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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.255)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.255
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.255 vom 22.12.2023 (SO)
Datum:22.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Beschwerdeführerin, A.___, aus dem Irak, reiste 2015 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, das abgelehnt wurde. Nach einer Heirat mit einem Schweizer Staatsbürger erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung, die später widerrufen wurde. Es wurde festgestellt, dass die Ehe eine Scheinehe war. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung gerechtfertigt ist. A.___ und ihr Sohn müssen die Schweiz bis spätestens 30. April 2024 verlassen. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und A.___ muss die Verfahrenskosten tragen.
Schlagwörter: Schweiz; Aufenthalt; Aufenthalts; Vater; Aufenthaltsbewilligung; Beziehung; Schein; Eltern; Scheinehe; Elternteil; Familie; Recht; Ausreise; Familien; Wegweisung; Urteil; Apos; Anspruch; Unterhalt; Besuch; Interesse; Bewilligung; Widerruf; Hinweis; Verwaltungsgericht
Rechtsnorm: Art. 13 BV ; Art. 18 KRK ; Art. 273 ZGB ; Art. 42 AIG ; Art. 50 AIG ; Art. 51 AIG ; Art. 63 AIG ; Art. 8 EMRK ; Art. 90 AIG ; Art. 96 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.255
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 22.12.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2024.1
Titel: Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 22. Dezember 2023            

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey

Oberrichterin Obrecht Steiner   

Gerichtsschreiberin Ramseier

In Sachen

1.    A.___ 

2.    B.___

beide vertreten durch Rechtsanwältin Tamara De Caro,     

 

Beschwerdeführer

 

gegen

 

Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

betreffend     Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1.1 A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin), geb. [...] 1994 in [...], Irak, reiste am 7. August 2015 mit ihrem damaligen Partner D.___ in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch (AS 17). Dieses wurde vom Staatssekretariat für Migration (SEM) am 26. März 2018 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin wurde aus der Schweiz weggewiesen und es wurde ihr eine Ausreisefrist bis 22. Mai 2018 gesetzt (AS 115 ff.). Der Entscheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

 

Das Migrationsamt (MISA) lud sie in der Folge im Rahmen der Rückkehrberatung zu einem Gespräch ein, zu dem sie mit E.___, geb. [...] 1994, einem in der Schweiz niederlassungsberechtigten Landsmann, erschien. Die Beiden teilten dem MISA mit, ein Ehevorbereitungsverfahren in der Schweiz sei aktuell in Bearbeitung (AS 127). Am [...] Mai 2018 heirateten sie in Olten (AS 168 ff.). Am 22. Juni 2018 wurde der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erteilt, gültig bis 30. April 2019 (AS 184).

 

1.2 Am 7. Dezember 2018 ging beim MISA die Meldung der Sozialregion Unteres Niederamt ein, wonach die Beschwerdeführerin ab 18. Oktober 2018 sozialhilferechtlich unterstützt werde (AS 190). Abklärungen ergaben, dass sie die eheliche Wohnung verlassen hatte und ab dem 1. Januar 2019 eine eigene Wohnung beziehe. Sie sei schwanger (AS 192). Am [...] 2019 wurde der Sohn B.___ geboren. Mit Urteil des Amtsgerichtsstatthalters von Olten-Gösgen vom 7. Oktober 2019 betreffend Eheschutz wurde festgestellt, dass die Parteien zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts berechtigt seien und seit dem 1. Oktober 2018 getrennt lebten. Der gemeinsame Sohn wurde unter die Obhut der Beschwerdeführerin gestellt und E.___ zur Bezahlung von Unterhalt verpflichtet (AS 236 ff.). Gegen dieses Urteil erhob E.___ im Unterhaltspunkt Berufung beim Obergericht resp. Beschwerde beim Bundesgericht (AS 316 ff.).

 

Am 2. Dezember 2020 gewährte das MISA der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz (AS 331 ff.). Gleichentags wurde auch E.___ über die beabsichtigte Massnahme in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; er liess sich nicht vernehmen. Die Beschwerdeführerin liess am 12. Februar 2021 dazu Stellung nehmen (AS 350 ff.). Mit Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen vom 19. Juli 2021 wurde die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und E.___ geschieden. Der Sohn wurde unter der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen und unter die alleinige Obhut der Mutter gestellt. Dem Vater wurde ein schrittweise auszubauendes Besuchsrecht eingeräumt und er wurde zur Bezahlung von Unterhalt verpflichtet (AS 400 ff.). Am 21. Februar 2022 gewährte das MISA der Beschwerdeführerin und E.___ das abschliessende rechtliche Gehör betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz (AS 437 ff.). Die darauf erfolgten Stellungnahmen gingen am 7. März 2022 ein (AS 449 ff.).

