E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2024.44)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2024.44: Verwaltungsgericht

Es handelt sich um einen Fall vor dem Verwaltungsgericht, bei dem es um den Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung aus der Schweiz eines Beschwerdeführers namens A. geht. A. hat massive Schulden angehäuft, war straffällig und hat seine finanziellen Verpflichtungen vernachlässigt. Das Gericht entschied teilweise zugunsten des Beschwerdeführers, indem es die Verfügung des Departements des Innern vom 26. Januar 2024 aufhob und ihn stattdessen verwarnte. Die Kosten des Verfahrens wurden je zur Hälfte dem Beschwerdeführer und dem Staat auferlegt. Der Beschwerdeführer erhielt eine reduzierte Parteientschädigung. Der Präsident des Gerichts war Thomann, die Gerichtsschreiberin Ramseier.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2024.44

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2024.44
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2024.44 vom 22.05.2024 (SO)
Datum:22.05.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschwerde; Niederlassungsbewilligung; Schweiz; Widerruf; Schulden; Beschwerdeführers; Urteil; Apos; Recht; Kontrollfrist; Verfügung; Vorinstanz; Ausländer; Verlängerung; Person; Interesse; Wegweisung; Landesverweisung; Aufenthalt; Bundesgericht; Verfahren; Massnahme; Verwarnung; Bundesgerichts; Verwaltungsgericht; Verhalten; Sicherheit; Verurteilung
Rechtsnorm: Art. 13 BV ;Art. 63 AIG ;Art. 8 EMRK ;Art. 96 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2024.44

 
Geschäftsnummer: VWBES.2024.44
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 22.05.2024 
FindInfo-Nummer: O_VW.2024.93
Titel: Ausländerbeschwerde

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 22. Mai 2024           

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey

Oberrichterin Obrecht Steiner

Gerichtsschreiberin Ramseier    

 

In Sachen

A.___    vertreten durch Rechtsanwältin Annemarie Muhr,    

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,    vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1.1 A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer), geb. [...] in [...], Kosovo, reiste am 20. August 1992 im Rahmen des Familiennachzugs zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder zu seinem Vater in die Schweiz ein. Am 8. Oktober 1992 wurde ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt, ab dem Jahr 1999 eine Niederlassungsbewilligung (AS 3, 26). Am 30. Juni 2000 reiste er mit seiner Mutter und seinen – nun zwei – Brüdern zurück in sein Heimatland und kehrte am 22. August 2002 mit seiner Familie im Rahmen des Familiennachzugs wieder zurück (AS 27 f.). Am 4. September 2002 wurde ihm erneut eine Niederlassungsbewilligung erteilt, deren Kontrollfrist in der Folge jeweils verlängert wurde (AS 29 ff.).

 

Am [...] 2011 verheiratete er sich in der Republik Kosovo mit der Landsfrau B.___. Dieser wurde am 9. August 2011 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Am 28. Juni 2012 wurde der gemeinsame Sohn C.___ geboren. Mit Eheschutzurteil des Amtsgerichtsstatthalters von Bucheggberg-Wasseramt vom 11. September 2013 wurde festgestellt, dass die Ehegatten A.___ seit Ende Juni 2012 getrennt lebten. Der gemeinsame Sohn C.___ wurde unter die elterliche Obhut der Mutter gestellt und das Besuchsrecht der freien Vereinbarung der Eltern überlassen. Der Beschwerdeführer wurde zur Bezahlung von monatlichem Kindesunterhalt von CHF 670.00 (zuzüglich Kinderzulagen) verpflichtet. Am 27. August 2014 verfügte das Migrationsamt (MISA) namens des Departements des Innern (DdI) die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung von B.___ und wies sie aus der Schweiz weg. Am 30. Juli 2015 kehrte sie in den Kosovo zurück. Zuvor hatte sie mitgeteilt, ihr Sohn C.___ verbleibe vorerst beim Beschwerdeführer resp. dessen Eltern. Die Ehe wurde in der Folge geschieden (AS 175 ff., Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2014, VWBES.2014.379).

 

1.2 Am 18. Januar 2018 gewährte das MISA dem Beschwerdeführer wegen Straffälligkeit und Schulden im Umfang von rund CHF 160'000.00 das rechtliche Gehör betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung von ihm aus der Schweiz (AS 153 ff.). Der Beschwerdeführer nahm dazu am 29. Januar 2018 Stellung (AS 158 f.). Mit Verfügung vom 1. Februar 2018 wurde er verwarnt und ihm der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung aus der Schweiz angedroht (AS 161 ff.).

 

Am 27. März 2018 ersuchte der Beschwerdeführer um Verlängerung der Kontrollfrist seiner Niederlassungsbewilligung. Nach Vornahme diverser Abklärungen und erneuter Gewährung des rechtlichen Gehörs (AS 326 ff.) widerrief das MISA am 26. Januar 2024 namens des DdI die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers und wies ihn aus der Schweiz weg. Er habe die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis am 30. April 2024 zu verlassen und sich und seinen Sohn C.___ ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden; die Ausreise habe er sich mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

 

2. Gegen diese Verfügung liess A.___ am 8. Februar 2024 Beschwerde erheben mit dem Antrag auf deren Aufhebung. Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und er zu verwarnen. Gleichzeitig wurde um eine Fristerstreckung zur Verbesserung der Beschwerde resp. zum Nachreichen der schriftlichen Begründung ersucht.

