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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.239)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.239: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entscheidet, dass die Aufenthaltsbewilligung von A.___ nicht verlängert wird und sie die Schweiz bis zum 30. April 2024 verlassen muss. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'500 werden A.___ auferlegt, aber aufgrund der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Staat Solothurn getragen. Der Richter ist Präsident Thomann und die Gerichtsschreiberin ist Zimmermann. Die Gewinnerperson ist weiblich

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.239

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.239
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.239 vom 15.01.2024 (SO)
Datum:15.01.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Aufenthalt; Aufenthalts; Recht; Sozialhilfe; Schweiz; Aufenthaltsbewilligung; Bundesgericht; Schulden; Arbeit; Urteil; Bundesgerichts; Apos; Widerruf; Migration; Verfügung; Entscheid; Bedingung; Ausländer; Migrationsamt; Verfahren; Vorinstanz; Widerrufsgr; Verlängerung; Zahlung; Staat
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ;Art. 33 AIG ;Art. 62 AIG ;Art. 8 EMRK ;Art. 96 AIG ;
Referenz BGE:119 Ib 1; 123 II 529; 141 II 1;
Kommentar:
Marc Spescha, Zürich , Art. 62 AIG SR, 2019

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.239

 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.239
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 15.01.2024 
FindInfo-Nummer: O_VW.2024.13
Titel: Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

Urteil vom 15. Januar 2024                 

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichterin Obrecht Steiner

Oberrichter Frey    

Gerichtsschreiberin Zimmermann

In Sachen

A.___,  

vertreten durch Rechtsanwalt Simon Bloch,   

 

Beschwerdeführerin

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,   

vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. A.___, geborene [...] (nachfolgend: Beschwerdeführerin), wurde am [...] 1970 in [...], Brasilien, geboren und ist brasilianische Staatsangehörige (Aktenseite [AS] 487). Am 20. Oktober 2000 reiste sie mit ihrer vorehelichen Tochter, B.___, geb. [...] 1991, in die Schweiz ein und heiratete gleichentags den Schweizer Bürger C.___, geb. [...] 1949 (AS 1 f., 120, 486 f.). Daraufhin wurde ihr im Rahmen des Familiennachzugs erstmals eine Aufenthaltsbewilligung erteilt (AS 1 f.). Diese wurde in der Folge jeweils um ein Jahr verlängert.

 

2. Die Ehegatten lebten gemäss Verfügung des Richteramtes Olten-Gösgen vom 12. Oktober 2004 seit dem 1. September 2004 getrennt und die Ehe wurde am 15. Oktober 2007 geschieden (AS 86, 179).

 

3. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs erliess das Migrationsamt namens des Departements des Innern am 30. Juni 2023 folgende Verfügung:

 

1.    Die Aufenthaltsbewilligung von A.___ wird nicht verlängert.

2.    A.___ wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis am 30. September 2023 zu verlassen.

3.    A.___ hat sich vor der Ausreise ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

 

4. Dagegen liess die, neu durch Rechtsanwalt Simon Bloch, vertretene Beschwerdeführerin am 13. Juli 2023 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und stellte folgende Rechtsbegehren:

 

1.    Es sei die Verfügung des Migrationsamtes Kanton Solothurn vom 30. Juni 2023 aufzuheben.

2.    Es sei die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern.

3.    Eventualiter sei die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin verbunden mit einer Verwarnung zu verlängern.

4.    Der vorliegenden Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

5.    Es sei der Beschwerdeführerin die integrale unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen, unter Beiordnung des unterzeichneten Rechtsanwalts als unentgeltlicher Rechtsbeistand.

6.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. 7.7 % MwSt.

 

5. Der Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. Juni 2023 wurde am 14. Juli 2023 die aufschiebende Wirkung erteilt und der Beschwerdeführerin gestattet, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. Gleichentags wurde der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsanwalt Simon Bloch als unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.

 

6. In seiner Vernehmlassung vom 12. September 2023 schloss das Migrationsamt auf vollumfängliche Beschwerdeabweisung unter Kostenfolge.

 

7. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Nach § 68 Abs. 3 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG, BGS 124.11) sind neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel, wenn sie mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, bis zum Schluss des Beweisverfahrens erlaubt. Das Gericht entscheidet aufgrund des Sachverhalts, wie er sich zum Urteilszeitpunkt darstellt (vgl. Entscheid des Bundesgerichts 2C_163/2021, E. 6.2).