 

1.3 Mit Verfügung vom 28. September 2022 wies das MISA namens des Departements des Innern (DdI) die Beschwerdeführerin aus der Schweiz weg. Infolge Auflösung der Ehegemeinschaft habe sie keinen Anspruch mehr auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Sie und ihr Sohn hätten sich ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden (AS 506 ff.). Gegen diese Verfügung liessen die Beschwerdeführerin und ihr Sohn am 10. Oktober 2022 Beschwerde erheben (AS 524 ff.). Im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens (VWBES.2022.377) teilte das MISA mit, die Beschwerdeführerin habe am [...]. Januar 2023 den Schweizer Staatsbürger F.___, geb. [...] 1954, geheiratet. Das Familiennachzugsgesuch sei in Prüfung. Es lägen verschiedene Indizien vor, die auf eine Scheinehe hindeuteten. Am 4. Mai 2023 beantragte das MISA, das Verfahren gegenstandslos abzuschreiben. Der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn sei eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Das Führen einer Scheinehe habe nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden können. Mit Urteil vom 18. Juni 2023 schrieb das Verwaltungsgericht das Verfahren ab.

 

1.4 Am 7. Juni 2023 meldete sich F.___ beim MISA und teilte mit, es handle sich bei seiner Ehe mit der Beschwerdeführerin um eine Scheinehe. Die Beschwerdeführerin habe sein Vertrauen erschlichen und dieses missbraucht (Aktenergänzung [AES] 121 f.). Gleichentags wurde mit Mutationsmeldung der Gemeinde [...] die freiwillige Trennung des Ehepaares mitgeteilt (AES 118). F.___ und der Beschwerdeführerin wurde in der Folge das rechtliche Gehör betreffend Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung der Beschwerdeführerin aus der Schweiz gewährt. Beide meldeten sich am 26. Juni 2023; F.___ telefonisch (AES 110), die Beschwerdeführerin per schriftliche Eingabe (AES 108 f.). Am 12. Juli 2023 ersuchte das Richteramt Olten-Gösgen um Aktenedition betreffend Scheidung auf Klage durch den Ehemann (AES 101).

 

1.5 Mit Verfügung vom 19. Juli 2023 widerrief das MISA namens des DdI die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin und wies sie aus der Schweiz weg. Sie und ihr Sohn hätten sich vor der Ausreise ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarten an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

 

Am 1. resp. 9. August 2023 ist die Beschwerdeführerin von [...] weggezogen und hat sich in [...] angemeldet (AES 42).

 

2. Gegen die Verfügung vom 19. Juli 2023 liessen die Beschwerdeführerin und ihr Sohn am 3. August 2023 Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben mit den Anträgen auf deren Aufhebung und Anweisung der Vorinstanz, der Beschwerdeführerin eine Aufenthalts- und ihrem Sohn eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen und von einer Wegweisung abzusehen.

 

3. Mit Eingabe vom 3. Oktober 2023 beantragte das Migrationsamt die Abweisung der Beschwerde. Auf eine Vernehmlassung wurde verzichtet. Es wurde einzig darauf hingewiesen, dass gemäss Strafanzeige vom 12. September 2023 gegen F.___ und die Beschwerdeführerin Strafanzeige wegen Täuschung der Behörden eingereicht worden sei.

 

4. Am 16. Oktober 2023 ging die Honorarnote der Vertreterin der Beschwerdeführer ein.

 

5. Für die weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich ist im Folgenden darauf einzugehen.

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Das MISA begründete die angefochtene Verfügung im Wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin sei mit F.___ eine Scheinehe zum Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung eingegangen. Die Ansprüche aus Art. 42 AIG seien rechtsmissbräuchlich geltend gemacht worden. Wären die Migrationsbehörden in Kenntnis darüber gewesen, dass sie die Beziehung zu F.___ nur zum Schein eingegangen sei, wäre ihr die Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt worden. Es liege somit ein Widerrufsgrund vor, weshalb ihre Aufenthaltsbewilligung zu widerrufen sei.

 

Zwischen dem Sohn der Beschwerdeführerin und seinem in der Schweiz niederlassungsberechtigten Vater bestehe mangels Leistung von Unterhaltszahlungen keine im Sinne von Art. 8 EMRK anspruchsbegründende Beziehung. Zudem habe sich die Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht tadellos verhalten. Sie habe seit November 2015 mit Unterbrüchen mit Sozialhilfe im Umfang von CHF 117'917.57 unterstützt werden müssen (Stand September 2022). Ferner sei sie zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten und sei schliesslich eine Scheinehe eingegangen. Insofern könne B.___ auch keinen Anspruch zum Verbleib beim Vater nach Art. 8 EMRK geltend machen.

