Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.221: Verwaltungsgericht
Die türkische Staatsangehörige A.___ hat am 4. Juli 2007 einen Schweizer geheiratet und eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Nach der Scheidung im Jahr 2014 heiratete sie 2015 einen anderen Türken. Das Migrationsamt lehnte das Familiennachzugsgesuch ab, da A.___ Sozialhilfe bezog. Trotzdem stellte sie erneut Gesuche, die ebenfalls abgelehnt wurden. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde von A.___ ab, da die Nachzugsfrist abgelaufen war und keine wichtigen familiären Gründe vorlagen. A.___ muss die Gerichtskosten von CHF 1'500 bezahlen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.221 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 11.01.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Familie; Familiennachzug; Zugsgesuch; Familiennachzugs; Recht; Frist; Familiennachzugsgesuch; Aufenthalt; Sozialhilfe; Migration; Migrationsamt; Schweiz; Aufenthaltsbewilligung; Entscheid; Gesuch; Bundesgericht; Vorinstanz; Gesetzes; Urteil; Fristen; Verwaltungsgericht; Arbeit; Person; Niederlassung; Niederlassungsbewilligung; Türkei |
Rechtsnorm: | Art. 126 AIG ;Art. 43 AIG ;Art. 44 AIG ;Art. 47 AIG ;Art. 8 EMRK ; |
Referenz BGE: | 130 II 281; 137 I 284; 144 I 266; 146 I 185; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.221 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 11.01.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2024.9 |
Titel: | Familiennachzug |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 11. Januar 2024 Es wirken mit: Oberrichter Werner Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Blut-Kaufmann In Sachen A.___ vertreten durch Patrick Hasler, Rechtsanwalt und Notar,
Beschwerdeführerin
gegen
Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Familiennachzug zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Die türkische Staatsangehörige A.___ (geb. 1980, nachfolgend Beschwerdeführerin genannt) heiratete am 4. Juli 2007 den in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Landsmann B.___ und erhielt zufolge Familiennachzugs am 10. Oktober 2007 eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib in der Schweiz. Per 25. Juli 2012 wurde ihr eine Niederlassungsbewilligung erteilt. Am 1. November 2008 wurde der gemeinsame Sohn, [...] geboren. Per 17. Januar 2014 wurde die Ehe geschieden.
2. Am 23. Juli 2015 heiratete die Beschwerdeführerin den türkischen Staatsangehörigen C.___ (geb. 1982) in der Türkei. Dieser reiste in der Folge am 30. März 2017 illegal in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Am 26. Juli 2017 reichte die Beschwerdeführerin zudem beim Migrationsamt des Kantons Solothurn ein Familiennachzugsgesuch für ihn ein. Nachdem auf das Asylgesuch nicht eingetreten worden war, reiste C.___ selbständig und kontrolliert am 20. November 2017 in den für ihn zuständigen Dublin-Staat Italien aus.
3. Mit Verfügung vom 7. März 2018 wies das Migrationsamt das Familiennachzugsgesuch zugunsten von C.___ aufgrund der Sozialhilfeabhängigkeit der Beschwerdeführerin ab. Zudem wurde die Beschwerdeführerin aufgrund der seit ihrer Einreise in die Schweiz ununterbrochen bezogenen Sozialhilfe in Höhe von CHF 105'670.00 zusammen mit B.___ und CHF 122'954.50 allein, sowie der nur kurzen und stundenweisen Arbeitseinsätze verwarnt. Weiter wurden die schlechten Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin festgehalten. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
4. Mit Schreiben des Migrationsamts vom 22. März 2019 wurde die Beschwerdeführerin aus den gleichen Gründen erneut ermahnt.
5. Eigenen Angaben zufolge reiste C.___ am 21. Oktober 2021 erneut illegal von Italien herkommend in die Schweiz ein. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 ersuchte er beim Staatssekretariat für Migration erneut um Asyl und gab dabei an, in Italien den Schutzstatus erhalten zu haben. Weiter sei die Beziehung zur Beschwerdeführerin trotz räumlicher Trennung nie abgebrochen und es würden sich beide wünschen, endlich als Familie zusammenleben zu können.
