Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.264: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin ist eine russische Staatsbürgerin, die in die Schweiz einreiste und dort ihren deutschen Ehemann heiratete. Sie hat zwei Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft und zog später mit ihnen nach Deutschland. Nach der Trennung beantragte das Migrationsamt den Widerruf ihrer Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch und argumentierte, dass ihre Kinder in der Schweiz bleiben sollten. Das Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Beschwerdeführerin, hob die Verfügung auf und wies das Migrationsamt an, ihre Aufenthaltsbewilligung zu ersetzen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.264 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 24.01.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Kinder; Aufenthalt; Aufenthalts; Schweiz; Aufenthaltsbewilligung; Recht; Sozialhilfe; Bundesgericht; Apos; Eltern; Vater; EU/EFTA; Beziehung; Staat; Verwaltungsgericht; Urteil; Familie; Bundesgerichts; Anspruch; Bewilligung; Beschwerde; Verfügung; Vorinstanz; Trennung; Rechtsprechung; Primarschule; Elternteil; Verfahren; Akten |
Rechtsnorm: | Art. 13 BV ;Art. 3 KRK ;Art. 43 AIG ;Art. 50 AIG ;Art. 58a AIG ;Art. 8 EMRK ; |
Referenz BGE: | 135 II 265; 136 II 113; 137 I 247; 139 II 393; 142 II 35; 143 I 21; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.264 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 24.01.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2024.22 |
Titel: | Widerruf der Aufenthaltsbewilligung / Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 24. Januar 2024 Es wirken mit: Oberrichterin Obrecht Steiner Oberrichterin Weber-Probst Gerichtsschreiberin Zimmermann In Sachen A.___, vertreten durch Advokat Georg Ranert,
Beschwerdeführerin
gegen
Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Widerruf der Aufenthaltsbewilligung / Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___, geborene [...] (nachfolgend: Beschwerdeführerin), wurde am [...] 1983 in [...] (Russland) geboren und ist russische Staatsangehörige (Aktenseite Beschwerdeführerin [AS Bf.] 29). Am [...] 2009 wurde in [...] (Usbekistan) ihre Tochter B.___ geboren, welche die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt (AS Bf. 82; Aktenseite B.___ [AS B.___] 58). Am 29. Juni 2015 reiste die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter B.___, gestützt auf eine Einreiseerlaubnis zwecks Vorbereitung der Heirat resp. Privataufenthalt, von [...] (Russland) in die Schweiz ein (AS Bf. 172, 183; AS B.___ 9, 15). Am 25. Juli 2015 verheiratete sich die Beschwerdeführerin in [...] mit dem Vater von B.___, dem in der Schweiz niedergelassenen, deutschen Staatsbürger C.___, geb. [...] 1967 (AS Bf. 179 ff.).
2. Am 21. August 2015 bzw. 11. September 2015 wurden der Beschwerdeführerin und deren Tochter erstmals Aufenthaltsbewilligungen EU/EFTA erteilt (AS Bf. 185; AS B.___ 13). Seit dem 3. Februar 2020 ist B.___ im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA (AS B.___ 58).
3. Am [...] 2015 wurde in [...] der gemeinsame Sohn D.___ geboren, welcher ebenfalls deutscher Staatsbürger ist und am 18. November 2015 erstmals im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA war (Aktenseite D.___ [AS D.___] 3, 6). Seit dem 3. Februar 2020 ist auch D.___ im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA (AS D. 52).
4. Per 30. Juni 2017 zog die Beschwerdeführerin mit den beiden Kindern nach Deutschland weg, womit die damaligen Bewilligungen von Gesetzes wegen erloschen sind (AS Bf. 193).
5. Am [...] 2018 wurde in [...] (Deutschland) der gemeinsame Sohn E.___ geboren, welcher deutscher Staatsbürger ist und am 6. April 2020 eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erhielt (Aktenseite E.___ [AS E.___] 1, 5). Seit dem 14. April 2020 ist auch E.___ im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA (AS E.___ 6).
6. Am 8. Januar 2020 ersuchte C.___ um Nachzug der beiden Kinder B.___ und D.___ in die Schweiz (AS B.___ 51 ff.). Daraufhin reisten die beiden per 1. Februar 2020 in die Schweiz ein (AS B.___ 55 f.).
