Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.353 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 05.04.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn hat im Fall von A.___ gegen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Solothurn und B.___ entschieden. Es ging um Kindesschutzmassnahmen bezüglich der gemeinsamen Tochter. Die KESB hatte das Besuchsrecht des Vaters in drei Phasen neu geregelt, was von der Kindsmutter angefochten wurde. Es gab Vorfälle, die die Kindsmutter besorgt machten, und der Kindsvater äusserte sich nicht dazu. Das Verwaltungsgericht hob Teile des KESB-Entscheids auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Die Kosten des Verfahrens trägt der Staat, und der Kindsmutter wird eine Parteientschädigung zugesprochen. |
Schlagwörter: | Besuch; Kindsvater; Entscheid; Besuchsrecht; Richt; Tochter; Kindsmutter; Beiständin; Phase; Woche; Verwaltungsgericht; Solothurn; Kindsvaters; Recht; Wochen; Kindes; Vater; Kindseltern; Akten; Übergabe; Mittwoch; Beschwerde; Antrag; Fachperson; Wohnsituation; Besuchsrechts; Folgenden: |
Rechtsnorm: | Art. 296 ZPO ; Art. 446 ZGB ; Art. 450a ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Thomas Geiser, Lorenz Droese, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1900 |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.353 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 05.04.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2024.74 |
Titel: | Kindesschutzmassnahmen |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 5. April 2024 Es wirken mit: Oberrichterin Obrecht Steiner Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Hasler
In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Nicole Allemann,
Beschwerdeführerin
gegen
1. KESB Region Solothurn,
Beschwerdegegner
betreffend Kindesschutzmassnahmen zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ (im Folgenden: Mutter Kindsmutter) und B.___ (im Folgenden: Vater Kindsvater) sind die geschiedenen Eltern von C.___ (im Folgenden: Tochter), geb. [...] 2015. Mit Urteil des Richteramtes Solothurn-Lebern betreffend Abänderung Eheschutzmassnahmen wurde für die Tochter eine Erziehungsbeistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) errichtet. Mit Scheidungsurteil des Richteramtes Solothurn-Lebern vom 17. Dezember 2019 wurde die Tochter unter der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen und unter die alleinige Obhut der Mutter gestellt.
2. Mit Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Solothurn (im Folgenden: KESB) vom 5. Oktober 2021 wurde u.a. das Besuchsrecht des Vaters (erneut) angepasst. Der Kindsvater erhielt das Recht, die Tochter jedes erste und dritte Wochenende im Monat am Samstag bzw. jedes zweite und vierte Wochenende im Monat am Sonntag von jeweils 11 Uhr bis 17 Uhr sowie jeden Mittwoch von 12 Uhr bis 18 Uhr zu sich auf Besuch zu nehmen. Zudem wurden begleitete Besuchsübergaben angeordnet. Weiter wurden die Kindseltern im Sinne von Art. 307 Abs. 3 ZGB angewiesen, eine sozialpädagogische Familienbegleitung (im Folgenden: spF) durch die Fachstelle [...] in Anspruch zu nehmen. Seit Errichtung der Beistandschaft hat die Beistandsperson mehrmals gewechselt, deren Aufgaben wurden mehrmals angepasst und auch das Besuchsrecht des Kindsvaters wurde mehrmals geändert.
3. Mit Schreiben vom 1. November 2022 stellte der Kindsvater Antrag auf Wechsel der Beistandsperson, woraufhin die KESB ein entsprechendes Verfahren eröffnete. Die aktuell eingesetzte Beiständin nahm mit Schreiben vom 24. November 2022 bzw. 16. Dezember 2022 Stellung und beantragte die Anpassung der Weisung nach Art. 307 Abs. 3 ZGB (Weisung, eine spF in Anspruch zu nehmen). Mit Schreiben vom 25. Februar 2023 beantragte die Kindsmutter die Neuregelung des persönlichen Verkehrs. In der Anhörung durch die KESB vom 14. August 2023 führte der Kindsvater aus, dass es sich beim Antrag auf Beistandswechsel um ein Missverständnis gehandelt habe und er die Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachperson der sozialpädagogischen Familienbegleitung kritisiere und nicht primär die Zusammenarbeit mit der Beiständin.