6. Am 23. Dezember 2021 ging beim Migrationsamt ein erneutes Familiennachzugsgesuch der Beschwerdeführerin zugunsten von C.___ ein. Die Einwohnergemeinde Solothurn vermerkte darauf ihre Empfehlung, das Gesuch abzuweisen und verwies auf den weiterbestehenden Sozialhilfebezug, den Asylentscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 7. August 2017 und die fehlenden Deutschkenntnisse beider Personen. Das Migrationsamt sistierte das Familiennachzugsgesuch mit Schreiben vom 17. Januar 2022 aufgrund eines hängigen Verfahrens betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin.
7. Am 1. Juni 2022 ging beim Migrationsamt ein weiteres Familiennachzugsgesuch der Beschwerdeführerin zugunsten von C.___ ein. Darauf wurde festgehalten, seit 2018 bestehe ein Steuererlass und die Beschwerdeführerin arbeite seit 16. August 2018 als Küchenhilfe in einem Teilzeit-Pensum. Sie beziehe zu 50 % Sozialhilfe.
8. Mit Entscheid vom 31. Oktober 2022 wies das SEM das Asylgesuch von C.___ ab. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
9. Am 1. Februar 2023 teilte das Migrationsamt C.___ mit, dass er die Schweiz bis zum 28. Februar 2023 zu verlassen habe, da er über kein Aufenthaltsrecht verfüge.
10. Mit Entscheid vom 2. Februar 2023 wiederrief das Migrationsamt die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin infolge Nichterfüllung der Integrationskriterien (Teilnahme am Wirtschaftsleben sowie Sprachkompetenzen) und erteilte ihr eine Aufenthaltsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr. Der Entscheid erfolgte unter den Bedingungen, dass die Beschwerdeführerin einer Erwerbstätigkeit nachgehe resp. ihre bestehende Erwerbstätigkeit steigere, den Lebensunterhalt künftig ganz ohne Sozialhilfe bestreite, weiterhin keine Schulden anhäufe und weiterhin nicht straffällig werde. Zudem habe die Beschwerdeführerin anlässlich der nächsten Prüfung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einen Sprachnachweis zur an ihrem Wohnort gesprochenen Sprache mindestens auf dem Referenzniveau A1 vorzulegen.
11. Die Beschwerdeführerin löste sich per 1. Januar 2023 vollständig von der Sozialhilfe ab, nachdem sie seit 1. Oktober 2013 eine Summe von CHF 254'983.70 an Sozialhilfegeldern bezogen hatte. Sie reichte ein Schreiben ein, wonach C.___ die Möglichkeit auf eine Arbeitsstelle habe. Für sich selber reichte sie einen Arbeitsvertrag ein, wonach sie monatlich einen Bruttolohn von CHF 3'880.40 erziele.
12. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs wies das Migrationsamt das Familiennachzugsgesuch zugunsten von C.___ insbesondere wegen verpasster Nachzugsfristen mit Entscheid vom 5. Juni 2023 ab und wies diesen per 31. Juli 2023 aus der Schweiz weg.
13. Gegen diesen Entscheid liess die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, am 26. Juni 2023 Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und im Wesentlichen beantragen, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben und das Familiennachzugsgesuch zu bewilligen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
14. Antragsgemäss wurde C.___ mit Verfügung vom 27. Juni 2023 erlaubt, das Verfahren in der Schweiz abzuwarten.
15. Das Migrationsamt beantragte am 21. September 2023 die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge und verzichtete auf weitere Ausführungen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Die Vorinstanz führte zur Begründung ihres ablehnenden Entscheids sinngemäss und im Wesentlichen aus, die fünfjährige Nachzugsfrist sei abgelaufen und das Gesuch somit verspätet. Das Intertemporalrecht von Art. 126 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) habe sich auf die Gesetzesänderung im Jahr 2008 bezogen und sei auf die Gesetzesänderung von 2019 nicht anwendbar. Wichtige familiäre Gründe für das verspätete Nachzugsgesuch bestünden nicht, da es sich die Beschwerdeführerin selbst zuzuschreiben habe, dass sie sich zu spät um ein wirtschaftlich tragbares Auskommen für sich und ihre Familie bemüht habe.