 

Mit Verfügung vom 9. Februar 2024 bewilligte die Instruktionsrichterin des Verwaltungsgerichts den weiteren Antrag des Beschwerdeführers, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, und setzte ihm Frist bis 1. März 2024 zur Begründung der Beschwerde. Am 4. März 2024 ging die begründete Beschwerde ein.

 

Bereits am 7. Februar 2024 hatte auch Rechtsanwalt Camill Droll für den Sohn des Beschwerdeführers, C.___, Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. Januar 2024 erheben lassen. Diese Beschwerde wurde am 29. Februar 2024 zurückgezogen, worauf das entsprechende Beschwerdeverfahren mit Urteil vom 1. März 2024 abgeschrieben wurde (Verfahren VWBES.2024.40).

 

3. Am 25. März 2024 beantragte das MISA die Abweisung der Beschwerde von A.___.

 

4. Mit Eingabe vom 23. April 2024 liess sich der Beschwerdeführer nochmals vernehmen.

 

5. Für die Standpunkte der Parteien wird auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Am 1. Januar 2019 traten die neuen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20) in Kraft. Gemäss Art. 126 Abs. 1 bleibt das bisherige Recht auf Gesuche anwendbar, die vor dem Inkrafttreten des Ausländer- und Integrationsgesetzes eingereicht worden sind. In Anwendung dieser übergangsrechtlichen Regelung ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens massgebend. Dabei ist nicht das Verfahren zur Verlängerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung entscheidend, sondern das Widerrufsverfahren, welches praxisgemäss eingeleitet wird, wenn die Migrationsbehörden das rechtliche Gehör zur aufenthaltsbeendenden Massnahme gewähren (Urteil des Bundesgerichts 2C_214/2022 vom 25. August 2022 E. 4.1. f.). Dies war vorliegend am 13. März 2023 der Fall, weswegen das neue Recht zur Anwendung gelangt.

 

3.1 Das MISA begründete die angefochtene Verfügung im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer sei bereits im Jahr 2018 wegen Straffälligkeit und Schulden verwarnt worden und es sei ihm der Widerruf der Niederlassungsbewilligung, verbunden mit der Wegweisung aus der Schweiz, angedroht worden. Nach dieser Verwarnung sei er erneut mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Aus dem Obergerichtsurteil vom 4. Mai 2022 gehe hervor, dass er angegeben habe, vom Deliktszeitpunkt (4. Februar 2018) bis zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils am 15. April 2021 keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Anlässlich der Verhandlung vor Obergericht habe er ebenfalls angegeben, über keine Arbeitsstelle zu verfügen. Die Fremdplatzierung seines Sohnes bei dessen Grosseltern (und Eltern des Beschwerdeführers) werde über die Sozialhilfe vergütet, der Saldo bis Oktober 2023 betrage CHF 85'035.10. Im Register des Betreibungsamtes Region Solothurn sei er mit zwei Betreibungen in der Höhe von CHF 504.30 und 124 Verlustscheinen im Betrag von CHF 219'738.70 verzeichnet (Stand 29. September 2023).

 

Durch das wiederholt straffällige Verhalten sowie die mutwillige Schuldenwirtschaft habe der Beschwerdeführer insgesamt in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen. Die objektiven Voraussetzungen des Widerrufsgrundes nach Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG seien daher erfüllt. Das Dualismusverbot nach Art. 63 Abs. 3 AIG stehe einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht entgegen, da der Widerruf nicht allein gestützt auf die Verurteilung vom 4. Mai 2022 erfolge, sondern im Rahmen einer ausländerrechtlichen Gesamtbetrachtung. Der Beschwerdeführer verfüge über erhebliche Integrationsdefizite. Er könne auch beruflich bzw. wirtschaftlich nicht als integriert gelten. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und einer Wegweisung. Das private Interesse des Beschwerdeführers vermöge dies nicht aufzuwiegen. Es lägen keine unüberwindbaren Hindernisse für eine Rückkehr in den Kosovo vor. Auch seinem Sohn sei ein Umzug zumutbar, zumal dessen Mutter im Kosovo lebe, die er in den letzten Jahren mit dem Beschwerdeführer regelmässig besucht habe. Sein Sohn gelte in Anbetracht des Alters, der regelmässigen Ferienaufenthalte und der entsprechenden Kulturvermittlung auch noch als anpassungsfähig. Die Wegweisung des Beschwerdeführers eigne sich, um eine weitere Verschuldung und eine erneute Delinquenz zu vermeiden. Sie erscheine auch erforderlich, weil es ihm seit Jahren nicht gelinge, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und sich klaglos zu verhalten. Trotz der ausländerrechtlichen Massnahme des Jahres 2018 zeige er weiterhin eine grobe Gleichgültigkeit gegenüber der hiesigen Rechtsordnung.  