4. Mit Entscheid vom 12. Oktober 2023 schrieb die KESB den Antrag des Kindsvaters vom 1. November 2022 auf Wechsel der Beistandsperson als gegenstandslos ab (Ziff. 3.1) und regelte das Besuchsrecht des Vaters neu (Ziff. 3.2). Die KESB teilte das Besuchsrecht in drei Phasen ein und sah von begleiteten Besuchsübergaben ab. Für die Dauer der ersten Phase wurde der Kindsvater insbesondere für berechtigt erklärt, die Tochter an jedem Mittwoch von 12 Uhr bis 18 Uhr und alle zwei Wochen jeweils samstags von 9 Uhr bis 17 Uhr und sonntags von 9 Uhr bis 17 Uhr zu betreuen. Weiter hob die KESB die Weisung an die Kindseltern, eine spF durch die Fachstelle [...] in Anspruch zu nehmen, auf (Ziff. 3.3). Ferner wies die KESB den Kindsvater an, der Beiständin einer geeigneten Fachperson regelmässig Einblick in seine Wohnsituation zu geben (Ziff. 3.4). Schliesslich passte die KESB die Aufgaben der Beiständin an (Ziff. 3.5 und 3.6).
5. Am 8. November 2023 erhob die Kindsmutter (im Folgenden: Beschwerdeführerin) Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn gegen den Entscheid der KESB vom 12. Oktober 2023. Die Beschwerdeführerin stellte sinngemäss mehrere Anträge (Überprüfung der elterlichen Kompetenz; Anpassung Besuchsrecht; Anweisung an Vater, sich regelmässigen Urintests zu unterziehen; Übergaben des Kindes durch eine Fachperson an einem neutralen Ort; Weisung, der Kindsvater habe der Beiständin bzw. einer geeigneten Fachperson Einblick in seine Wohnsituation zu geben, sei zu konkretisieren bzw. präzisieren; Erlass von Sanktionen gegenüber dem Vater aufgrund der von ihm gegenüber der Kindsmutter [auch in Anwesenheit der Tochter] geäusserten Beleidigungen).
6. Am 22. Januar 2024 ging beim Verwaltungsgericht die Stellungnahme der stellvertretenden Beiständin vom 18. Januar 2024 ein. Sie stellte in Aussicht, sowohl den Eltern als auch der KESB einen detaillierten Besuchsplan, der ab 27. Januar 2024 gelten solle, zu unterbreiten. Die erste Phase des Besuchsrechts gemäss angefochtenem Entscheid habe aus verschiedenen Gründen noch nicht vollständig realisiert werden können.
7. Mit Schreiben vom 5. Februar 2024 reichte die Beschwerdeführerin erneut eine Eingabe inklusiv Beilagen ein und beantragte, ihr die Frist zur Einreichung von letzten Bemerkungen zu verlängern, da sie Rechtsanwältin Nicole Allemann eingeschaltet habe.
