Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.233: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Niederlassungsbewilligung einer Person aus der Türkei, A.___, erloschen ist und sie aus der Schweiz weggewiesen wird. A.___ hatte sich mehrheitlich in der Türkei aufgehalten, was auf einen Lebensmittelpunkt dort hindeutet. Trotz Gegenargumenten konnte A.___ nicht nachweisen, dass ihr Lebensmittelpunkt weiterhin in der Schweiz liegt. Das Gericht wies die Beschwerde ab und verpflichtete A.___, die Schweiz innerhalb von zwei Monaten zu verlassen. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'500 trägt A.___.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.233 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 30.11.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Schweiz; Aufenthalt; Türkei; Niederlassungsbewilligung; Lebens; Recht; Lebensmittelpunkt; Ausland; Verwaltungsgericht; Person; Vorinstanz; Aufenthalts; Wegweisung; Entscheid; Ausländer; Aufenthalte; Personen; Familie; Urteil; Ausreise; Verfahren; Beschwerde; Gericht; Frist; Schwiegertochter; Familien; Migrationsamt |
Rechtsnorm: | Art. 61 AIG ;Art. 64 AIG ;Art. 90 AIG ;Art. 96 AIG ; |
Referenz BGE: | 144 I 266; 149 I 66; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.233 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 30.11.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2023.257 |
Titel: | Erlöschen der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 30. November 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Obrecht Steiner Gerichtsschreiberin Zimmermann In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt David Stämpfli,
Beschwerdeführerin
gegen
Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Erlöschen der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___, geborene [...] (nachfolgend: Beschwerdeführerin), wurde am [...] 1966 in [...], Türkei, geboren und ist türkische Staatsangehörige (Aktenseite [AS] 12). Am 1. August 1986 verheiratete sie sich im Heimatland mit dem damals in der Schweiz niedergelassenen Landsmann B.___, geb. [...] 1965 (AS 2). Am 7. November 1986 reiste sie im Rahmen des Familiennachzuges gestützt auf die Einreisebewilligung vom 10. Oktober 1986 in die Schweiz ein (AS 11 f.). Seither war die Beschwerdeführerin im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Letztmals wurde die Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung am 31. März 2020 bis am 30. Juni 2025 verlängert (AS 80).
2. Am [...] 1988 wurde in [...] (ZH) der gemeinsame Sohn C.___ und am [...] 1990 in [...] (BE) der Sohn D.___ geboren. D.___ ist eingebürgert und C.___ verfügt über eine Niederlassungsbewilligung im Kanton Solothurn.
3. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs erliess das Migrationsamt namens des Departements des Innern am 27. Juni 2023 folgende Verfügung:
1. Es wird festgestellt, dass die Niederlassungsbewilligung von A.___ nach Art. 61 Abs. 2 AIG i.V.m. Art. 79 Abs. 1 VZAE erloschen ist. 2. A.___ wird keine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen einer Wiederzulassung, gestützt auf einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall eine andere Rechtsgrundlage erteilt. 3. A.___ wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis am 30. September 2023 zu verlassen. 4. A.___ hat sich vor der Ausreise ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde [...] abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.
4. Dagegen liess die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin am 10. Juli 2023 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und stellte folgende Anträge:
1. Der vorliegenden Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung im Sinne von § 70 VRG zu erteilen. 2. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 27. Juni 2023 im Verfahren [...] betreffend Erlöschen der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz sei aufzuheben. 3. Es sei festzustellen, dass die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin nicht erloschen ist. 4. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Vornahme weiterer notwendiger Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 5. Die Beschwerdeführerin sei vollumfänglich von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen zu befreien. 6. Der Beschwerdeführerin sei die integrale unentgeltliche Rechtspflege für die Gerichts- und Parteikosten zu gewähren, unter Beiordnung des Unterzeichnenden als dessen unentgeltlicher Rechtsbeistand. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
5. In seiner Vernehmlassung vom 22. August 2023 schloss das Migrationsamt auf vollumfängliche Beschwerdeabweisung unter Kostenfolge.
6. Mit Eingabe vom 22. August 2023 zog die Beschwerdeführerin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zurück.
7. Der Beschwerde gegen die Verfügung vom 27. Juni 2023 wurde am 23. August 2023 die aufschiebende Wirkung erteilt und der Beschwerdeführerin gestattet, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten.
8. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Die Beschwerdeführerin ersucht um Parteibefragung. Eine Parteibefragung würde die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung voraussetzen. Gemäss § 52 Abs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG, BGS 124.11) sind die Verwaltungsgerichtsbehörden nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden. Nach § 71 VRG finden mündliche Verhandlungen nur bei Disziplinarbeschwerden statt. In allen übrigen Fällen entscheiden die Verwaltungsgerichtsbehörden aufgrund der Akten; sie können jedoch auf Antrag von Amtes wegen eine Verhandlung anordnen, sofern dies als notwendig erachtet wird und Sinn macht. Im vorliegenden Fall wurden die Vorakten beigezogen und die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat ihren Standpunkt in der Beschwerdeschrift ausführlich aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen relevanten Erkenntnisse das Gericht durch eine Parteibefragung anlässlich einer Verhandlung gewinnen könnte. Ein Anspruch aus Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) besteht nicht, da es sich bei einem ausländerrechtlichen Wegweisungsverfahren um keine zivilrechtliche Streitigkeit handelt (Urteil des Bundesgerichts 2D_3/2012 E. 2.3).
3.1 Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. a des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) erlischt eine Bewilligung mit der Abmeldung ins Ausland. Verlässt die Ausländerin der Ausländer die Schweiz, ohne sich abzumelden, so erlischt die Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung nach sechs Monaten. Auf Gesuch hin kann die Niederlassungsbewilligung während vier Jahren aufrechterhalten werden (Art. 61 Abs. 2 AIG).
3.2 Der Gesetzgeber hat für das Erlöschen der Bewilligung auf ein formelles Kriterium abgestellt. Wenn dieses formelle Kriterium – eine Auslandabwesenheit von sechs aufeinanderfolgenden Monaten – erfüllt ist, erlischt die Aufenthalts- Niederlassungsbewilligung von Gesetzes wegen bzw. automatisch, dies auch dann, wenn auf die Verlängerung der Bewilligung Anspruch bestanden hätte; auf die Gründe bzw. Motive für die Auslandabwesenheit kommt es nicht an (BGE 149 I 66 E. 4.7 S. 70 m.w.H.). Die sechsmonatige Frist wird nicht durch vorübergehende Besuchs-, Tourismus- Geschäftsaufenthalte in der Schweiz unterbrochen (vgl. Art. 79 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Somit erlischt eine Bewilligung auch dann, wenn die ausländische Person während eines längeren Zeitraums landesabwesend ist, jeweils vor Ablauf von sechs Monaten für beschränkte Zeit in die Schweiz zurückkehrt, dies aber bloss zu Geschäfts- Besuchszwecken tut, und damit einzig beabsichtigt, den Fristenlauf im Sinne von Art. 61 Abs. 2 AIG zu unterbrechen. Bei solchen Verhältnissen werden daher nicht etwa die (verschiedenen) Aus- und Einreisezeitpunkte, sondern vielmehr die Frage nach dem Lebensmittelpunkt zum ausschlaggebenden Kriterium (Urteile des Bundesgerichts 2C_164/2022 E. 4.2; 2C_602/2020 E. 4.2.2).
3.3 Die verfügende Behörde hat im Rahmen der Untersuchungsmaxime abzuklären, ob der gesetzlich verlangte Auslandsaufenthalt tatsächlich ununterbrochen war. Nebst der Untersuchungsmaxime obliegt es allerdings auch der ausländischen Person, an der Feststellung des für die Anwendung des AIG massgebenden Sachverhalts mitzuwirken (Mitwirkungspflicht, Art. 90 AIG). Dies gilt im besonderen Masse für Umstände, die die Beschwerdeführerin besser kennt als die Behörde und welche ohne ihre Mitwirkung gar nicht nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden können. Die entsprechenden (Mitwirkungs-)Pflichten gelten umso strenger, je mehr Indizien vorliegen, welche darauf schliessen lassen, dass sich der Lebensmittelpunkt seit Jahren nicht mehr in der Schweiz befindet.
3.4 Die Vorinstanz kam nach Auswertung der Reisetätigkeit der Beschwerdeführerin, gestützt auf die türkischen Ein- und Ausreisebelege, zum Schluss, dass kein über sechsmonatiger Auslandaufenthalt erfolgt sei, jedoch mehrfach mehrmonatige Aufenthalte in der Türkei, unterbrochen durch kurze Aufenthalte in der Schweiz, stattgefunden hätten. Insgesamt habe sich Beschwerdeführerin ab dem Jahr 2018 3 ½ -mal so lange in der Türkei wie in der Schweiz aufgehalten. Neben der mehrheitlichen Auslandsabwesenheit würden diverse weitere Indizien für die Verschiebung des Lebensmittelpunktes in die Türkei sprechen.
