicht. Die Entstehungsgeschichte des Kaufvertrags zeigt aber (vgl. Email-Korrespondenz vom 9. und 10. Februar 2021), dass die Klägerin diesem Punkt durchaus eine gewisse Bedeutung zumass. In die gleiche Richtung weist auch der handschriftliche Hinweis der Klägerin in der nach Erhalt des Kaufpreises erteilten Zustimmungserklärung vom 1. Juli 2021 zur Eigentumsübertragung. Die Klägerin hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die Benützungsrechte bei der Parzelle [...] vorrangig zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragen werden müssten. Auch wenn dieser Hinweis mangels Vereinbarung eines Rangrücktritts im Kaufvertrag wirkungslos bleiben musste, zeigt der Hinweis doch, dass der Klägerin diese Frage wichtig war. Die Parteien des Kaufvertrags hätten deshalb nicht nur standardmässig, sondern auch aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Rechtsbelehrungspflicht (Wolf, a.a.O., S. 213) auf die gesetzliche Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB hingewiesen werden müssen. Die Klägerin rügt deshalb zu Recht eine Verletzung der Belehrungspflicht. Die für eine Staatshaftung geforderte Widerrechtlichkeit staatlichen Verhaltens ist deshalb erfüllt. Ob auch der Interessenwahrungspflicht nicht ausreichend nachgekommen wurde, kann bei diesem Ergebnis offen bleiben.

 

6.1 Schaden ist – nach der im Staatshaftungsrecht analog anwendbaren privatrechtlichen Praxis (Uhlmann, a.a.O., S. 46 Rz. 82) – eine ungewollte Vermögensverminderung, das heisst eine Differenz zwischen dem aktuellen Vermögensstand des Geschädigten infolge des schädigenden Ereignisses und dem hypothetischen (gleichzeitigen) Vermögensstand bei Ausbleiben des Ereignisses (Martin A. Kessler, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, N. 3 zu Art. 41 OR).

 

6.2 Die Klägerin macht geltend, der Schaden bestehe in der Differenz des Verkehrswertes, den die drei Parkplätze und der Hobbyraum der Klägerin ohne Pfandbelastung im Vergleich zu der bestehenden Pfandbelastung mit dem Schuldbrief über CHF 650'000.00 aufweise. D.___ erstattete zu dieser Frage ein Gutachten. Der Auftrag bestand darin, die auf dem Markt erzielbaren Preise der Nutzungsrechte (Dienstbarkeiten) an den drei Parkplätzen und dem Hobbyraum mit und ohne Pfandbelastung zu ermitteln (Verfügung vom 7. Juli 2023). Den entsprechenden Verkehrswertschätzungen vom 30. August 2023 zufolge beträgt der Marktwert mit Pfandbelastung CHF 110'000.00 und der Marktwert ohne Pfandbelastung CHF 120'000.00. Am 11. Oktober 2023 beantwortete der Sachverständige Ergänzungsfragen der Klägerin.

 

6.3 Die Klägerin verweist in ihrer Stellungnahme dazu vom 9. November 2023 zunächst darauf, dass sie verlangt habe, einen ausserkantonalen Gutachter zu bestimmen. Entgegen diesem Antrag habe das Gericht ohne Begründung einen Gutachter aus dem Kanton Solothurn (Olten) bestimmt. Ein Gutachter müsse unabhängig sein. Ein Gutachter mit Sitz und Haupttätigkeitsgebiet im Kanton Solothurn erfülle diese Anforderung nicht. Er stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zum eingeklagten Kanton Solothurn. Es bestehe zumindest der Verdacht, dass er sich bei der Regierung/Verwaltung des Kantons Solothurn unbeliebt machen könnte, wenn er zu Lasten des Kantons einen hohen Schaden bestimme. Anlässlich der Beweisaufnahme vor Ort habe der Gutachter dem anwesenden E.___ von der Klägerin erklärt, dass er regelmässig Aufträge vom Gericht erhalte. Unter diesen Umständen sei es durchaus denkbar, dass sich der Gutachter nicht bei dem ihn alimentierenden Kanton durch ein unerwünschtes Resultat des Gutachtens unbeliebt machen möchte. Zumindest könne dieser Anschein erweckt werden. Es sei deshalb üblich, dass ein Kanton in einem ihn betreffenden Fall einen ausserkantonalen Gutachter und nicht einen eigenen Gutachter einsetze. Dass diese Befürchtungen berechtigt seien, werde durch das Ergebnis bestätigt. Eine Verletzung der Unabhängigkeit sei bereits dann gegeben, wenn der blosse Anschein entstehe, dass der Gutachter nicht unabhängig sei. Dies sei vorliegend gegeben, wenn der Kanton Solothurn einen eigenen Gutachter einsetze.