8. Mit Eingabe vom 23. Februar 2024 stellte Rechtsanwältin Nicole Allemann im Namen und Auftrag der Beschwerdeführerin insbesondere das folgende Rechtsbegehren:
1. Es sei der Entscheid der KESB Region Solothurn vom 12. Oktober 2023 in Ziff. 3.2 bezüglich der 1. Phase wie folgt abzuändern: 1. Phase a: - an jedem Mittwoch von 12 Uhr bis 18 Uhr, wobei die Übergabe zwischen den Kindseltern begleitet wird - alle zwei Wochen jeweils sonntags von 11 Uhr bis 17 Uhr begleitet - in geraden Jahren an Weihnachten jeweils am 24. Dezember von 9 bis 17 Uhr sofern C.___ dann noch Schule hat, jeweils am 25. Dezember von 9 Uhr bis 17 Uhr; in ungeraden Jahren am 31. Dezember jeweils von 11 Uhr bis 19 Uhr. 1. Phase b: - an jedem Mittwoch von 12 bis 18 Uhr, wobei die Übergabe zwischen den Kindseltern begleitet wird - alle zwei Wochen jeweils sonntags von 9 Uhr bis 17 Uhr wobei die Übergabe zwischen den Kindseltern begleitet wird - in geraden Jahren an Weihnachten jeweils am 24. Dezember von 9 bis 17 Uhr sofern C.___ dann noch Schule hat, jeweils am 25. Dezember von 9 Uhr bis 17; in ungeraden Jahren am 31. Dezember jeweils von 11 Uhr bis 19 Uhr. 1. Phase c: - an jedem Mittwoch von 12 Uhr bis 18 Uhr - alle zwei Wochen jeweils sonntags von 9 Uhr bis 17 Uhr - in geraden Jahren an Weihnachten jeweils am 24. Dezember von 9 bis 17 Uhr sofern C.___ dann noch Schule hat, jeweils am 25. Dezember von 9 Uhr bis 17 Uhr; in ungeraden Jahren am 31. Dezember jeweils von 11 Uhr bis 19 Uhr. Phasen 2 und 3 seien aufzuheben.
9. Der Kindsvater liess sich – trotz Gelegenheit – während des ganzen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht nicht vernehmen.
10. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Die KESB teilte im Entscheid vom 12. Oktober 2023 das Besuchsrecht des Vaters in drei Phasen ein. Die erste Phase gelte solange, bis die Wohnsituation des Kindsvaters von Fachpersonen als kindgerecht eingestuft werde (was zurzeit unbestrittenermassen noch nicht der Fall ist). In der ersten Phase habe der Vater insbesondere das Recht, die Tochter jeden Mittwoch von 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr und alle zwei Wochen jeweils samstags von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr und sonntags von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr zu betreuen. Die KESB begründete ihren Entscheid damit, dass die Kindseltern mit der Neuregelung des Besuchsrechts grundsätzlich einverstanden seien. Die Kindsmutter habe am 25. Februar 2023 beantragt, es sei dem Vater das Recht einzuräumen, die Tochter jedes zweite Wochenende am Samstag von 11 bis 17 Uhr und am Sonntag von 11 bis 17 Uhr zu sich zu Besuch zu nehmen. Denn mit der ab Entscheid vom 5. Oktober 2021 geltenden Regelung (Besuchsrecht jedes Wochenende einen Tag und alternierend mal samstags und mal sonntags) sei sie jedes Wochenende an einen Aufenthalt in Solothurn gebunden, was nicht praktikabel sei. Sodann habe sie sich am 14. Juli 2023 dafür ausgesprochen, dem Kindsvater mehr Besuchszeit (acht anstatt sechs Stunden) einzuräumen, damit er Tagesaktivitäten mit seiner Tochter unternehmen könne. Die KESB ist damit mit ihrem Entscheid – nach Würdigung des Schreibens der Beiständin, der Familienbegleiterin Fachstelle [...], der Anhörung der Kindseltern und der Tochter, der Aussagen der Spitex sowie des Hausarztes des Kindsvaters – den Anträgen der Kindsmutter gefolgt. Zur Aufhebung der angeordneten begleiteten Übergaben führte die KESB im Wesentlichen aus, dass jene aus behördlicher Sicht nicht mehr angezeigt seien. Die spF habe die Eltern und die Tochter nun mittlerweile zwei Jahre begleiten und ihnen anlässlich der Übergaben Bewältigungsstrategien mit auf den Weg geben können.
3.1 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Entscheid der KESB vom 12. Oktober 2023 – da er mit Beschwerde angefochten und die aufschiebende Wirkung von keiner Instanz entzogen wurde – nicht vollstreckbar ist (Art. 450c Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB, SR 210]). Daher gelten immer noch die Anordnungen im Entscheid vom 5. Oktober 2021. Nichtsdestotrotz wurde bereits versucht, den Entscheid vom 12. Oktober 2023 umzusetzen, was aber offenbar nicht funktioniert hat. Die KESB hat mit ihrem Entscheid vom 12. Oktober 2023 gemäss Antrag der Kindsmutter die Besuchszeit des Kindsvaters ausgeweitet und unbegleitete Übergaben vorgesehen. Nun beantragt die Kindsmutter ein noch einschränkenderes Besuchsrecht, als dies im Entscheid vom 5. Oktober 2021 vorgesehen ist.