 

3.2 Dagegen liess der Beschwerdeführer zunächst vorbringen, die Vorinstanz habe ihm bei der letztmaligen Verlängerung der Kontrollfrist faktisch keine Verlängerung gewährt, sondern sei von einem Verlängerungsverfahren übergangslos in ein neues übergegangen. Erneut ohne ersichtlichen Grund habe die neuerliche Prüfung des Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers dann mehrere Jahre gedauert, diesmal sogar sechs. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Vorinstanz eine solch lange Zeitspanne habe vergehen lassen, ohne einen Entscheid zu fällen. Der Beschwerdeführer sei insgesamt über 11 Jahre hinweg ohne einen (physischen) Ausweis belassen worden. Dies habe ihm das alltägliche Leben erschwert (Stellensuche, kostenpflichtige Rückreisevisa) und stelle eine Rechtsverzögerung dar.

 

Bezüglich der Straffälligkeit sei zu berücksichtigen, dass er abgesehen von zu vernachlässigenden Widerhandlungen gegen das SVG letztmals am 4. Februar 2018 strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Seither habe er sein Leben in geregelte Bahnen gelenkt, wohne mit seinen Eltern und seinem Sohn zusammen, gehe einer Erwerbstätigkeit nach und werde in Kürze mit der Schuldensanierung beginnen. Die vier Übertretungen aus den Jahren 2019 bis 2022 dürfe die Vorinstanz nicht benutzen, um den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu begründen. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 sei die Vorinstanz darüber informiert worden, dass der Beschwerdeführer eine Anstellung bei der [...] AG in Aussicht habe. Trotzdem habe sie die angefochtene Verfügung erlassen, statt zuzuwarten, ob es auch tatsächlich zur Anstellung komme (was es sei). Mit diesem Einkommen werde es ihm möglich sein, die Schuldenlast innert kürzester Zeit massiv zu reduzieren. Die Voraussetzungen für einen Widerruf seien somit nicht erfüllt.

 

Der Beschwerdeführer könne sich auf Art. 8 EMRK berufen. Es bestehe nachweislich eine intakte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung zu seinem Sohn. In Bezug auf seinen Sohn verkenne die Vorinstanz, dass ein rechtsgültiger Pflegevertrag vorliege. Dieser könne nicht einfach so aufgelöst werden. Die Vorinstanz hätte die Situation von C.___ vollumfänglich abklären und ihn anhören müssen. Die Kontrollfrist von C.___ Niederlassungsbewilligung sei im Jahr 2023 für weitere fünf Jahre verlängert worden. Damit verfüge er über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz, welches unabhängig vom Anwesenheitsrecht des Beschwerdeführers in der Schweiz bestehe. Sollte der Beschwerdeführer die Schweiz verlassen müssen und C.___ hier bleiben, sei die Konsequenz, dass die Vater-Sohn-Beziehung in qualitativer Hinsicht nicht aufrecht erhalten bleiben könne. Der Beschwerdeführer habe fast sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht und seine Familie lebe auch in der Schweiz. Im Kosovo habe er keine Verwandten, die ihn im Fall einer Wegweisung unterstützen könnten. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz würden das öffentliche Interesse an dessen Wegweisung überwiegen.

 

3.3 Dazu führte das MISA am 25. März 2024 aus, die Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung sei am 3. Juli 2013 bis am 30. April 2018 verlängert worden. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers sei er demnach bis zum Zeitpunkt der Einreichung des Verlängerungsgesuchs vom 27. März 2018 im Besitz eines gültigen Ausländerausweises gewesen. Dass er bei der Stellensuche aufgrund des fehlenden Ausländerausweises benachteiligt gewesen wäre, habe er weder belegt noch im erstinstanzlichen Verfahren überhaupt je vorgebracht. Weiter verkenne der Beschwerdeführer, dass sich das Dualismusverbot nur auf die strafrechtliche Verurteilung für die Straftat vom 4. Februar 2018 und allenfalls mitberücksichtigte frühere Delikte beziehe. Unberücksichtigte bzw. spätere strafrechtliche Verurteilungen sowie über die strafbaren Handlungen hinausreichende Aspekte, wie die hohe Verschuldung, seien vom Dualismusverbot keineswegs betroffen. Bezüglich C.___ sei der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass er während des gesamten Verfahrens die Möglichkeit gehabt hätte, Vorbringen in dessen Namen geltend zu machen. Die Vorgabe im Pflegevertrag, wonach die Auflösung des Vertrags dem (heutigen) Amt für Gesellschaft und Soziales zu melden sei, ändere nichts an der freiwilligen Rechtsnatur des Pflegeverhältnisses zwischen C.___ und dessen Grosseltern.