Auch heute sei nicht klar, wie sie sich finanziere und ob es sich beim eingereichten Arbeitsvertrag nicht um eine Gefälligkeit handle. Die genannte Firma habe nämlich keinen Sitz und auch keine Filiale in […] LU und es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerdeführerin nicht in der Nähe eine Stelle in der Gastronomie angenommen habe. Antrag um Abzug der Quellensteuer sei vom angeblichen Arbeitgeber auch noch keiner gestellt worden. Die Ablösung von der Sozialhilfe begründe für sich allein keinen wichtigen familiären Grund für ein verspätetes Nachzugsgesuch.
Es stehe der Beschwerdeführerin offen, zusammen mit ihrem Ehemann in der Türkei zu leben. Der 14-jährige Sohn befinde sich noch knapp in einem anpassungsfähigen Alter. Der Kindsvater habe zudem im Jahr 2017 mitgeteilt, dass er gegebenenfalls das alleinige Sorgerecht übernehmen würde. Die Beschwerdeführerin besitze lediglich noch eine Aufenthaltsbewilligung und damit kein gefestigtes Aufenthaltsrecht, weshalb sie sich nicht auf Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) berufen könne. Die Beschwerdeführerin sei in der Schweiz kaum integriert und es sei ihr und ihrem Ehemann ohne Weiteres zumutbar, in der Türkei zu leben, womit die Massnahme verhältnismässig sei.
3. Die Beschwerdeführerin lässt dagegen vorbringen, sie habe C.___ am 23. Juli 2015 in der Türkei geheiratet und sich betreffend Familiennachzug informiert. Der zuständige Sozialdienst habe ihr damals mitgeteilt, dass ein Familiennachzugsgesuch zufolge ihrer Sozialhilfeabhängigkeit keine Aussicht auf Erfolg hätte. Auf Fristen sei sie nicht hingewiesen worden. Im Sommer 2017 habe sie trotzdem ein Nachzugsgesuch gestellt, welches erwartungsgemäss im März 2018 abgewiesen worden sei. Dies, obwohl der Ehemann schon damals eine Bestätigung habe einreichen können, bei Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eine 100 % Arbeitsstelle in Aussicht zu haben.
Die Beschwerdeführerin habe stets versucht, auf eigenen Beinen zu stehen, doch sei es ihr ohne Berufsausbildung und aufgrund der Betreuungspflichten für ihren Sohn nicht möglich gewesen, sich von der Sozialhilfe abzulösen. Dies sei durch die Vorinstanz nicht berücksichtigt worden. Aufgrund der Auskunft des Sozialdienstes und des abschlägigen Entscheids des Migrationsamts sei für die Beschwerdeführerin klar gewesen, dass sie erst dann ein erneutes Familiennachzugsgesuch würde stellen können, wenn sich ihre finanzielle Situation nachhaltig gebessert habe. Es dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie zwischen 2018 und 2020 kein neues Gesuch gestellt habe. Als sie Ende 2021 ein erneutes Familiennachzugsgesuch gestellt habe, sei sie auf keine angeblich abgelaufenen Fristen hingewiesen worden, sondern es seien weitere Unterlagen von ihr verlangt worden. Erst als der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör betreffend Familiennachzugsgesuch gewährt worden sei, habe die Vorinstanz erstmals den angeblichen Ablauf der Frist nach Art. 47 Abs. 1 AIG ins Feld geführt. Dieses Vorgehen der Vorinstanz sei treuwidrig.
Die Vorinstanz habe den Sachverhalt falsch abgeklärt. Beim Arbeitgeber der Beschwerdeführerin handle es sich um ein im März 2023 neu gegründetes Unternehmen, welches im Handelsregister eingetragen sei.
Die Vorinstanz habe weiter das Recht unrichtig angewendet, indem sie die Übergangsbestimmungen von Art. 126 AIG als nicht anwendbar erklärt habe. Das Bundesgericht erkläre Art. 126 AIG in konstanter Rechtsprechung für anwendbar. Art. 126 Abs. 3 AIG müsse weiterhin gelten, weil nach der Teilrevision des Gesetzes die Voraussetzungen für die Gutheissung der unterschiedlichsten Gesuche nach AIG wesentlich umfassender sei als früher und ansonsten die Gefahr bestünde, dass ein Anspruch gar nicht entstehen könne, weil bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes die Fristen bereits abgelaufen wären. Werde Art. 126 Abs. 3 AIG angewendet, laufe die Frist für das Familiennachzugsgesuch bis zum 1. Januar 2024 und das Gesuch der Beschwerdeführerin sei rechtzeitig gestellt worden.
