Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.69: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin A.___ wurde aufgrund von Verkehrsdelikten zu einer Geldstrafe und gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Nach mehreren Verstössen wurde die gemeinnützige Arbeit abgebrochen, und die Bewährungshilfe entschied, die Reststrafe zu vollstrecken. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da sie wiederholt Vereinbarungen nicht einhielt. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht muss die Beschwerdeführerin tragen, jedoch wird aufgrund ihrer Mittellosigkeit auf die Erhebung von Kosten verzichtet.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.69 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 04.04.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Arbeit; Vollzug; Bewährungs; Bewährungshilfe; Vollzugs; Verwaltungsgericht; Vollzugsform; Vereinbarung; Geldstrafe; Einsatz; Stunden; Entscheid; Solothurn; Verhalten; Verfügung; Kanton; Person; Recht; Einsatzbetrieb; Departement; Folgenden:; Kantons; Mahnung; Betrieb; Tagessätze; Verurteilte; ässig |
Rechtsnorm: | Art. 79a StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.69 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 04.04.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2023.81 |
Titel: | Aufhebung der Vollzugsform gemeinnützige Arbeit |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 4. April 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichter Thomann Gerichtsschreiberin Hasler In Sachen A.___
Beschwerdeführerin
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern,
Beschwerdegegner
betreffend Aufhebung der Vollzugsform gemeinnützige Arbeit zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ (geb. 1978, im Folgenden: Beschwerdeführerin) wurde mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 13. August 2020 wegen Verletzung der Verkehrsregeln, Fahren in fahrunfähigem Zustand (Motorfahrzeug, qualifizierte Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration), Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer) und pflichtwidrigem Verhalten bei Unfall verurteilt zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je CHF 30.00 (insgesamt CHF 3'900.00) und einer Busse von CHF 1'300.00 bei einer Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Tagen.
2. Mit Verfügung vom 26. Oktober 2021 bewilligte die Abteilung Bewährungshilfe des Kantons Solothurn (im Folgenden: Bewährungshilfe) das Gesuch der Beschwerdeführerin um Verbüssung der Geldstrafe in gemeinnütziger Arbeit (im Folgenden: GA). In Ziff. 8 der Verfügung hielt die Bewährungshilfe fest, dass die besondere Vollzugsform gemeinnützige Arbeit nach vorausgegangener Ermahnung abgebrochen werde, wenn die verurteilte Person auf Einladung Aufforderungen der Abteilung Bewährungshilfe nicht reagiere einem Termin unentschuldigt fernbleibe, nicht unpünktlich zur Arbeit erscheine, ungenügende Arbeitsleistungen erbringe, sich gegenüber Mitarbeitenden unanständig verhalte anderweitig zu Klagen Anlass gebe, Alkohol- Drogenmissbrauch vorliege, aufgrund ärztlich attestierter, längerdauernden Arbeitsunfähigkeit die besondere Vollzugsform gemeinnützige Arbeit nicht ausüben könne, während des laufenden Vollzugs der gemeinnützigen Arbeit eine Ersatzfreiheitsstrafe für eine Busse eine Geldstrafe hinzukomme durch das Hinzukommen einer mehrerer weiterer Strafen die maximal zulässige Höchstdauer für die bewilligte gemeinnützige Arbeit überschritten werde. Auf eine vorangehende Mahnung könne bei Dringlichkeit aus wichtigen Gründen verzichtet werden, namentlich wenn der ordnungsgemässe Betrieb des Einsatzbetriebs gefährdet sei, aufgrund des Verhaltens der verurteilten Person ein ordentlicher Abschluss des Vollzugs der gemeinnützigen Arbeit nicht erwartet werden könne.
3. Die Bewährungshilfe delegierte den Fall am 18. November 2021 zum Vollzug an die Bewährungs- und Vollzugsdienste Bern (im Folgenden: BVD), da die Beschwerdeführerin in Bern wohnhaft ist.
4. Mit Schreiben vom 10. November 2022 teilte die BVD mit, dass sich die Beschwerdeführerin nicht an die Vereinbarung gehalten habe. Die BVD habe deshalb den Einsatz nach Gewährung des rechtlichen Gehörs abgebrochen.
5. Daraufhin lud die Bewährungshilfe die Beschwerdeführerin am 16. Dezember 2022 zu einem persönlichen Gespräch ein und entschied, der Beschwerdeführerin nochmals eine Chance bei einem Arbeitgeber im Kanton Solothurn zu geben.
