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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.150)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.150: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht zu verlängern und ihn bis spätestens 60 Tage nach Rechtskraft des Entscheids aus der Schweiz wegzuweisen. Der Beschwerdeführer hat massive Schulden angehäuft und ist wiederholt straffällig geworden. Trotz ausländerrechtlicher Verwarnungen hat er keine ernsthaften Bemühungen unternommen, seine finanzielle Situation zu verbessern. Die Vorinstanz sieht einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, was die Wegweisung rechtfertigt. Die Interessensabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Wegweisung überwiegt. Der Beschwerdeführer muss die Verfahrenskosten von CHF 1'500.00 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.150

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.150
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.150 vom 01.12.2023 (SO)
Datum:01.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Schulden; Gericht; Schweiz; Apos; Urteil; Aufenthalt; Wegweisung; Vorinstanz; Betreibung; Beschwerde; Aufenthaltsbewilligung; Solothurn; Beschwerdeführers; Widerruf; Kantons; Befehl; Recht; Busse; Staatsanwaltschaft; Verfügung; Heimatland; Freiheitsstrafe; Verwarnung; Verlust; Widerrufsgr
Rechtsnorm: Art. 2 AIG ;Art. 33 AIG ;Art. 43 AIG ;Art. 50 AIG ;Art. 58a AIG ;Art. 62 AIG ;Art. 90 AIG ;Art. 96 AIG ;
Referenz BGE:130 II 176; 137 II 297; 139 I 145; 140 II 289;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.150

 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.150
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 01.12.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.259
Titel: Nichtverlängerung Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 1. Dezember 2023

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichterin Obrecht Steiner

Ersatzrichter Etter   

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

A.___    vertreten durch Rechtsanwalt Nermin Zulic, märki staub Rechtsanwälte AG,    

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,    vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

 

betreffend     Nichtverlängerung Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

 

1. A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) ist bosnischer Staatsbürger, wurde 1973 geboren und reiste 1990 im Rahmen des elterlichen Familiennachzuges in die Schweiz ein. Am 25. Januar 1991 erteilte ihm die Migrationsbehörde des Kantons Solothurn (heute Migrationsamt Solothurn) erstmals eine Aufenthaltsbewilligung.

 

Der Beschwerdeführer heiratete am [...] 2000 in seinem Heimatland eine niederländische Staatsangehörige. Letzterer wurde am 4. Dezember 2002 eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und am 21. September 2009 eine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA erteilt. Der Ehe entstammt ein Sohn (geb. 2001) und eine Tochter (geb. 2009). Die Scheidung auf gemeinsames Begehren wurde gemäss Urteil des Richteramts Thal-Gäu am 26. August 2020 rechtkräftig. Ex-Frau und Tochter des Beschwerdeführers meldeten sich per 7. Februar 2022 in die Niederlande ab. Der volljährige Sohn verfügt über eine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA, welche infolge Auslandsaufenthalts bis am 22. Februar 2027 aufrechterhalten wird.

 

2. Der Beschwerdeführer trat wie folgt strafrechtlich in Erscheinung: 

 

-       Busse von CHF 1'500.00 wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln (Urteil des Polizeirichteramts des Kantons Zug vom 19. Oktober 1994);

-       Freiheitsstrafe von zwei Wochen, bedingt aufgeschoben, und Busse von CHF 1'500.00 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln sowie Fahrens eines Motorfahrzeuges mit nicht vorschriftsgemäss angebrachten Kontrollschildern (Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 30. Oktober 1997);

-       Freiheitsstrafe von 20 Tagen, bedingt aufgeschoben, wegen Drohung (Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 25. August 1998);

-       Busse von CHF 1'000.00 wegen Verletzung von Verkehrsregeln und Fahrens in angetrunkenem Zustand (Urteil des Strafbefehlsrichters Basel-Stadt vom 28. April 1999);

-       Freiheitsstrafe von 5 Wochen und Busse von CHF 100.00 wegen Entwendung zum Gebrauch und Führens eines Motorfahrzeuges trotz entzogenen Führerausweises (Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 15. November 1999);

-       Busse von CHF 250.00 wegen Stellenantritts/-wechsels ohne Bewilligung (Strafverfügung des Untersuchungsrichteramts des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2003);

-       Freiheitsstrafe von 2½ Jahren und Landesverweisung von 5 Jahren, letztere bedingt aufgeschoben, wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz (Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Solothurn vom 17. September 2004);

-       Busse von CHF 250.00 wegen Überschreitens der vorgeschriebenen Frist für die obligatorische Abgaswartung (Strafbefehl des Bezirksamts Baden vom 21. März 2006);

