Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.223: Verwaltungsgericht
Der aus Afghanistan stammende A.___ hat ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt, wurde aber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Slowenien gewiesen. Nachdem er einen Flug nicht antrat und erklärte, er könne nicht dorthin zurückkehren, wurde er inhaftiert. Eine Anwältin beantragte die Aufhebung der Haft, aber das Gericht entschied, dass die Haft gerechtfertigt war. Trotz einer Gehörsverletzung wurde die Haft nicht als unrechtmässig eingestuft. Die Beschwerde wurde abgewiesen, es wurden keine Kosten erhoben, und die Anwältin wurde entschädigt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.223 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 14.07.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Recht; Solothurn; Dublin; Untersuchungsgefängnis; Slowenien; Bundesgericht; Verwaltungsgericht; Urteil; Migration; Rechtsanwältin; Ausschaffung; Migrationsamt; Verfügung; Gefängnis; Hungerbühler; Person; Stunden; Rückführung; Beschwerdeführers; Begründung; Vorinstanz; Unterbringung; Gehör; Verfahren; Staat; Bässlergut; Administrativhaft; ähren |
Rechtsnorm: | Art. 5 EMRK ;Art. 80 AIG ;Art. 81 AIG ; |
Referenz BGE: | 142 I 135; 143 IV 122; 146 II 201; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.223 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 14.07.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2023.152 |
Titel: | Überprüfung der Haft im Rahmen des Dublinverfahrens |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 14. Juli 2023 Es wirken mit: Oberrichter Müller Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Blut-Kaufmann In Sachen A.___, vertreten durch Nathalie Vainio, AsyLex,
Beschwerdeführer
gegen
1. Haftgericht,
Beschwerdegegnerinnen
betreffend Überprüfung der Haft im Rahmen des Dublinverfahrens zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Der aus Afghanistan stammende A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer genannt) reiste am 25. Oktober 2022 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch, auf welches das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit Verfügung vom 3. April 2023 nicht eintrat und ihn im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Slowenien wegwies. Der Kanton Solothurn wurde mit dem Vollzug beauftragt. Der Entscheid ist am 13. April 2023 rechtskräftig geworden und die Ausreisefrist wurde auf den 14. April 2023 festgesetzt.
2. Am 15. Mai 2023 fand ein Rückreisegespräch mit dem Beschwerdeführer statt und für den 18. Mai 2023 wurde ein unbegleiteter Flug nach Ljubljana für ihn gebucht. Von der Asylunterkunft, wo der Beschwerdeführer untergebracht war, wurde er am Morgen des 18. Mai 2023 zum Bahnhof gebracht, doch trat er den Flug nicht an und kehrte am Nachmittag des 19. Mai 2023 in die Asylunterkunft zurück.
3. Am 6. Juni 2023 wurde der Beschwerdeführer ins Untersuchungsgefängnis Solothurn eingewiesen zwecks organisierter, unbegleiteter Rückführung nach Slowenien am 8. Juni 2023. Anlässlich der Eröffnung der Haft und Gewährung des rechtlichen Gehörs am 6. Juni 2023 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, nicht gewusst zu haben, dass er die Schweiz verlassen müsse. Nach Slowenien könne er nicht, da er dort erpresst werde.
4. Mit Verfügung vom 7. Juni 2023 ordnete das Migrationsamt im Namen des Departements des Innern die Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens ab 6. Juni 2023, 14:50 Uhr, bis 18. Juli 2023 über den Beschwerdeführer an. Die Haft werde im Gefängnis Bässlergut in einer anderen geeigneten Institution vollzogen. Aufgrund der Ankündigung des Beschwerdeführers nicht nach Slowenien ausreisen zu wollen, wurde durch das Migrationsamt vorsorglich angeordnet, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Flugverweigerung für die Weiterführung der Administrativhaft direkt dem Gefängnis Bässlergut zuzuführen sei.
5. Bereits am 6. Juni 2023 gelangte Rechtsanwältin Lea Hungerbühler von AsyLex an das Haftgericht und beantragte im Wesentlichen, es sei die Haftanordnung aufzuheben und der Beschwerdeführer umgehend aus der Haft zu entlassen. Es sei festzustellen, dass die Inhaftierung im Untersuchungsgefängnis Solothurn unrechtmässig sei, eventualiter unrechtmässig gewesen sei.
6. Das Migrationsamt verzichtete am 7. Juni 2023 auf eine Stellungnahme und beantragte die Abweisung der Rechtsbegehren. Rechtsanwältin Lea Hungerbühler brachte mit Stellungnahme vom 8. Juni 2023 vor, es fehle an Haftgründen und rügte die Haftbedingungen im Untersuchungsgefängnis Solothurn.