 

Der Gutachter habe einen Wert der drei Parkplätze und des Hobbyraumes ohne Drittpfandbelastung von CHF 120'000.00 ermittelt. Dieser Betrag liege im Rahmen des Vertretbaren, obwohl sie von einem höheren Wert ausgegangen sei. Zur Begründung des von ihm auf CHF 10'000.00 bezifferten Minderwerts infolge der Pfandbelastung führe er indessen zwei sachfremde Gründe an. Die Begründung, das Risiko einer Zwangsverwertung des Grundstücks, welches ohne die eingeräumten Dienstbarkeiten im Wesentlichen noch aus einer Garage und einem Abstellplatz bestehe, sei sehr gering, da der Eigentümer dies, nicht zulassen würde, sei untauglich. Dieses Argument berücksichtige nicht, dass der Dienstbarkeitsberechtigte vollständig vom Nachbarn abhängig sei, ohne einen Einfluss darauf zu haben. Der Nachbar könne mit einfachen, legalen Mitteln auf Grund der bestehenden Gesamtpfandrechtssituation die Dienstbarkeitsrechte der Klägerin einfach löschen lassen. Besonders heikel sei, dass die Drittpfandbelastung von CHF 650'000.00 ein Mehrfaches über dem Wert des belasteten Restgrundstücks GB [...] Nr. [...] liege. Das aktuell noch mitverpfändete Grundstück GB [...] Nr. [...] könnte ohne Mitwirkung der Klägerin aus der Pfandhaft entlassen werden, so dass es keine reale Sicherheit darstelle. Auch der vom Gutachter angegebene zweite Grund, dass sie als berechtigte Person der Dienstbarkeiten bei einer Zwangsverwertung das Grundstück ersteigern und so eine Verwertung im Rahmen des Doppelaufrufs verhindern könne, belege dessen sachfremde, an der Realität vorbeigehende Argumentation. Das Gutachten sei untauglich. Dass mit Verfügung vom 29. September 2023 die meisten ihrer Zusatzfragen nicht zugelassen worden seien, verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und den Beweisführungsanspruch. Der Gutachter verfüge über keine Kenntnisse des Grundpfandverwertungsverfahrens und habe keine Erfahrung über die Veräusserung von Grundstücken und mit einem Drittpfand belasteten Dienstbarkeitsrechten. Auf das vom Gericht eingeholte Gutachten könne deshalb nicht abgestellt werden.

 

