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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.289)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.289
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.289 vom 29.04.2024 (SO)
Datum:29.04.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Der Beschwerdeführer, ein Kindsvater, beantragt die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für seinen Sohn. Die Kindsmutter hatte zuvor Asyl beantragt, was abgelehnt wurde. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde des Kindsvaters ab, da keine tatsächlich gelebte familiäre Beziehung zum Sohn nachgewiesen wurde. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, die Gerichtskosten von CHF 1'500 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt. Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde teilweise bewilligt.
Schlagwörter: Recht; Vater; Verwaltungsgericht; Gesuch; Beschwerde; Aufenthaltsbewilligung; Schweiz; Beschwerdeführers; Erteilung; Sorge; Wegweisung; Entscheid; Kindsvater; Verfahren; Anspruch; Beziehung; Vollzug; Urteil; Vorinstanz; Bundesgericht; Niederlassungsbewilligung; Bundesgerichts; Verfahren; Person; Rechtspflege
Rechtsnorm: Art. 43 AIG ; Art. 8 EMRK ; Art. 90 AIG ;
Referenz BGE:110 Ia 87;
Kommentar:
Spescha, Frei, Hruschka, Ausländer- und Integrationsgesetz AIG, 2016
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.289
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 29.04.2024 
FindInfo-Nummer: O_VW.2024.85
Titel: Aufenthaltsbewilligung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 29. April 2024          

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey    

Oberrichterin Obrecht Steiner

Gerichtsschreiberin Hasler

In Sachen

A.___    vertreten durch Advokat Guido Ehrler,    

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,    vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

 

betreffend     Aufenthaltsbewilligung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. B.___ (im Folgenden: Kindsvater Vater), geb. 1979, und C.___ (unter früherer Identität: [...]; im Folgenden: Kindsmutter Mutter), geb. 1987, sind die Eltern von A.___ (im Folgenden: Beschwerdeführer Sohn), [...] 2017. Der Kindsvater ist im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Der Sohn wurde in der Schweiz geboren. Kurz nach der Geburt, am 12. August 2017, reiste die Kindsmutter zusammen mit ihrem Sohn nach Serbien zurück.

 

2. Am 25. November 2020 reiste die Kindsmutter unter neuer Identität mit ihrem Sohn legal in die Schweiz ein und ersuchte am 18. Januar 2021 um Asyl. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wies mit Entscheid vom 5. März 2021 das Asylgesuch ab (AS 854 ff.) und wies sowohl die Mutter als auch den Sohn aus der Schweiz weg. Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 17. März 2021 ab (AS 850 ff.).

 

3. Am 21. März 2023 stellte der Prozessbeistand des Beschwerdeführers (Ernennungsurkunde AS 324) beim Migrationsamt des Kantons Solothurn (MISA) das Gesuch, dem Beschwerdeführer sei die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Eventualiter sei beim SEM die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers zu beantragen.

 

4. Mit Schreiben vom 16. Mai 2023 wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör insbesondere betreffend Abweisung des Gesuchs um eine Aufenthaltsbewilligung gewährt. Der Beschwerdeführer reichte am 20. Juni 2023 eine Stellungnahme ein.

 

5. Mit Verfügung vom 24. August 2023 wies das MISA sowohl das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als auch das Gesuch um Beantragung einer vorläufigen Aufnahme beim SEM ab.

 

6. Mit Schreiben vom 7. September 2023 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn.

 

7. Am 5. Oktober 2023 reichte der Beschwerdeführer weitere Urkunden zu den Akten.

 

8. Am 3. November 2023 schloss das MISA auf Abweisung der Beschwerde, unter Kostenfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers.

 

9. Am 8. Dezember 2023 (Postaufgabe) erfolgte die vom Beschwerdeführer angekündigte ergänzende Beschwerdebegründung.

 

10. Mit Verfügung vom 27. Februar 2024 ersuchte das Verwaltungsgericht die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Basel-Stadt (KESB BS), [...], mitzuteilen, ob die Kindeseltern des Sohnes einen Antrag auf Erteilung des gemeinsamen Sorgerechts eingereicht hätten und falls ja, wie der Stand des Verfahrens sei. Weiter werde das MISA gebeten, mitzuteilen, ob bezüglich der Niederlassungsbewilligung des Vaters aktuell ein Verfahren hängig sei.