7. Am 18. März 2020 reisten auch die Beschwerdeführerin und E.___ in die Schweiz ein, woraufhin der Ehemann und Vater C.___ am 19. März 2020 ein Familiennachzugsgesuch zu ihren Gunsten einreichte (AS Bf. 219 und 221 ff.). Am 6. April 2020 wurde der Familiennachzug bewilligt und der Beschwerdeführerin eine bis am 17. März 2025 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt (AS Bf. 261).
8. Die Ehegatten lebten gemäss Trennungsvereinbarung vom 4. Juni 2020 seit dem 1. Juni 2020 getrennt (AS Bf. 268). Die Ehe wurde durch das Richteramt [...] am 21. Dezember 2021 geschieden (AS Bf. 332). Die gemeinsamen Kinder wurden unter die gemeinsame elterliche Sorge und unter die alleinige Obhut der Beschwerdeführerin gestellt (AS Bf. 332).
9. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs erliess das Migrationsamt namens des Departements des Innern am 28. Juli 2023 folgende Verfügung:
1. Die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.___ wird widerrufen. 2. A.___ wird keine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige erteilt. 3. A.___ wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis am 31. Oktober 2023 zu verlassen. 4. A.___ hat sich und ihre Kinder ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.
10. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 11. August 2023 (Posteingang) Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellte – nun vertreten durch Advokat Georg Ranert – mit der einlässlichen Beschwerdebegründung am 22. September 2023 folgende Rechtsbegehren:
1. Die Verfügung vom 28. Juli 2023 sei aufzuheben und der Beschwerdeführerin sei eine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige zu erteilen. 2. Eventualiter sei die Verfügung vom 28. Juli 2023 aufzuheben und der Beschwerdeführerin sei eine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige mit Auflagen in Form von Bedingungen zu erteilen. 3. Subeventualiter sei die Verfügung vom 28. Juli 2023 aufzuheben und die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zur erneuten Abklärung sowie Beurteilung zurückzuweisen. 4. Der Beschwerdeführerin sei die unentgeltliche Rechtspflege mit dem Unterzeichnenden als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu gewähren. 5. Unter o-/e-Kostenfolge zzgl. Mehrwertsteuer zu Lasten der Vorinstanz.
Ausserdem stellte sie folgende Verfahrensanträge:
1. Es seien die vorinstanzlichen Verfahrensakten von Amtes wegen beizuziehen. 2. Es sei nach Eingang der Vernehmlassung der Vorinstanz eine mündliche Hauptverhandlung durchzuführen. 3. Zur Hauptverhandlung sei der EX-Ehemann und Kindesvater der drei in der Verfügung unter dem Titel Personalien erwähnten, gemeinsamen Kinder, C.___, als Zeuge vorzuladen und zu befragen. 4. Eventualiter sei der Beschwerdeführerin nach Eingang der Vernehmlassung der Vorinstanz und vor Abschluss des Beweisverfahrens, ein umfassendes Replikrecht zu gewähren, sollte es keine Hauptverhandlung geben.
11. Der Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. Juli 2023 wurde am 14. August 2023 die aufschiebende Wirkung erteilt.
12. In seiner Vernehmlassung vom 17. Oktober 2023 schloss das Migrationsamt auf vollumfängliche Beschwerdeabweisung unter Kostenfolge.
13. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2023 wurde der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege und Advokat Georg Ranert als unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. Ausserdem wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen.
14. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass in der angefochtenen Verfügung bei den Personalien B.___ zweimal, jeweils mit unterschiedlichem Geburtsdatum, erwähnt wurde. Es handelt sich dabei um einen offensichtlichen Schreibfehler. Es steht ausser Frage, dass es sich beim Kind mit Geburtsdatum am [...] 2018 um E.___ handelt.
3. Nach § 68 Abs. 3 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG, BGS 124.11) sind neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel, wenn sie mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, bis zum Schluss des Beweisverfahrens erlaubt. Das Gericht entscheidet aufgrund des Sachverhalts, wie er sich zum Urteilszeitpunkt darstellt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_163/2021 E. 6.2).
4.1 Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob die Vorinstanz die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA der Beschwerdeführerin zu Recht widerrufen, keine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige erteilt und sie weggewiesen hat. Die Kinder vermögen keinen eigenständigen Widerrufsgrund zu setzen, haben jedoch grundsätzlich dem Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge und der faktischen Obhut zu folgen (BGE 139 II 393 E. 4.2.3 S. 400).