Das Ergebnis des Gutachters gehe offensichtlich an der Realität vorbei. Eine Drittpfandbelastung über CHF 650'000.00 zuzüglich Zinsen auf drei Abstellplätzen und einem Hobbyraum solle gemäss Gutachten lediglich zu einer Wertreduktion von CHF 10'000.00, das heisst 8,33 % des Wertes ohne Pfandbelastung, führen. Die bestehende Gesamtpfandsituation würde es möglich machen, dass ohne ihre Mitwirkung der Schuldbrief über CHF 650'000.00 nur noch auf dem Grundstück GB [...] Nr. [...] laste, wenn das Wohnhaus GB [...] Nr. [...] bei einer Neufinanzierung aus der Pfandhaft entlassen werde. Der Wert des Restgrundstücks betrage nur einen kleinen Bruchteil der Pfandbelastung und biete keine Sicherheit für eine Forderung von CHF 650'000.00, zuzüglich Zinsen. Auf Grund dieser Situation wäre es sehr einfach, das Restgrundstück GB [...] Nr. [...] zur Zwangsverwertung zu bringen und dabei im Rahmen des Doppelaufrufs die Rechte der Klägerin löschen zu lassen. Es sei nicht entscheidend, wie oft statistisch gesehen Parkplätze und Hobbyräume zwangsverwertet würden. Entscheidend sei vielmehr, welchen Minderwert auf dem Markt die Pfandbelastung verursache. Tatsache sei, dass niemand drei Parkplätze und einen Hobbyraum erwerbe, wenn diese mit einem Drittpfand von CHF 650'000.00 belastet seien. Für einen Betrag von lediglich CHF 10'000.00 (im Verhältnis zu einem Wert von CHF 120'000.00) werde niemand bereit sein, die Parkplätze und den Hobbyraum zu erwerben. Als sie die Parkplätze und den Hobbyraum habe verkaufen wollen, seien dementsprechend wenig überraschend alle Kaufinteressenten abgesprungen, als ihnen die Pfandrechtsproblematik mitgeteilt worden sei. Eine Preisdifferenz von lediglich 8,33 % stelle die Spanne von normalen Verkaufsverhandlungen dar. Im Ergebnis besage der Gutachter, dass eine Drittpfandbelastung von CHF 650'000.00 zuzüglich Zins für den Wert von drei Parkplätzen und einem Hobbyraum unerheblich sei.

 

Zur Höhe des Schadens bemerkt die Klägerin, sie habe lediglich eine Teilklage über CHF 30'001.00 erhoben. Bei einem Wert der drei Parkplätze und des Hobbyraumes gemäss Gutachten von CHF 120'000.00 ohne Pfandbelastung würde dies einem Minderwert von 25 % entsprechen. Nach ihrer Auffassung sei der tatsächliche Minderwert wesentlich höher. Es könne aber bereits ohne Gutachten gesagt werden, dass in jedem Fall ein grösserer Minderwert als 25 % vorliege. Das Gutachten sei unrichtig und damit nicht schlüssig und als Beweismittel untauglich. Wenn ein Gutachten notwendig wäre, müsste ein neues – unabhängiges – Gutachten eingeholt werden. Da es um die Beurteilung eines rechtlichen Risikos gehe, sei aus ihrer Sicht nicht zwingend ein Gutachten erforderlich, um dieses zu beziffern. Da die Klägerin lediglich eine Teilklage erhoben habe und nach dieser eine Wertreduktion von lediglich 25 % eingeklagt worden sei, könne der Betrag der Teilklage auch ohne Gutachten gutgeheissen werden.

 

6.4 Der Beklagte führt dazu in seiner Stellungnahme vom 24. November 2023 aus, selbst wenn eine Pflichtverletzung bejaht würde, so wäre kein Schaden entstanden. Die Dienstbarkeiten bestünden nach wie vor und könnten von der Klägerin ausgeübt werden. Es sei extrem unwahrscheinlich, dass es jemals zu einer Zwangsverwertung und dann auch noch zu einem Doppelaufruf kommen könnte. Auf den Grundstücken laste ein Grundpfandrecht von CHF 650'000.00, verkauft worden seien die Grundstücke für CHF 710'000.00. Es gebe keine Hinweise, dass die Grundstücke weniger Wert als CHF 650'000.00 hätten, ein Doppelaufruf würde demnach auch bei einer Zwangsversteigerung nicht erfolgen. Es werde bestritten, dass ein Käufer abgesprungen sei. Es sei nicht einmal bewiesen, dass die Dienstbarkeiten ausgeschrieben worden seien. Auf der von der Klägerin ins Recht gelegten Urkunde sei weder ein Portalname noch ein Datum ersichtlich. Ein Schaden sei folglich nicht nachgewiesen. Das vom Kläger erfundene Szenario (Pfandentlassung, Kredit eines Freundes und Doppelaufruf) sei utopisch. Auch der eidgenössisch diplomierte Immobilientreuhänder und Experte auf dem Gebiet halte dieses Szenario für unrealistisch und bezeichne es als schwer nachvollziehbar. Ausserdem stelle sich die Frage, ob es sich um einen Betrug nach Art. 146 StGB handeln würde. Wenn der Eigentümer eine Pfandentlassung veranlasse und zusammen mit einem Freund das Grundstück überbelehne, um die Dienstbarkeiten mit einem Doppelaufruf im Betreibungsverfahren löschen zu lassen, so sei dies keine einfache und legale Löschung der Dienstbarkeiten, wie dies die Klägerin geltend mache. Zudem sei überhaupt nichts Konkretes dargetan bewiesen, dass sich dieses Szenario verwirklichen könnte.