3.5 Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass für die Begründung eines neuen Wohnsitzes zwei objektiv erkennbare Merkmale erfüllt sein müssten: Der Aufenthalt und die Absicht dauernden Verbleibens. Sie kommt zum Schluss, dass sich die überwiegenden Lebensinteressen der Beschwerdeführerin nach wie vor unverändert in der Schweiz befinden würden. Auch die überwiegenden sozialen Beziehungen der Beschwerdeführerin würden nachweislich und nachvollziehbar in der Schweiz liegen, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass der Lebensmittelpunkt im Sinne der Rechtsprechung in die Türkei verlegt worden sei, auch wenn sich die Beschwerdeführerin dort regelmässig aufhalte.
3.6 Zunächst ist festzuhalten, dass – wie von der Vorinstanz zu Recht festgestellt wurde – sich die Beschwerdeführerin zwischen dem 9. Juni 2012 und dem 4. Februar 2023 nie länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten hatte und damit die Niederlassungsbewilligung nicht bereits aufgrund des formellen Kriteriums, der sechsmonatigen Auslandabwesenheit, erloschen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob der Lebensmittelpunkt von der Schweiz in die Türkei verlegt wurde und es sich bei den Aufenthalten in der Schweiz lediglich um Geschäfts- Besuchsaufenthalte handelte, welche die sechsmonatige Frist nicht zu unterbrechen vermögen.
3.7 Die Beschwerdeführerin bestreitet den Sachverhalt, insbesondere die Reisetätigkeit sowie die daraus abgeleitete Aufenthaltsdauer in der Türkei resp. in der Schweiz, nicht. Es ist auf die von der Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Auslandabwesenheiten abzustellen (vgl. S. 3 ff. des angefochtenen Entscheids; Recte: vom 12.12.2015 bis 17.01.2016 ist von einem Aufenthalt in der Türkei von rund 1 ¼ Monaten und nicht einer Woche auszugehen). Es ist der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie zum Schluss gelangt, die Beschwerdeführerin habe sich ab dem Jahr 2018 3 ½ -mal so lange im Heimatland wie in der Schweiz aufgehalten. In dieser Zeit hat die Beschwerdeführerin lediglich zwei Aufenthalte in der Schweiz von über zwei Monaten vorzuweisen. Die übrigen Aufenthalte fielen mit einer Dauer zwischen vier Tagen und einem Monat deutlich kürzer aus. Auffallend dabei ist, dass die Beschwerdeführerin jeweils für gewisse Vorkehrungen kurz in die Schweiz zurückgekehrt ist (Antrag bei der AKSO um Entrichtung von Ergänzungsleistungen und Antrag bei der Einwohnergemeinde [...] um Verlängerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung) und dann sogleich wieder regelmässig für mehrere Monate landesabwesend war. Über die gesamte mehr als viereinhalbjährige Periode von Januar 2018 bis September 2022 betrachtet, hat sich die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht mehrheitlich, d.h. innerhalb eines Jahres mindestens sechs Monate, in der Schweiz aufgehalten, weshalb die widerlegbare Vermutung besteht, dass der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin in der Schweiz aufgegeben worden ist (vgl. Silvia Hunziker in: Martina Caroni / Thomas Gächter / Daniela Turnherr [Hrsg.], Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AUG], Bern 2010, Art. 61 N. 21). Obwohl der Beschwerdeführerin eine Mitwirkungspflicht obliegt, hat sie im gesamten Verfahren nicht (nachvollziehbar) dargetan, weshalb sie während dieser langen Zeitspanne derart lange in der Türkei verblieben ist.