4.2 Ehegatten von in der Schweiz aufenthalts- bzw. niederlassungsberechtigten EU/EFTA-Bürgern haben ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit gestützt auf das Freizügigkeitsrecht grundsätzlich Anspruch auf die Erteilung und Verlängerung einer Bewilligung, solange die Ehe gelebt wird und formell fortdauert (Art. 7 lit. d des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA, SR 0.142.112.681] i.V.m. Art. 3 Anhang I FZA). Sind die Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt, kann die vom originär anwesenheitsberechtigten EU/EFTA-Bürger abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 der Verordnung über den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten, zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (VFP, SR 142.203) i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) widerrufen nicht (mehr) verlängert werden (BGE 139 II 393 E. 2.1 S. 395; Urteil des Bundesgerichts 2C_369/2018 E. 2.1).
4.3 Indem die Ehe der Beschwerdeführerin mit Trennung im Jahr 2020 und alsdann mit Scheidung am 21. Dezember 2021 aufgelöst wurde, hat die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch mehr auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 7 lit. d FZA i.V.m. Art. 3 Anhang I FZA. Die Vorinstanz hat daher die Aufenthaltsbewilligung nach FZA gestützt auf Art. 23 Abs. 1 VFP zu Recht widerrufen. Es fragt sich daher, ob die Kinder der Beschwerdeführerin über einen originären Bewilligungsanspruch aus dem FZA verfügen und sich für die sorge- und obhutsberechtigte Beschwerdeführerin daraus ein abgeleiteter Anspruch auf Verbleib in der Schweiz ergibt (umgekehrter Familiennachzug). Die Vorinstanz verneinte, wie nachfolgend dargelegt wird, zu Recht einen solchen Anspruch.
5.1 Nach Art. 6 FZA i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA erhält eine Person, die die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt und keine Erwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat ausübt und dort kein Aufenthaltsrecht auf Grund anderer Bestimmungen dieses Abkommens hat, eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren, sofern sie den zuständigen nationalen Behörden den Nachweis dafür erbringt, dass sie für sich selbst und ihre Familienangehörigen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen (lit. a) und über einen Krankenversicherungsschutz verfügt, der sämtliche Risiken abdeckt (lit. b). Das Bundesgericht ist der Auslegung des EuGH für die Anwendung von Art. 24 Anhang I FZA, dass die Bedingung ausreichender finanzieller Mittel nicht dahin ausgelegt werden könne, dass der Betroffene selber über solche Mittel verfügen müsse bzw. diese auch von Familienangehörigen sonstigen Dritten stammen könnten, gefolgt (ausführlich dazu BGE 142 II 35 E. 5.1 S. 44).
5.2 Laut Art. 16 Abs. 1 VFP sind die finanziellen Mittel von EU- und EFTA-Angehörigen sowie ihren Familienangehörigen ausreichend, wenn sie die Fürsorgeleistungen übersteigen, die einem schweizerischen Antragsteller einer schweizerischen Antragstellerin allenfalls seinen ihren Familienangehörigen aufgrund der persönlichen Situation nach Massgabe der Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) gewährt werden.