 

3.4 Der Beschwerdeführer liess in der Stellungnahme vom 23. April 2024 einräumen, dass die Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung bis am 30. April 2018 verlängert worden sei. Damit sei er während sechs Jahren nicht im Besitz eines physischen Ausländerausweises gewesen. Nachdem am 18. Januar 2018 ein ausländerrechtliches Verfahren eröffnet und mit Verfügung vom 1. Februar 2018 geschlossen worden sei, hätte die Kontrollfrist jedoch bis Februar 2023 verlängert werden müssen. Weiter wäre die Vorinstanz verpflichtet gewesen, C.___ anzuhören. Der Beschwerdeführer erziele ein wöchentliches Nettoeinkommen von rund CHF 1'050.00, er habe sich gut ins Team integriert und betreffend die zu verbüssende Freiheitsstrafe werde das Electronic Monitoring am 10. Mai 2024 beginnen. Anfangs April 2024 sei er nach [...] umgezogen, wo sein Bruder ein Haus gekauft habe. Er wohne im Erdgeschoss, seine Eltern und C.___ im 1. OG und sein Bruder im 2. OG.

 

4. Der Beschwerdeführer rügt zunächst, das Migrationsamt sei bezüglich der Verlängerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung zu lange untätig geblieben.

 

Das MISA hat die Kontrollfrist am 3. Juli 2013 bis am 30. April 2018 verlängert (AS 78). Es trifft demnach nicht zu, dass der Beschwerdeführer 11 Jahre ohne einen (physischen) Ausweis belassen worden wäre. Dies wird in der Stellungnahme vom 23. April 2024 eingeräumt. Gerügt wird aber nach wie vor die Dauer von sechs Jahren resp. dass die Vorinstanz von einem Verlängerungsverfahren übergangslos in ein neues Verlängerungsverfahren übergegangen sei.

 

Wie erwähnt, wurde dem Beschwerdeführer die Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung bis 30. April 2018 verlängert. Die Kontrollfrist lief daher zum Zeitpunkt der mit Verfügung vom 1. Februar 2018 ausgesprochenen Verwarnung noch. Da die Kontrollfrist am 30. April 2018 ablief, wurde dem Beschwerdeführer am 2. Februar 2018 die Verfallsanzeige zugestellt, worauf er am 27. März 2018 um Verlängerung der Kontrollfrist ersuchte (AS 173 f.). Dieses Vorgehen, d.h. die Zustellung der Verfallsanzeige vor Ablauf der Kontrollfrist, erfolgt automatisiert aufgrund der Angaben im ZEMIS und ist auch im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer vor der Zustellung der Verfallsanzeige verwarnt worden ist, nicht zu beanstanden. Der Vorinstanz kann nicht vorgehalten werden, übergangslos von einem Verlängerungsverfahren in ein neues übergegangen zu sein.

 

Bezüglich des Zeitraums, bis über den Verlängerungsantrag entschieden wurde, ist festzuhalten, dass dieser in der Tat überaus lange dauerte. In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer am Tag des Verlängerungsantrags der Kontrollfrist (am 27. März 2018) wegen des Vorhalts des Angriffs vorläufig festgenommen und das MISA gleichentags um Einreichung eines Berichts im Hinblick auf die Prüfung der strafrechtlichen Landesverweisung ersucht wurde. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Vorinstanz kurz vor Erhalt dieses Hinweises eine Verwarnung ausgesprochen hatte und dem Beschwerdeführer eine Landesverweisung drohte, erscheint es nachvollziehbar und sachgerecht, das Kontrollverfahren mit einer materiellen Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen zu verbinden; dies auch wenn ein Kontrollverfahren grundsätzlich unabhängig von einem Widerrufsverfahren ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_499/2020 vom 25. September 2020 E. 3.5.4). Ende November 2021 war der Vorinstanz zwar bekannt, dass keine Landesverweisung ausgesprochen werden würde (die Staatsanwaltschaft hatte eine solche beantragt, vgl. AS 258), das Urteil in der Sache durch das Obergericht erging aber erst am 4. Mai 2022 und wurde der Vorinstanz am 13. Juni 2022 zugestellt (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Busse von CHF 100.00, ersatzweise zu einem Tag Freiheitsstrafe, AS 283 ff.). Nach Vornahme zusätzlicher Abklärungen stellte sich die Vorinstanz in der Folge auf den Standpunkt, dem Beschwerdeführer sei die Niederlassungsbewilligung zu verweigern und er aus der Schweiz wegzuweisen. In diesem Zusammenhang gewährte sie ihm am 13. März 2023 das rechtliche Gehör (AS 326). Die entsprechende Stellungnahme des Beschwerdeführers ging am 8. Mai 2023 ein (AS 384 ff.). Nach Vornahme erneuter Abklärungen (im Hinblick auf den Sohn C.___, eine Schuldenberatung, das Electronic Monitoring) und gewährten Fristerstreckungen seitens des Beschwerdeführers zur Einreichung von Unterlagen erging schliesslich im Januar 2024 die angefochtene Verfügung. Dieser VerIauf zeigt, dass das Verfahren zwar wie erwähnt sehr lange dauerte, dass die lange Dauer aber in erster Linie mit der erneuten Straffälligkeit des Beschwerdeführers in Zusammenhang stand. Dies hat er selber zu verantworten. Von einer Rechtsverzögerung ist daher nicht auszugehen.