 

Die Situation der Beschwerdeführerin habe sich in den letzten neun Monaten seit dem letzten Entscheid vom 28. September 2022 nicht derart verändert, dass ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verhältnismässig wäre, dies auch wenn sie seither einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehe und ihre Deutschkenntnisse habe verbessern können. Aufgrund des Widerrufs der Aufenthaltsbewilligung und der fehlenden anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen für einen weiteren Verbleib in der Schweiz werde die Beschwerdeführerin weggewiesen. Ihrem Sohn sei es aufgrund seines Alters ohne weiteres zumutbar, der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland zu folgen. Der besuchsberechtige Vater könne die Beziehung zu seinem Sohn mittels moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten.

 

3. Dagegen liess die Beschwerdeführerin vorbringen, sie weise den Vorwurf der ausländerrechtlichen Scheinehe von sich. Sie habe sich nie rechtsmissbräuchlich verhalten. Eine Ehe könne auf vielerlei Weisen gelebt werden und aus diversen Gründen eingegangen werden. Nachdem die Ehegatten nicht mehr zusammenlebten, sei zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf einen Verbleib in der Schweiz habe, weil wichtige persönliche Gründe dies erforderlich machten. Dies beziehe sich nicht nur auf ehebedingte Umstände, sondern beispielsweise auch auf die Rückkehrmöglichkeiten. Vorliegend sei ihr Sohn mitbetroffen und dessen Situation müsse mitberücksichtigt werden. Eine Wegweisung der Beschwerdeführerin hätte zur Folge, dass ihr Sohn den Kontakt zu seinem Vater verlieren würde. Der Vater könne nicht in den Irak zurückkehren, weil er dort verfolgt sei bzw. um seinen konventionsrechtlichen Schutz nicht aufzugeben und der Sohn würde nach der Ausreise nie wieder ein Visum für einen Besuch in der Schweiz erhalten. Der Vater sei mitsorgeberechtigt, er habe also ein Recht an der Erziehung des Kindes mitzuwirken. Wenn die Vorinstanz die wirtschaftlich enge Beziehung verneine, sei darauf hinzuweisen, dass diese nicht nur durch finanzielle Unterhaltsleistungen, sondern auch durch Naturalleistungen erfolgen könne. Zudem werde seit Mai 2023 der Unterhalt für den Sohn vom Arbeitgeber direkt bezogen. Der Vater kümmere sich um seinen Sohn und sie sähen sich regelmässig, insbesondere an den Wochenenden. Es sei somit ein aufenthaltsbegründender Anspruch des Sohnes gestützt auf Art. 8 EMRK entstanden. Zudem hätte der Sohn ohnehin Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung.

 

Die Trennung von der Mutter wäre dem Sohn gestützt auf Art. 8 EMRK ebenfalls nicht zuzumuten. Schliesslich habe sich die Beschwerdeführerin in der Schweiz immer wohlverhalten. Langfristig werde sie auch nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein. Der Bezug von Sozialhilfe sei grösstenteils unverschuldet erfolgt. Das private Interesse der beiden Beschwerdeführer am Familienleben sei höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an deren Wegweisung.

 

4.1 Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG; SR 142.20).

 

Die Ansprüche nach Art. 42 AIG erlöschen laut Art. 51 Abs. 1 AIG, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen (lit. a) Widerrufsgründe nach Art. 63 AIG vorliegen (lit. b).

 

Art. 51 Abs. 1 lit. a AIG umfasst auch die sogenannte Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt eine Scheinehe nicht bereits dann vor, wenn auch ausländerrechtliche Motive für den Eheschluss entscheidend waren. Es bedarf vielmehr für die Annahme einer Ausländerrechtsehe konkreter Hinweise dafür, dass die Ehegatten nicht eine eigentliche Lebensgemeinschaft zu führen beabsichtigten, sondern die Beziehung nur aus aufenthaltsrechtlichen Überlegungen eingegangen wurde. Erforderlich ist, dass der Wille zur Führung der Lebensgemeinschaft im Sinne einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen, körperlichen und spirituellen Verbindung zumindest bei einem Ehepartner fehlt. Ein solcher Wille fehlt, wenn die Ehegatten nicht die Absicht haben, eine echte, tatsächlich gelebte Beziehung – eine sogenannte Realbeziehung – zu führen. Letztere setzt voraus, dass minimale Kenntnisse über wesentliche Lebensumstände des Partners und ein gewisses solidarisches, nicht allein auf Gleichgültigkeit beruhendes Verhalten vorliegen. Indizien für eine Scheinehe können sowohl äussere Begebenheiten sein wie die Umstände des Kennenlernens, eine kurze Dauer der Bekanntschaft, eine drohende Wegweisung, das Fehlen einer Wohngemeinschaft, ein erheblicher Altersunterschied, Schwierigkeiten in der Kommunikation, fehlende Kenntnisse über den anderen die Bezahlung einer Entschädigung für die Heirat. Sie können aber auch innere (psychische) Vorgänge betreffen. Eine dauerhafte Parallelbeziehung bildet ausserdem ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe.