 

3.1 Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob die Vorinstanz die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu Recht nicht verlängert und sie weggewiesen hat.

 

3.2 Gemäss Art. 33 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) wird die Aufenthaltsbewilligung für Aufenthalte mit einer Dauer von mehr als einem Jahr erteilt. Sie wird für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt und kann mit weiteren Bedingungen verbunden werden (Art. 33 Abs. 2 AIG). Sie ist befristet und kann verlängert werden, wenn keine Widerrufsgründe nach Art. 62 Abs. 1 AIG vorliegen (Art. 33 Abs. 3 AIG).

 

3.3 Die zuständige Behörde kann Bewilligungen und andere Verfügungen nach dem AIG widerrufen, wenn die Ausländerin der Ausländer eine Person, für die sie er zu sorgen hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist (vgl. Art. 62 Abs. 1 lit. e AIG). Beim Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit geht es in erster Linie darum, eine zusätzliche und damit künftige Belastung der öffentlichen Finanzen zu vermeiden. Es muss auf die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung bei der ausländischen Person abgestellt werden; erforderlich ist eine konkrete Gefahr des Fortbestehens der Sozialhilfeabhängigkeit. Dabei ist neben den bisherigen und aktuellen Verhältnissen auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht hin in die Beurteilung miteinzubeziehen. Der auf Art. 62 Abs. 1 lit. e AIG gestützte Widerruf fällt in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt wird aufkommen können (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_9/2020 E. 4.3.1 und 4.3.2, mit weiteren Hinweisen, 2C_370/2021 E. 3.1 und 3.2). Das Bundesgericht erachtete Sozialhilfebezüge von CHF 109'500.00 während sieben Jahren, CHF 96'000.00 während neun Jahren sowie CHF 80'000.00 während sechs Jahren als erheblich (Urteil des Bundesgerichts 2C_549/2019, E. 4.3.1, mit weiteren Hinweisen; BGE 123 II 529 E. 4 S. 533; BGE 119 Ib 1 E. 3.a und 3.b S. 6). Liegt der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme auch verhältnismässig erscheint (Urteil des Bundesgerichts 2C_870/2018 E. 5.2). Auch die Frage, ob die Fürsorgeabhängigkeit selbstverschuldet ist, was den Widerruf bzw. die Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung erst rechtfertigt, bildet Teil der Prüfung der Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden Massnahme (Urteile des Bundesgerichts 2C_370/2021 E. 3.4, 2C_9/2020 E. 4.3.4).

 