 

11. Mit Schreiben vom 11. März 2024 teilte das MISA dem Verwaltungsgericht mit, ein Verfahren betreffend Verlängerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung des Vaters sei aktuell hängig.

 

12. Die KESB Basel-Stadt teilte dem Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 19. März 2024 mit, dass die Kindseltern den Antrag auf gemeinsames Sorgerecht für den Sohn eingereicht hätten. Die Mutter habe die Erklärung betreffend Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge bereits unterzeichnet. Der Vater habe aufgrund eines Spitalaufenthalts noch nicht persönlich erscheinen können, doch habe er seinen Antrag am 19. März 2023 telefonisch bestätigt. Die KESB Basel-Stadt werde dem Verwaltungsgericht mitteilen, sobald der Kindsvater der KESB die Erklärung unterschrieben retourniert habe.

 

13. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanzen wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1 Der Beschwerdeführer stützt sein Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung auf Art. 30 lit. b des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) sowie auf das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101). Der Beschwerdeführer habe das Recht, mit seinem hier niedergelassenen Vater familiäre Beziehungen zu pflegen. Die Existenz von familiären Beziehungen innerhalb der Kernfamilie werde nach ständiger Praxis vermutet. Dies reiche im Rahmen von Art. 8 EMRK für die Begründung eines Rechtsanspruches auf eine abgeleitete Aufenthaltsbewilligung. Schliesslich sei die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz unzumutbar. Das MISA sei deshalb verpflichtet, beim SEM seine vorläufige Aufnahme zu beantragen.

 

2.2 Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, gemäss Art. 43 AIG hätten ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Da vorliegend das Gesuch nicht durch den Vater eingereicht worden sei, erübrige sich eine Prüfung nach Art. 43 AIG. Weiter könne sich auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) in erster Linie berufen, wer nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz habe und die intakten familiären Beziehungen tatsächlich gelebt würden. Der Vater verfüge zwar mit der Niederlassungsbewilligung über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Aus den Akten gehe jedoch hervor, dass der Vater den Sohn nicht betreue und bisher auch keinen Kontakt zum Sohn habe pflegen wollen. Bis zum heutigen Datum sei keine Bestätigung eingereicht worden, wonach der Vater die Vereinbarung zur Betreuung des Sohnes unterzeichnet bzw. dass er bei der KESB BS die gemeinsame elterliche Sorge beantragt hätte. Auch wenn eine solche Vereinbarung nachträglich eingereicht werde, sei die familiäre Beziehung bisher nicht gelebt worden. Des Weiteren seien gegen den Vater verschiedene Strafverfahren hängig und es stehe ein Landesverweis im Raum, weshalb ein Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung und eine Wegweisung aus der Schweiz nicht ausgeschlossen seien. Der Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK sei daher nicht gegeben. Die Abweisung des Gesuchs sei zudem verhältnismässig.

 

2.3 Den Eventualantrag, beim SEM die vorläufige Aufnahme zu beantragen, wies das MISA insbesondere mit der Begründung ab, das SEM habe bereits im Rahmen des Asylverfahrens die Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Wegweisung rechtskräftig beurteilt, weshalb ein Antrag der kantonalen Vollzugsbehörden aus diesen Gründen nicht zulässig sei. Im Übrigen habe sich seit dem Entscheid vom 5. März 2021 nichts Wesentliches verändert.

 

3.1 Vorliegend stützt der Beschwerdeführer sein Gesuch auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (Härtefallbestimmung) i.V.m. Art. 8 EMRK. Gemäss Art. 14 Asylgesetz (AsylG, SR 142.31) kann eine asylsuchende Person ab Einreichung des Asylgesuches bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig angeordneten Wegweisung, nach einem Rückzug des Asylgesuches bis zur Anordnung einer Ersatzmassnahme bei nicht durchführbarem Vollzug kein Verfahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung einleiten, ausser es bestehe ein Anspruch auf deren Erteilung. Dieser Grundsatz gilt von der Gesuchstellung bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig angeordneten Wegweisung (Urteil des Bundesgerichts 2C_947/2016 vom 17. März 20217, E. 3.1; Hruschka Constantin, in: Spescha Marc (Hrsg.), Migrationsrecht Kommentar, Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG), Asylgesetz (AsylG), Bürgerrechtsgesetz (BüG) sowie Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit weiteren Erlassen, 5. Aufl., Zürich 2019, Art. 14 Verhältnis zum ausländerrechtlichen Verfahren N 1 f.).