6. Am 12. Januar 2023 teilte [...] mit, dass sie den Arbeitseinsatz der Beschwerdeführerin habe abbrechen müssen, weil diese die Mitarbeitenden bedroht habe.
7. Mit Schreiben vom 18. Januar 2023 gewährte die Vollzugsbehörde der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör.
8. Mit Verfügung vom 2. Februar 2023 brach die Bewährungshilfe die der Beschwerdeführerin gewährte besondere Vollzugsform der GA ab. Von den insgesamt zu leistenden 520 Stunden (130 Tagessätze à 4 Stunden) GA habe die Beschwerdeführerin bereits 80 Stunden (= 20 Tagessätze) geleistet. Diese seien abzuziehen und die Restanz der Geldstrafe in Höhe von CHF 3'300.00 (110 Tagessätze * CHF 30.00) sei zu vollstrecken. Zur Begründung führte die Bewährungshilfe im Wesentlichen aus, dass der letzte Betrieb den GA-Einsatz am 12. Januar 2023 habe abbrechen müssen, da sich die Beschwerdeführerin gegenüber den Mitarbeitenden aggressiv verhalten habe und sich Letztere dadurch bedroht gefühlt hätten. Zudem habe sie am 5. Januar 2023 nur sechs statt der vereinbarten acht Stunden gearbeitet.
9. Gegen die Verfügung vom 2. Februar 2023 erhob die Beschwerdeführerin am 9. Februar 2023 (Posteingang am 13. Februar 2023) Beschwerde an den Rechtsdienst des Departements des Innern des Kantons Solothurn (DdI).
10. Mit Entscheid vom 22. Februar 2023 wies das DdI die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
11. Mit Beschwerde vom 24. Februar 2023 gelangte die Beschwerdeführerin ans Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und beantragte sinngemäss die Überprüfung ihrer geleisteten Arbeitsstunden und die Aufhebung der Verfügungen der Bewährungshilfe vom 2. Februar 2023 und des DdI vom 22. Februar 2023.
II.
1.1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Sofern die Beschwerdeführerin die Überprüfung ihrer geleisteten Arbeitsstunden beantragt, ist darauf nicht einzutreten, zumal es sich um ein neues Begehren handelt, welches nicht vorgebracht werden darf (vgl. § 31bis Abs. 1 und § 68 Abs. 3 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11]). Im Übrigen ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Das Verwaltungsgericht überprüft den angefochtenen Entscheid auf unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie auf Verletzung von kantonalem Bundesrecht. Die Überschreitung der Missbrauch des Ermessens gelten als Rechtsverletzung (vgl. § 67bis Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11]). Weil das Departement in der Sache bereits als zweite Instanz entschieden hat, steht es dem Verwaltungsgericht nicht zu, den Entscheid auf Unangemessenheit hin zu überprüfen (vgl. § 67bis Abs. 2 VRG).
2. Gemäss Art. 79a Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, BGS 311.0) kann auf Gesuch hin in der Form von gemeinnütziger Arbeit u.a. eine Geldstrafe (lit. c) vollzogen werden, sofern nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte flieht weitere Straftaten begeht. Vier Stunden gemeinnütziger Arbeit entsprechen einem Tagessatz Geldstrafe (Abs. 4). Bei der gemeinnützigen Arbeit leistet der Verurteilte unentgeltliche Arbeit zugunsten von sozialen Einrichtungen, Werken im öffentlichen Interesse bedürftiger Personen. Sie bezweckt die Wiedergutmachung zu Gunsten der lokalen Gemeinschaft und die Erhaltung des sozialen Netzes des Verurteilten (Benjamin F. Brägger in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I, 4. Aufl., Basel 2019, N 28 zu Art. 79a StGB). Soweit der Verurteilte die gemeinnützige Arbeit trotz Mahnung nicht entsprechend den von der Vollzugsbehörde festgelegten Bedingungen und Auflagen nicht innert Frist leistet, wird die Freiheitsstrafe im Normalvollzug in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen die Geldstrafe die Busse vollstreckt (Art. 79a Abs. 6 StGB). Gemäss Ziff. 2.4 Bst. A Abs. 2 der Richtlinie des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweizer Kantone betreffend die besonderen Vollzugsformen (gemeinnützige Arbeit, elektronische Überwachung [electronic Monitoring, EM], Halbgefangenschaft vom 24. März 2017 (SSED 12.0) kann auf eine Mahnung bei Dringlichkeit aus wichtigen Gründen verzichtet werden, namentlich wenn der ordnungsgemässe Betrieb des Einsatzbetriebs gefährdet ist aufgrund des Verhaltens der verurteilten Person ein ordentlicher Abschluss des Vollzugs der GA nicht erwartet werden kann. Dabei können auch wiederholte leichte Verstösse einen Abbruch ohne vorausgehende Mahnung rechtfertigen (Ziff. 2.4 der Erläuterungen zur Richtlinie SSED 12.0 [SSED 12.1]).