3.4 Die Vorinstanz erachtete die objektiven Voraussetzungen des Widerrufsgrundes nach Art. 62 Abs. 1 lit. e AIG als offensichtlich erfüllt. Zu Recht bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass ein hoher Sozialhilfebezug während ihres Aufenthaltes in der Schweiz erfolgt ist. In ihrer Beschwerde führt sie aus, dass sie nicht im Stande sei, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids wurde die Beschwerdeführerin seit dem 15. März 2019 vollumfänglich mit Sozialhilfe unterstützt und auch zuvor musste sie während rund 13 Jahren von der Sozialhilfe unterstützt werden. Der Saldo der bis zum 17. April 2023 bezogenen Sozial­hilfeleistungen belief sich auf CHF 247'120.20. In Anbetracht der unter Ziff. II. / 3.3 aufgeführten Rechtsprechung ist der Sozialhilfebezug der Beschwerdeführerin als erheblich zu qualifizieren. Selbst wenn nur der Sozialhilfebezug bis Ende 2017 berücksichtigt würde (die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es erst ab dem Jahr 2019 zu einem sehr hohen Anstieg gekommen sei), wäre der Sozialhilfebezug in Höhe von CHF 160'388.40 während rund 13 Jahren als erheblich zu qualifizieren. Dies umso mehr unter Berücksichtigung, dass gemäss Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 29. Juni 2007 ein Unterhaltsbeitrag durch den Ex-Mann in Höhe von CHF 1'845.00 geschuldet war, welcher gemäss Kontoauszug der Sozialhilfe bis September 2009 geleistet wurde (AS 455). Den Erwägungen der Vorinstanz ist zudem insoweit zuzustimmen, als dass nicht damit gerechnet werden kann, dass die Beschwerde­führerin künftig selber für ihren Lebensunterhalt wird aufkommen können. Bereits im Jahr 2006 wurde der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsrecht unter der Bedingung erteilt, dass sie ihren Lebensunterhalt innert nützlicher Frist selbständig bestreiten und sich vom Sozialamt ablösen kann. 2011 wurde ihr gar die Nichtverlängerung der Aufenthalts­bewilligung angedroht und festgehalten, dass erwartet wird, dass die Beschwer­deführerin einer Erwerbstätigkeit nachgeht und sich von der Sozialhilfe ablöst, keine Schulden generiert, nicht straffällig wird und ihre Deutschkenntnisse verbessert. Am 10. März 2017 wurde die gewährte Verlängerung abermals unter den Bedingungen erteilt, dass sie Schulden abbauen müsse und insbesondere keine Sozialhilfe beziehen dürfe (AS 465). Diese ausländerrechtlichen Massnahmen vermochten bis anhin keine nachhaltige Verhaltensänderung der Beschwerdeführerin zu bewirken und sie konnte nie längerfristig eigenständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen. An der Erwägung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin letztmals im Jahr 2018 aktenkundig erwerbstätig war, vermag auch der mit der Beschwerde eingereichte Einzelarbeits­vertrag der [...] GmbH mit Arbeitsbeginn am 1. Mai 2018 nichts zu ändern, da offensichtlich nicht davon auszugehen ist, dass dieser noch besteht. Dass die Beschwerdeführerin gemäss Arbeitsbestätigung der [...] vom 20. Dezember 2023 zwischen dem 18. Dezember 2023 und 9. Januar 2024 Schnuppertage als Mitarbeiterin in der [...] absolviert hat und gemäss E-Mail der [...] vom 9. Januar 2024 am 15. Januar 2024 einen Arbeitseinsatz von 50 % bei der [...] wird antreten können, ändert nichts an der Einschätzung, dass die Beschwerdeführerin auch damit künftig nicht selber für ihren Lebensunterhalt wird aufkommen können. Aufgrund der aktenkundigen mangelnden Beständigkeit der Beschwerdeführerin auf dem Arbeitsmarkt ist ohnehin dahingestellt, wie lange dieses Arbeitsverhältnis dauern wird, zumal es sich um einen Einsatz im zweiten Arbeitsmarkt handelt. Hinzu kommt, dass der Ausgang des IV-Verfahrens noch immer ungewiss ist und die Beschwerdeführerin seit März 2021 mit der IV-Anmeldung zuwartete (AS 509). Auch eine Restarbeitsfähigkeit hat sie nie verwertet, obwohl sie ab März 2022 eine Arbeitsstelle suchen wollte (AS 520). Insgesamt kann nicht damit gerechnet werden, dass die Beschwerdeführerin inskünftig selber für ihren Lebens­unterhalt aufkommen wird. Es besteht die konkrete Gefahr einer fortgesetzten Sozial­hilfeabhängigkeit. Die objektiven Voraussetzungen des Widerrufsgrundes nach Art. 62 Abs. 1 lit. e AIG sind erfüllt. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, dass der Sozialhilfebezug nur aufenthaltsbeendend wirken könne, wenn er selbstverschuldet sei, was vorliegend bestritten werde. Auf diese Rüge wird im Rahmen der Verhält­nismässigkeitsprüfung in Ziff. II. / 4.1 ff. eingegangen.

 

3.5 Die zuständige Behörde kann Bewilligungen und andere Verfügungen nach dem AIG zudem widerrufen, wenn die Ausländerin der Ausländer erheblich wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz im Ausland verstossen hat diese gefährdet die innere äussere Sicherheit gefährdet (vgl. Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG). Eine Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt insbesondere vor, wenn die betroffene Person gesetzliche Vorschriften und behördliche Verfügungen missachtet (lit. a), öffentlich-rechtliche privatrechtliche Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt (lit. b) (Art. 77a Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Schuldenwirtschaft für sich allein genügt nicht für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung. Vielmehr ist Mutwilligkeit der Verschuldung vorausgesetzt, d.h. diese muss selbst verschuldet und qualifiziert vorwerfbar sein (Urteil des Bundesgerichts 2C_997/2013 E. 2.2). Wurde bereits eine ausländerrechtliche Verwarnung (Art. 96 Abs. 2 AIG) ausgesprochen, ist entscheidend, ob die ausländische Person danach weiterhin mutwillig Schulden macht (Ziff. 8.3.2.3 Weisungen und Erläuterungen Ausländerbereich des Staatssekretariats für Migration vom Oktober 2013, aktualisiert am 1. September 2023). Positiv zu würdigen ist etwa, wenn vorbestandene Schulden abgebaut und nicht in vorwerfbarer Weise weitere Schulden geäufnet worden sind (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_797/2019 E. 3.2, 2C_997/2013 E. 2.3).