3.8 Die Vorinstanz hat sodann aufgrund diverser Indizien zu Recht angenommen, dass die Beschwerdeführerin ihren Lebensmittelpunkt spätestens im Verlauf des Jahres 2019 in die Türkei verlegt hat: Die Beschwerdeführerin verfügt in der Türkei, ihren eigenen Angaben zufolge, über eine Eigentumswohnung, während sie in der Schweiz seit Jahren über keine eigene Wohnung mehr verfügt. Die Beschwerdeführerin liess ausführen, dass sie mit ihrem Sohn, der Schwiegertochter und den beiden Enkelkindern zusammenlebe. Im Mietvertrag für die Wohnung an der [...]strasse [...], in [...] vom 14. Oktober 2021 sind als Mieter der Sohn und die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin aufgeführt. Ausserdem ist bei der Anzahl Personen «vier» angegeben. Den allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume zufolge bedarf jede Änderung, insbesondere auch die Erhöhung der vertraglich vereinbarten Anzahl erwachsener Personen, der schriftlichen Zustimmung des Vermieters. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass es nicht nachvollziehbar ist, weshalb bei der Anzahl Personen «vier» angegeben sein sollte, wenn der Vermieter von der Beschwerdeführerin als Mieterin resp. als in der Wohnung lebende Person Kenntnis hätte. Diesfalls müsste bei der Anzahl Personen entweder drei (nur die erwachsenen Personen) fünf (die erwachsenen Personen inkl. Kinder) angegeben sein. Die Zahl vier lässt jedoch darauf schliessen, dass sämtliche in der Wohnung lebenden Personen angegeben wurden und damit nur der Sohn, die Schwiegertochter und die beiden Enkelkinder. Ausserdem weiss die Beschwerdeführerin, seit ihr das rechtliche Gehör am 6. März 2023 gewährt wurde, dass die Vorinstanz unter anderem aufgrund dieser Zahl vier im Mietvertrag davon ausging, dass die Beschwerdeführerin nicht dauerhaft da wohne. Wüsste die Liegenschaftsverwaltung von der Wohnsitznahme der Beschwerdeführerin in der Wohnung der Familie ihres Sohnes, hätte die Beschwerdeführerin ohne Weiteres eine entsprechende Bestätigung der Liegenschaftsverwaltung beantragen und der Vorinstanz dem Gericht einreichen können. Eine entsprechende Bestätigung wurde jedoch nie eingereicht. Worin die Beschwerdeführerin den angeblichen Nachweis für die Meldung im Haushalt des Sohnes sieht, erschliesst sich dem Gericht nicht. Ausserdem habe die Beschwerdeführerin am 14. April 2020 am Schalter der Einwohnerkontrolle [...] mitgeteilt, dass es für sie unzumutbar sei, noch länger bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter zu wohnen, da sie Angst vor ihrer Schwiegertochter habe. In Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen erscheint es nicht schlüssig, dass die Beschwerdeführerin bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit ihrer Schwiegertochter habe zusammenwohnen wollen und dann dennoch am 1. April 2022 mit dieser gemeinsam umgezogen sein soll. Am Schalter der Einwohnerkontrolle [...] habe die Beschwerdeführerin ausserdem erklärt, dass ihr von der Witwenrente nur CHF 100.00 im Monat zum Leben bleiben würden, was nur in der Türkei zum Leben ausreiche. Wenn sie wieder Geld brauche, komme sie zurück in die Schweiz. Auch diese Auskunft wertete das Migrationsamt zu Recht als Indiz dafür, dass der Lebensmittelpunkt ins Heimatland verschoben wurde. Bereits im Alter von 52 Jahren meldete sich die Beschwerdeführerin beim RAV ab, verzichtete im darauffolgenden Jahr auf die Entrichtung von IPV und meldete sich dennoch nicht bei der Sozialregion. Auch diese Umstände lassen auf eine Absicht, in der Türkei zu leben, schliessen, da ihr das übrigbleibende Geld, gemäss eigenen Angaben, nicht zum Leben in der Schweiz ausreiche. Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, dass die intensivsten Beziehungen zu den eigenen Nachkommen und deren Familien, welche allesamt in der Schweiz wohnen, bestehen würden. Dies ist jedoch insofern widersprüchlich, als die Beschwerdeführerin während den letzten gut 4 ½ Jahren vor Verfügungserlass rund 3 ½ mal mehr Zeit mit ihren Familienangehörigen in der Türkei verbracht hat.
3.9 Die Feststellung der Vorinstanz, dass die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin spätestens im Verlauf des Jahres 2019 infolge Verschiebung des Lebensmittelpunktes ins Ausland erloschen ist, ist nicht zu beanstanden.
4.1 Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. k AIG i.V.m. Art. 49 Abs. 1 VZAE können an Ausländerinnen und Ausländer, die früher im Besitz einer Aufenthalts- Niederlassungsbewilligung waren, Kurzaufenthalts- Aufenthaltsbewilligungen erteilt werden, wenn ihr früherer Aufenthalt in der Schweiz mindestens fünf Jahre gedauert hat und nicht nur vorübergehender Natur war (lit. a) und ihre freiwillige Ausreise aus der Schweiz nicht länger als zwei Jahre zurückliegt (lit. b). Nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG kann zudem von den Zulassungsvoraussetzungen abgewichen werden, um schwerwiegenden persönlichen Härtefällen wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen. Bei der Beurteilung sind insbesondere die Integration, die Familienverhältnisse, die finanziellen Verhältnisse, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, der Gesundheitszustand sowie die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat zu berücksichtigen (vgl. Art. 31 Abs. 1 VZAE).