 

6.5 Die Klägerin macht geltend, der vom Gericht eingesetzte Gutachter stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zum eingeklagten Kanton Solothurn. Es bestehe zumindest der Verdacht, dass er sich bei der Regierung / Verwaltung unbeliebt machten könnte, wenn er zu Lasten das Kantons einen hohen Schaden bestimme. Ein Gutachter dürfe nicht den Anschein der Befangenheit erwecken. Der vorliegende Sachverständige mit Sitz und Haupttätigkeitsgebiet im Kanton Solothurn erfülle diese Anforderungen nicht.

 

Der Einwand der Klägerin ist unbegründet. Deren Befürchtungen sind rein theoretischer Natur. Würden sie einen Ausstandsgrund abgeben, müsste sich auch das urteilende Gericht in den Ausstand begeben, gelten doch für eine sachverständige Person die gleichen Ausstandsgründe wie für die Gerichtspersonen (§ 56 Abs. VRG i.V.m. Art. 183 Abs. 2 ZPO; § 8 Abs. 1 VRG i.V.m. § 92 f. GO). Auch das urteilende Gericht wird von der Beklagten entlöhnt und die Verwaltungsrichterinnen und -richter werden vom Kantonsrat, der jährlich die Staatsrechnung genehmigt (die auch die entsprechenden Ausgaben enthält), gewählt (Art. 74 f. Verfassung des Kantons Solothurn, KV, BGS 111.1; § 23 As. 1bis i.V.m. 47 Abs. 1 GO). Solche Umstände allein begründen keinen Ausstandsgrund.

 

6.6 Unbegründet ist auch der Vorwurf der Klägerin, mit der Nichtzulassung von Ergänzungsfragen seien ihr rechtliches Gehör und der Beweisführungsanspruch verletzt worden. Das Gericht gibt den Parteien nach Erstattung des Gutachtens Gelegenheit, Ergänzungsfragen zu beantragen (§ 56 Abs. 1 VRG i.V.m. Art. 187 Abs. 4 ZPO). Über die Bewilligung dieses Antrages entscheidet das Gericht. Der Instruktionsrichter des Verwaltungsgerichts begründete in seiner Verfügung, weshalb er nicht alle Ergänzungsfragen bewilligte (Ziffer 2 der Verfügung vom 29. September 2023: «Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin beantragten Ergänzungsfragen zum Teil nicht relevante Themen betreffen, suggestiv sind Rechtsfragen zum Gegenstand haben, welche das Gericht gegebenenfalls selber zu beantworten haben wird. Die Fragen können daher nur teilweise und in modifizierter Form bewilligt werden»). Die Klägerin setzt sich mit dieser Begründung nicht auseinander. An der Verfügung des Instruktionsrichters vom 29. September 2023 ist nichts auszusetzen. Aus den gleichen Gründen ist festzuhalten, dass weder der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör noch deren Beweisführungsanspruch verletzt worden sind.