 

3.6 Die Vorinstanz schloss auf eine mutwillige Schuldenanhäufung und in der Folge darauf, dass die Beschwerdeführerin mit der Verschuldung in erheblicher Weise gegen die öffentliche Ordnung in der Schweiz verstossen habe, womit auch der Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG gegeben sei. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, dass Mutwilligkeit ein von Absicht Böswilligkeit getragenes Verhalten voraussetze. Ein bloss «leichtfertiges» Verhalten sei nicht mutwillig, schon gar nicht, wenn dem Verhalten primär kognitives Unvermögen zugrunde liege. Mutwilligkeit verlange immer eine qualifizierte Vorwerfbarkeit, die nicht leichthin angenommen werden könne. Eine qualifizierte Vorwerfbarkeit bzw. eine mutwillige Schuldenanhäufung, wie sie die bundesgerichtliche Rechtsprechung fordere, liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat trotz fremdfinanzierter Lebensweise beträchtliche Schulden angehäuft. Per 17. April 2023 war die Beschwerdeführerin im Register des Betreibungsamtes Olten-Gösgen mit 34 Verlustscheinen im Gesamtbetrag von CHF 52'775.50 verzeichnet. Bereits mit Verfügung des Departements des Innern vom 19. Dezember 2011 wurde der Beschwerdeführerin die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung angedroht und unter anderem festgehalten, dass von der Beschwerdeführerin erwartet wird, dass sie keine Schulden generiert. Die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 16. November 2015 wurde unter anderem unter der Bedingung erteilt, dass die Beschwerdeführerin keine neuen Schulden anhäuft und die bestehenden Schulden abbaut. Ähnliche Bedingungen wurden auch in der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 10. März 2017 festgehalten, wonach mit einer Schuldenberatungsstelle eine situationsgerechte Lösung zum Schuldenabbau zu erarbeiten sei, die bestehenden Schulden im Rahmen der Möglichkeiten der Beschwerdeführerin abzubezahlen und keine neuen Schulden mehr anzuhäufen seien. Nichtsdestotrotz finden sich in den Akten keine Anzeichen, wonach sich die Beschwerdeführerin jemals nachhaltig um die Abzahlung der Schulden bemüht hätte. Die vereinbarte Ratenzahlung mit der [...] AG vom 5. Juli 2017 zur Rückzahlung des offenen Betrages von CHF 762.60 ist zwar ein Anfang, stellt aber weder eine situationsgerechte Lösung dar, noch handelt es sich um eine nachhaltige Abzahlung der Schulden. Ausserdem steht eine Rückzahlungsvereinbarung von total CHF 762.60 in keinem Verhältnis zu den Schulden in Höhe von CHF 52'775.50. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lassen die erhebliche und anhaltende Verschuldung trotz Sozialhilfeabhängigkeit und ausländerrechtlicher Verwarnung, das nachlässige Verhalten gegenüber Zahlungsverpflichtungen sowie die kaum vorhandenen Sanierungsbemühungen auf eine mutwillige Schuldenanhäufung schliessen. Der Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG ist erfüllt.

 

3.7 Nach Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG kann die zuständige Behörde Bewilligungen und andere Verfügungen nach dem AIG widerrufen, wenn die Ausländerin der Ausländer eine mit der Verfügung verbundene Bedingung nicht einhält. Auch diesen Widerrufsgrund sah die Vorinstanz, mit Verweis auf die mehrfach mit den Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligung verbundenen Bedingungen, als erfüllt an. Die Beschwerdeführerin weist dagegen darauf hin, dass bei der letzten Verlängerung im Jahr 2018 keine Bedingung ausgesprochen worden sei und auf die vor Jahren ausgesprochenen Bedingungen nicht mehr zurückgegriffen werden könne. Ob auf die früheren Bedingungen abgestellt werden kann, obschon die letzte Verlängerung ohne Bedingungen ausgesprochen wurde, kann im vorliegenden Fall offen bleiben, da das Vorliegen zweier anderer Widerrufsgründe bejaht wurde, vgl. Ziff. II. / 3.4 und 3.6.