Die Beschwerdeführerin erfülle sämtliche Voraussetzungen für den Familiennachzug nach Art. 44 AIG, weshalb das Gesuch zu bewilligen sei.
Selbst wenn das Gesuch verspätet eingereicht worden sein sollte, was ausdrücklich bestritten werde, sei der nachträgliche Familiennachzug aus wichtigen Gründen zu bewilligen. Die Ehegatten stünden täglich in Kontakt via SMS Telefon und es sei ihr sehnlichster Wunsch, endlich auf Dauer ein gemeinsames Leben in stabilen finanziellen Verhältnissen führen zu können. Sie wünschten sich ein gemeinsames Kind und hätten dazu bereits medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Ihre Trennung sei zu keinem Zeitpunkt freiwillig gewesen. Der Grund, der damals zur Abweisung des Familiennachzugsgesuchs geführt habe (Sozialhilfe) sei nun weggefallen. Sie hätten alles in ihrer Macht stehende getan, um in stabilen finanziellen Verhältnissen zusammenleben zu können. Es sei ihnen nicht ohne weiteres zumutbar, zusammen in der Türkei zu leben. Die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin habe sich nun stabilisiert und auch ihr Ehemann habe eine Stelle in Aussicht, sodass er zum Erwerb der Familie beitragen könnte. In der Türkei müsste die Beschwerdeführerin wieder ganz von vorne anfangen. Der Lebensmittelpunkt von ihr und ihres 15-jährigen Sohnes sei in der Schweiz und sie gehe hier einer regelmässigen Arbeit nach. Der Sohn sei hier geboren und auch sein Vater wohne hier. Es sei ihm nicht zumutbar, in die Türkei auszuwandern und die Familie dürfe nicht auseinandergerissen werden.
Die Gesamtschau der persönlichen Interessen – Familienleben, wirtschaftliche Selbständigkeit, Vertrauensschutz bezüglich behördlicher Auskünfte und entsprechendem Tätigwerden – würden das öffentliche Interesse der Zuwanderungsbeschränkung überwiegen, weshalb das Familiennachzugsgesuch gutzuheissen sei.
4. Gemäss Art. 44 Abs. 1 AIG kann ausländischen Ehegatten von Personen mit Aufenthaltsbewilligung eine Aufenthaltsbewilligung erteilt und verlängert werden, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (lit. a), eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist (lit. b), sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind (lit. c), sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können (lit. d), und die nachziehende Person keine jährlichen Ergänzungsleistungen nach dem ELG bezieht wegen des Familiennachzugs beziehen könnte (lit. e). Für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ist anstelle der Voraussetzung nach Abs. 1 lit. d die Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot ausreichend (Abs. 2).
Der Anspruch auf Familiennachzug muss laut Art. 47 Abs. 1 AIG innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden. Die Fristen beginnen bei Familienangehörigen von Ausländerinnen und Ausländern mit der Erteilung der Aufenthalts- Niederlassungsbewilligung der Entstehung des Familienverhältnisses (Abs. 3 lit. b). Ein nachträglicher Familiennachzug wird nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden (Abs. 4). Aus der Botschaft ergeht, dass die Frist mit der Einreise, d.h. mit der Erteilung der Aufenthalts- Niederlassungsbewilligung zu laufen beginnt. Erfolgt die Heirat jedoch erst nach der Einreise, beginnt die fünfjährige Frist mit diesem Zeitpunkt (vgl. BBl 2002 3794).
5.1 Die Beschwerdeführerin erhielt am 10. Oktober 2007 erstmals eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Am 23. Juli 2015 heiratete sie C.___. Die fünfjährige Nachzugsfrist fing somit mit der Hochzeit an zu laufen und endete am 22. Juli 2020. Mit der Rückstufung von einer Niederlassungsbewilligung zu einer Aufenthaltsbewilligung am 2. Februar 2023 fing keine neue Frist an zu laufen. Das Familiennachzugsgesuch vom 14. Dezember 2021 ist damit grundsätzlich verspätet.