3.2 Mit der Beschwerde können im Sinne von § 67bis VRG i.V.m. den Art. 450-450c ZGB eine Rechtsverletzung, die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes, Unangemessenheit sowie Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gerügt werden (vgl. Art. 450a ZGB). Es kommen – da Kinderbelange zu beurteilen sind – die Untersuchungs- und die Offizialmaxime zum Tragen (Art. 446 Abs. 1 ZGB sowie Art. 296 Abs. 1 und 3 ZPO und Urteil des BGer 5A_528/2015 vom 21. Januar 2016, E. 2). Mithin ist die Beschwerdeinstanz grundsätzlich befugt, ohne Bindung an die Parteianträge und deren Vorbringen nochmals neu zu entscheiden (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LZ190008-O/U, E. 3.3).
3.3.1 Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ist gehalten, den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen (Art. 446 Abs. 1 ZGB). Sie zieht die erforderlichen Erkundigungen ein und erhebt die notwendigen Beweise (Abs. 2). Die richtige und vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts hat nach dem uneingeschränkten Untersuchungsgrundsatz zu erfolgen (Lorenz Droese / Daniel Steck in: Thomas Geiser / Christina Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2018, Art. 450a N 12).
3.3.2 Die KESB hob die begleiteten Übergaben der Tochter auf, obwohl die Beiständin mit Schreiben vom 23. März 2023 ausführte, dass sich die Frage stelle, ob die Betreuungszeit des Vaters Teile davon in einem anderen Rahmen begleitet werden sollten, da der Kindsvater seine Betreuungszeit nicht durch die spF begleiten lassen wolle und er aufgrund des Zustands seiner Wohnung auch keine Besuche zu Hause durchführe. Auch die Fachstelle [...] empfahl anlässlich der Standortbestimmung vom 4. April 2023, die Unterstützung durch die Familienbegleiterin bei den Übergängen zwischen den Eltern beizubehalten. Die KESB erweiterte die Besuchszeiten des Kindsvaters gestützt auf die Anträge der Kindsmutter und mit der Begründung, die Suchtproblematik des Kindsvaters scheine sich jedenfalls in jüngerer Vergangenheit nicht auf das Besuchsrecht ausgewirkt zu haben. So sei der KESB nicht bekannt, dass es jüngst zu Vorfällen gekommen wäre. Die KESB erweiterte die Besuchszeit auf acht Stunden, obwohl die Wohnsituation des Kindsvaters nicht als kindsgerecht eingestuft wurde. Insbesondere im Winter acht Stunden mit der Tochter ausserhalb der Wohnung zu verbringen, kann eine Herausforderung darstellen. Der Entscheid der KESB scheint sich hauptsächlich darauf abzustützen, dass sich die Parteien angeblich einig gewesen seien mit der neuen Regelung der Besuchszeiten. Allerdings teilte die Familienbegleiterin der Fachstelle [...] der KESB bereits am 9. August 2023 mit, dass einvernehmliche Anpassungen umgehend zu Konflikten führen würden, weshalb darauf verzichtet worden sei. Auch die übrige Aktenlage erscheint zu wenig berücksichtigt worden sein, wie im Folgenden aufgezeigt wird. Zudem fiel die tatsächliche Begründung betreffend die Besuchsrechtsregelung inkl. Aufhebung der Begleitung äusserst knapp aus.