-       Zusatzstrafe «null» zum Urteil des Kriminalgerichts vom 17. September 2004 wegen Diebstahls, mehrfacher Körperverletzung, unrechtmässiger Aneignung sowie Drohung (Strafverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 6. Februar 2007);

-       Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 50.00, bedingt aufgeschoben, und Busse von CHF 500.00 wegen Sachbeschädigung (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 6. April 2011);

-       Busse von CHF 420.00 wegen mehrfachen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 22. Mai 2014);

-       Busse von CHF 160.00 wegen Verwendens eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt sowie Nichttragens der Sicherheitsgurte durch den Fahrzeugführer (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 22. Juni 2016);

-       Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu je CHF 30.00 wegen Vergehens gegen das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 3. Januar 2017);

-       Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je CHF 30.00 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zug vom 21. September 2017);

-       Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 300.00, bedingt aufgeschoben, wegen Überlassens eines Motorfahrzeugs an einen Führer ohne erforderlichen Ausweis (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 4. Januar 2018);

-       Busse von CHF 250.00 wegen Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 18. Oktober 2018);

-       Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je CHF 110.00 wegen Unterlassen der Buchführung (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 18. April 2019);

-       Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 60.00 wegen mehrfacher Beschimpfung und mehrfacher Drohung (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 16. Juli 2019);

-       Busse von CHF 500.00 wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 10. Dezember 2019);

-       Busse von CHF 200.00 wegen Tätlichkeiten sowie Trunkenheit und unanständigen Benehmens (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 4. November 2022).

 

3. Im Register des Betreibungsamtes Thal-Gäu wurde der Beschwerdeführer wie folgt verzeichnet:

-       per 14. April 2009 mit zwei offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 20'859.75 und 6 offenen Verlustscheinen im Umfang von CHF 27'700.75;

-       per 28. Mai 2010 mit drei offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 29'862.20 und acht offenen Verlustscheinen im Umfang von CHF 46'382.95;

-       per 29. April 2014 mit sechs offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 30'198.85 und 21 offenen Verlustscheinen über CHF 97'972.05

-       per 22. Juni 2017 mit neun offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 26'543.40 und 41 offenen Verlustscheinen im Umfang von CHF 153'224.35;

-       per 6. September 2019 mit fünf offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 44'981.10 und achtzig offenen Verlustscheinen im Umfang von CHF 269'821.28;

-       per 27. Oktober 2022 mit zehn offenen Betreibungen in der Höhe von CHF 12'118.10 und 100 offenen Verlustscheinen im Umfang von CHF 340'144.90;

-       per 27. März 2023 mit vierzehn Betreibungen (davon ein Rechtsvorschlag und zwölf mit Pfändung) in der Höhe von CHF 50'829.35 und 100 Verlustscheinen im Umfang von CHF 340'144.90.

Die Sozialregion Thal-Gäu unterstützte den Beschwerdeführer vom 1. Februar 2018 bis am 30.September 2020 mit Sozialhilfe (Negativsaldo von CHF 53'449.75).

 

4. Mit Schreiben vom 20. Januar 1998 wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass Ausländer, die strafrechtliche Handlungen begehen, aus der Schweiz weg- bzw. ausgewiesen werden können. Eine ausländerrechtliche Verwarnung folgte am 7. Oktober 1998. Am 17. Januar 2006 informierte die Migrationsbehörde den Beschwerdeführer, dass sie dessen Wegweisung beabsichtige. Mit Verfügung vom 16. Juli 2009 wurde dem Beschwerdeführer jedoch nur die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung angedroht, sofern er sich u.a. inskünftig nicht klaglos verhalte, keine neuen Schulden anhäufe und bestehende Schulden abbaue. Zuvor hatte der Beschwerdeführer erklärt, seine finanzielle Lage sei stabil, seine Schulden würden aus Jugendjahren stammen und würden regelmässig ratenweise abbezahlt. Am 7. Juni 2010 folgt eine ausländerrechtliche Verwarnung im Hinblick auf die Zunahme der Schulden.

 

5. Im Rahmen der Stellungnahmen von 28. September 2016 und vom 24. Januar 2017 machte der Beschwerdeführer geltend, die Schuldenlast rühre erstens aus der Liquidation seiner als GmbH organisierten Pizzeria, zweitens aus der Ausbildung seiner Kinder und drittens aus kostspieligen Zahnbehandlungen seiner Kinder her. Jedoch würde er nun ein systematisches Schuldenmanagement ausarbeiten. Am 7. Juli 2017 wurde die Aufenthaltsbewilligung bis am 6. Juli 2019 (vgl. p. 514 der Vorakten) verlängert, wobei er angewiesen wurde, anlässlich der nächsten Prüfung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unaufgefordert zu dokumentieren, dass er die bestehenden Schulden im Rahmen der Möglichkeiten abgebaut, eine Schuldenberatungsstelle aufgesucht und keine weiteren Schulden angehäuft habe. Das Migrationsamt bestätigte gleichzeitig die Gültigkeit der «Verwarnungsschreiben» vom 16. Juli 2009 und vom 7. Juni 2010.