 

Ob eine Ausländerrechtsehe im Sinne von Art. 51 Abs. 1 lit. a AIG geschlossen wurde bzw. ob die Migrationsbehörde über den fehlenden Willen zur Aufnahme einer tatsächlichen, ehelichen Lebensgemeinschaft getäuscht wurde, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und ist nur durch Indizien zu erstellen. Grundsätzlich muss die Migrationsbehörde die Ausländerrechtsehe nachweisen. Dass eine solche vorliegt, darf dabei nicht leichthin angenommen werden. Diesbezügliche Indizien müssen klar und konkret sein. Der Untersuchungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflicht der betroffenen Personen relativiert (vgl. Art. 90 AIG). Diese kommt insbesondere bei Tatsachen zum Tragen, die eine Partei besser kennt als die Behörden und die ohne ihre Mitwirkung gar nicht nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden können. Insbesondere wenn bereits gewichtige Hinweise für eine Scheinehe sprechen, wird von den Ehegatten erwartet, dass sie von sich aus substantiiert Umstände vorbringen, die den echten Ehewillen glaubhaft machen. 

 

Massgebend für die Beurteilung, ob die Vorinstanz die ermittelten Indizien willkürlich beurteilt hat, ist eine Gesamtbetrachtung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung (Urteil 2C_906/2021 vom 1. Juni 2022 E. 4.2 ff. mit Hinweisen).

 

4.2 Das MISA hatte schon vor Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an die Beschwerdeführerin grosse Zweifel an deren Ehewillen. Dies insbesondere aufgrund des Altersunterschiedes von 40 Jahren und des Umstandes, dass gegen sie eine Wegweisung verfügt worden war. Die Verfügung datierte vom 28. September 2022, geheiratet haben sie und F.___ am [...]. Januar 2023. Auch bereits zuvor konnte die Beschwerdeführerin eine Ausreiseverpflichtung verhindern, weil sie einen niederlassungsberechtigten Landsmann geheiratet hatte (vgl. dazu die Ausführungen von E.___ vom 7. Februar 2020, AS 265). Diese Ehe ging sie am [...]. Mai 2018 ein, die Trennung erfolgte am 1. Oktober 2018. Ferner hatten sie und F.___ anlässlich der Befragungen vom 28. März 2023 widersprüchliche Angaben gemacht, beispielsweise im Hinblick auf den Heiratsantrag, zu allfälligen Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in der Schweiz, den Besuchswochenenden von B.___ bei seinem Vater und den zuletzt zusammen erlebten Tagen (AS 624 ff.). Da aber auch einige übereinstimmende Äusserungen erfolgt waren, ging das MISA damals noch nicht von einer Scheinehe aus.

 

Dies ist nun anders zu beurteilen. Denn F.___ hat sich am 7. Juni 2023 beim MISA gemeldet und mitgeteilt, es handle sich bei seiner Ehe mit der Beschwerdeführerin um eine Scheinehe. Die Beschwerdeführerin habe sein Vertrauen erschlichen und dieses missbraucht. Er sei darauf hereingefallen. Er sei einsam gewesen, seine Frau sei nach 40 Ehejahren gestorben und er sei durch die Einsamkeit labil gewesen und habe sich blenden lassen. Nach der Heirat sei die Beschwerdeführerin nicht mehr herzlich gewesen, habe sich sofort in ihr Zimmer zurückgezogen und sich total abgeschottet. Sie habe vermehrt nach Geld gefragt, ihr Sohn habe keinen Kontakt mehr zu ihm haben dürfen, sie habe nichts mehr mit ihm unternommen und sei nicht mehr bereit gewesen, sich mit ihm in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie habe auch keine Miete bezahlt (Aktenergänzung [AES] 121 f.). Am 9. Juni 2023 meldete er dem MISA, er werde von «Arabern» bedroht und die Beschwerdeführerin habe seinen ganzen Schmuck gestohlen und diesen verkauft (AES 120). Gleichentags meldete er sich bei der Polizei und erhob Strafanzeige gegen die Beschwerdeführerin. Die anfänglichen Hinweise auf eine Scheinehe haben sich somit erhärtet.

 