3.3.3 Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde, da es nach dem Entscheid der KESB vom 12. Oktober 2023 zu zwei Vorfällen, am 15. Oktober 2023 und am 4. November 2023, gekommen sei. Was genau passiert ist, lässt sich anhand der Akten nur ansatzweise eruieren. Die Beschwerdeführerin gab in ihrer Beschwerde an, der Kindsvater sei am 15. Oktober 2023 in einem stark alkoholisierten Zustand zusammen mit der Tochter im Schwimmbad in Zuchwil gewesen. Er habe eine Türe zur Sauna eingetreten und sei sodann vom Bademeister zusammen mit der Tochter aus dem Schwimmbad verwiesen worden. Der Bademeister habe den Vater mehrmals gefragt, ob er betrunken sei. Immerhin liegt diesbezüglich eine E-Mail des Sportzentrums Zuchwil vor, welches den Vorfall bestätigt (E-Mail vom 29. Januar 2024). Des Weiteren habe der Kindsvater der Kindsmutter am Abend zuvor eine verwirrende Nachricht auf der Combox hinterlassen. Die Sprache sei undeutlich und schwer verständlich gewesen. In einem Schreiben vom 1. Februar 2024 schilderte die Nachbarin ihre eigenen Beobachtungen zu den Vorfällen. Das Schreiben scheint neutral formuliert zu sein. Am 15. Oktober 2023 habe der Kindsvater die Tochter früher zurückgebracht als vereinbart. Die Tochter habe verstört gewirkt und der Kindsvater habe sehr undeutlich gesprochen, so dass die Nachbarin den Kindsvater gar nicht habe verstehen können. Am 4. November 2023 habe der Kindsvater den Hund der Kindsmutter sehen wollen. Er sei durch den Garten der Nachbarin gegangen und habe grosse Mühe gehabt, das Gartentürchen zu öffnen. Als er gesehen habe, dass der Hund in der Hütte Kot verloren habe, habe er angefangen, den Hund und die Hütte zu putzen, ohne vorher nachgefragt zu haben. Er sei aggressiv gewesen, die Nachbarin habe sich von ihm (verbal) angegriffen gefühlt. Seine Stimme und die Wörter hätten sich überschlagen und seine Aussprache sei sehr undeutlich gewesen.
3.3.4 Der Kindsvater hatte Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äussern, was er nicht getan hat. Wohl kam es demnach zu den von der Beschwerdeführerin beschriebenen Vorfällen, zumal der Kindsvater dies nicht bestreitet. Insbesondere die Suchtproblematik des Kindsvaters stellt weiterhin ein Problem dar, das bei der Festlegung des Besuchsrechts mitberücksichtigt werden muss. Sinnvoll erscheint die Regelung, wonach dem Kindsvater ein Besuchsrecht (nebst mittwochs von 12 bis 18 Uhr; gemäss Schreiben der stellvertretenden Beiständin ans Verwaltungsgericht vom 18. Januar 2024 sei das Besuchsrecht am Mittwoch eingespielt) alle zwei Wochen zusteht. Diese Regelung wurde offenbar bereits so gelebt. Wie das Besuchsrecht an den Wochenenden ausgeübt werden soll, hat die KESB abzuklären. Sehr fraglich scheint aber, ob ein Besuchsrecht von acht Stunden an zwei darauffolgenden Tagen ohne über eine kindsgerechte Wohnsituation zu verfügen, im Sinne des Kindeswohls sein kann. Weiter hat die KESB abzuklären, in welchem Rahmen die Besuche und / die Übergaben der Tochter begleitet werden sollen. Dass eine Begleitung notwendig ist, zeigte die Beiständin bereits mit Schreiben vom 23. März 2023 auf. Auch bestätigte dies die stellvertretende Beiständin, indem sie mit Schreiben ans Verwaltungsgericht vom 18. Januar 2024 mitteilte, die 1. Phase habe aus verschiedenen Gründen noch nicht vollständig realisiert werden können. Ab dem 27. Januar 2024 seien gemäss Besuchsplan begleitete Besuche jeweils sonntags von 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr vorgesehen, je alternierend alle 14 Tage mal in Solothurn und mal in Olten. Die stellvertretende Beiständin begründete zwar ihre Aussage – aus verschiedenen Gründen habe die 1. Phase nicht vollständig realisiert werden können – nicht. Allerdings sind solche