5.3 Die Kinder der Beschwerdeführerin besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit und können sich grundsätzlich auf das FZA berufen. Die Beschwerdeführerin ging – soweit aktenkundig – bis Oktober 2022 keiner Erwerbstätigkeit nach und wurde zwischen Juni 2020 und Oktober 2022 vollumfänglich von der Sozialhilfe unterstützt. Zwischen Oktober 2022 und Juli 2023 absolvierte die Beschwerdeführerin ein Praktikum als Fachfrau Betreuung und wurde ergänzend von der Sozialhilfe unterstützt. Gemäss Lehrvertrag vom 25. Mai 2023 absolviert die Beschwerdeführerin seit dem 1. August 2023 eine Lehre als Fachfrau Betreuung EFZ und wird ergänzend von der Sozialhilfe unterstützt. Im 1. Lehrjahr verdient sie CHF 750.00, im 2. Lehrjahr CHF 900.00 und im 3. Lehrjahr CHF 1'200.00 pro Monat (je zuzüglich 13. Monatslohn [AS Bf. 338]). Die Kinder erhalten je eine Kinderrente aus 1. und 2. Säule sowie Ergänzungsleistungen in Höhe von CHF 3'221.00 zuzüglich CHF 360.00 Individuelle Prämienverbilligung monatlich (AS Bf. 313). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Ergänzungsleistungen nicht Sozialleistungen, aufenthaltsrechtlich müssen sie jedoch der Sozialhilfe gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. a FZA gleichgesetzt werden (hierzu BGE 135 II 265 E. 3.6 S. 272; Urteil des Bundesgerichts 2C_218/2020 E. 4.2). Gemäss KlientInnenkontoauszug der Sozialregion [...] vom 24. März 2023 betrug der Sozialhilfebezug bis Ende März 2023 CHF 32'087.53 (AS Bf. 316). Ausserdem musste die Beschwerdeführerin in den Monaten Juni und Juli 2023 mit Sozialhilfe in Höhe von total CHF 4'070.70 unterstützt werden (AS Bf. 366). Damit ging sie keiner Erwerbstätigkeit nach, welche den Lebensunterhalt zu decken vermocht hätte. Der Sozialhilfebezug belief sich per 27. Juli 2023 auf CHF 36'158.23. In Anbetracht des Sozialhilfebezuges und der geringen voraussichtlichen Einnahmen gemäss Lehrvertrag in den nächsten Jahren wird trotz der neu angetretenen Lehre keine Ablösung von der Sozialhilfe möglich sein. Vor diesem Hintergrund verfügen die Kinder nicht über ausreichend finanzielle Mittel im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA.
6.1 Eine weitere Anspruchsgrundlage bildet Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA. Danach dürfen die Kinder eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei unabhängig davon, ob dieser im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine Erwerbstätigkeit ausübt, eine solche ausgeübt hat erwerbslos ist, unter den gleichen Bedingungen am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen wie die Staatsangehörigen des Aufnahmestaates. Ein solches Recht besteht jedoch nur, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Trennung seiner Eltern bereits eine Berufsausbildung in der Schweiz begonnen hat und es dem Kind nicht zuzumuten ist, seine Berufsausbildung im Herkunftsland fortzusetzen, wo es auf unüberwindbare Anpassungsschwierigkeiten stossen würde. Von Kindern, welche den Kindergarten die Unterstufe der Primarschule besuchen, kann man dagegen erwarten, dass sie mit dem Elternteil, der die Obhut inne hat, in ihr Herkunftsland zurückkehren, da sie keine grossen Schwierigkeiten haben würden, sich einem anderen Schulsystem anzupassen (Weisungen und Erläuterungen des SEM zur Verordnung über den freien Personenverkehr, Ziff. 7.5.2.1 [Stand: Januar 2024]). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird vorausgesetzt, dass die Kinder bei «(noch) intakter Familiengemeinschaft bereits in nennenswerter Weise begonnen haben, sich zu integrieren bzw. massgebliche Beziehungen ausserhalb der Kernfamilie auszubilden. Das ist bei Kleinkindern, die noch in erster Linie auf den familiären Bereich bezogen leben, nicht der Fall (BGE 139 II 393 E. 4.2.2 S. 399).» Bereits früh hielt das Bundesgericht fest, dass von einem Kind, welches lediglich die ersten Jahre der Primarschule in der Schweiz besuchte, erwartet werden kann, dass es in sein Herkunfts-land zurückkehrt («Il en irait différemment pour un enfant fréquentant les premières années d'école primaire en Suisse, car, en pareil cas, on pourrait attendre de lui qu'il rentre dans son pays d'origine avec l'un de ses parents pour y terminer sa scolarité obligatoire et poursuivre sa formation professionnelle; en raison de son âge, il ne devrait pas avoir de grandes difficultés à s'adapter à un autre système scolaire (Urteil des Bundesgerichts 2A.475/2004 E. 4.7).»
6.2 Das Migrationsamt verneinte einen aus Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA abgeleiteten Bewilligungsanspruch mit der Begründung, dass zum Zeitpunkt der Trennung im Jahr 2020 lediglich B.___ die Primarschule besucht habe und von einem Kind eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei, welches lediglich die ersten Jahre der Primarschule in der Schweiz besucht habe, erwartet werden könne, dass es mit dem Elternteil, welches die Obhut innehabe, in sein Herkunftsland zurückkehre. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, dass es den drei Kindern zuzumuten sei, die Schul- / Berufsausbildung im Herkunftsland zu beginnen bzw. fortzusetzen.
