Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.371: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall des Strafvollzugs und der Kostengutsprache entschieden, dass die Beschwerde abgewiesen wird. Ein Gefangener, der eine Ausbildung zum Gebäudereiniger EFZ absolvierte, forderte die Übernahme von Ausbildungskosten, die das Amt für Justizvollzug teilweise bewilligte. Nach weiteren Beschwerden und Verfahren vor Gericht wurden die meisten Kosten abgelehnt, da der Gefangene keine ausreichenden Belege vorlegen konnte. Das Gericht wies auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und verpflichtete den Beschwerdeführer, die Verfahrenskosten von CHF 300.00 zu tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.371 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 05.03.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Ausbildung; Vollzug; Verwaltungsgericht; Arbeit; Gefangene; Entscheid; Beschwerde; Weiterbildung; Vollzug; Zusammenhang; Druck; Gefangenen; Justizvollzug; Freizeit; Vertiefungsarbeit; Briefe; Porto; Druckerpapier; Telefongebühren; Apos; Rechtspflege; Auslagen; Freiheit; Pauschale; Urteil; Departement; Solothurn; Ausgaben; Übernahme |
Rechtsnorm: | Art. 82 StGB ;Art. 83 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Hans, Thomas, Basler Kommentar Strafrecht I, 2019 |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.371 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 05.03.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2024.51 |
Titel: | Strafvollzug / Kostengutsprache |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 5. März 2024 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Obrecht Steiner Gerichtsschreiberin Law In Sachen A.___
Beschwerdeführer
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern,
Beschwerdegegner
betreffend Strafvollzug / Kostengutsprache zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ wurde wegen mehrfachen Mordes, qualifizierten Raubes sowie weiterer Delikte mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 27. Januar 2014 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
2. A.___ liess mit Schreiben vom 24. Juli 2023 dem Amt für Justizvollzug des Kantons Solothurn (AJUV) eine Zusammenstellung diverser Ausgaben in Höhe von CHF 2'945.50, im Zusammenhang mit seiner Ausbildung zum Gebäudereiniger EFZ zukommen und ersuchte um deren Übernahme.
3. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2023 hiess das AJUV das Gesuch teilweise gut und erteilte eine Kostengutsprache in Höhe von CHF 1'050.70.
4. Dagegen erhob A.___ beim Departement des Innern (DDI) Beschwerde und verlangte die vollumfängliche Übernahme der Ausbildungskosten. Mit Entscheid vom 17. November 2023 wies das DDI die Beschwerde ab.
5. Gegen den Entscheid des DDI erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 26. November 2023 Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangte sinngemäss die Aufhebung des Entscheids des DDI. Ferner ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
6. Mit Vernehmlassung vom 29. November 2023 sowie 19. Dezember 2023 schlossen das DDI und das AJUV auf Abweisung der Beschwerde.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 36 Abs. 2 des Justizvollzugsgesetzes [JUVG, BGS 331.11] i.V.m. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.1 Gemäss Art. 82 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) ist einem Gefangenen bei Eignung nach Möglichkeit Gelegenheit zu einer seiner Fähigkeiten entsprechenden Aus- und Weiterbildung zu geben. Sofern die Möglichkeit gegeben ist, wird die Aus- und Weiterbildung durch die Verbindung mit Art. 83 Abs. 3 StGB der Arbeit gleichgestellt (vgl. Baechtold Andrea/Weber Jonas/Hostettler Ueli, Strafvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2016, Teil II. Kap. 5 Rz. 95). Bedingung für das Bestehen eines Anspruchs auf Aus- bzw. Weiterbildung ist demnach insbesondere, dass in der jeweiligen Vollzugsanstalt die faktischen Gegebenheiten für eine Berufsbildung vorliegen, sprich, ob überhaupt ein anstaltseigenes Angebot an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten besteht (vgl. Noll Thomas, in: Niggli Marcel Alexander/Wiprächtiger Hans [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I, Art. 1-136 StGB, 4. Aufl., Basel 2019, N 3 ff. zu Art. 82 StGB). Sofern aufgrund nicht ausreichender anstaltsinterner Ausbildungsangebote externe Schul- bzw. Kursbesuche Fernkurse erforderlich werden, vertritt die Lehre die Ansicht, dass auch die diesbezüglich anfallenden Kosten – sofern die Aus- Weiterbildung im Vollzugsplan vorgesehen ist – nicht durch den Gefangenen zu tragen sind (vgl. Noll Thomas, a.a.O., N 7 zu Art. 82 StGB). Durch den in der zitierten Kommentarstelle erwähnten Verweis auf Art. 83 StGB wird jedoch verdeutlicht, dass sich die betreffende Lehrmeinung lediglich auf den Fall bezieht, in welchem die Ausbildung anstelle der üblichen Arbeit eines Teils davon absolviert und dem Gefangenen dafür eine angemessene Vergütung ausgerichtet wird (vgl. Noll Thomas, a.a.O., N 27 zu Art. 83 StGB).