Daran vermögen die Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Eingabe vom 26. Juni 2023 nichts zu ändern (AES 108 f.). Es mag sein, dass sich F.___ seinerseits nicht so verhalten hat, wie es sich die Beschwerdeführerin vorgestellt hatte. Dies vermag die Indizien, die für eine Scheinehe sprechen (insbesondere der Altersunterschied von 40 Jahren; die Tatsache, dass der Beschwerdeführerin ohne Heirat der Verlust der Aufenthaltsbewilligung gedroht hätte; die Trennung nach sehr kurzer Ehedauer, die Strafanzeige), aber nicht zu widerlegen. Zudem soll die Beschwerdeführerin gemäss Strafanzeige dem einvernehmenden Polizeibeamten gesagt haben, sie habe mit F.___ eine Freundschaft aufgebaut mit dem Hintergedanken zu heiraten. Sie hätten im selben Haus in getrennten Wohnungen gewohnt und seien nie intim gewesen. Es sei lediglich um Gesellschaft gegangen. Bezüglich des im fraglichen Schreiben der Beschwerdeführerin gegenüber F.___ erwähnten Verhaltens (Vermietung von Räumlichkeiten an andere Personen, Partys, Alkoholkonsum etc.) ist festzuhalten, dass ihr dies wohl vor der Heirat bereits bekannt gewesen sein dürfte, sollen sie und F.___ gemäss ihren eigenen Angaben anlässlich der Befragung vom 28. März 2023 doch bereits seit September/Oktober 2022 in einer Liebesbeziehung gestanden haben (AS 639). Auch der Vorhalt des Stalkens und der Beschimpfung/«Drohung» (AS 107) vermag die erwähnten Indizien für eine Scheinehe nicht zu widerlegen. Ohne die Äusserungen von F.___ gegenüber ihr bagatellisieren zu wollen, deuten diese doch – insbesondere auch angesichts der Ausführungen von F.___ anlässlich der Befragung vom 28. März 2023 (AS 625) – eher auf eine Kränkung hin, nachdem er realisiert hatte, dass die Beschwerdeführerin ihn nur wegen des Aufenthaltsrechts geheiratet hatte. Kein überzeugendes Argument stellt schliesslich dar, es sei ein bekanntes Muster, dass nach dem Scheitern der Beziehung vom Schweizer Partner eine Scheinehe ins Feld geführt werde, um Unterhaltsansprüchen zu entgehen (Eingabe vom 22. September 2023). Bei einer Trennung nach fünf Monaten Ehedauer dürften kaum Unterhaltszahlungen gesprochen werden.

 

Zusammenfassend kann unter diesen Umständen nicht ernsthaft von einer jemals gelebten Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und F.___ gesprochen werden. Es liegen klare Hinweise dafür vor, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit F.___ nur eingegangen ist, um sich ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz zu verschaffen. Dies ist rechtsmissbräuchlich. Damit ist gestützt auf Art. 51 Abs. 1 lit. a AIG der Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 AIG erloschen resp. die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin ist zu widerrufen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_835/2021 vom 24. Juni 2022 E. 5.4).

 

4.3 Nachdem ein Anwendungsfall von Art. 51 Abs. 1 AIG vorliegt, kommt Art. 50 AIG, welcher von der Beschwerdeführerin angerufen wird, nicht zum Tragen. Es ist daher entgegen ihrer Auffassung nicht zu prüfen, ob sie gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AIG einen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz hat, weil wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen würden.

 

5. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 8 EMRK.

 

5.1 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Urteil 2C_34/2023 vom 19. Oktober 2023 E. 5.3 ff. mit Hinweisen) verschafft Artikel 8 EMRK praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt auf einen Aufenthaltstitel. Er hindert Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden. Dennoch kann das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens berührt sein, wenn einer ausländischen Person mit in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen das Zusammenleben verunmöglicht wird. Artikel 8 EMRK ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Ist dies nicht der Fall, ist die in Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung vorzunehmen. 

 

Der Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK kann rechtmässig eingeschränkt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck entspricht und zu dessen Realisierung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erscheint (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und der öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Das Recht nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK gilt als verletzt, wenn keine umfassende, faire Interessenabwägung erfolgt, obwohl die intakten, engen persönlichen und familiären Beziehungen der Familienmitglieder nicht problemlos andernorts gelebt werden können. 

 

Minderjährige haben grundsätzlich dem Inhaber der elterlichen Sorge und der faktischen Obhut (im Sinne einer überwiegenden Betreuung) zu folgen. Das ausländische minderjährige Kind teilt schon aus familienrechtlichen Gründen regelmässig das ausländerrechtliche Schicksal des sorge-/betreuungsberechtigten Elternteils. Massgebend sind die zivilrechtlichen Verhältnisse, wie sie im Zeitpunkt des Entscheids der Vorinstanz bestehen und tatsächlich gelebt werden. Das Kind hat das Land gegebenenfalls mit dem obhutsberechtigten Elternteil zu verlassen, wenn dieser über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügt. Es genügt die Zumutbarkeit der Ausreise des Kindes für eine Bewilligungsverweigerung an den sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil, wobei die Möglichkeit der Ausübung des Besuchsrechts des in der Schweiz anwesenheitsberechtigten anderen Elternteils sachgerecht mitberücksichtigt werden kann. Für die Erteilung der Bewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV ist in diesem Fall erforderlich, dass eine intensive Beziehung in affektiver und wirtschaftlicher Hinsicht zwischen dem hier anwesenden besuchsberechtigten Elternteil und dem Kind besteht und sich der obhutsberechtigte Elternteil, welcher um die Bewilligung ersucht, seinerseits «tadellos» verhalten hat. Dabei ist mit noch grösserer Zurückhaltung auf eine Pflicht zu schliessen, dem sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil eine Bewilligung zu erteilen, als im Falle des besuchsberechtigten Elternteils, der selber, im Hinblick auf die Ausübung seines Besuchsrechts, um die Bewilligung nachsucht. Der obhutsberechtigte Elternteil, der die Bewilligung einzig zur Erleichterung der Ausübung des Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil erhältlich machen will, soll dies nur bei Vorliegen besonderer Umstände tun können. 