 

4.1 Nach Art. 96 Abs. 1 AIG berücksichtigen die zuständigen Behörden bei der Ermessensausübung die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie die Integration der Ausländerinnen und Ausländer. Es ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und der Wegweisung aus der Schweiz sowie auf der anderen Seite den privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in der Schweiz vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_318/2021 E. 7.1).

4.2 Liegt der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme auch verhältnismässig erscheint (Urteile des Bundesgerichts 2C_370/2021 E. 3.2, 2C_9/2020 E. 4.3.2). Nach der bundesgerichtlichen Praxis sind für die Beurteilung, ob dies der Fall ist, namentlich die Schwere des Verschuldens an der Sozialhilfeabhängigkeit, der Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die der betroffenen Person und ihren Angehörigen drohenden Nachteile zu berücksichtigen; zu beachten ist zudem die Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl im Gast- wie auch im Heimatstaat sowie der gesundheitliche Zustand der Betroffenen (Urteil des Bundesgerichts 2C_370/2021 E. 3.3, mit weiteren Hinweisen).

 

4.3 Nach Einschätzung der Vorinstanz müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in selbstverschuldeter Weise hohe Sozialhilfekosten generiert habe. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass das Migrationsamt beispielsweise nicht berücksichtigt habe, dass die Beschwerdeführerin während ihres 23-jährigen Aufenthalts in der Schweiz immer wieder versucht habe in der Arbeitswelt Fuss zu fassen. Ausserdem sei augenfällig, dass es erst ab dem Jahr 2019 bis zum Erlass der mittels Beschwerde angefochtenen Verfügung zu einem sehr hohen Anstieg gekommen sei. Seit diesem Zeitpunkt habe der Ausweis der Beschwerdeführerin beim Migrationsamt gelegen, was zu Beeinträchtigungen bei der Arbeitssuche geführt habe. Zudem habe sich die Beschwerdeführerin inzwischen bei der IV-Stelle angemeldet. Die Sozialhilfeabhängigkeit sei daher unverschuldet und der Widerruf (recte: Nichtverlängerung) der Aufenthaltsbewilligung rechtswidrig.

 