2.2 Als Vollzugskosten gelten jene Kosten, welche direkt im Zusammenhang mit dem Justizvollzug stehen (§ 36bis Abs. 1 JUVG). Dazu zählen gemäss § 36bis Abs. 1 lit. b JUVG insbesondere Aufwände für interne Aus- und Weiterbildungen. Von den Vollzugskosten abzugrenzen sind hingegen jene Kosten, welche keinen direkten Zusammenhang mit dem Justizvollzug aufweisen (§ 36ter Abs. 1 JUVG). Unter die persönlichen Auslagen fällt insbesondere der Aufwand resp. die Kosten für eine externe Weiterbildung (§ 36ter Abs. 1 lit. k JUVG). Persönliche Auslagen sind durch die Gefangenen selber zu tragen (§ 37bis Abs. 1 JUVG). Im Kanton Solothurn trägt das AJUV die Vollzugskosten der bei Erwachsenen von Solothurner Strafbehörden ausgesprochenen Strafen und Massnahmen (§ 37 Abs. 1 lit. a JUVG i.V.m. § 45 Abs. 1 lit. a Verordnung über den Justizvollzug [JUVV, BGS 331.12]). Im interkantonalen Bereich richtet sich die Übernahme der Vollzugskosten schliesslich nach den Bestimmungen des Konkordats der Nordwest- und Innerschweiz über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 5. Mai 2006 (§ 37 Abs. 2 JUVG). Gemäss Ziff. 4 Abs. 3 der Richtlinie des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz für das Arbeitsentgelt (Pekulium) vom 5. Mai 2006 (SSED 17.0) erhalten Gefangene, die anstelle der Arbeit an einem von der Vollzugsinstitution bewilligten Fort- und Weiterbildungsprogramm teilnehmen, eine Entschädigung, die dem Durchschnitt der Entschädigungshöhe aller in der Anstalt eingewiesenen Gefangenen entspricht das letztmals erzielte Arbeitsentgelt. Die Lernzeit hat dabei mindestens der Arbeitszeit zu entsprechen und die Gefangenen haben den Lern- und Prüfungserfolg zu dokumentieren. Gemäss herrschender Lehre und bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es bei der Aus- Weiterbildung von Gefangenen jedoch in gewissem Umfang – sofern eine Ausbildung zu gewissen Teilen in Form des Selbststudiums erfolgt – zulässig, diese dem Freizeitbereich zuzuweisen, auch wenn sie Bestandteil des Vollzugsplans bildet. So müssen etwa gewöhnliche Lehrlinge in Freiheit ebenfalls einen Teil ihrer Freizeit dem theoretischen Studium opfern. Vor dem Hintergrund, dass Arbeitstage intramural bedeutend kürzer ausfallen als in Freiheit, muss in konsequenter Auslegung des Äquivalenzprinzips gemäss Art. 75 Abs. 1 StGB geschlossen werden, dass auch Gefangene einen Teil der Ausbildung während ihrer Freizeit absolvieren müssen und somit für diesen Zeitraum keine Entschädigung erhalten (vgl. Noll Thomas, a.a.O., N 2a zu Art. 82 StGB).
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er jeweils die Nachmittage für die Ausbildung zum Gebäudereiniger EFZ habe aufwenden dürfen. Daraus resultiere eine Kostenübernahmepflicht des Straf- und Massnahmenvollzugs. Zumal sämtliche Korrespondenzen postalisch erfolgen müssten und das digitale Versenden der Vertiefungsarbeit nicht möglich sei, verursache dies deutlich höhere Kosten. Des Weiteren würden Gefangene im geschlossenen Strafvollzug nicht gleich behandelt werden wie Lernende des AJV (recte: AJUV), was verfassungswidrig sei.
3.2 Das DDI führt aus, dass bereits im Departementalentscheid vom 13. Dezember 2021 ausführlich begründet worden sei, unter welchen Umständen Ausbildungskosten übernommen werden. Der Beschwerdeführer müsse den Nachweis eines konkreten Zusammenhangs zwischen den geltend gemachten Kosten und seiner Ausbildung belegen. Darauf sei er bereits mit Entscheid vom 13. Dezember 2021 hingewiesen worden. Infolge dessen der Beschwerdeführer einen Rechtsanwalt mit der Einforderung entsprechender Unterlagen bei der JVA Lenzburg beauftragt hätte, habe das AJUV in der Folge die Übernahme der belegten Auslagen, sofern sie mit der Ausbildung zusammenhängen würden, bewilligt.