3. In der Verfügung der Bewährungshilfe vom 26. Oktober 2021 wurden die Auflagen für die Leistung der GA und die Gründe für einen Abbruch hinreichend ausgeführt. Zudem unterzeichnete die Beschwerdeführerin die Vereinbarung «Vereinbarung Gemeinnützige Arbeit (GA)» vom 16. Dezember 2022 sowie am 5. Januar 2023 die Hausordnung der [...]. Sie macht sinngemäss und insbesondere geltend, das ihr vorgeworfene Verhalten sei eine «infame […] Unterstellung […] von Seiten der [...]». Ihr sei unmissverständlich und permanent grosses Misstrauen entgegengebracht worden. Sie habe jeweils von 07:45 Uhr bis 08:00 Uhr vor dem Eingang warten müssen, bis man sie hereingelassen habe. Sodann sei sie gar nicht nur lapidar begrüsst worden. Die Machtverhältnisse seien in stossender Art und Weise missbraucht worden. Die Beschwerdeführerin übt in jedem Schreiben von ihr an die Behörde jeweils neue Kritik sowohl am Betrieb als auch an der Behörde. Sie weist das ihr vorgehaltene Verhalten kategorisch von sich. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin haben weder Hand noch Fuss. Vielmehr ergibt sich aus den Akten, dass sie bereits am 15. Juli 2022 durch die BVD wegen Verstosses gegen die Meldepflicht bzw. wegen unerlaubter Absenzen im Einsatzbetrieb ermahnt werden musste. Ihr wurde angedroht, dass die besondere Vollzugsform widerrufen werde, wenn sie künftig nicht regelmässig zwei Tage pro Woche ihre Stunden leiste. Aus dem Schreiben der BVD vom 2. November 2022 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin behauptet habe, das Arbeitsklima sei äusserst schwierig, weshalb sie darum bete, in einen anderen Einsatzbetrieb versetzt zu werden. Die BVD sei ihrem Anliegen nachgekommen. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin den Einsatzbetrieb mehrmals gewechselt. Die BVD kündigte der Beschwerdeführerin wegen unbegründetem Fernbleiben und Nichteinhalten von Vereinbarungen den Widerruf der besonderen Vollzugsform an. Mit Schreiben vom 10. November 2022 gaben die BVD den Fall der Bewährungshilfe Solothurn zurück. Diese luden die Beschwerdeführerin zu einem Gespräch ein und schlossen mit ihr am 16. Dezember 2022 eine weitere Vereinbarung zur Leistung von GA ab. Bereits am ersten Arbeitstag, 5. Januar 2023, verliess die Beschwerdeführerin bereits nach sechs – anstatt den vereinbarten acht – Stunden den Arbeitsplatz («Vereinbarung Gemeinnützige Arbeit (GA)» vom 16. Dezember 2022; Arbeitskontrolle vom 12. Januar 2023). Aus dem Journal Verfahrensschritte der Bewährungshilfe lässt sich entnehmen, dass das [...] der Bewährungshilfe am 12. Januar 2023 mitteilte, es habe den Arbeitseinsatz mit der Beschwerdeführerin abbrechen müssen, da sie sich gegenüber dem Personal aggressiv und bedrohlich verhalten habe. Aufgrund der Akten kann kein anderer Schluss gezogen werden, als dass sich die Beschwerdeführerin mehrfach nicht an Vereinbarungen hielt und sie mit ihrem Verhalten diverse für die Leistung der GA geltende Regelungen verletzte.
4. Trotz mehrmaligen Entgegenkommen der Behörden nahm die Beschwerdeführerin ihre Chancen nicht wahr und hielt sich wiederholt nicht an die Vereinbarungen. Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwiefern der Entscheid der Bewährungshilfe bzw. der Vorinstanz nicht rechtmässig gewesen wäre.
5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen. Aufgrund der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin und des Gegenstands des Verfahrens (Strafvollzug) ist ausnahmsweise auf die Erhebung von Kosten zu verzichten.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht werden ausnahmsweise keine Kosten erhoben.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Müller Hasler
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