 

3.2 Ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung hätte sich aus Art. 43 AIG ergeben können. Die Erwägung der Vorinstanz, dass Art. 43 AIG vorliegend gar nicht zur Anwendung gelange, da der Sohn selbst und nicht der Vater das Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung eingereicht habe, ist nicht zu beanstanden und wird vom Beschwerdeführer nicht angefochten. Im Übrigen wären die Voraussetzungen von Art. 43 AIG aber ohnehin nicht erfüllt gewesen (vgl. auch VWBES.2020.64).

 

3.3 Nur der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG aufgrund des Vorrangs des Asylverfahrens von vorneherein nicht in Frage kommt, da sich aus Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG kein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung ableiten lässt (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 2C_551/2017 vom 24. Juli 2017, E. 2.3.3).

3.4 Der Grundsatz des Vorrangs des Asylverfahrens wird durchbrochen, wenn offensichtlich ein konventionsrechtlicher Anspruch auf Erteilung der beantragten ausländerrechtlichen Bewilligung besteht. Mit anderen Worten ist eine Ausnahme von der Ausschliesslichkeit des Asylverfahrens dann, wenn sich ein Gesuch nicht auf einen gesetzlichen Bewilligungsanspruch, sondern ausschliesslich auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK stützt, nur gerechtfertigt, wenn der Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung offensichtlich besteht (Urteile des Bundesgerichts 2C_947/2016 vom 17. März 2017, E. 3.3, und 2C_551/2017 vom 24. Juli 2017, E. 2.2). Andernfalls kann zu diesem Zeitpunkt kein ausländerrechtliches Verfahren eröffnet werden (vgl. Weisungen und Erläuterungen des SEM, Ausländerbereich, Weisungen AIG vom Oktober 2013, Stand: 1. April 2024, Ziff. 3.2). Die Regelung von Art. 14 Abs. 1 AsylG soll verhindern, dass Asylsuchende das Asylverfahren verschleppen eine drohende Wegweisung hinauszögern (Urteile des Bundesgerichts 2C_947/2016 vom 17. März 2017, E. 3.4).

 

3.5 Das in Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Der sich hier aufhaltende Familienangehörige muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen, was praxisgemäss der Fall ist, wenn er das Schweizer Bürgerrecht besitzt, ihm die Niederlassungsbewilligung gewährt wurde er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 2C_513/2022 vom 12. Mai 2023, E. 5.1, mit weiteren Hinweisen).

 