 

Zudem ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer durch die lange Dauer der Ungewissheit kein nennenswerter Nachteil entstanden ist. Den betroffenen Personen werden während des Kontrollverfahrens praxisgemäss schriftliche Bestätigungen erteilt, wonach sie weiterhin niederlassungsberechtigt sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_499/2020 vom 25. September 2020 E. 3.5.1 mit Hinweis) und dem Beschwerdeführer wurde auch stets ein Rückreisevisum erteilt. Dafür werden zwar Kosten erhoben, diese sind aber nicht hoch und verkraftbar. Im Weitern ist nicht belegt, dass der Beschwerdeführer wegen eines fehlenden (physischen) Ausweises berufliche Nachteile erlitten hätte. Dies wurde vor der Vorinstanz auch nie geltend gemacht.

 

5.1 Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die Ausländerin der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz im Ausland verstossen hat diese gefährdet die innere äussere Sicherheit gefährdet. Eine Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt nach Art. 77a Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über die Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.021) u.a. vor, wenn die betroffene Person gesetzliche Vorschriften und behördliche Verfügungen missachtet (lit. a) öffentlich-rechtliche privatrechtlichen Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt (lit. b).

 

Der Widerrufsgrund ist nicht nur erfüllt, wenn besonders hochwertige Rechtsgüter verletzt gefährdet werden; auch vergleichsweise weniger gravierende Pflichtverletzungen können als «schwerwiegend» i.S.v. Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG bezeichnet werden, wenn sich die ausländische Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch zukünftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Dies kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung ihres Verhaltens beurteilt werden. Auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, kann einen Bewilligungsentzug rechtfertigen. Dies gilt auch für das Bestehen von privatrechtlichen Schulden, wenn die Verschuldung mutwillig erfolgt ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_214/2022 vom 25. August 2022 E. 5.2 mit Hinweisen).

 

5.2 In der angefochtenen Verfügung werden die Verurteilungen des Beschwerdeführers aufgeführt; darauf ist zu verweisen, ebenso auf die entsprechenden Strafregisterauszüge und die Strafbefehle. Der Beschwerdeführer ist zwischen Januar 2009 bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung (26. Januar 2024) 18 Mal strafrechtlich verurteilt worden, einmal zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen einfacher Körperverletzung und drei Mal zu einer Geldstrafe von insgesamt 355 Tagessätzen wegen Angriffs, Drohung, Vergehens gegen das Waffengesetz und Missbrauchs einer Fernmeldeanlage. Bussen wurden gegen ihn insgesamt 16 ausgesprochen, insbesondere wegen Widerhandlungen gegen das SVG. Auch wenn es sich bei den gegen ihn ausgesprochenen Verurteilungen nicht um schwerste Kriminalität handelt, zeigt das Verhalten des Beschwerdeführers doch deutlich, dass er sich von strafrechtlichen Massnahmen lange Zeit nicht beeindrucken liess und offensichtlich nicht gewillt war, sich an die Rechtsordnung zu halten. Insbesondere delinquierte er unmittelbar nach Erhalt der Verwarnung vom 1. Februar 2018 (oder zumindest während des entsprechenden Verfahrens, sollte er die Verwarnung zum Tatzeitpunkt vom 4. Februar 2018 noch nicht erhalten haben) weiter und dies trotz seiner nur sechs Tage vor der Tat erfolgten Beteuerungen, seine bisherigen Taten zu bereuen, sich bessern zu wollen und doch bitte beweisen zu können, dass er sich im positiven Sinne geändert habe (Schreiben vom 29. Januar 2018, AS 158 f.). Zu beachten ist dabei auch die Tat an sich, schlug der Beschwerdeführer doch aus nichtigem Anlass zwei Personen, einer davon mehrmals, mit der Faust ins Gesicht. Das Obergericht erwähnte dazu in seinem Urteil vom 4. Mai 2022, das Vorgehen des Beschwerdeführers habe eine gewisse Nähe zu einer eventualvorsätzlich versuchten schweren Körperverletzung (AS 291, 296).  

 