5.2 Aus der Übergangsbestimmung von Art. 126 AIG lässt sich nichts anderes ableiten. Diese Bestimmung wurde erlassen, als das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (aANAG) per 1. Januar 2008 durch das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (aAuG) abgelöst wurde. Sie enthält insbesondere folgende Bestimmungen: Auf Gesuche, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereicht worden sind, bleibt das bisherige Recht anwendbar (Abs. 1). Das Verfahren richtet sich nach dem neuen Recht (Abs. 2). Die Fristen nach Art. 47 Abs. 1 beginnen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, sofern vor diesem Zeitpunkt die Einreise erfolgt das Familienverhältnis entstanden ist (Abs. 3). Es trifft zu, dass beim Übergang vom AuG zum AIG per 1. Januar 2019 keine neuen Übergangsbestimmungen erlassen wurden. Weiter ist es auch richtig, dass das Bundesgericht (entgegen der von der Vorinstanz zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) diese Übergangsbestimmungen teilweise auch auf den Übergang vom AuG zum AIG anwendet (vgl. statt vieler Urteile des Bundesgerichts 2D_10/2020 vom 9. Juli 2020 E. 2.2 f., 2C_911/2019 vom 6. Februar 2020, E. 4.1). Dies trifft jedoch einzig auf Abs. 1 von Art. 126 AIG zu, wonach auf Gesuche, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereicht worden sind, das bisherige Recht anwendbar bleibt. Dazu, dass mit Inkrafttreten des AIG per 1. Januar 2019 auch Abs. 3 von Art. 126 AIG anzuwenden wäre und die Nachzugsfristen nach Art. 47 Abs. 1 wieder neu zu laufen beginnen würden, hat sich das Bundesgericht nie geäussert. Im Gegenteil hat es in Fällen wie dem vorliegenden, wo das Gesuch nach Inkrafttreten des neuen AIG per 1. Januar 2019 gestellt wurde, Art. 126 Abs. 3 AIG nicht angewendet (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_280/2023 vom 29. September 2023 E. 3; 2C_451/2022 vom 27. Oktober 2022 E. 4.3).
Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Fristen für den Familiennachzug mit der Änderung vom AuG zum AIG neu zu laufen beginnen sollten. Damals, als der Wechsel vom ANAG zum AuG erfolgte, ergaben sich neu geschaffene Nachzugsansprüche (BBl 2002 3792 ff.) und es sollte damals verhindert werden, dass diese gar nicht erst geltend gemacht werden könnten, weil sie schon von vorneweg verwirkt gewesen wären (vgl. BBl 2002 3840). Die fünfjährige Frist ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes ergab deshalb damals Sinn.
Bei der Gesetzesänderung vom AuG zum AIG wurden hingegen keine neuen Ansprüche gewährt, sondern Einschränkungen insb. zum Spracherwerb gemacht. Die Fristen nach Art. 47 sind gleich geblieben. Es gibt deshalb keinen Grund, weshalb die Fristen per 1. Januar 2019 neu hätten zu laufen anfangen sollen. Dies würde denn auch dem Gesetzesgedanken von Art. 47 AIG zuwiderlaufen, wonach eine möglichst rasche Integration gefördert und Missbräuche vermieden werden sollten (vgl. BBl 2002 3754 f.). Das Familiennachzugsgesuch vom 14. Dezember 2021 wurde somit, wie durch die Vorinstanz richtig festgestellt, verspätet gestellt.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Übergangsbestimmung von Art. 126 Abs. 1 AIG vorliegend keinen Einfluss hat, da das Gesuch bereits unter dem neuen Recht gestellt wurde und sich das anwendbare Recht auch nicht wesentlich geändert hat.
6. Aufgrund der abgelaufenen Nachzugsfrist erübrigt es sich zu prüfen, ob die Voraussetzungen zum Familiennachzug von Art. 44 AIG erfüllt wären. Dabei ist zu bemerken, dass es sich auch lediglich um eine Kann-Vorschrift handelt und die Beschwerdeführerin, welche lediglich noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, auch keinen gefestigten Anspruch auf Familiennachzug mehr hat, wie dies nach Art. 43 AIG für Personen mit Niederlassungsbewilligung gelten würde.