Unklarheiten nicht in einem Beschwerdeverfahren zu klären. In den Akten sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich die gesundheitliche Situation des Kindsvaters seit dem IV-Gutachten der MEDAS vom 2. April 2022 erheblich verändert hätte. Weshalb das Gutachten im Entscheid der KESB vom 12. Oktober 2023 nicht berücksichtigt wurde, ist unklar. Beim Kindsvater wurde anlässlich dieses polydisziplinären Gutachtens eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, schwergradig, mit narzisstischen, paranoiden und emotional instabilen Anteilen mit hoher Impulsivität, Alkoholabhängigkeit und Benzodiazepinabhängigkeit diagnostiziert. Ausserdem ergibt sich aus S. 7 des Gutachtens (Dokument 113.1) – wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 23. Februar 2024 zurecht bemerkte – dass der Kindsvater keinen geregelten Tagesablauf habe und dass die Einhaltung von Terminen für ihn schwierig sei. Das Gutachten beschreibt ein externalisierendes Verhalten des Kindsvaters mit wenig Übernahme von Verantwortung und Selbstvernachlässigung und auch Vernachlässigung der Wohnung und der Tochter (S. 6 des IV-Dokuments 113.2). Übernachtungen scheinen auch in naher Zukunft gestützt auf das Gutachten kaum umsetzbar zu sein. Dies weiss denn auch der Kindsvater selbst, was sich der Aktennotiz betreffend Telefongespräch zwischen der KESB und der Spitex des Kindsvaters vom 19. September 2023 entnehmen lässt. Der Kindsvater habe erklärt, dass es ihm bewusst sei, dass Übernachtungen derzeit kein Thema seien. Soweit aktenkundig hat sich die Situation seit letzten Herbst nicht verändert. In der E-Mail vom 7. September 2023 führte Dr. […] aus, die hohen Dosen an sedierenden Medikamenten, die der Kindsvater einnehme, führten zusammen mit den kognitiven Einschränkungen zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Alltagsgestaltung mit Momenten der Selbstgefährdung. Das Schreiben von Dr. […] fand zwar Eingang in den angefochtenen Entscheid der KESB, hingegen wurde die für das Kindswohl relevante Aussage (deutliche Beeinträchtigung der Alltagsgestaltung mit Momenten der Selbstgefährdung) nicht berücksichtigt. Angeblich fand im November 2023 – nach Erlass des angefochtenen Entscheids – eine Standortbestimmung statt. Die KESB wurde vom Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 10. November 2023 ersucht, eine Stellungnahme und die Akten einzureichen sowie mitzuteilen, ob weitergehende Kindesschutzmassnahmen anzuordnen sind. Mit Schreiben vom 30. November 2023 verwies die KESB auf ihren begründeten Entscheid und teilte mit, dass ihr zum jetzigen Zeitpunkt bis auf die Meldung der Kindsmutter keine bestätigten Anhaltspunkte für eine Anpassung der bestehenden Kindesschutzmassnahmen für die Tochter bekannt seien. Dass im November 2023 noch eine Standortbestimmung stattgefunden hat, wird nicht thematisiert. Die Überprüfung der Akten ergab, dass der angefochtene Entscheid der KESB vom 12. Oktober 2023 v.a. auf dem Einvernehmen der Kindseltern basiert und die weiteren Akten kaum Eingang in die Entscheidfindung fanden. Die KESB hat einen neuen Entscheid zu fällen und das Besuchsrecht neu festzulegen.
3.4 Der Antrag der Kindsmutter – die Weisung, der Kindsvater habe der Beiständin bzw. einer geeigneten Fachperson Einblick in seine Wohnsituation zu geben, sei zu konkretisieren bzw. präzisieren – ist abzuweisen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese Weisung (Ziff. 3.4 des Entscheids der KESB) für die Beiständin eine sonstige Fachperson nicht ausreichen würde, um beurteilen zu können, ob die Wohnsituation des Kindsvaters kindsgerecht ist eben nicht. Die restlichen Ziffern des Entscheids der KESB (Ziff. 3.1, 3.3, 3.5 bis 3.10) wurden nicht angefochten und bleiben bestehen.