 

Der nicht sorge- bzw. nicht hauptsächlich betreuungsberechtigte ausländische Elternteil kann die familiäre Beziehung mit seinem Kind in der Regel nur in beschränktem Rahmen leben, nämlich durch die Ausübung des ihm eingeräumten Rechts auf angemessenen persönlichen Verkehr und den damit verbundenen Betreuungsanteilen (Art. 273 Abs. 1 ZGB [«Besuchsrecht»]). Hierfür ist nicht unbedingt erforderlich, dass er sich dauerhaft im selben Land aufhält wie das Kind und dort über ein Anwesenheitsrecht verfügt. Unter dem Gesichtswinkel des Schutzes des Anspruchs auf Familienleben (Art. 13 Abs. 1 BV sowie Art. 8 Ziff. 1 EMRK) genügt je nach den Umständen, dass der Kontakt zum Kind im Rahmen von Kurzaufenthalten, Ferienbesuchen über die modernen Kommunikationsmittel vom Ausland her wahrgenommen werden kann; gegebenenfalls sind die zivilrechtlichen Modalitäten den ausländerrechtlichen Vorgaben entsprechend anzupassen. 

 

Bei der Interessenabwägung ist dem übergeordneten Kindesinteresse und dem grundlegenden Bedürfnis des Kindes – als einem (wesentlichen) Element unter anderen – Rechnung zu tragen, in möglichst engem Kontakt mit beiden Elternteilen aufwachsen zu können. Nach Art. 9 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107) achten die Vertragsstaaten das Recht des Kindes, das von einem beiden Elternteilen getrennt lebt, regelmässige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen pflegen zu können, soweit dies nicht seinem Wohl widerspricht. Gemäss Art. 18 KRK bemühen sich die Vertragsstaaten zudem nach besten Kräften darum, den Grundsatz sicherzustellen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind. Für Kinder im anpassungsfähigen Alter ist der Umzug in ein anderes Land bzw. die Heimat zusammen mit der Inhaberin dem Inhaber der elterlichen Sorge bzw. des Hauptbetreuungsanteils zumutbar, zumal wenn sie mit dessen Kultur durch Sprachkenntnisse, gelegentliche Ferienaufenthalte und einer entsprechenden Kulturvermittlung seitens der Eltern vertraut sind.

 

5.2 Zunächst ist bezüglich des vorliegenden Falls festzuhalten, dass der angefochtene Entscheid insofern nicht gegen Art. 8 EMRK verstösst, als bei einer Scheinehe gerade keine echte und tatsächlich gelebte Beziehung und somit kein schützenswertes Familienleben vorliegt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_906/2021 vom 1. Juni 2022 E. 6 und 2C_835/2021 vom 24. Juni 2022 E. 5.4 mit Hinweisen).

 

5.3 Die Beschwerdeführerin kann sich aber auch ansonsten nicht auf Art. 8 EMRK berufen.

 

5.3.1 Sie teilt sich die elterliche Sorge mit dem Vater ihres Sohnes, hat aber die alleinige Obhut über ihren Sohn inne. Sie betreut ihren Sohn auch in tatsächlicher Hinsicht hauptsächlich. Ihr Sohn hat ihr somit grundsätzlich ins Ausland zu folgen, weshalb die Entfernungsmassnahme ihre familiäre Beziehung zu ihrem Sohn nicht beeinträchtigt.

 