6.3 Gemäss Trennungsvereinbarung vom 4. Juni 2020 lebten die Beschwerdeführerin und ihr Ex-Ehemann seit 1. Juni 2020 getrennt. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war die Familiengemeinschaft nicht mehr intakt im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Die älteste Tochter der Beschwerdeführerin, B.___, war zu diesem Zeitpunkt, sofern sie ordentlich eingeschult wurde, wovon aufgrund anderweitiger Anhaltspunkte in den Akten ausgegangen wird, in der vierten Klasse. Die beiden Söhne der Beschwerdeführerin waren damals noch nicht eingeschult, resp. standen kurz vor der Einschulung. B.___ besuchte im Zeitpunkt der Trennung der Eltern bereits die Mittelstufe der Primarschule und hatte die Unterstufe abgeschlossen. Zum relevanten Trennungszeitpunkt im Juni 2020 hatte B.___ die Unterstufe der Primarschule nicht erst knapp, sondern bereits seit rund elf Monaten abgeschlossen. Nebst der fortgeschrittenen Schulausbildung auf Primarschulstufe setzt Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA voraus, dass es dem Kind nicht zuzumuten ist, seine Berufsausbildung im Herkunftsland fortzusetzen, wo es auf unüberwindbare Anpassungsschwierigkeiten stossen würde. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vom 11. August 2023 sowie in der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 22. September 2023 vor, dass B.___’s Sozialverhalten Auffälligkeiten zeige und sie intensive Unterstützung und Zeit benötige, um sich in sozialen Gruppen zurechtzufinden. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz hätte sie die Hilfe der Lehrkräfte gebraucht, wobei anderthalb Jahre vergangen seien, bis sie erste Freundschaften habe schliessen können. Aufgrund ihres Verhaltens sei daher zu erwarten, dass ein neues, unbekanntes soziales Umfeld für B.___ besonders anspruchsvoll und belastend wäre. Bei den Akten liegen jedoch keine Schreiben anderweitigen Nachweise, beispielsweise der Schule, welche die vorgenannten Auffälligkeiten und benötigte intensive Unterstützung belegen würden. Bezüglich D.___ wurde zum Beispiel ein Schreiben der Klassenlehrperson eingereicht, welche das Setting in der Primarschule mit D.___ schildert. Ein ähnliches Schreiben betreffend die Tochter der Beschwerdeführerin wurde nicht eingereicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die von B.___ benötigte Unterstützung geringer ist, als jene ihres Bruders. B.___ ist erst im Alter von fünf Jahren von [...] (Russland) in die Schweiz eingereist und lebte davor in Usbekistan. Es ist zudem davon auszugehen, dass sie zwischenzeitlich die Primarschule in Deutschland besuchte. Obschon es B.___ nicht leicht fallen würde, die Primarschule in Russland fortzusetzen, wäre es ihr, insbesondere weil sie der russischen Sprache mächtig ist, zumutbar, die Schule in Russland fortzusetzen. Bei einem Schulwechsel nach Russland würde es sich nicht um unüberwindbare Anpassungsschwierigkeiten handeln. Aus diesen Gründen und aufgrund des jungen Alters der Söhne der Beschwerdeführerin, könnte von den Kindern erwartet werden, dass sie mit der Beschwerdeführerin in ihr Herkunftsland zurückkehren. Es wäre ihnen, insbesondere aufgrund ihrer Sprachkenntnisse zumutbar, sich einem anderen Schulsystem anzupassen.
7.1 Gemäss Art. 50 Abs. 1 AIG besteht nach Auflösung der Ehe der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 43 AIG weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und die Integrationskriterien nach Art. 58a AIG erfüllt sind (lit. a) wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b).
7.2 Die Ehegemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und C.___ bestand in der Schweiz vom 25. Juli 2015 (Heirat) bis 30. Juni 2017 (Ausreise nach Deutschland) und zusätzlich vom 18. März 2020 (erneute Einreise) bis am 1. Juni 2020 (Trennung). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung werden im Ausland gelebte Ehezeiten nicht an die massgebliche Dauer angerechnet, weshalb vorliegend lediglich die vorgenannten Zeitabschnitte zu berücksichtigen sind (vgl. BGE 136 II 113 E. 3.3 S. 117). Die Ehegemeinschaft in der Schweiz dauerte etwas mehr als zwei Jahre und bestand damit weniger lange als die nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG geforderten drei Jahre. Eine Prüfung der Integrationskriterien nach Art. 58a AIG erübrigt sich. Gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG hat die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Erteilung Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.