4.2 Ein Gesuch um Wiederzulassung wird gutgeheissen, wenn die Landesabwesenheit weniger als zwei Jahre gedauert, der Ausländer einen Grossteil seines Lebens in der Schweiz verbracht und sich klaglos verhalten hat (SOG 2011 Nr. 30).
4.3 Das Migrationsamt stellt sich auf den Standpunkt, dass infolge Verschiebung des Lebensmittelpunktes die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin spätestens im Verlauf des Jahres 2019 von Gesetzes wegen erloschen sei. Da ihre Niederlassungsbewilligung bereits seit mehr als drei Jahren erloschen sei, seien die zeitlichen Voraussetzungen für eine Wiederzulassung offensichtlich nicht erfüllt.
4.4 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, ihr Lebensmittelpunkt befinde sich nach wie vor in der Schweiz. Abgesehen von den ab März 2018 maximal einmonatigen Aufenthalten in der Schweiz (ausgenommen der 3 ¾ -monatige Aufenthalt wegen der Corona-Pandemie) findet sich kein Anknüpfungspunkt zur Schweiz. Insbesondere die mehr als 3 ½ -mal so lange Aufenthaltsdauer in der Türkei zwischen Januar 2018 und September 2022, die Wohn- und finanzielle Situation und das Beziehungsnetz in der Türkei zeichnen ein Gesamtbild, das zweifelsfrei auf einen seit vielen Jahren bestehenden Lebensmittelpunkt in der Heimat schliessen lässt. Eine Wiederzulassung gemäss Art. 30 lit. k AIG scheidet damit aus. Da die Beschwerdeführerin bestens im Herkunftsstaat eingegliedert ist, der heimatlichen Sprache mächtig ist, in der Türkei über Familienangehörige und eine Eigentumswohnung verfügt, lediglich eine nichtexistenzsichernde Witwenrente hat und die Familienverhältnisse keinen zwingenden Aufenthalt in der Schweiz indizieren, ist ein persönlicher Härtefall nicht dargetan. Infolgedessen durfte die Vorinstanz von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung absehen. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass es sich um eine «Kann-Bestimmung» handelt, also kein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung besteht.
5. Das öffentliche Interesse an der Wegweisung der Beschwerdeführerin liegt in der Kontrolle und Steuerung der Zuwanderung (Art. 121a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR 101]; BGE 144 I 266 E. 3.7 S. 276). Nicht zu beanstanden ist daher die in der Folge verfügte Wegweisung, die konsequenterweise gestützt auf Art. 64 Abs. 1 AIG erfolgt ist und auch vor Art. 96 AIG standhält. Dazu kann vorab auf die treffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (vgl. Seite 7 ff. des angefochtenen Entscheids). Liegt der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin bereits in der Heimat, ist es ihr auch zumutbar, sie dorthin wegzuweisen. So hat sie mit ihren kurzfristigen Aufenthalten im Ausland klar dargetan, dass ihr Interesse an einem Verbleib in der Schweiz nicht gross sein kann. Die öffentlichen Interessen an einer Wegweisung überwiegen deutlich, nachdem sie faktisch ihren Lebensmittelpunkt verlegt hat, stellt eine Wegweisung für sie keine grosse Härte dar. Den Kontakt zu den in der Schweiz wohnhaften Angehörigen kann sie im Rahmen von Besuchsaufenthalten (Touristenvisum vorausgesetzt, es wurde kein Einreiseverbot gesprochen) und über moderne Kommunikationsmittel weiterhin pflegen. Ausserdem besteht zwischen der Schweiz und der Republik Türkei ein Abkommen über soziale Sicherheit (SR 0.831.109.763.1), welches die Möglichkeit der Auszahlung einer Witwenrente in die Türkei unter Umständen vorsieht. Nachdem die angesetzte Frist zur Ausreise inzwischen abgelaufen ist, ist diese angemessen zu verlängern. Die Beschwerdeführerin hat die Schweiz innert zweier Monate seit Rechtskraft dieses Urteils zu verlassen.
6. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet. Der Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung wird abgewiesen. Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. A.___ hat die Schweiz innert zweier Monate seit Rechtskraft des Urteils zu verlassen. 3. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen. Sie werden mit dem Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
Thomann Zimmermann
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