3.3 Das AJUV wies Ausbildungskosten des Beschwerdeführers von insgesamt CHF 1'893.80 ab, welche sich wie folgt zusammensetzen:
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die Nachmittage für seine Ausbildung zum Gebäudereiniger EFZ aufwenden durfte. Im vorliegenden Fall sind alleinig die vom Beschwerdeführer geltend gemachten finanziellen Aufwendungen in Höhe von CHF 2'945.50 im Zusammenhang mit seiner Ausbildung strittig. Obschon der Beschwerdeführer bereits mit Entscheid des DDI vom 13. Dezember 2021 auf die Notwendigkeit eines Nachweises seiner Ausgaben hingewiesen wurde, konnte er auch im Verfahren vor Verwaltungsgericht keine Belege zu den Pauschalausgaben für Briefe, Porto, Druckerpapier, Telefongebühren, usw., zu den Akten reichen. Dadurch kommt er wiederum seiner Mitwirkungspflicht nach § 26 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) nicht nach. Zumal durch die fehlenden Belege nicht erstellt werden kann, dass sämtliche vom Beschwerdeführer pauschal angegebenen Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Ausbildung stehen, muss der Auffassung des DDI gefolgt werden, als diese Ausgaben nicht zu vergüten sind. Der Beschwerdeführer konnte in seiner Beschwerdeschrift denn auch nicht in Abrede stellen, dass er seine Vertiefungsarbeit für den Abschluss der Ausbildung nicht 13-mal hätte drucken lassen müssen. Naheliegend ist die Auffassung, dass erfahrungsgemäss eine schriftliche Arbeit in zwei- bis dreifacher Ausfertigung einzureichen ist und für den persönlichen Gebrauch zwei Exemplare gedruckt werden können. Das AJUV hat entgegenkommenderweise acht Exemplare der Vertiefungsarbeit entschädigt, was nicht zu beanstanden ist. Somit war auch der Nachdruck der Vertiefungsarbeit im vorliegenden Fall nicht nötig, zumal gemäss AJUV dieser Druck nach dem Abgabetermin der Arbeit erfolgt ist und somit ein Zusammenhang mit der Ausbildung fehlt. Diese Annahme konnte der Beschwerdeführer auch nicht widerlegen. Der Druck der Lernkarten steht zwar im Zusammenhang mit der Ausbildung, ist allerdings dem Freizeitbereich zuzuordnen und demzufolge nicht zu entschädigen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass das AJUV ihre Annahmen lediglich auf die Erfahrungswerte von Lernenden des AJUV stützt, was verfassungswidrig sei, erschliesst sich nicht. Bei sämtlichen Ausbildungen, egal ob in Haft in Freiheit, ist es üblich, nur so viele Exemplare der Arbeit drucken zu lassen, um damit die Ausbilder resp. Betreuungspersonen der Lehrlinge zu bedienen. Falls die Kritik des Beschwerdeführers auf die unterschiedliche Behandlung zwischen ihm und den Lernenden des AJUV betreffend die Freizeit abzielt, ist festzuhalten, dass sowohl inhaftierte Lehrlinge als auch solche in Freiheit für das Selbststudium ihre Freizeit aufopfern müssen (vgl. u.a. Urteil des Bundesgerichts 6B_203/2011 vom 26. April 2011, E. 4). Somit werden alle Lehrlinge gleich behandelt, womit der Vorwurf des verfassungswidrigen Missstandes wiederum unberechtigt ist.
4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen.
5.1 Der Beschwerdeführer hat die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangt. Gemäss § 39ter i.V.m. § 76 Abs. 1 VRG kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel für die Prozessführung verfügt, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangen, wenn der Prozess nicht als aussichtslos mutwillig erscheint. Bereits im Jahr 2021 ersuchte der Beschwerdeführer um Kostenübernahme diverser Auslagen seiner Ausbildung. Aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer bereits damals keine Belege für die Ausgaben vorbringen konnte, wurde sein Begehren vom DDI abgewiesen. Er befand sich somit im Wissen um die Wichtigkeit allfälliger Belege, um seine Auslagen nachweisen zu können. Nichtsdestotrotz konnte er diese im vorliegenden Verfahren sowie im Vorverfahren erneut nicht vorlegen. Der Prozess vor Verwaltungsgericht war somit aussichtslos, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abgewiesen wird.
5.2 Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 300.00 festzusetzen sind.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 3. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 300.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Law |
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