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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.229)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.229
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.229 vom 13.09.2023 (SO)
Datum:13.09.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Das Verwaltungsgericht hat am 13. September 2023 über Unterhaltsverträge entschieden, die von A.___ und B.___ für ihre beiden Töchter abgeschlossen wurden. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen genehmigte die Verträge, worauf A.___ Beschwerde einreichte. Das Gericht entschied, dass die Genehmigung der Verträge nicht angemessen war, da der Vater nicht angemessen zur Unterhaltszahlung verpflichtet wurde. Die Beschwerde wurde daher gutgeheissen, die Entscheide der Behörde aufgehoben und die Kosten des Verfahrens von CHF 800.00 dem Kanton Solothurn auferlegt.
Schlagwörter: Unterhalt; Entscheid; Unterhaltsverträge; Vater; Verwaltungsgericht; Einkommen; Mutter; Unterhaltsvertrag; Entscheide; Beschwerde; Gericht; Olten-Gösgen; Eltern; Überprüfung; Akten; Genehmigung; Verfahren; Verhältnis; Urteil; Folgenden:; Solothurn; Erwägungen; Schweizerischen; Verfahrens; Verhältnisse; Zivilgesetzbuch; önne
Rechtsnorm: Art. 285 ZGB ; Art. 287 ZGB ; Art. 314 ZGB ; Art. 450a ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Thomas Geiser, Basler Zivilgesetzbuch I, Art. 287 ZGB, 2022
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.229
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 13.09.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.195
Titel: Unterhaltsverträge

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 13. September 2023    

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey

Oberrichter Müller    

Gerichtsschreiberin Hasler

In Sachen

A.___   

 

Beschwerdeführerin

 

 

gegen

 

 

1.    KESB Olten-Gösgen,    

 

2.    B.___   

 

Beschwerdegegner

 

 

betreffend   Unterhaltsverträge


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. A.___ (im Folgenden: Beschwerdeführerin Mutter), geb. 1990, und B.___ (im Folgenden: Beschwerdegegner 2 Vater), geb. 1986, sind die Eltern von C.___, geb. […] 2014, und D.___, geb. […] 2018.

 

2. Am 28. Februar 2023 schlossen die unverheirateten Eltern mit Hilfe der [...] GmbH je einen Unterhaltsvertrag über den vom Vater geschuldeten Unterhalt an die beiden Töchter.

 

3. Mit Entscheid vom 9. Juni 2023 genehmigte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen, KESB (im Folgenden: Beschwerdegegnerin 1), die beiden Unterhaltsverträge.

 

4. Mit Eingabe vom 5. Juli 2023 gelangte die Mutter mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und beantragte die detaillierte Überprüfung des Sachverhalts.

 

5. Mit Eingabe vom 20. Juli 2023 schloss die KESB sinngemäss auf Abweisung und verwies auf ihre Entscheide und die Akten.

 

6. Auf die Ausführungen der Parteien wird, soweit für die Entscheidfindung wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB, SR 210] i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB, § 130 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [EG ZGB; BGS 211.1]). Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen Entscheide beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1 Zuständig zur Genehmigung einer Unterhaltsvereinbarung ist ausserhalb eines hängigen gerichtlichen Verfahrens die KESB (Art. 287 Abs. 1 ZGB). Anfechtungsobjekte sind die Entscheide der KESB vom 9. Juni 2023, in welchen sie die beiden Unterhaltsverträge vom 28. Februar 2023 genehmigte. Das Verfahren richtet sich nach Art. 450 ff. ZGB. Gemäss Art. 450a Abs. 1 ZGB können mit der Beschwerde Rechtsverletzungen (Ziff. 1), die unrichtige unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Ziff. 2) sowie die Unangemessenheit (Ziff. 3) gerügt werden.

 

2.2 Die Genehmigung eines Unterhaltsvertrags beinhaltet eine materielle Prüfung, ob der Unterhaltsvertrag den quantitativen (Art. 285 f. ZGB) und den qualitativen Aspekten (Dauer, Indexierung, etc.) sowie dem freien Willen und reiflicher Überlegung der Betroffenen entspricht. Dies erfordert eine konkrete Ermittlung der Verhältnisse in Nachachtung der Untersuchungsmaxime. Die Genehmigung ist zu erteilen zu verweigern und die massgebenden Umstände sind im Entscheid anzuführen (Roelli Bruno, in: Breitschmid Peter/Jungo Alexandra (Hrsg.), Personen- und Familienrecht - Partnerschaftsgesetz, Art. 1-456 ZGB - PartG, 3. Aufl., Zürich - Basel - Genf 2016, N 5 zu Art. 287). Ziel dabei ist die Wahrung der Interessen des Kindes, die Vollstreckbarkeit der Regelung, die rechtliche Zulässigkeit und die inhaltliche Angemessenheit nach den Kriterien von Art. 285 ZGB (vgl. Christiana Fountoulakis in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2022, Art. 287 N 14).

 

3. Die Vorinstanz begründete ihre Genehmigung der Unterhaltsverträge insbesondere damit, dass die vereinbarten Unterhaltsverträge angemessen erschienen und die Unterhaltsverträge die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthielten.