8.1 Gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG besteht nach Auflösung der Ehe der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 43 AIG weiter, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AIG). Im Rahmen der nachehelichen Härtefallprüfung kann das Andauern der elterlichen Beziehung zum hier gefestigt anwesenheitsberechtigten Kind einen wichtigen Grund zum Verbleib im Land bilden, wobei jeweils die Gesamtsituation zu würdigen und das Gesetzesrecht möglichst verfassungs- und konventionskonform anzuwenden ist. Bei der Beurteilung, ob eine schutzwürdige Eltern-Kind-Beziehung besteht, muss auf die Rechtsprechung zu Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) bzw. Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101) abgestellt werden, da die wichtigen persönlichen Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG nicht einschränkender verstanden werden können als ein aus diesen Garantien fliessender Anspruch auf Erteilung Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_904/2018 E. 2.1).
8.2 Für die Erteilung der Bewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV ist erforderlich, dass eine intensive Beziehung in affektiver und wirtschaftlicher Hinsicht zwischen dem hier anwesenden besuchsberechtigten Elternteil und dem Kind besteht und sich der obhutsberechtigte Elternteil, welcher um die Bewilligung ersucht, seinerseits «tadellos» verhalten hat (BGE 137 I 247 E. 4.2.3 S. 251). Ausserdem setzt das Bundesgericht nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Beziehung wegen der Distanz zwischen der Schweiz und dem Staat, in welchen das Kind ausreisen müsste, praktisch nicht aufrechterhalten könnte (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_904/2018 E. 2.3). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist nur mit Zurückhaltung auf eine Pflicht zu schliessen, die Bewilligung des sorge- obhutsberechtigten Elternteils einzig zur Erleichterung der Ausübung des Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu erteilen (BGE 142 II 35 E. 6.2 S. 47). Diese Rechtsprechung ist auch anwendbar in der Konstellation, dass die Eltern das gemeinsame Sorgerecht nach Art. 296 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) innehaben, sofern der ausländische (um die Bewilligung nachsuchende) Elternteil das Kind zum überwiegenden Teil in Obhut hat. Massgeblich sind die in zivilrechtlicher Hinsicht tatsächlich gelebten Verhältnisse im Zeitpunkt des kantonalen Gerichtsurteils betreffend die Bewilligungserteilung (vgl. BGE 143 I 21 E. 5 S. 26 ff.). Die Praxis des Bundesgerichts, in Bezug auf das Kriterium des tadellosen Verhaltens gewisse «untergeordnete» Vorkommnisse in einer Gesamtbetrachtung etwas weniger stark zu gewichten, kommt nur in spezifischen Fällen bzw. bei besonderen Umständen infrage. Diese müssen es ausnahmsweise rechtfertigen, allfällige (untergeordnete) Verstösse gegen die öffentliche Ordnung (beispielsweise kurzer, unverschuldeter Sozialhilfebezug) nicht notwendigerweise so stark zu gewichten, dass sie zum Vornherein die anderen Kriterien (Grad der tatsächlichen affektiven und wirtschaftlichen Intensität der Beziehung zum Kind, zivilrechtliche Regelung der Verhältnisse, Dauer der Beziehung und des Aufenthalts, Grad der Integration aller Beteiligten, Kindesinteressen usw.) aufzuwiegen vermögen (Urteil des Bundesgerichts 2C_904/2018 E. 5.2, mit weiteren Hinweisen). Bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist dem Kindeswohl und dem grundlegenden Bedürfnis des Kindes Rechnung zu tragen, in möglichst engem Kontakt mit beiden Elternteilen aufwachsen zu können (BGE 143 I 21 E. 5.5.1 S. 29). Nach Art. 3 des Übereinkommens über die Rechte der Kinder (KRK, Sr. 0.107) ist das Kindesinteresse bei allen Entscheiden vorrangig zu berücksichtigen, was ausländerrechtlich im Rahmen der Interessenabwägung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu geschehen hat (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.5.2 S. 30).