7. Der Beschwerdeführer verweigerte am 8. Juni 2023 das Besteigen des für ihn organisierten Flugs und wurde ins Gefängnis Bässlergut überführt.
8. Mit Verfügung vom 9. Juni 2023 genehmigte die Haftrichterin die im Rahmen des Dublin-Verfahrens angeordnete Haft und stellte fest, dass die Inhaftierung im Untersuchungsgefängnis Solothurn nicht unrechtmässig gewesen sei. Die Begründung dieser Verfügung ging der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am 16. Juni 2023 zu.
9. Mit Beschwerde vom 26. Juni 2023 gelangte der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, diese substituiert durch MLaw Nathalie Vainio, an das Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Hafturteils und die unverzügliche Haftentlassung des Beschwerdeführers. Zudem sei festzustellen, dass die Haft im Untersuchungsgefängnis Solothurn aufgrund der unzulässigen Haftbedingungen unzulässig gewesen sei. Eventualiter sei festzustellen, dass die Haft unrechtmässig gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei zufolge Mittellosigkeit die integrale unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Vorinstanz.
10. Das Migrationsamt beantragte am 30. Juni 2023 die Abweisung der Beschwerde und verzichtete auf eine Vernehmlassung. Das Haftgericht übermittelte am 3. Juli 2023 die Akten.
11. Am 6. Juli 2023 wurde der Beschwerdeführer nach Slowenien ausgeflogen. Gleichentags liess er abschliessende Bemerkungen einreichen und an den Feststellungsbegehren festhalten.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 11 Einführungsverordnung zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und zum Asylgesetz [EAuV, BGS 512.153] i.V.m. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Rechtsprechungsgemäss besteht in Fällen ausländerrechtlicher Haft selbst dann ein schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung der Beschwerde, wenn der Beschwerdeführer im Urteilszeitpunkt bereits aus der Haft entlassen worden ist und um Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft ersucht, sofern er in vertretbarer Weise eine Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) geltend macht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_599/2020 vom 24. November 2020 E. 3.2, BGE 142 I 135 E. 1.3.1). Der Beschwerdeführer macht vorliegend eine Verletzung von Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) geltend und begründet dies ausreichend, weshalb trotz zwischenzeitlich erfolgter Ausschaffung auf seine Beschwerde einzutreten ist.
2.1 Gemäss Art. 76a des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) kann eine ausländische Person in Haft genommen werden, wenn sie in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat weggewiesen werden soll. Dies im Einzelfall, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass die Person sich der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit. a); die Haft verhältnismässig ist (lit. b); und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c mit Verweis auf Art. 28 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013); die Anzeichen für eine Vereitelung müssen erheblich sein (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_101/2017 vom 1. März 2017 E. 2.3.2). Die konkreten Anzeichen, welche befürchten lassen, dass sich die betroffene Person der Durchführung der Wegweisung entziehen will, hat der Gesetzgeber in Art. 76a Abs. 2 AuG abschliessend umschrieben.
Für sich allein kein zulässiger Grund zur Inhaftierung einer Person ist gemäss Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung der Umstand, dass sie sich in einem Dublin-Verfahren befindet. Weiter muss die Haft im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein, das heisst aufgrund sämtlicher Umstände geeignet und erforderlich erscheinen, um die Überstellung an den zuständigen Dublin-Staat zu gewährleisten. Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung zu beachten ist auch das Übermassverbot; die Ausschaffungshaft muss in einem sachgerechten und zumutbaren Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen (vgl. BGE 142 I 135 E. 4.1 S. 150 f.).
2.2 Die Vorinstanz führte aus, der Beschwerdeführer sei seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Zudem sei er nach dem ersten im Mai 2023 für ihn organisierten Flug für einen Tag untergetaucht und habe geleugnet, gewusst zu haben, dass er ausreisen müsse. Nun habe der Beschwerdeführer auch den zweiten für ihn organisierten Flug verweigert. Es sei somit nicht so, dass er in der Vergangenheit den Anordnungen der Behörde Folge geleistet bzw. mit ihnen kooperiert hätte. Weiter habe er angegeben, nicht nach Slowenien ausreisen zu wollen, da er dort erpresst werde. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er in Freiheit entlassen, wiederum versuchen würde, sich dem Vollzug der Ausschaffung zu entziehen. Die erhebliche Untertauchensgefahr sei daher zu bejahen. Die Haft sei durch das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des europäischen Dublin-Systems, welches mehrfache Asylanträge in verschiedenen Mitgliedstaaten vermeiden soll, gerechtfertigt. Die Haft sei geeignet und erforderlich. Ein milderes Mittel bestehe nicht.