3.6 Der Kindsvater verfügt über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz, womit Art. 8 EMRK grundsätzlich zu prüfen ist. Insbesondere ist zu prüfen, ob durch eine staatliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt wird. Der Kindsvater anerkannte den Beschwerdeführer am 18. Mai 2018 als seinen Sohn. Tatsächlichen Kontakt zum Sohn wünscht sich der Kindsvater offensichtlich nicht (AS 11 ff.). Dies geht u.a. auch aus dem Bericht des Kinder- und Jugenddienstes des Kantons Basel-Stadt vom 31. August 2022 (AS 18) hervor. Gemäss Stellungnahme des Beschwerdeführers ans MISA vom 20. Juni 2023 habe der Kindsvater zwar gegenüber dem Rechtsvertreter telefonisch erklärt, die Vereinbarung betreffend elterliche Sorge und weitere Kinderbelange zu unterzeichnen und bei der KESB BS die elterliche Sorge zu beantragen. Dieselbe Zusicherung habe er auch gegenüber der von der KESB BS eingesetzten Familienbegleitung abgegeben (AS 949). Bis heute wurde – soweit aktenkundig – die elterliche Sorge nicht angeordnet. Die Behörden müssen den Sachverhalt von Amtes wegen möglichst zuverlässig abklären; indessen wird der Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert (Art. 90 AIG). Diese kommt naturgemäss bei Tatsachen zum Tragen, die eine Partei besser kennt als die Behörden und die ohne ihre Mitwirkung gar nicht nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden können (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_981/2017 vom 18. Februar 2019 E. 3.1; 2C_118/2017 vom 18. August 2017 E. 4.2; 2C_891/2021 vom 6. Dezember 2021, E. 4.2.4). Der Entscheid der Vorinstanz datiert vom 24. August 2023. Die Instruktionsrichterin des Verwaltungsgerichts stellte mit Verfügung vom 27. Februar 2024 Nachforschungen bei der KESB BS und beim MISA an. Die KESB BS teilte mit Schreiben vom 19. März 2024 mit, dass beide Elternteile je einen Antrag auf die Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge gestellt hätten. Seitens des Vaters sei aber die Unterschrift zur Erklärung betreffend Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge noch ausstehend. Sobald der Vater der KESB BS die Erklärung betreffend gemeinsame elterliche Sorge unterschrieben retourniert habe, werde dies die KESB BS dem Verwaltungsgericht mitteilen. Seit dem 19. März 2024 ging sodann nichts mehr beim Verwaltungsgericht ein. Sogar wenn nun der Vater in der Zwischenzeit die Erklärung unterzeichnet hätte, reicht die Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht aus, um zu belegen, dass zwischen Vater und Sohn eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung besteht. Auch reicht die von den Eltern geschlossene Vereinbarung bzw. Absichtserklärung vom 22. Juli 2023 (Beschwerdebeilage Nr. 3) nicht aus, um eine tatsächlich gelebte Beziehung zu belegen. Sie ist höchstens als Indiz zu werten. Der Beschwerdeführer sagt in seiner ergänzenden Beschwerdeschrift ans Verwaltungsgericht vom 8. Dezember 2023 zudem selbst aus, der Vater sei seinen eingegangenen Verpflichtungen bisher nicht bzw. nur teilweise nachgekommen. Es ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers mit der Vorinstanz einig zu gehen, wenn sie ausführt, es scheine aus der Luft gegriffen, dass die grössere Chance bestehe, dass das Kind den Kontakt zum Kindsvater aufbauen könne, wenn das Kind das Aufenthaltsrecht bekomme. Der Vater betreut den Sohn nicht bzw. hat nicht einmal Kontakt zum Sohn. Obwohl sowohl Vater als auch Sohn in der Schweiz leben, zeigt der Vater keinerlei Interesse am Sohn bzw. am Aufbau einer Beziehung zum Sohn. Der Beschwerdeführer verkennt mit seiner Behauptung – der Umstand, dass der Kindsvater seinen eingegangenen Verpflichtungen bisher nur teilweise nachgekommen sei, könne sich nicht zu Lasten des Kindes auswirken – den Sinn und Zweck von Art. 8 EMRK. Dieser verleiht – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – insbesondere Kernfamilien einen Schutz, nicht durch staatliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen auseinandergerissen zu werden, und nicht das grundsätzliche Recht von Familienmitgliedern, in der Schweiz verbleiben zu können. Der Beschwerdeführer kann aus Art. 8 EMRK nichts zu seinen Gunsten ableiten, zumal mangels vorbestehender Bindung zwischen Vater und Sohn kein offensichtlicher Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung besteht, weshalb die Vorinstanz zu diesem Zeitpunkt gar kein ausländerrechtliches Verfahren zu eröffnen gehabt hätte und auch im heutigen Zeitpunkt kein Anspruch gegeben ist.

 