7.1 Das nachträglich gestellte Familiennachzugsgesuch kann somit nur dann bewilligt werden, wenn wichtige familiäre Gründe bestehen (Art. 47 Abs. 4 AIG). Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme bleiben. Die Voraussetzung der wichtigen familiären Gründe ist jedoch in Konformität mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 der Bundesverfassung (BV, SR 101) auszulegen. Diesbezüglich ist zu beachten, dass die internen Regeln zum Familiennachzug (Art. 42 ff., 47 AIG) einen Kompromiss zwischen dem Schutz des Familienlebens und dem Ziel der Begrenzung der Einwanderung darstellen. Die Fristen gemäss Art. 47 AIG bezwecken deshalb auch die Steuerung und Kontrolle der Einwanderung und stellen insofern ein legitimes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK dar, um das Recht auf Familienleben einzuschränken (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_280/2023 vom 29. September 2023, E. 5.1).
Ein wichtiger familiärer Grund liegt beispielsweise vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland wegen des Todes der Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle andere Alternative in der Heimat gefunden werden kann (BGE 137 I 284 E. 2.2). Der alleinige Wunsch, die Familie zu vereinigen, stellt hingegen keinen wichtigen familiären Grund dar (BGE 146 I 185 E. 7.1.1). Auch das Argument, es sei nicht rechtzeitig gelungen, die finanziellen Ressourcen für den Familiennachzug zu schaffen, stellt keinen wichtigen familiären Grund im Sinn von Art. 47 Abs. 4 AIG dar. Die gesuchstellende Person hat es selber zu verantworten, wenn nicht bereits vor Fristablauf gute Nachzugsbedingungen vorliegen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_380/2022 vom 8. März 2023 E. 4.2; 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 5.3; 2C_555/2019 vom 12. November 2019 E. 5.3).
7.2 Auch wenn es der Beschwerdeführerin zugute zu halten ist, dass sie sich nun von der Sozialhilfe abgelöst hat und ihr Einkommen selbst finanzieren kann, so kann sie daraus keinen wichtigen familiären Grund ableiten.
Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin weder durch die Sozialhilfebehörde noch durch das Migrationsamt auf die Nachzugsfristen hingewiesen wurde, kann sie ebenfalls nichts für sich ableiten. Die Sozialhilfebehörde ist nicht zuständig, um migrationsrechtliche Auskünfte zu erteilen und die Beschwerdeführerin hätte sich selbst über die Rechtslage informieren müssen. Das Zuwarten und Einholen weiterer Unterlagen durch das Migrationsamt ändert ebenfalls nichts. Die Beschwerdeführerin bezog bis Ende 2022 durchgehend Sozialhilfe, sodass sie die Nachzugsvoraussetzungen während der noch laufenden Nachzugsfrist ohnehin nie erfüllte. Es hätte deshalb am Ergebnis nichts geändert, wenn sie zwischen 2018 und 2020 ein weiteres Familiennachzugsgesuch eingereicht hätte.
Auch wenn nachvollzogen werden kann, dass es für die Beschwerdeführerin nicht einfach war, ohne Ausbildung und aufgrund der Betreuungspflichten für ihren Sohn, der zum Zeitpunkt der Hochzeit knapp 7-jährig war, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, so ist doch die bundesgerichtliche Rechtsprechung hierzu klar. Die gesuchstellende Person hat es selber zu verantworten, wenn nicht bereits vor Fristablauf gute Nachzugsbedingungen vorliegen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_555/2019 vom 12. November 2019 E. 5.3). Es ist ein legitimes öffentliches Interesse des Landes, die Einwanderung von Personen zu begrenzen, welche nicht für ihr eigenes wirtschaftliches Auskommen sorgen können, um eine künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden.
Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, kann die Beschwerdeführerin auch aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nichts zu ihren Gunsten ableiten, da sich darauf nur berufen kann, wer über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.3 S. 265 f.). Dies trifft auf die Beschwerdeführerin nicht zu, welche lediglich über eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung verfügt. Die Rechtsprechung führt hierzu treffend aus, wer selber keinen Anspruch auf längere Anwesenheit in der Schweiz hat, vermag einen solchen grundsätzlich auch nicht einem Dritten zu verschaffen, selbst wenn eine gelebte familiäre Beziehung zur Diskussion steht (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 286).
Es bestehen somit keine wichtigen familiären Gründe, um den Familiennachzug nachträglich zu bewilligen. Bei diesem Ausgang besteht kein Platz für eine Verhältnismässigkeitsprüfung.
8. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat A.___ die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Blut-Kaufmann
Auf eine gegen das vorliegende Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 2C_110/2024 nicht ein. |
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