2.3 Der Beschwerdeführer liess in seiner Beschwerdeschrift vollumfänglich auf die Ausführungen im Haftprüfungsantrag sowie auf die Replik im Vorverfahren verweisen. Ergänzend wurde angefügt, die Vorinstanz habe die erhebliche Fluchtgefahr unter anderem damit begründet, dass der Beschwerdeführer den Flug vom 8. Juni 2023 nicht angetreten habe. Die Vorinstanz hätte jedoch die Haftvoraussetzungen im Zeitpunkt der Haftanordnung vom 6. Juni 2023 prüfen müssen und sich nicht auf einen Sachverhalt stützen dürfen, der sich erst zwei Tage später zugetragen habe. Diesbezüglich lägen zudem keine schriftlichen Belege vor, womit es sich um eine unbelegte (telefonische) Parteibehauptung handle.
2.4 Als erstes ist festzuhalten, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht laut § 68 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) zu begründen ist. Die Begründung muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein; der Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften auf die Akten genügt nicht (vgl. BGE 143 IV 122 E. 3.3 S. 128 mit Hinweisen). Da der Beschwerdeführer anwaltschaftlich vertreten ist, muss dies auch im vorliegenden Haftprüfungsverfahren gelten, wo grundsätzlich keine hohen formellen Anforderungen an ein Haftentlassungsgesuch gestellt werden dürfen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_371/2020 vom 2. Juni 2020 E. 4.2).
Die Vorinstanz stützte sich als Haftgrund insbesondere auf Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG, indem das Verhalten des Beschwerdeführers in der Schweiz im Ausland darauf schliessen lasse, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetze. Dabei führte sie richtigerweise aus, dass der Beschwerdeführer der Wegweisungsverfügung per 14. April 2023 keine Folge geleistet habe und den im Mai 2023 für ihn gebuchten Flug nicht angetreten habe. Er sei stattdessen für einen Tag untergetaucht und habe geleugnet, überhaupt gewusst zu haben, dass er ausreisen müsse. Weiter habe er angegeben, nicht nach Slowenien zurückkehren zu wollen, da er dort erpresst werde. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hatte bereits anlässlich des rechtlichen Gehörs vom 12. Dezember 2022 gegenüber dem SEM angegeben, er wolle nicht nach Slowenien ausreisen, da er dort erpresst werde. Der Beschwerdeführer ist der Wegweisungsverfügung per 14. April 2023 nicht freiwillig nachgekommen und hat den Flug, der für den 18. Mai 2023 für ihn gebucht worden war und zu welchem ihm am 15. Mai 2023 sämtliche Dokumente und Informationen übergeben worden waren, nicht angetreten, obwohl er gar durch die Asylunterkunft zum Bahnhof chauffiert worden war. Nachdem bekannt war, dass der Beschwerdeführer sich bereits seit Oktober 2021 illegal im Schengenraum aufhält, dieser bereits durch Deutschland zurück nach Slowenien «deportiert» worden war und sich auch in Österreich für einen Monat im Gefängnis befunden hatte (act. 17 bzw. 102 und 84), durfte sie – auch ohne dass bereits bekannt gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer auch den für den 8. Juni 2023 für ihn gebuchten Flug nicht antreten würde – aus seinem Verhalten schliessen, dass sich der Beschwerdeführer behördlichen Anordnungen widersetzt, womit erhebliche Anzeichen für eine weitere Vereitelung der Ausreise bestanden.
Ein weiteres Anzeichen, dass sich der Beschwerdeführer der Durchführung der Wegweisung entziehen würde bestand zudem auch nach Art. 76a Abs. 2 lit. i AIG, indem der Beschwerdeführer der zuständigen Behörde gegenüber zu Unrecht verneinte, in einem anderen Dublin-Staat bereits ein Asylgesuch eingereicht zu haben (vgl. act. 17 bzw. 102). Gemäss act. 9 hatte der Beschwerdeführer zuvor bereits in Slowenien und in Deutschland um Asyl ersucht.
2.5 Nachdem erhebliche Untertauchensgefahr festgestellt worden war und der Beschwerdeführer den per 18. Mai 2023 für ihn gebuchten Flug nicht angetreten hatte, ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass kein milderes Mittel als die Anordnung der Ausschaffungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens zielführend gewesen wäre. Zur Durchsetzung des öffentlichen Interesses an der Durchsetzung des europäischen Dublin-Systems, welches mehrfache Asylanträge in verschiedenen Mitgliedstaaten vermeiden soll, war die Haftanordnung erforderlich und verhältnismässig. Sie verstiess nicht gegen die Rechte gemäss Art. 5 EMRK und war gemäss Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG auch nicht überlang.