4.4 Die Beschwerdeführerin hält sich seit dem 20. Oktober 2000 in der Schweiz auf und wurde bereits am 24. Mai 2002 erstmals von der Sozialhilfe unterstützt. Sie wurde von diesem Zeitpunkt an bis 31. August 2013, vom 1. Mai 2015 bis 30. August 2016 sowie vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 von der Sozialhilfe unterstützt. Ferner wurde sie vom 15. März 2019 bis frühestens 17. April 2023 vollumfänglich mit Sozialhilfe unterstützt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin zwischen dem 24. Mai 2002 und 31. August 2013 keiner Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können, welche eine Ablösung von der Sozialhilfe ermöglicht hätte. Die Tochter der Beschwerdeführerin war im Mai 2002 bereits 10-jährig und es wäre der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Praxis durchaus zumutbar gewesen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, welche ein Einkommen generiert hätte, das eine Ablösung von der Sozialhilfe erlaubt hätte (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_1228/2012 E. 5.4; 2D_12/2014 E. 3.7.3). Dies insbesondere unter Berücksichtigung des gemäss Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 29. Juni 2007 durch den Ex-Mann geschuldeten Unterhaltsbeitrages in Höhe von CHF 1'845.00, welcher gemäss Kontoauszug der Sozialhilfe bis September 2009 geleistet wurde (AS 455). Die bei den Akten liegenden Arztzeugnisse aus den Jahren 2007 und 2010 attestieren der Beschwerdeführerin zwar eine Arbeitsunfähigkeit für kurze Zeitabschnitte, vermögen jedoch niemals eine Sozialhilfeabhängigkeit der vorliegenden Dauer zu rechtfertigen. Zwischen dem 1. Mai 2015 und 30. August 2016 erlitt die Beschwerdeführerin zwar einen Unfall, welcher jedoch nicht eine Arbeitsunfähigkeit während der gesamten Dauer des damaligen Sozialhilfebezuges zur Folge hatte. Aus der Zeit zwischen Juli und Dezember 2017 sind keine Arztzeugnisse aktenkundig. Zwischen März 2019 und April 2023 sind zwar Arztzeugnisse aktenkundig (24. Januar 2022 – 21. Februar 2022, 25. Januar 2022 – 11. März 2022, 14. März 2022 – 20. März 2022, 19. September 2022 – 4. Oktober 2022, 15. März 2023 – 5. April 2023, 6. April 2023 – 2. Mai 2023, 3. Mai 2023 – 24. Mai 2023), jedoch lassen auch diese erkennen, dass die Beschwerdeführerin bei Weitem nicht während der Mehrheit dieses Zeitabschnitts arbeitsunfähig war. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass unter anderem die Prüfung des Ausweises durch das Migrationsamt ab 2019 zu einem sehr hohen Anstieg der bezogenen Sozialhilfe geführt haben soll, ist Folgendes entgegenzuhalten: Am 28. Oktober 2002 ging die Beschwerdeführerin einen Arbeitsvertrag mit der [...] AG ein, obschon ihre Aufenthaltsbewilligung am 19. Oktober 2002 abgelaufen war und sich ihr Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäss Aktennotiz vom 19. November 2002 noch in Bearbeitung befand. Am 18. Mai 2005 ging die Beschwerdeführerin einen Arbeitsvertrag mit der [...] GmbH ein, obschon ihre Aufenthaltsbewilligung am 30. September 2004 abgelaufen war. Am 7. März 2007 erteilte das Amt für Wirtschaft und Arbeit die Zustimmung für einen Stellenantritt mit Ausweis B, obwohl die Aufenthaltsbewilligung am 30. September 2006 abgelaufen war. Gemäss Einsatzvertrag vom 6. Oktober 2008 wurde ein Arbeitsvertrag trotz im September 2008 abgelaufener Aufenthaltsbewilligung abgeschlossen. Dasselbe gilt für den Arbeitsvertrag mit der [...] AG vom 15. Juli 2010. Im November desselben Jahres wurde ein Arbeitsvertrag mit [...] abgeschlossen, obschon die Überprüfung der Aufenthaltsbewilligung immer noch andauerte und die Aufenthaltsbewilligung längst abgelaufen war. Auch bei Abschluss des Einsatzvertrages mit der [...] AG vom 24. Juni 2011 war der Ausweis noch in Prüfung. Am 12. Oktober 2012 schloss die Beschwerdeführerin einen weiteren Einsatzvertrag mit der [...] AG ab, obschon ihre Bewilligung am 30. September 2012 abgelaufen war. Diese Aufzählung belegt, dass es durchaus möglich ist, eine Arbeitsstelle zu finden, auch wenn der Ausweis beim Migrationsamt zur Prüfung liegt. All dies deutet auf eine Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden Massnahme hin. Bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin und des damit in Zusammenhang stehenden IV-Verfahrens ist zunächst festzuhalten, dass ihr die bis zum Zeitpunkt einer allfälligen Gutheissung einer Rente bezogene Sozialhilfe vorwerfbar ist und es ihr seit Jahren offen gestanden hätte, einen Antrag auf eine IV-Rente zu stellen. Das Bundesgericht hatte in einem Fall nach FZA die Frage des Bewilligungswiderrufs während eines hängigen IV-Verfahrens zu beurteilen und kam zum Schluss, dass die Migrationsbehörde grundsätzlich nicht über den weiteren Aufenthaltsstatus entscheiden darf, solange die IV-Abklärungen in Bezug auf die dauernde Arbeitsunfähigkeit noch im Gang sind. In Zweifelsfällen sei die Verfügung der zuständigen IV-Stelle abzuwarten. Regelmässig könne nur gestützt auf deren Entscheid abschliessend beurteilt werden, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliege. Sie dürfe den Aufenthaltsstatus nur dann früher regeln, wenn die IV-rechtliche Ausgangslage als Vorfrage zum Bewilligungsentscheid klar und eindeutig erscheine (vgl. BGE 141 II 1 E. 4.2.1 S. 11 f.). Die Beschwerdeführerin spricht sich – unter Verweis auf die Lehrmeinung von Marc Spescha (Marc Spescha [Hrsg.]: Migrationsrecht Kommentar, Zürich 2019, Art. 62 AIG N 13) – für eine Übertragung der vorgenannten bundesgerichtlichen Erwägungen auf das AIG aus. Diese Übertragung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch unzulässig, wie das Bundesgericht festhielt. In seinem Urteil vom 4. Februar 2022 betreffend die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines kosovarischen Staatsangehörigen hielt das Bundesgericht unter Verweis auf BGE 141 II 1 E. 4.2.1 fest, dass die Vorinstanz betreffend Abwarten des IV-Entscheids in der Schweiz zutreffend erwogen habe, dass im vorliegenden Fall der Entscheid der Sozialversicherungsanstalt betreffend Zusprechung einer IV-Rente keine Rechte aus dem FZA tangiere, da der behauptete Aufenthaltsanspruch des Beschwerdeführers nicht auf dem FZA gründe. Der IV-Entscheid könne deshalb vom Beschwerdeführer im Ausland abgewartet werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_653/2021 E. 7.3). Auch der Aufenthaltsanspruch der Beschwerdeführerin gründet nicht auf dem FZA, weshalb auch sie den IV-Entscheid in Brasilien abwarten und nichts zu ihren Gunsten aus BGE 141 II 1 E. 4.2.1 S. 11 f. ableiten kann. Rechtsprechungsgemäss ist ausserdem der Ausgang des IV-Verfahrens nicht abzuwarten, wenn die beschwerdeführende Person im Hinblick auf eine mögliche IV-Rente an ihrem Aufenthaltsanspruch festhält, jedoch aufgrund der Ausgangslage nicht mit einer relevanten Verbesserung der finanziellen Situation zu rechnen ist (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_653/2021 E. 7.4; 2C_311/2021 E. 3.5.2). Die Beschwerdeführerin war während der Mehrheit ihrer Aufenthaltsdauer in der Schweiz arbeitslos und von der Sozialhilfe abhängig. Es ist daher davon auszugehen, dass selbst eine volle IV-Rente gering ausfallen würde, weshalb sie auf Ergänzungsleistungen angewiesen wäre (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_311/2021 E. 3.5.2; 2C_653/2021 E. 7.5).