5.3.2 Ihr Sohn selbst kann ihr auch keinen Bewilligungsanspruch vermitteln. Der besuchsberechtigte Vater ihres Sohnes lebt zwar in der Schweiz, er verfügt über eine Niederlassungsbewilligung und zwischen Vater und Sohn besteht auch eine tatsächlich gelebte Beziehung. Diese kann aber nicht als besonders intensiv bezeichnet werden, nachdem der Vater seinen Sohn nur jedes zweite (AS 500), allenfalls je nach Arbeitseinsatz der Beschwerdeführerin jedes Wochenende, betreut und dies nicht bereits seit Geburt (mit dem Scheidungsurteil vom 19. Juli 2021 wurde dem Vater erst ein schrittweise auszubauendes Besuchsrecht eingeräumt). Zwischen Vater und Sohn besteht aber insbesondere keine enge wirtschaftliche Beziehung. Diese ist dann besonders eng, wenn die nicht obhutsberechtigte Person für das Kind jene finanziellen Leistungen erbringt, welche die Zivilgerichtsinstanzen festgelegt haben (Urteil des Bundesgerichts 2C_34/2023 vom 19. Oktober 2023 E. 6.2 mit Hinweis). Vorliegend hat der Vater für seinen Sohn zu keinem Zeitpunkt derartige Unterhaltszahlungen erbracht. Er mag seinen Sohn bisweilen mit Naturalbeiträgen unterstützt haben, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, die Unterhaltsbeiträge mussten aber stets bevorschusst werden. Der Ausstand betrug im September 2022 CHF 77'522.00, wobei davon durch das Oberamt CHF 27'366.00 bevorschusst worden sind (AS 501). Die Beschwerdeführerin musste mit Sozialhilfe unterstützt werden; der Saldo betrug per 31. Dezember 2022 CHF 117'917.57 (AS 505). Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass der Vater auch in Kenntnis der drohenden Wegweisung der Beschwerdeführerin und damit seines Sohnes keinerlei Zahlungen vorgenommen hat (vgl. Verfahren VWBES.2022.377 resp. Verfügung vom 28. September 2022). Zudem soll er teilweise Kinderzulagen bezogen haben, ohne diese an die Beschwerdeführerin an die Sozialregion weiterzuleiten (AS 426, 309). Erst seit 5. April 2023 besteht nun eine Schuldneranweisung über den Betrag von CHF 1'908.00 pro Monat (Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen vom 5. April 2023). Dies vermag an den geschilderten Umständen indessen nichts zu ändern, zumal auch diese Zahlungen nicht freiwillig erfolgen.

 

5.3.3 Das Verhalten der Beschwerdeführerin in der Schweiz kann auch nicht als tadellos bezeichnet werden. Sie arbeitet zwar momentan und hat sich auch um Deutschkenntnisse bemüht, dennoch ist festzuhalten, dass sie bisher hauptsächlich von Sozialhilfegeldern gelebt hat. Dies lässt sich zwar weitgehend mit der Betreuungsaufgabe für ihren Sohn, teilweise allenfalls mit gesundheitlichen Gründen, erklären, aber nicht nur. So wurde sie bereits vor der Geburt ihres Sohnes sozialhilferechtlich unterstützt, so vom 13. November 2015 bis 15. März 2016 und vom 1. Oktober 2016 bis 7. Mai 2018 (AS 311) und dann wieder ab 18. Oktober 2018 (AS 309). Der Saldo per 31. Dezember 2022 beträgt wie erwähnt CHF 117'917.57. In der Beschwerde räumt sie denn auch ein gewisses diesbezügliches Fehlverhalten ein, indem sie erwähnt, die Sozialhilfe sei grösstenteils unverschuldet bezogen worden (S. 11). Schliesslich ist auch in diesem Zusammenhang auf ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Ehe mit F.___ hinzuweisen.

 

5.3.4 Dem Sohn der Beschwerdeführerin ist es zumutbar, zusammen mit der Beschwerdeführerin als Obhutsinhaberin die Schweiz zu verlassen. B.___ ist erst 4-jährig und damit in einem sehr anpassungsfähigen Alter. Zudem ist er mit der Kultur und Sprache seiner Mutter vertraut. Die Beziehung zu seinem Vater kann er in der bisherigen Qualität zwar nicht aufrechterhalten und dies ist zweifelsohne ein gravierender Einschnitt in sein und das Familienleben seines Vaters, zumal Besuche des Vaters im Irak unmöglich sein dürften, da dieser als anerkannter Flüchtling bei Einreisen in das Heimatland seinen konventionsrechtlichen Schutz verlieren dürfte (der Kindsvater verfügt über einen abgeleiteten Flüchtlingsstatus; Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft seines Vaters, AS 428). Im Fall 2C_402/2015 vom 11. November 2016 E. 4.5 kam das Bundesgericht indessen zum Schluss, dass dem Kind Besuchsaufenthalte beim Vater in der Schweiz offen stünden, auch wenn dieser seinerseits nicht in sein Heimatland (Türkei) reisen könne, ohne seinen Flüchtlingsstatus zu verlieren bzw. sich allenfalls Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sehen. Dies ist auch vorliegend so, d.h. auch vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn auch besuchsweise in der Schweiz gepflegt werden kann. Gegenüber dem Vater besteht eine Schuldneranweisung von CHF 1'908.00 pro Monat. Daraus kann geschlossen werden, dass es ihm möglich sein sollte, seinem Sohn und einer Begleitperson regelmässig die Reise in die Schweiz zu finanzieren, dürften die Unterhaltszahlungen nach Ausreise seines Sohnes doch kaufkraftbereinigt werden und somit sinken, was zu freien Mitteln führt. Ferner kann die Beziehung mit zunehmendem Alter des Sohnes auch vermehrt und verbessert über die modernen Kommunikationsmittel gepflegt werden.