8.3 Vorweg ist festzustellen, dass die Vorinstanz zu Recht festhielt, dass aus den Akten keine Hinweise ersichtlich seien, wonach die Beschwerdeführerin Opfer ehelicher Gewalt geworden wäre sie die Ehe mit C.___ nicht aus freiem Willen geschlossen hätte. Dies wird in der Beschwerde auch nicht geltend gemacht.
8.4 Das Migrationsamt verneinte einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK. Die Eltern verfügen über die gemeinsame elterliche Sorge, wobei die elterliche Obhut der Beschwerdeführerin zugesprochen wurde. Der in der Schweiz niederlassungsberechtigte Vater lebt im selben Mehrfamilienhaus wie die Beschwerdeführerin und die Kinder. Der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 22. September 2023 zufolge, betreue der Vater die Kinder jedes zweite Wochenende sowie unter der Woche vor allem die Söhne in erwähnenswertem Pensum und bringe diese regelmässig ins [...]training (vgl. Schreiben der [...] AG [AS Bf. 378]). Gemäss Stellungnahme vom 13. November 2023 bringe der Vater D.___ zudem nach [...] zur [...]-Therapie (vgl. Beilage 18 zur Beschwerde). Ausserdem reisten die beiden älteren Kinder, B.___ und D.___, im Februar 2020 alleine zu ihrem Vater in die Schweiz, welcher sie, bis zur Ankunft der Mutter, anderthalb Monate später, dem Anschein nach alleine betreute. Dass eine enge Beziehung innerhalb der Familie zu bestehen scheint, zeigen auch die im Sommer 2023 gemeinsam verbrachten Ferien in der Türkei (vgl. Beilage 11 zur Beschwerde). Es bestehen genügend Anhaltspunkte, um von einer besonders engen affektiven Vater-Kinder-Beziehung auszugehen. Es ist offensichtlich, dass die Beziehung zwischen dem Vater und den Kindern bei einer Ausreise der Kinder, zumindest in der bisherigen Qualität, welche zumindest bezüglich der beiden Söhne faktisch wohl in Richtung einer alternierenden Obhut geht, kaum aufrechterhalten werden könnte. Gemäss E-Mail der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 23. März 2023 haben die Kinder abgeleitet von der IV-Rente des Vaters eine Kinderrente und daher Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Aus der Berechnung der Ergänzungsleistungen der Kinder vom 26. August 2022 geht zudem hervor, dass diese eine monatliche BVG-Kinderrente von je CHF 554.00 erhalten. Die Ergänzungsleistungen für alle drei Kinder ab 1. Januar 2023 betragen CHF 3'221.00 zuzüglich CHF 360.00 Individuelle Prämienverbilligung monatlich (AS Bf. 313). Da der Vater IV-Bezüger ist, ersetzen die Sozialversicherungsleistungen sein Erwerbseinkommen. Ausserdem betreut er gemäss ergänzender Beschwerdebegründung vom 22. September 2023 die Kinder jedes zweite Wochenende sowie D.___ an den Nachmittagen von Mittwoch bis Freitag und E.___ an den Nachmittagen von Montag bis Donnerstag. Eine wirtschaftlich besonders enge Beziehung zwischen Vater und Kinder ist, nicht zuletzt unter Berücksichtigung des während der Betreuungszeiten geleisteten Naturalunterhalts, gegeben (vgl. Urteil des Bundesgericht 2C_34/2023 E. 6.2, Weisungen und Erläuterungen des SEM zum Ausländerbereich, Ziff. 6.15.3.1 [Stand: 1. September 2023]).