 

4.5 Aufgrund der massiven Sozialhilfeabhängigkeit und der Verschuldung der Beschwerdeführerin besteht ein grosses öffentliches Interesse an ihrer Wegweisung aus der Schweiz. Dem gegenüber steht das private Interesse der Beschwerdeführerin in der Schweiz zu verbleiben. Dabei ist zu beachten, dass die Beschwerdeführerin im Alter von 30 Jahren in die Schweiz eingereist ist und sich hier bereits über 23 Jahre aufhält. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, entspricht die Integration der Beschwerdeführerin in die hiesigen Verhältnisse jedoch nicht annähernd ihrer langen Anwesenheitsdauer. Sie hat Schulden angehäuft und musste während dem Grossteil ihrer Anwesenheitsdauer von der Sozialhilfe unterstützt werden. Sie ist in Brasilien geboren und aufgewachsen und hat dort nicht nur ihre Kindheit und Jugend, sondern auch die jungen Erwachsenenjahre verbracht. Sprache und Gepflogenheiten von Brasilien sind ihr damit bestens bekannt. Auch hat sie im Jahr 2019 um ein Rückreisevisum ersucht, wobei sie sich gemäss Akten für einen Monat in Brasilien aufgehalten hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie im Heimatland weiterhin Familie, Freunde und Bekannte hat, und sie an diese Bande wird anknüpfen können. Gemäss der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 21. August 2023 lebt die Mutter der Beschwerdeführerin in Brasilien. Bei einer Rückkehr könnte die Beschwerdeführerin sicher zumindest temporär bei dieser unterkommen und auf diesem Weg erste neue soziale Kontakte knüpfen. Die Rückkehr in ihre Heimat ist der Beschwerdeführerin damit zumutbar. Eine gesundheitliche Versorgung ist – wie die Vorinstanz festgehalten hat – in Brasilien gewährleistet und kann bereits vor Ausreise aus der Schweiz mittels E-Mail Telefon vor Ort in Brasilien aufgegleist werden. Eine allfällige IV-Rente – bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % - könnte ihr auch im Heimatland ausbezahlt werden (vgl. Art. 5 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit [SR 0.831.109.198.1]). Auch wenn der Beschwerdeführerin eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht leicht fallen dürfte, eignet sich die Wegweisung, um einen künftigen Sozialhilfebezug und eine höhere Verschuldung der Beschwerdeführerin zu vermeiden und erscheint auch erforderlich, zumal die bisherigen ausländerrechtlichen Massnahmen allesamt keine Wirkung gezeigt haben. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin erweist sich eine Verwarnung als nutzlos, zumal diverse Bedingungen bei Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, eine bereits erfolgte Verwarnung im Jahr 2011 sowie das hängige Verfahren die Beschwerdeführerin zu keiner Verhaltensänderung bewegen konnten. Eventuelle Anreize zu einer Verhaltensänderung können somit bei der Beschwerdeführerin durch eine Verwarnung nicht hervorgerufen werden, so dass diese von vornherein als erfolglos zu bezeichnen ist. Die Wegweisung aus der Schweiz erweist sich somit als verhältnismässig.