Trotz dieses Umstandes reichen die erwähnten Verurteilungen nicht aus, um von einem schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung auszugehen. So ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit der Straftat vom 4. Februar 2018 nicht mehr wegen eines Verbrechens Vergehens verurteilt werden musste (seit 26. Juli 2019 sind fünf Bussen verzeichnet, vgl. auch AS 484 f.). Zudem ist im Zusammenhang mit der Straftat vom 4. Februar 2018 das Dualismusverbot nach Art. 63 Abs. 3 AIG zu beachten. Mit dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass zwei unterschiedliche staatliche Behörden, nämlich die Strafbehörden und die Migrationsbehörden, sich mit den Folgen des deliktischen Verhaltens für den Aufenthaltsstatus einer ausländischen Person befassen. Hat der Strafrichter das deliktische Verhalten beurteilt und von einer Landesverweisung abgesehen, auch wenn die Motive des Strafrichters für den Verzicht auf die Landesverweisung nicht verständlich sein mögen die Möglichkeit der Landesverweisung schlicht übersehen wurde, können die Migrationsbehörden diesbezüglich die Niederlassungsbewilligung der betroffenen Person nicht mehr widerrufen. Andernfalls würde der Dualismus von strafrechtlicher Landesverweisung und administrativer Wegweisung wieder eingeführt und es bestünde das Risiko widersprüchlicher Urteile. Es ist nicht Sache der Migrationsbehörden, allfällige Versäumnisse der Strafbehörden bezüglich Landesverweisung zu korrigieren. Wenn, dann obliegt es der Staatsanwaltschaft, durch Einlegung eines Rechtsmittels die Anordnung einer Landesverweisung zu verlangen. Art. 63 Abs. 3 AIG möchte verhindern, dass die Straf- und Migrationsbehörden sich bezüglich Aufenthaltsstatus mit demselben Sachverhalt befassen (Urteil des Bundesgerichts 2C_305/2023 vom 9. November 2023 E. 4.4 mit Hinweisen). Vorliegend hat das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt auf das Aussprechen einer Landesverweisung verzichtet (die Staatsanwaltschaft hatte wie erwähnt eine solche beantragt und das Obergericht konnte keine solche aussprechen, auch wenn es dies als richtig erachtet hätte, da keine Anschlussberufung erhoben worden war; vgl. Urteil vom 4. Mai 2022: «die Vorinstanz hat auf die Anordnung einer durchaus diskutablen fakultativen Landesverweisung verzichtet», AS 289).

 

Im Sinne des Integrationskriteriums der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Art. 58a Abs. 1 lit. a AIG) ist den Verurteilungen indessen Beachtung zu schenken.

 

5.3 Auch das mutwillige Nichterfüllen von öffentlich-rechtlichen privatrechtlichen Verpflichtungen kann wie erwähnt einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Erforderlich ist ein erheblicher Ordnungsverstoss durch Nichterfüllung eingegangener Verpflichtungen. Diese Erheblichkeit beurteilt sich in erster Linie nach Massgabe des Umfangs der Schulden. Eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung nahm das Bundesgericht bei mutwillig unbezahlt gebliebenen öffentlich- privatrechtlichen Schulden in der Höhe von CHF 213'790.48 (Verlustscheine), CHF 169'995.45 (Verlustscheine), CHF 188'000.00 (Verlustscheine), CHF 303'732.95 (Verlustscheine) und CHF 172'543.00 (Verlustscheine, zusätzlich offene Betreibungen im Umfang von CHF 4'239.00) an (Urteil 2C_134/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 2.3.1 ff. mit Hinweisen).

 

Eine betraglich erhebliche Schuldenwirtschaft allein genügt für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht. Vorausgesetzt ist zusätzlich eine Mutwilligkeit. Die Verschuldung muss selbst verschuldet und qualifiziert vorwerfbar sein. Hiervon ist nicht leichthin auszugehen. Der Beweis der Mutwilligkeit obliegt der Migrationsbehörde. Liegen ausreichend gewichtige Hinweise für die Tatsachenvermutung der Mutwilligkeit vor, ist es an der betroffenen Person, den Gegenbeweis zu erbringen. Wurde die betroffene Person bereits ausländerrechtlich verwarnt (Art. 96 Abs. 2 AIG), ist für die Beurteilung der Mutwilligkeit entscheidend, ob sie danach weiterhin Schulden angehäuft sich um die Sanierung ihrer Situation bemüht hat. Positiv zu würdigen ist, wenn vorbestandene Schulden abgebaut werden. Ein Widerruf ist dagegen zulässig, falls in vorwerfbarer Weise weitere Schulden eingegangen werden (Urteil des Bundesgerichts 2C_212/2023 vom 24. Juli 2023 E. 4.2 f.).

 

Der Beschwerdeführer ist im Betreibungsregister des Betreibungsamtes Region Solothurn mit 126 Verlustscheinen im Betrag von CHF 219'738.70 und zusätzlich mit zwei eingeleiteten Betreibungen in der Höhe von CHF 504.30 verzeichnet (Stand 29. September 2023, AS 407 ff.). Bei den verzeichneten Schulden handelt es sich insbesondere und soweit ersichtlich um Steuerforderungen von Kanton und Gemeinde, um Forderungen der Krankenkasse, Ausgleichskasse, Motorfahrzeugkontrolle und der Gerichte. Der Beschwerdeführer kommt seinen finanziellen Verpflichtungen seit Jahren nicht ausreichend nach und die Schuldenlast ist stetig angewachsen, dies trotz der Verwarnung aus dem Jahr 2018. So datieren unzählige Verlustscheine aus den Jahren danach. Der Beschwerdeführer hat es auch während mehrerer Jahre unterlassen, die Steuererklärung auszufüllen und er hat keinerlei Anstrengungen unternommen, seine Schulden abzubauen. Lediglich im Sommer 2023 hat er sich an eine Schuldenberatung gewandt, diese Bemühungen aber sogleich wieder bleiben lassen, als es mit einem Termin nicht geklappt hatte (Beilage 10 zur Eingabe vom 23. April 2024). Weiter und dies ist insbesondere zu betonen, ist er während Jahren keiner geregelten Arbeitstätigkeit nachgegangen und er kommt auch in keiner Weise für seinen Sohn auf. Für diesen fielen bisher CHF 85'035.10 an Fremdplatzierungskosten an (Stand Oktober 2023, vgl. AS 430). Weshalb sich der Beschwerdeführer in derartigem Ausmass verschuldet hat und er seinen finanziellen Verpflichtungen seit Jahren nur unzureichend nachkommt, vermochte er weder zu begründen noch zu belegen.