 

6.7.1 Die Klägerin beschreibt die rechtliche Problematik der bestehenden Verpfändung wie folgt: «Der Registerschuldbrief per CHF 650'000.00 lastet als Gesamtpfandrecht auf den beiden Grundstücken GB [...] Nrn. [...] (Wohnhaus) und [...] (Garagen- und Abstellplätze mit den Dienstbarkeiten der A.___). Bei dem als Gesamtpfand auf GB [...] Nrn. [...] und [...] lastenden Registerschuldbrief von CHF 650'000.00 (mit Maximalzins zu 12 %) kann ohne Mitwirkung der dienstbarkeitsberechtigten Partei (aktuell die A.___) das Grundstück GB [...] Nr. [...] (Wohnhaus) aus der Pfandhaft entlassen werden (z.B. bei einer Neufinanzierung des Kredits bei einem Verkauf), so dass der Schuldbrief nur noch auf GB [...] Nr. [...] (Garagen- und Abstellplätze) lastet. In diesem Fall würde der Registerschuldbrief über CHF 650'000.00 nur noch auf GB [...] Nr.[...] lasten und wäre im Rang besser gestellt als die Dienstbarkeiten der A.___. Das Grundstück GB [...] Nr. [...] könnte also mit einer Forderung von CHF 650'000.00 belastet werden. Auf folgende, einfache und legale Weise könnten die Rechte der A.___ gelöscht werden: Die Finanzierung des aktuellen Kredits des Eigentümers von GB [...] Nr. [...] und [...], welcher mit dem Registerschuldbrief per CHF 650'000.00 gesichert ist, wird vom Eigentümer mit seiner Bank neu geregelt (z.B. mit einer gewissen Teilrückzahlung), so dass nur noch das Wohnhaus GB [...] Nr. [...] verpfändet wird. Auf GB [...] Nr. [...] wird ein neuer Schuldbrief errichtet, der diesen Kredit absichert. Das Grundstück GB [...] Nr. [...] wird dann aus der Pfandhaft des Registerschuldbriefes per CHF 650'000.00 entlassen, so dass dieser Schuldbrief nur noch auf GB [...] Nr.[...] lastet. Der Schuldbrief ist in diesem Moment unbelastet. Der Eigentümer von GB [...] Nr. [...] schliesst mit einem Freund einen Kreditvertrag über CHF 650'000.00 (oder auch einen tieferen Betrag ab). Er gibt dem Gläubiger den Schuldbrief über CHF 650'000.00 und zahlt die Zinsen nicht mehr. Der Gläubiger verlangt die Zwangsverwertung für seine Forderung von CHF 650'000.00. Keiner bietet CHF 650'000.00. Es kommt zum Doppelaufruf ohne die Rechte der A.___, so dass diese gelöscht werden» (Eingabe vom 21. September 2023, S. 2 f., Ziffer 2).

 

6.7.2 Der Gutachter bezeichnet dieses Szenario zu Recht als «schwer nachvollziehbar» (Stellungnahme vom 11. Oktober 2023). Der Beklagte bemerkt zudem mit guten Gründen, dass ein solches Vorgehen sogar strafrechtlich relevant sein könnte. Zudem wäre die zivilrechtliche Verbindlichkeit äusserst fraglich. Es ist daher in der Tat sehr unwahrscheinlich, dass es jemals zu einer Zwangsverwertung mit Doppelaufruf kommen kann. Ob diese theoretisch dennoch bestehende Möglichkeit den Wert der Dienstbarkeiten trotzdem beeinflusst, ist schwer festzustellen. Der Gutachter ermittelte anhand einer Bewertungsmethode, die von der Klägerin zumindest im Grundsatz unbestritten blieb, eine Differenz von CHF 10'000.00. Wie sie aber selber bemerkt, entspricht diese relativ bescheidene Differenz der Spanne von normalen Verkaufsverhandlungen, weshalb das Gutachten im Ergebnis besagt, dass die Drittpfandbelastung für den Wert der drei Parkplätzte und des Hobbyraums unerheblich ist. Es ist daher höchst fraglich, ob mit dem Gutachten überhaupt ein Schaden nachgewiesen ist. Auch die Ausführungen des Vertreters der Klägerin, E.___, anlässlich der Parteibefragung und die eingereichten Belege sind zu vage, um den Beweis für die Behauptung zu erbringen, dass die Parkplätze und der Hobbyraum aktuell praktisch unverkäuflich seien. Letztlich kann die Frage, ob ein Schaden nachgewiesen ist, aber offen bleiben. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist die Klage nämlich so so abzuweisen, weil es an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung der Amtschreiberei und einem allfälligen Schaden fehlt.