3.1 Der Beschwerdeführer lässt weiter rügen, die Unterbringung vom 6. bis 8. Juni 2023 im Untersuchungsgefängnis Solothurn habe gegen die für die Administrativhaft vorgesehenen Haftbedingungen verstossen. Die Administrativhaft sei vom Haftregime des Strafvollzugs strikt zu trennen. Bei einem ausnahmsweisen den Rückführungsrichtlinien widersprechenden Haftregime sei eine sachgerechte Begründung erforderlich, was aus der Verfügung des Migrationsamts nicht ansatzweise hervorgehe. Der Mangel könne durch die (ohnehin nicht nachvollziehbare) Begründung durch die Vorinstanz nicht geheilt werden.
3.2 Gemäss Art. 81 Abs. 2 AIG hat die ausländerrechtliche Festhaltung – wie von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der einzubeziehenden Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) als Regel vorausgesetzt – in einer speziellen, nur zu diesem Zweck vorgesehenen Vollzugsanstalt zu erfolgen (Ausschaffungsgefängnis). Sie kann bloss dann – in Ausnahmefällen – in ordentlichen Haftanstalten vollzogen werden, sofern ein administrativ anderweitig nicht bewältigbarer wichtiger Grund für dieses Vorgehen vorliegt sowie die Trennung von den anderen Häftlingen durch eine eigenständige Abteilung sichergestellt bleibt (BGE 146 II 201 E. 4-6 S. 208 ff.).
Wird eine Person in Administrativhaft ausnahmsweise in einer separaten Abteilung eines normalen Gefängnisses und nicht in einer speziellen Einrichtung untergebracht, ist dies in der Haftverfügung sachgerecht zu begründen, damit der Haftrichter die angegebenen Gründe im Hinblick auf die Zulässigkeit der Haft und der nach Art. 16 der Rückführungsrichtlinie erforderlichen Haftbedingungen überprüfen kann (vgl. Art. 80 Abs. 4 AIG, Urteil des Bundesgerichts 2C_844/2020 vom 30. Oktober 2020 E. 6.1).
3.3 Das Bundesgericht hat bereits mehrfach festgehalten, dass das Untersuchungsgefängnis Solothurn keine zulässige Einrichtung für die Administrativhaft sei und eine Unterbringung dort «nur in begründeten Ausnahmefällen von äusserst beschränkter Zeitdauer» zulässig sei (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_844/2020 vom 30. Oktober 2020 E. 6 und 2C_961/2020 vom 24. März 2021 E. 2.4). Das Bundesgericht hat in seinem Grundsatzentscheid BGE 146 II 201 in E. 6.2.2 zudem festgehalten, die Zulässigkeit einer separaten Festhaltung in einem besonderen Trakt eines Regionalgefängnisses könne nur im Bereich «weniger Stunden Tage» liegen. In jenem Urteil hatte es das Bundesgericht aufgrund der speziellen Umstände als zulässig erachtet, dass die betroffene Person während vier Tagen im Trakt für Administrativinhaftierte des Regionalgefängnisses Bern untergebracht war. Die speziellen Umstände bestanden darin, dass die Person aufgrund der getroffenen Vorbereitungen und der Flugreservation innerhalb von 96 Stunden ausgeschafft werden sollte und die Behörde befürchtete, dass die Person sich ihnen hierfür nicht zur Verfügung halten würde. Eine Unterbringung in Moutier hätte den geplanten Ablauf der Ausschaffung übermässig erschwert.
3.4 Gleich ist der vorliegende Fall zu beurteilen. Der Beschwerdeführer war gar nur während 36 Stunden und 45 Minuten, nämlich vom 6. Juni 2023, 14:50 Uhr bis 8. Juni 2023, 03:35 Uhr (vgl. act. 168 und 225) in einer separaten Abteilung des Untersuchungsgefängnisses Solothurn untergebracht. Die nötigen Vorbereitungen waren getroffen worden, ein «Laissez-Passer» lag vor und ein Flug war für den 8. Juni 2023 morgens von Zürich nach Ljubljana gebucht. Hätte der Beschwerdeführer in dieser kurzen Zeit auch noch in ein Ausschaffungsgefängnis eines anderen Kantons überführt werden müssen, hätte dies den geplanten Ablauf der Ausschaffung übermässig erschwert, weshalb die ausnahmsweise und während wenigen Stunden Tagen gestützt auf spezielle Umstände erfolgte Unterbringung im Untersuchungsgefängnis Solothurn zulässig war und den Rückführungsrichtlinien nicht widerspricht. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer den Flug nicht antreten würde – was er in der Folge dann auch nicht getan hat – hatten die Behörden sodann bereits einen Transport vom Flughafen ins Ausschaffungsgefängnis Bässlergut organisiert. Das Vorgehen ist somit nicht zu beanstanden.