 

6. Am 27. August 2019 stellte der Beschwerdeführer letztmals ein Verlängerungsgesuch, das abgesehen von einer Passkopie keine Beilagen enthielt (p. 533 der Vorakten). Von November 2019 bis September 2020 hielt sich der Beschwerdeführer weitgehend in seinem Heimatland auf.

 

7. In seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2022 sicherte der Beschwerdeführer zu, umgehend eine Schuldenberatungsstelle aufzusuchen, mit den Gläubigern Kontakt aufzunehmen resp. Zahlungen an das Betreibungsamt zu leisten. Gleichzeitig räumt er ein, dies bislang versäumt zu haben.

 

8. Das Betreibungsamt bestätigte am 12. Dezember 2022, dass keine Zahlungen zwecks Abbaus der Schulden eingegangen seien. Das Steueramt teilte gleichentags mit, dass der Beschwerdeführer seit 2018 quellenbesteuert werde, zuvor jedoch (mit Ausnahme 2015) nach Ermessen veranlagt werden musste.

 

9. Dem Beschwerdeführer wurde am 21. Dezember 2022 das rechtliche Gehör betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung gewährt. Dabei wies die Migrationsbehörde auf die Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde bzgl. Scheidung, das fehlende Betreuungs- und Abhängigkeitsverhältnis zum Sohn und die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten hin.

 

10. Anwaltlich vertreten, liess der Beschwerdeführer am 10. Februar 2023 verlautbaren, er sei nicht geschieden. Mithin sei das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681) anwendbar und die hohe Verschuldung des Beschwerdeführers nicht von Relevanz. Die Schulden würden zu einem überwiegenden Teil in Zusammenhang mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit resp. den beiden Gesellschaften [...] GmbH und [...] GmbH stehen, in welchen er seine Ex-Frau als Gesellschafter resp. Geschäftsführer mitgewirkt hätten, was zu unberechtigten privaten Forderungen geführt habe. Dieselben Forderungen seien teilweise mehrfach in Betreibung gesetzt worden. Eine Schuldensanierung sei mit dem gegenwärtig erzielten Einkommen leider nicht möglich. Eine Wegweisung würde zum Verlust der Arbeitsstelle führen, was den Beschwerdeführer völlig aus der Bahn werfen würde.

 

11. Das Migrationsamt Solothurn (nachfolgend auch Vorinstanz genannt) edierte in der Folge bei der Einwohnergemeinde und dem Richteramt Thal-Gäu sowie der Einwohnergemeinde Informationen zur gerichtlichen Auflösung der Ehe des Beschwerdeführers. Des Weiteren erkundigte sich das Migrationsamt bei der Sozialregion Thal-Gäu betreffend Sozialhilfebedürftigkeit. Sodann bestellte es aktualisierte Betreibungsregisterauszüge des Beschwerdeführers und seiner Ex-Frau (24 Verlustscheine im Umfang von CHF 53'707.60 während der Dauer der Ehe) und beschaffte Handelsregisterauszüge der am 10. November 2011 resp. am 30. Oktober 2018 aufgelösten [...] GmbH in Liquidation resp. [...] GmbH in Liquidation (beide Konkursverfahren waren mangels Aktiven eingestellt worden).

 

12. Mit Verfügung vom 14. April 2023 (zugestellt am 18. April 2023) entschied die Vor­instanz, die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht zu verlängern und ihn – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfalle – per 30. Juni 2023 aus der Schweiz wegzuweisen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer angewiesen, sich ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde abzumelden und die Ausreise mittels Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

 

13. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ersuchte die Vorinstanz mit Schreiben vom 27. April 2023 um Akteneinsicht, wobei ihm die Akten am 28. April 2023 (16:35 Uhr) per Webtransfer zur Verfügung gestellt wurden (Abruf am 1. Mai 2023).

 

14. Mit Beschwerde vom 28. April 2023 ersuchte der Beschwerdeführer das Verwaltungsgericht um Aufhebung der Verfügung vom 14. April 2022 und um Anweisung der Vorinstanz zur Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung, wobei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen sei. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer stellte in Aussicht, die Beschwerde nach Eingang ergänzender Unterlagen, welche der Verifizierung der rechtskräftigen Scheidung dienen, ausführlich zu begründen. Materiell rügte er die Nichtanwendung des FZA trotz (allenfalls geschiedener) Ehe mit einer Niederländerin, «umgekehrten Familiennachzugs» zum Sohn und Ausübung des Besuchsrechts hinsichtlich der Tochter. Die Vorinstanz habe das rechtliche Gehör verletzt, indem sie nicht geprüft habe, ob das FZA anwendbar sei, ob die Voraussetzungen für den «umgekehrten Familiennachzug» erfüllt seien («bspw. ob dem Beschwerdeführer vom Sohn […] Unterhalt gewährt wird») und wie das Besuchsrecht gegenwärtig ausgeübt werde. 