 

Das MISA geht daher zu Recht davon aus, der Beschwerdeführer habe es jahrelang und trotz entsprechender Verwarnung unterlassen, alles ihm Mögliche zu tun, um seine finanzielle Situation zu verbessern bzw. seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Die Annahme einer mutwilligen Verschuldung ist daher nicht zu beanstanden.

 

5.4 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz verstossen hat. Die objektiven Voraussetzungen des Widerrufsgrundes nach Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG sind damit erfüllt.

 

6.1 Liegt ein Widerrufsgrund vor, ist zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme verhältnismässig ist (vgl. Art. 96 Abs. 1 AIG). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung tangiert ausserdem den Anspruch des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens (vgl. Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 Ziff. 1 EMRK). Die Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK deckt sich mit jener nach Art. 96 AIG. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung bei aufenthaltsbeendenden Massnahmen im Sinne einer Gesamtwürdigung auch bei Ausländern der zweiten Generation insbesondere das Verschulden, die Dauer der bisherigen Anwesenheit in der Schweiz, der Grad der Integration sowie die der betroffenen Person und ihrer Familie mit der Massnahme drohenden Nachteile zu berücksichtigen. Zu beachten ist zudem die Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen sowohl im Gastland als auch im Heimatland. Wird ein Aufenthaltstitel zufolge mutwilliger Verschuldung widerrufen, ist der Umfang der angehäuften Schulden erstes Kriterium für die Schwere des Verschuldens und die Interessenabwägung. Ferner fällt ins Gewicht, ob im Sinne einer günstigen Zukunftsprognose davon auszugehen ist, dass die betroffene Person nicht weiter mutwillig Schulden anhäufen wird. Bei mutwilliger Verschuldung besteht ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers, um die öffentliche Ordnung zu wahren und die Anhäufung weiterer Schulden zu verhindern (Urteil des Bundesgerichts 2C_19/2023 vom 20. Juli 2023 E. 4.2 f. mit Hinweisen).

 

Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit im Land aufhält – insbesondere von Angehörigen der «Zweiten Generation» – soll nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Ist eine Massnahme zwar begründet, aber den Umständen nicht angemessen, so kann die betroffene Person unter Androhung dieser Massnahme verwarnt werden (Art. 96 Abs. 2 AIG). Als Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips soll die Verwarnung eine Massnahme verhindern, die den Aufenthalt einer Person in der Schweiz beendet, weil diese noch nicht gerechtfertigt ist und daher unverhältnismässig wäre, und gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Ausländers auf die Problematik seines Verhaltens lenken. Die Verwarnung ergeht daher im Sinne einer «letzten Chance», wenn der Widerrufsgrund zwar erfüllt ist, die Interessenabwägung den Entzug der Bewilligung aber als unverhältnismässig erscheinen lässt. Sie drängt sich auf, wenn sich die ausländische Person schon lange in der Schweiz aufhält und keine schwere Delinquenz zur Diskussion steht (Urteil des Bundesgerichts 2C_19/2023 vom 20. Juli 2023 E. 4.2.2 mit Hinweisen). 

 

6.2 Das öffentliche Interesse am Widerruf der Bewilligung des Beschwerdeführers ist durch das Vorliegen eines gesetzlichen Widerrufsgrundes ausgewiesen und es ist als gewichtig anzusehen. Wie erwähnt, hat der Beschwerdeführer massive Schulden angehäuft, er ist über Jahre nur gelegentlich einer Arbeitstätigkeit nachgegangen, er ist seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn nicht nachgekommen, die Verwarnung aus dem Jahr 2018 hat zu keiner Verhaltensänderung geführt und er ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten.