8.5 In Zusammenhang mit Art. 8 EMRK stellt sich letztlich die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin bis anhin «tadellos» verhalten hat. Die Beschwerdeführerin hat weder Schulden zu verzeichnen, noch ist sie in der Schweiz strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten. Das einzige, das ihr angelastet werden kann, ist der seit der Trennung vom Ex-Ehemann bestehende Sozialhilfebezug. Die Beschwerdeführerin bezieht seit Juni 2020 Sozialhilfe, wobei sie diese seit November 2022 (Praktikumsbeginn im Oktober 2022) und nun seit August 2023 (Lehrbeginn) lediglich ergänzend bezieht. Bis Juli 2023 betrug der Sozialhilfesaldo der Beschwerdeführerin CHF 36'158.23. Dem KlientInnenkontoauszug der Sozialregion [...] vom 24. März 2023 ist ausserdem zu entnehmen, dass seit Antritt der Praktikumsstelle die Position «Kindertagesstätten» hinzugekommen ist, welche einen nicht zu vernachlässigender Anteil der bezogenen Sozialhilfe ausmacht (AS Bf. 316). Diese Position ist gerechtfertigt, da die Beschwerdeführerin seit Oktober 2022 in einem 100 % Pensum ein Praktikum und nun eine Lehre absolviert und damit die durch die Kindertagesstätte gewonnene «kinderfreie» Zeit sinnvoll nutzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ausländerrechtlich die sozialversicherungs- und sozialhilferechtliche Betrachtungsweise beizuziehen, wonach einer alleinerziehenden Mutter etwa nach dem 3. Altersjahr des Kindes grundsätzlich eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann (Urteile des Bundesgerichts 2C_1228/2012 E. 5.4; 2D_12/2014 E. 3.7.3). Das jüngste Kind der Beschwerdeführerin, E.___, wurde erst im [...] 2021 dreijährig, womit es seit diesem Zeitpunkt nicht ganz zwei Jahre gedauert hat, bis eine geeignete Stelle angetreten wurde. Dem Schreiben der [...], dem Lehrbetrieb der Beschwerdeführerin, ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in einer Zeit des Fachkräftemangels einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leiste. Das Engagement und die Bereitschaft der Beschwerdeführerin, sich weiterzuentwickeln, sollten als wertvolle Ressourcen betrachtet werden, die es zu fördern und zu erhalten gelte (AS Bf. 350 ff.). Diesen Ausführungen zufolge hält die Arbeitgeberin das Verhalten der Beschwerdeführerin bei der Arbeit zweifelsohne für tadellos und dieser Schlussfolgerung ist in Bezug auf das vorliegende Verfahren – trotz der ergänzend bezogenen Sozialhilfe – zuzustimmen. Der untergeordnete Sozialhilfebezug, während voraussichtlich beschränkter Zeitdauer, vermag die anderen Kriterien nach Art. 8 EMRK (intensive affektive und wirtschaftliche Beziehung zwischen den Kindern und dem Vater, die Beziehung könnte aufgrund der Distanz zu Russland und diversen damit verbundenen Hindernissen, wie der medizinischen Situation des Vaters, praktisch nicht aufrechterhalten werden) nicht zu überwiegen. Dies insbesondere unter vorrangiger Berücksichtigung der Kinderinteressen im Sinne von Art. 3 KRK. Es ist durchaus im Interesse der Kinder in der Schweiz im gewohnten Umfeld bei beiden Elternteilen zu verbleiben.
9.1 Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen und der Entscheid des Departements des Innern vom 28. Juli 2023 aufzuheben. Das Migrationsamt wird angewiesen, die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA der Beschwerdeführerin durch eine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige zu ersetzen.
9.2 Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat ausgangsgemäss der Kanton Solothurn zu tragen. Zudem hat er die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Verwaltungsgericht zu entschädigen. Advokat Georg Ranert macht für das Verfahren vor Verwaltungsgericht eine Entschädigung von CHF 5'131.15 (16 Stunden 30 Minuten à CHF 280.00 plus Auslagen und MwSt.) geltend. Dies erscheint bis auf den Aufwand von 30 Minuten für das «Schreiben Verwaltungsgericht betreffend neue Frist», welcher Kanzleiaufwand darstellt und bereits im Honorar des Rechtsanwalts enthalten ist, als angemessen. Damit reduziert sich der zu berücksichtigende Zeitaufwand auf insgesamt 16 Stunden. Die Entschädigung von Advokat Georg Ranert beläuft sich demnach auf CHF 4'980.35 (16 Stunden à CHF 280.00 plus Auslagen von CHF 144.30 plus 7.7 % MwSt.), zahlbar durch den Staat Solothurn. Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung vom 28. Juli 2023 des Departements des Innern aufgehoben. 2. Das Migrationsamt wird angewiesen, die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA der Beschwerdeführerin durch eine Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige zu ersetzen. 3. Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht gehen zu Lasten des Kantons Solothurn. 4. Der Kanton Solothurn hat der Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Georg Ranert eine Parteientschädigung von CHF 4'980.35 auszurichten.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Der Vize-Präsident Die Gerichtsschreiberin
Frey Zimmermann |
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