3.5 Im Gegensatz dazu muss jedoch die in der Haftverfügung angegebene Begründung, weshalb die Haft zu Beginn im Untersuchungsgefängnis Solothurn und nicht in einer speziellen Einrichtung erfolgt ist, als ungenügend bezeichnet werden.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung müsste der Grund für die Unterbringung in einer separaten Abteilung eines normalen Gefängnisses und nicht in einer speziellen Einrichtung in der Haftverfügung «sachgerecht» begründet werden, damit der Haftrichter die angegebenen Gründe im Hinblick auf die Zulässigkeit der Haft und der nach Art. 16 der Rückführungsrichtlinien erforderlichen Haftbedingungen überprüfen kann (vgl. BGE 146 II 201 E. 8 S. 216).
Eine solche Begründung fehlt in der Verfügung des Migrationsamts. Es wird darin die Haft «im Gefängnis Bässlergut in einer anderen geeigneten Institution» angeordnet und es ergeht einzig aus dem Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer zwecks organisierter, unbegleiteter Rückführung am 8. Juni 2023 im Untersuchungsgefängnis Solothurn untergebracht worden sei und dass er im Fall einer Flugverweigerung zwecks Weiterführung der Administrativhaft direkt dem Gefängnis Bässlergut zuzuführen sei. Es wäre der die Haft anordnenden Behörde oblegen, in den Entscheiderwägungen auf die abweichende Unterbringungsform hinzuweisen und die «speziellen Umstände» darzulegen, weshalb und für welche Dauer ausnahmeweise auf diese Form der Unterbringung zurückgegriffen wird. Das Migrationsamt hat damit den Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers verletzt (vgl. Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV, SR 101]).
Die Haftrichterin hat in der Folge die Gründe für die Ausnahme nachgeliefert, womit die Gehörsverletzung geheilt werden konnte und die Haft damit nicht unrechtmässig war. Die Gehörsverletzung wurde jedoch nicht festgestellt, was hiermit nachzuholen ist.
4. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, sie ist abzuweisen. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht sind ausnahmsweise keine Kosten zu erheben.
Mit Verfügung vom 28. Juni 2023 war MLaw Nathalie Vainio (als Substitut von Rechtsanwältin Lea Hungerbühler) als unentgeltliche Rechtsbeiständin eingesetzt worden. Am 6. Juli 2023 erfolgte eine Stellungnahme durch Anne Mazzoni, welche ebenfalls als Substitut von Rechtsanwältin Lea Hungerbühler handelte und in deren Namen eine Kostennote einreichte. Es ist daher anstelle von Nathalie Vainio Rechtsanwältin Lea Hungerbühler als unentgeltliche Rechtsbeiständin einzusetzen und diese gemäss der eingereichten Kostennote vom 26. Juni 2023 (gemeint ist wohl 6. Juli 2023) zu entschädigen.
Als Aufwand wurden 3,5 Stunden durch die Rechtsanwältin zu CHF 220.00 und 4,6 Stunden durch die Rechtspraktikantin zu CHF 110.00 geltend gemacht, zuzüglich Barauslagen von CHF 16.30. Für die festgestellte Gehörsverletzung sind der Rechtsvertreterin zwei Stunden ihres Aufwands zum vollen Ansatz von CHF 220.00, ausmachend CHF 440.00 durch den Kanton Solothurn zu entschädigen. Für den restlichen Aufwand ist die Rechtsvertreterin zum Ansatz für unentgeltliche Rechtsbeistände von CHF 190.00 und die Rechtspraktikantin mit dem hälftigen Stundenansatz zu entschädigen, ausmachend CHF 712.00, zuzüglich Auslagen von CHF 16.30, total CHF 728.30. Diese Entschädigung ist durch den Kanton Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es wird festgestellt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers im Rahmen der Haftanordnung verletzt wurde. 3. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht werden keine Kosten erhoben. 4. Rechtsanwältin Lea Hungerbühler wird anstelle von Nathalie Vainio als unentgeltliche Rechtsbeiständin von A.___ eingesetzt. 5. Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung von CHF 440.00 zu bezahlen. 6. Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin, Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, wird auf CHF 728.30 (inkl. Auslagen) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (Art. 123 der Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272).
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Blut-Kaufmann
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