 

4.6 Die Beschwerdeführerin beruft sich in ihrer Beschwerde auf Art. 8 EMRK, das Recht auf Privatleben. Um aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens – ausserhalb der Kernfamilie – einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung ableiten zu können, bedarf es besonders vertiefter, über eine normale Integration hinausgehender Bindungen gesellschaftlicher beruflicher Natur bzw. vertiefter sozialer Beziehungen zum ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich; hierfür genügen eine lange Anwesenheit und die damit normalerweise verbundenen Beziehungen nicht; erforderlich ist eine eigentliche Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse (Urteil des Bundesgerichts 2C_949/2017 E. 3). Die Beschwerdeführerin ist in der Schweiz weder sozial, noch sprachlich, noch wirtschaftlich besonders integriert. Gemäss Art. 8 EMRK hat jede Person auch das Recht auf Achtung ihres Familienlebens. Nach der Rechtsprechung ist das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser möglich bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben andernorts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. Das Verhältnis zu volljährigen Kindern fällt nur unter das geschützte Familienleben, wenn eine besondere Abhängigkeit besteht, welche über die normalen affektiven Bindungen hinausgeht, namentlich infolge von Betreuungs- Pflegebedürfnissen bei körperlichen geistigen Behinderungen und schwerwiegenden Krankheiten (Urteil des Bundesgerichts 2C_385/2018 E. 3.2). Die Tochter der Beschwerdeführerin ist nicht mehr minderjährig und es ist keine Form der gegenseitigen Abhängigkeit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erkennbar. Dass die Beschwerdeführerin sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten so oft wie möglich um ihren Enkel kümmert, vermag daran nichts zu ändern. Die Beziehung zur Tochter und dem Enkelkind kann mittels moderner Kommunikationsmittel besuchsweise gepflegt werden. Die Beschwerdeführerin kann aus Art. 8 EMRK keinen Rechtsanspruch für sich ableiten.

 

5. Die Beschwerde erweist ist somit als unbegründet und ist abzuweisen. Gestützt auf die obigen Erwägungen wird die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin nicht verlängert. Da die Ausreisefrist inzwischen abgelaufen ist, ist der Beschwerdeführerin eine neue Frist zu setzen. Sie hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis 30. April 2024 zu verlassen.

 

6.1 Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gehen diese Kosten zu Lasten des Kantons Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren im Umfang von CHF 1'500.00, sobald die Beschwerdeführerin zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, 272]).

 

6.2 Rechtsanwalt Simon Bloch macht mit Eingabe vom 25. Oktober 2023 eine Entschädigung von total CHF 4'909.40 (22.69 Stunden à CHF 190.00 sowie 0.5 Stunden à CHF 145.00 plus Auslagen und MwSt.) geltend. Dabei verrechnet er Aufwand für das Verfahren vor dem Migrationsamt von 4.25 Stunden. Dies ist zu kürzen. Für den Aufwand für die Erarbeitung der Beschwerde sowie der Beschwerdebegründung werden insgesamt 11.25 Stunden verrechnet. Dies ist nicht nachvollziehbar und im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen deutlich überhöht. Ermessensweise ist eine Kürzung von 3 Stunden vorzunehmen. Damit reduziert sich der zu berücksichtigende Zeitaufwand auf insgesamt 15.94 Stunden. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands, Rechtsanwalt Simon Bloch, beläuft sich demnach auf CHF 3'425.85 (15.44 Stunden à CHF 190.00 sowie 0.5 Stunden à CHF 145.00 plus Auslagen von CHF 174.80 plus 7.7 % MwSt.), zahlbar durch den Staat. Vorbehalten bleibt auch hier der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführerin zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

 

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Eingabe von A.___ vom 9. Januar 2024 geht inkl. Beilagen an das Migrationsamt.

2.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

3.    A.___ hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis 30. April 2024 zu verlassen.

4.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 werden A.___ zur Bezahlung auferlegt, sind aber zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Staat Solothurn zu tragen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

5.    Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands, Rechtsanwalt Simon Bloch, wird auf CHF 3'425.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

 

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

 

 

Thomann                                                                          Zimmermann

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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