 

4. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerde aus, die KESB habe die Unterhaltsverträge als angemessen angesehen und beurteilt. Fakt sei jedoch, dass gemäss den beiden Verträgen der Kindsvater zu keinen monatlichen Unterhaltsbeiträgen verpflichtet werden könne und deshalb die Beglaubigung nicht sinnvoll erscheine, da mit den vorliegenden Verträgen kein Forderungsgrund gegenüber dem Kindsvater geltend gemacht und auch keine Alimentenbevorschussung über das Oberamt angemeldet werden könne. Sie werde daher fortlaufend auf Sozialhilfe angewiesen sein und sich weiter verschulden. Der Vater sei mit den beglaubigten Unterhaltsverträgen der KESB gänzlich aus der Verantwortung gezogen worden. Fraglich sei, wie die KESB mit der Beglaubigung der beiden Unterhaltsverträge den Interessenschutz gegenüber ihr als Mutter und ihren beiden Töchtern begründe.

 

5.1 Den beiden Unterhaltsverträgen lässt sich entnehmen, dass dem Vater, der grundsätzlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet ist, da die Obhut der beiden Kinder zu 100 % bei der Mutter ist, in jeder Phase ein tiefes hypothetisches Einkommen in der Höhe von CHF 2'950.00 angerechnet wurde. Offenbar arbeitet der Vater im Stundenlohn und generiert ein tiefes, schwankendes Einkommen. Das hypothetische Einkommen deckt sein betreibungsrechtliches Existenzminimum nicht, weshalb ein Manko bezüglich der Unterhaltsbeträge festgelegt werden musste, da ein Eingriff in dessen betreibungsrechtliches Existenzminimum nicht gestattet ist. Folglich wurde der Vater nicht verpflichtet, Unterhalt für seine beiden Kinder zu bezahlen. Die Mutter arbeitet nicht und lebt von der Sozialhilfe.

 

5.2 Einem Elternteil, der seine Erwerbskraft nicht vollständig ausschöpft, kann ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, sofern dieses zu erreichen ihm zumutbar und möglich ist. Die Möglichkeit bestimmt sich anhand von Faktoren wie Alter, Gesundheit, Ausbildung, Berufserfahrung, Arbeitsmarktlage, Erziehungspflichten. Welche Tätigkeit aufzunehmen als zumutbar erscheint, ist eine Rechtsfrage. Tatfrage bildet hingegen, ob die als zumutbar erkannte Tätigkeit möglich und das angenommene Einkommen effektiv erzielbar ist. Im Verhältnis zum unmündigen Kind sind besonders hohe Anforderungen an die Ausnützung der eigenen Erwerbskraft zu stellen, zumal in engen wirtschaftlichen Verhältnissen (Urteil des Bundesgerichts 5A_561/2020 vom 3. März 2021, E. 5.1.1, mit weiteren Hinweisen).

 

5.3 Unklar ist, wie die KESB die Unterhaltsbeträge und die finanziellen Verhältnisse, insbesondere die Festlegung des hypothetischen Einkommens des Vaters, überprüfen konnte. In den Akten liegt nichts dergleichen, was z.B. die Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Vaters ermöglicht hätte. Auch andere Belege über Einnahmen und Ausgaben liegen schlicht nicht vor. Ohne Überprüfung dieser Unterlagen kann ein Unterhaltsvertrag nicht genehmigt werden. Der Vater ist 37 Jahre jung. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, über welche Ausbildung er verfügt und ob er z.B. gesundheitlich angeschlagen ist. Dem Gericht erschliesst sich nicht, wieso ihm in jeder Phase ein hypothetisches Einkommen in bescheidener Höhe angerechnet wurde. Eine Überprüfung der Angemessenheit der Unterhaltsbeiträge war und ist nun auch dem Gericht – zumindest anhand der dem Gericht vorliegenden Akten – nicht möglich. Die KESB wäre insbesondere gehalten gewesen, zu überprüfen, ob der Unterhaltsvertrag den quantitativen Aspekten gemäss Art. 285 f. ZGB (Bedürfnisse der Kinder, Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern) entspricht. Dies tat sie nicht, weshalb die Sache zu neuem Entscheid zurückzuweisen ist. Dabei wird zu klären sein, ob insbesondere die Höhe des hypothetischen Einkommens, die Mietkosten, usw. des Vaters angemessen sind, diesbezüglich sind entsprechende Unterlagen einzuholen. Ebenfalls wird die KESB zu prüfen haben, ob bei dieser Ausgangslage ein Prozessbeistand einzusetzen ist. Daran ändert nichts, dass die Mutter den nun angefochtenen Unterhaltsvertrag am 28. Februar 2023 unterzeichnet und damit ihr Einverständnis erklärt hat. Das Kindswohl geht vor.

 

6. Die Rückweisung mit offenem Ausgang gilt praxisgemäss als Obsiegen der Beschwerdeführerin. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet, sie ist gutzuheissen. Die Entscheide der KESB Olten-Gösgen vom 9. Juni 2023 werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vor-instanz zurückgewiesen.

 

7. Bei diesem Ausgang hat der Kanton Solothurn die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu tragen.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Entscheide der KESB Olten-Gösgen vom 9. Juni 2023 werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.    Der Kanton Solothurn trägt die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00.

 

 

 

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                   Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                          Hasler

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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