 

Schliesslich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass nur mit Zurückhaltung auf eine staatliche Pflicht geschlossen werden kann, eine Bewilligung erteilen verlängern zu müssen, wenn nicht der umgangs-/besuchsberechtigte Ausländer selber im Hinblick auf die Ausübung seiner Rechte um eine Verlängerung der Bewilligung nachsucht, sondern der ausreisepflichtige sorge- und obhutsberechtigte Elternteil den Anspruch zur Erleichterung des Kontakts zwischen dem gemeinsamen Kind und dem gefestigt anwesenheitsberechtigten anderen Elternteil geltend macht und auf diesem Weg für sich und das Kind eine Bewilligung erhältlich machen will. Ein solcher umgekehrter Familiennachzug ist nur bei Vorliegen von besonderen Umständen zu gestatten, so etwa wenn das Kind über die schweizerische Staatsbürgerschaft verfügt (Urteil des Bundesgerichts 2C_402/2015, E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).

 

6. Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und die Wegweisung halten auch vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 96 Abs. 1 AIG, Art. 8 Ziff. 2 EMRK) stand. Der Beschwerdeführerin ist eine Rückkehr in die Heimat zumutbar. Sie kam mit 21 Jahren in die Schweiz und hat damit ihre gesamte Kindheit, die Jugendjahre und die Jahre als junge Erwachsene in ihrem Heimatland verbracht. Im Irak hat sie die Schule besucht und fünf Jahre studiert (AS 13). Sie ist [...] (AS 637). In der Schweiz lebt sie erst seit acht Jahren und ist – insbesondere in beruflicher Hinsicht – kaum integriert, auch wenn sie derzeit über eine Anstellung verfügt. Ob sie über enge soziale Beziehungen zu in der Schweiz lebenden Personen verfügt, geht aus den Akten nicht hervor. Bezüglich Familienangehörigen im Irak liegen unterschiedliche Angaben vor. Während sie anlässlich der Befragung vom 18. August 2015 beim Staatssekretariat für Migration noch angab, im Irak lebten ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester sowie mehrere Onkel und Tanten (AS 11), macht sie nun geltend, ihre Mutter und ihr Bruder lebten in Deutschland, während F.___ angegeben hatte, in der Schweiz lebe zusätzlich noch ihre Schwester (AS 629, 637). Was genau zutrifft, lässt sich aufgrund der Akten nicht eruieren, es ist aber davon auszugehen, dass im Irak immer noch ein grosser Teil ihrer Familie lebt (auch wenn sie nun im Schreiben vom 26. Juni 2023 plötzlich erwähnt, ihre ganze Familie lebe in Europa, AES 108 f.). Es sollte ihr daher möglich sein, mit ihrer Ausbildung und ihren hinreichenden Bezugspunkten zu ihrem Heimatland dort wieder Fuss fassen und sich integrieren zu können. Damit liegen keine unüberwindbaren Hindernisse für eine Wiedereingliederung in ihrem Heimatland vor.

 

Zusammenfassend überwiegt somit das öffentliche Interesse an ihrer Wegweisung (zur Entlastung der öffentlichen Hand, aufgrund ihres rechtsmissbräuchlichen Verhaltens) ihr privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz. Der Widerruf ihrer Aufenthaltsbewilligung erweist sich demzufolge als verhältnismässig.

 

7. Gestützt auf diese Erwägungen ist die Beschwerde folglich als unbegründet abzuweisen. Die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin wurde berechtigterweise widerrufen. Die Beschwerdeführerin wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis spätestens 30. April 2024 zu verlassen. Entsprechend hat sie sich und ihren Sohn vor der Ausreise ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der Ausreisemeldekarten an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

 

8. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin dessen Kosten zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Die (vorsorglich) beantragte unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da selbst gestützt auf ihre eigenen Angaben ein monatlicher Überschuss von CHF 448.00 resultiert (hier müsste noch der Anteil Steuern [da quellenbesteuert] berücksichtigt werden, was einen Überschuss von mindestens CHF 548.00 pro Monat ergibt). Es stehen sich Einnahmen von CHF 5'693.00 (Lohn August 2023, Schuldneranweisung) und Ausgaben von CHF 5'245.00 (geltend gemachte Auslagen von CHF 3'145.00 [inkl. Steuern, obwohl sie quellensteuerpflichtig ist, vgl. Lohnausweis], plus Grundbetrag für sie und ihren Sohn von CHF 1'750.00, plus zivilprozessualer Zuschlag von CHF 350.00) gegenüber. Mit diesem Überschuss kann sie die Verfahrenskosten plus die Aufwendungen ihrer Vertreterin begleichen.

 

Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Schweiz spätestens bis 30. April 2024 zu verlassen.

3.    Sie hat sich und ihren Sohn B.___ vor der Ausreise ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der Ausreisemeldekarten an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

4.    Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.

5.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von total CHF 1'500.00 gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                          Ramseier

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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