 

Für die Zukunftsprognose ist indessen zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nun seit 20. Februar 2024 einer Erwerbstätigkeit bei der Firma […] in […] nachgeht. Auch wenn die Aufnahme dieser Tätigkeit in Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren (und der unbedingten Freiheitsstrafe, vgl. nachfolgend) stehen dürfte und es sich bislang um einen temporären Einsatz handelt, ist es doch eine unbefristete Tätigkeit, bei der der Beschwerdeführer in einer Woche einen Nettolohn von gut CHF 1'000.00 erzielt (vgl. Lohnabrechnungen, Beilage 6 zur Eingabe vom 23. April 2024). Die Arbeitgeberin attestiert ihm in der Bestätigung vom 12. April 2024 zu Handen des Amtes für Justizvollzug, Bewährungshilfe, eine gute Leistung. Sie hätten den Beschwerdeführer in den letzten Wochen durch sein Auftreten, die Arbeitseinstellung und die Qualität der Ausführung positiv wahrgenommen. Es würde sie freuen, wenn die Entwicklung in die richtige Richtung gehen würde und sie eines Tages über eine feste Anstellung bei ihnen im Unternehmen diskutieren könnten (Beilage 7 zur Eingabe vom 23. April 2024). Bestätigt wurde auch die Teilnahme des Beschwerdeführers an 14 Gewaltberatungsgesprächen seit 29. September 2023. Dabei setze er sich aktiv mit seinem Verhalten auseinander (Beilage 9 zur Eingabe vom 23. April 2024). Im Weiteren wurde am 10. Mai 2024 das Electronic Monitoring bezüglich der Freiheitsstrafe von 10 Monaten gestartet und am 15. Mai 2024 hatte der Beschwerdeführer einen Termin bei der Budget- und Schuldenberatung Aargau-Solothurn (Beilagen 8 und 10 zur Eingabe vom 23. April 2024). Es sind somit zaghafte Bemühungen in Richtung einer positiven Zukunftsprognose erkennbar. Sollte der Beschwerdeführer, welcher erst 34 Jahre alt ist, diese Bemühungen fortführen, wäre ein Schuldenabbau möglich und er könnte auch endlich seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinem Sohn nachkommen.

 

6.3 Bezüglich der privaten Interessen ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer fast sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat. Seine nahen Verwandten – Eltern und Brüder – leben hier. Zudem und insbesondere lebt auch sein bereits 12-jähriger Sohn hier, welcher von einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung und einer Wegweisung des Beschwerdeführers ganz besonders betroffen wäre. Mit seinem Heimatland würde den Beschwerdeführer indessen ausreichend viel verbinden, sodass erwartet werden könnte, dass er sich dort – wenn auch unter Umständen mit Mühe – integrieren könnte. So ist er in den letzten Jahren regelmässig und für längere Zeit in den Kosovo gereist (vgl. Rückreisevisa und Reiseermächtigungen in den Akten). Dass diese Aufenthalte vor allem auch mit seinem Sohn in Zusammenhang standen – damit dieser seine Mutter besuchen kann – ändert daran nichts.

 

6.4 Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist somit festzuhalten, dass dem erheblichen öffentlichen Interesse an einer Wegweisung des Beschwerdeführers ein ebenso grosses privates Interesse am Verbleib in der Schweiz gegenübersteht. Nachdem zaghafte Schritte in Richtung einer positiven Zukunftsprognose erkennbar sind, rechtfertigt es sich folglich momentan (noch) nicht, die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers zu widerrufen und ihn aus der Schweiz wegzuweisen. Der Beschwerdeführer ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass ein Widerruf jederzeit möglich bleibt, sollte er sich weiter verschulden, den Schuldenabbau nicht an die Hand nehmen, seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen erneut straffällig werden (am 20. Februar 2024 musste er wegen einer Widerhandlung gegen das SVG, begangen am 24. September 2023, gebüsst werden [Fahren in fahrunfähigem Zustand], AS 563 f.). Die Vorinstanz ist gehalten, die Entwicklung genau im Auge zu behalten und gegebenenfalls zeitnah zu reagieren. Der Beschwerdeführer ist hiermit ausdrücklich verwarnt (Art. 96 Abs. 2 AIG).

 

7. Die Beschwerde ist somit im Sinne des Eventualantrags teilweise gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung vom 26. Januar 2024 ist aufzuheben, der Beschwerdeführer wird verwarnt.

 

8. Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht je zur Hälfte zu Lasten des Beschwerdeführers und des Staates. Dem Beschwerdeführer ist die Hälfte des geleisteten Kostenvorschusses von CHF 1'500.00 zurückzuerstatten, d.h. CHF 750.00.

 

Weiter ist dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren eine (reduzierte) Parteientschädigung zuzusprechen. Rechtsanwältin Muhr macht ab 29. Januar 2024 (Eingang der angefochtenen Verfügung) einen Aufwand von 21,75 Stunden geltend, was angemessen erscheint. Inklusive Auslagen von CHF 163.60 und der Mehrwertsteuer von 8,1 % führt dies zu einer vollen Entschädigung von CHF 6'525.00. Die dem Beschwerdeführer auszuzahlende Entschädigung (50 %) beträgt demnach CHF 3'262.50.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.     In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung des Departements des Innern vom 26. Januar 2024 aufgehoben.

2.     A.___ wird im Sinne der Erwägungen verwarnt.

3.     A.___ hat CHF 750.00 an die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zu bezahlen; den Rest trägt der Kanton Solothurn.

4.     Der Kanton Solothurn hat A.___ für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von CHF 3'262.50 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

 

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                           Ramseier

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.