3.5 Wichtig bleibt zu erwähnen, dass die Festlegung des Besuchsrechts nicht (allein) von den Launen der Kindseltern bzw. auch nicht alleine von der Kindsmutter abhängen darf. Die Kindsmutter scheint ihre Meinung zum Besuchsrecht immer wieder zu ändern und stellt dann der KESB entsprechend Antrag zur Anpassung des Besuchsrechts. Auch wenn klar ist, dass einvernehmliche Lösungen für die Parteien besser sind als behördlich angeordnete, zeigte sich vorliegend, dass behördlich festgelegte zu weniger Konflikten führen. Die Wünsche und Bedürfnisse der Kindseltern sind zwar zu berücksichtigen, im Vordergrund hat aber das Kindswohl zu stehen. Dieses muss insbesondere gestützt auf die Akten gewährleistet sein. Ein zukünftiger Ausbau des Besuchsrechts soll weiterhin in weiteren Phasen vorgesehen werden.
3.6 Schliesslich hat die KESB die restlichen von der Kindsmutter in ihrer Beschwerde ausgeführten Vorbringen (insbesondere Überprüfung elterliche Kompetenz), zu prüfen. Die Kindsmutter hat der KESB ihre Vorbringen darzulegen und zu begründen. Nur der Vollständigkeit halber ist aber anzufügen, dass (allfällige) Beleidigungen vom Kindsvater gegenüber der Kindsmutter nicht in einem Verfahren betreffend Kindesschutzmassnahmen sanktioniert werden können.
4. Hebt die Verwaltungsgerichtsbehörde den Entscheid die Verfügung auf, so entscheidet sie selber in der Sache. Ausnahmsweise kann sie die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen (§ 72 Abs. 1 VRG). Der Beschwerdeinstanz ist es nicht möglich, das Besuchsrecht anhand der vorliegenden Akten festzulegen, weshalb die Sache an die Vorinstanz im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen wird. Die Beschwerde wird gutgeheissen: Ziffer 3.2 des Entscheides der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Solothurn vom 12. Oktober 2023 wird aufgehoben und der KESB im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. Weiter hat die KESB die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde im neuen Entscheid zu berücksichtigen.
5. Bis zur Fällung des neuen Entscheids durch die KESB gilt das von der Beiständin in ihrem Besuchsplan vorgeschlagene bzw. bereits ab 27. Januar 2024 umgesetzte Besuchsrecht (mittwochs von 12 Uhr bis 18 Uhr und jede zweite Woche begleitete Besuchssonntage von 11 Uhr bis 17 Uhr).
6. Die Beschwerdeführerin stellte zwar keinen (Eventual-)Antrag auf Rückweisung an die Vorinstanz, doch aufgrund der geltenden Offizial- und Untersuchungsmaxime ist die Beschwerdeinstanz nicht an die Anträge der Parteien gebunden. Die Beschwerde erweist sich jedenfalls als begründet und ist insofern gutzuheissen.
7. Die Kosten des Verfahrens hat der Staat zu übernehmen. Der Beschwerdeführerin ist eine Parteientschädigung in Höhe der eingereichten Kostennote vom 22. März 2024 (Eingang am 26. März 2024), d.h. in Höhe von CHF 3'420.80, auszurichten.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen: Ziffer 3.2 des Entscheides der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Solothurn vom 12. Oktober 2023 wird aufgehoben und der KESB im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. 2. Bis zur Fällung des neuen Entscheids durch die KESB gilt folgendes Besuchsrecht von B.___ (gemäss Besuchsplan «Begleitete Besuchssonntage Solothurn / Olten»): - Jeden Mittwoch von 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr; - Jede zweite Woche sonntags von jeweils 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr, begleitet. 3. Der Kanton Solothurn hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu tragen. 4. Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung von CHF 3'420.80 (inkl. MWST und Auslagen) auszurichten.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Hasler |
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