4. Auch was den Eventualantrag anbelangt, ist der Vorinstanz zuzustimmen. Vorliegend wurde bereits über das Asylgesuch und die Wegweisung rechtskräftig entschieden (vgl. Entscheid des SEM vom 5. März 2021 und des BVGer vom 17. März 2021). Die mit dem Vollzug beauftragte kantonale Migrationsbehörde ist verpflichtet, die Wegweisungsverfügung zu vollziehen (Art. 46 Abs. 1 Asylgesetz [AsylG, SR 142.31]), d.h. sie ist hinsichtlich der Zumutbarkeit und der Zulässigkeit des Vollzugs an die vom SEM vorgenommene Beurteilung gebunden. Gemäss Art. 46 Abs. 2 AsylG bzw. Art. 17 Abs. 1 der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (VVWAL, 142.281) können die zuständigen kantonalen Behörden eine vorläufige Aufnahme nur beantragen, wenn der Vollzug der Wegweisung unmöglich (z.B. auf unbestimmte Zeit unterbrochene Flugverbindungen, Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich) ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Damit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz davon absah, beim SEM eine vorläufige Aufnahme zu beantragen. Der Beschwerdeführer bringt vor, das Kindswohl sei bei einer Rückkehr nach Serbien gefährdet. Dabei verweist er auf diverse (teilweise von ihm neu eingereichte) Berichte (insb. AS 594 ff., AS 22 ff., AS 12 ff.). Die Mutter sei in der Schweiz mit der Erziehung des Kindes deutlich überfordert. Sie sei in psychologischer Behandlung. Die konstante Überforderung trete auch deutlich im Bericht ihrer Psychologin vom 20. September 2023 (Beilage zum Schreiben des Beschwerdeführers ans Verwaltungsgericht vom 5. Oktober 2023) zu Tage, welche die Kindsmutter seit Oktober 2022 behandle. Der Sohn sei auch in der Schule verhaltensauffällig. Damit macht der Beschwerdeführer Vollzugshindernisse geltend, die nach dem Entscheid des SEM bzw. Bundesverwaltungsgericht eingetreten sind. Nachträglich auftretende Vollzugshindernisse (Zumutbarkeit und Zulässigkeit) sind durch das SEM im Rahmen eines Wiedererwägungsgesuchs zu prüfen (E3 - Wegweisung, Vollzug der Wegweisung und Anordnung der vorläufigen Aufnahme [PDF, 245 kB, 08.05.2019]), wobei äusserst fraglich ist, ob einem solchen Gesuch Erfolg beschieden wäre. Aus den Berichten mag sich zwar ergeben, dass der Sohn gewisse Verhaltensauffälligkeiten zeigt und die Kindsmutter mit der Erziehung überfordert ist und eine gewisse Unterstützung benötigt. Dass bei einer Ausschaffung das Kindeswohl gefährdet wäre, ist aber nicht ersichtlich, zumal es in Serbien auch Unterstützungsangebote gibt, welche im Rahmen der Rückkehrberatung und –hilfe aufzugleisen wären.

 

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen.

 

6.1 Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Über das Gesuch wurde bisher nicht entschieden. Nach § 76 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel für die Prozessführung verfügt, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangen, wenn der Prozess nicht als aussichtslos mutwillig erscheint. Wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, kann zudem die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes verlangt werden.

 

6.2 Das Gesuch in Bezug auf die Parteikosten bzw. um Bewilligung des unentgeltlichen Rechtsbeistands ist mit Verweis auf die kantonale Rechtsprechung (BKBES.2013.121 bzw. SOG 1993 Nr. 12), welche auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 110 Ia 87 ff.) verweist, abzuweisen. Einer verbeiständeten bedürftigen Person ist ein unentgeltlicher Rechtsbeistand nur zu gewähren, wenn der von der KESB ernannte Beistand die gehörige Wahrung der Interessen nicht garantieren kann, was vorliegend klarerweise nicht der Fall ist. Vorliegend handelt es sich bei der eingesetzten Prozessbeistandschaft um einen im Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwalt, der die gehörige Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers garantieren kann. Ansonsten bzw. in Bezug auf die Gerichtskosten ist das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege aufgrund offensichtlicher Bedürftigkeit des Beschwerdeführers gutzuheissen.

 

6.3 Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind, zu bezahlen. Zufolge (teilweiser) Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind die Kosten durch den Kanton Solothurn zu übernehmen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer dazu in der Lage ist (§ 76 Abs. 4 VRG i.V.m. Art. 123 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird teilweise (in Bezug auf die Gerichtskosten) gutgeheissen. Darüber hinausgehend wird das Gesuch abgewiesen.

3.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 werden A.___ auferlegt, sind aber zufolge (teilweiser) Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Kanton Solothurn zu übernehmen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ dazu in der Lage ist.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                          Hasler

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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