 

7.1 Die Klägerin macht geltend, der Schaden bestehe in der Differenz des Verkehrswertes, den die drei Parkplätze und der Hobbyraum ohne Pfandbelastung im Vergleich zu der bestehenden Pfandbelastung mit dem Schuldbrief über CHF 650'000.00 aufwiesen. Das widerrechtliche Verhalten der Amtschreiberei bestehe darin, dass sie es unterlassen habe, die Parteien des Kaufvertrags vom 17. Februar 2021 vor der Beurkundung auf die gesetzliche Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB hinzuweisen. Die Frage der adäquaten Kausalität zwischen der Unterlassung der Amtschreiberei und dem behaupteten Schaden kann deshalb nur aufgrund von Hypothesen beurteilt werden. Entscheidend ist, ob der Schaden auch bei pflichtgemässem Verhalten der Behörde eingetreten wäre. Eine Unterlassung ist adäquat kausal, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfiele (Uhlmann, a.a.O., S. 81 und 83 Rz. 135 f.). Es ist daher zu fragen, ob der geltend gemachte Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn die Parteien vor der Beurkundung auf die Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB hingewiesen worden wären.

 

Eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rangordnung bedarf einer Vereinbarung im Vertrag und zusätzlich der Zustimmung der Grundpfandgläubigerin. Ohne diese Voraussetzungen kann die Amtschreiberei nicht nachträglich von Amtes wegen bei der Grundpfandgläubigerin einen Rangrücktritt einholen. Zu beantworten ist deshalb die hypothetische Frage, ob die Parteien des Kaufvertrags nach Hinweis der Amtschreiberei auf die Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB einen Rangrücktritt vereinbart und die Grundpfandgläubigerin – gemäss Kaufvertrag die I.___ – dem Rangrücktritt zugestimmt hätte.

 

7.2 Die Klägerin legt die Haltung der Käuferin, C.___, zu diesem Punkt nicht dar. Unbekannt ist auch, ob und allenfalls unter welchen Bedingungen die Grundpfandgläubigerin, die I.___, einem Rangrücktritt zugestimmt hätte. Die Klägerin stellte in diesem Zusammenhang keine Beweisanträge. Dass sie bei fehlender Zustimmung zu einem Rangrücktritt auf einen Verkauf verzichtet hätte, ist ebenfalls eine blosse Parteibehauptung. Mit guten Gründen weist der Beklagte darauf hin, dass die Klägerin mit dem Verkauf einen Gewinn von immerhin CHF 300'000.00 erzielt hatte. Ob sie bei solchen Gewinnaussichten auf das Geschäft verzichtet hätte, kann nicht einfach so bejaht werden, zumal das von der Klägerin geschilderte Szenario, weshalb es zu einem Doppelaufruf mit Löschung der Dienstbarkeiten kommen könnte, wie erwähnt sehr gesucht ist. Ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem widerrechtlich unterlassenen Hinweis der Amtschreiberei und dem behaupteten Schaden ist aus all diesen Gründen nicht erstellt. Eine Staatshaftung fällt daher ausser Betracht.

 

8. Die Klage der A.___ erweist sich somit als unbegründet. Sie ist abzuweisen.

 

9. Die Kosten des Verfahrens von total CHF 5'500.00 (inkl. Auslagen) hat die Klägerin zu tragen (vgl. § 77 VRG, i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Sie sind mit den geleisteten Kostenvorschüssen zu verrechnen. Eine Parteientschädigung zu Gunsten der Klägerin fällt bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht in Betracht. Auch dem Kanton Solothurn ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. SOG 2010 Nr. 20).

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die A.___ hat die Kosten des Verfahrens von CHF 5'500.00 zu bezahlen. Sie werden mit den geleisteten Kostenvorschüssen verrechnet.

3.    Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                          Blut-Kaufmann

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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