 

15. Der Beschwerde wurde mit Verfügung vom 1. Mai 2023 aufschiebende Wirkung erteilt.

 

16. Mit Vernehmlassung von 22. Mai 2023 ersuchte die Vorinstanz um vollständige Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge. Die Vorinstanz hielt ergänzend fest, dass ein «umgekehrter Familiennachzug» des Beschwerdeführers zu seinem Sohn ausgeschlossen sei, da dieser über 21 Jahre alt sei, derzeit gar nicht in der Schweiz weile und offensichtlich keine Unterhaltsgewährung erfolge.

 

17. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom 24. Mai 2023 Gelegenheit geboten, allfällige Bemerkungen zur Vernehmlassung der Vorinstanz einzureichen. Er äusserte sich insofern, als dass er – gestützt auf Verfügung vom 19. Juni 2023 hin – eine Kostennote einreichen liess.

 

 

II.

 

1.1 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht ist zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gesetz über die Gerichtsorganisation, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

1.2 Nach § 68 Abs. 3 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) sind neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel, wenn sie mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, bis zum Schluss des Beweisverfahrens erlaubt. Das Gericht entscheidet aufgrund des Sachverhalts, wie er sich im Urteilszeitpunkt darstellt (vgl. auch Entscheid des Bundesgerichts 2C_163/2021 vom 2. Juni 2021 E. 6.2). Die verfügende Behörde hat im Rahmen der Untersuchungsmaxime Abklärungen zu treffen. Nebst der Untersuchungsmaxime obliegt es allerdings auch der ausländischen Person, an der Feststellung des für die Anwendung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) massgebenden Sachverhalts mitzuwirken (Art. 90 AIG). Dies gilt im besonderen Masse für Umstände, die der Beschwerdeführer besser kennt als die Behörde und welche ohne seine Mitwirkung gar nicht nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden können.

 

1.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da die Vorinstanz in Zusammenhang mit der Anwendung des FZA nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen für den «umgekehrten Familiennachzug» erfüllt seien («bspw. ob dem Beschwerdeführer vom Sohn […] Unterhalt gewährt wird») und wie das Besuchsrecht zur Tochter gegenwärtig ausgeübt werde. Mit diesen Beanstandungen verkennt der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflichten, auf welche er in der Vergangenheit hingewiesen wurde. Sowohl Tochter wie auch Sohn sind landesabwesend, was nicht nur darauf hindeutet, dass diesen Argumentationslinien materiell nicht gefolgt werden kann, sondern auch nicht ersichtlich ist, wie die Behörde ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers zu entsprechenden Informationen kommen sollte. Entsprechende Rügen sind unbegründet.

 

Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör könnte jedoch darin erkannt werden, dass die Vorinstanz die Ergebnisse ihrer Abklärungen kurz vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht dem Beschwerdeführer zur Kenntnis brachte, bevor sie verfügte. Da insbesondere die für den Entscheid wesentliche Tatsachengrundlage bereits im Schreiben vom 22. Dezember 2022 dem Beschwerdeführer detailliert dargelegt wurde, ist diese Verletzung heilbar. So handelt es sich bei den Abklärungen bei der Einwohnergemeinde / Richteramt (Scheidung), dem Betreibungsamt (Schulden) und dem Handelsregisteramt (Gesellschafterfunktion) eher um eine Verifizierung resp. Bestätigung der bereits kommunizierten Verfügungsbasis. Zumal es im Hinblick auf Art. 62 Abs. 1 lit. a AIG problematisch anmutet, dass der Beschwerdeführer vorinstanzlich seine rechtskräftige Scheidung bestreiten liess.

 

2.1 Die Vorinstanz erwog, dass auf Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union das AIG nur insofern anwendbar sei, als das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthalte dieses Gesetz günstigere Bestimmungen vorsehe (Art. 2 Abs. 2 AIG). Da die Ehe seit dem 26. August 2020 rechtskräftig geschieden wurde und seine Tochter zusammen mit der Ex-Frau per 4. Februar 2022 in ihr Heimatland (Niederlande) gezügelt sei, könne sich der Beschwerdeführer nicht (mehr) als Drittstaatenangehöriger auf das FZA berufen. Sodann sei ein «umgekehrter Familiennachzug» zum Sohn ausgeschlossen, da dieser bereits über 21 Jahre alt sei, derzeit nicht in der Schweiz weile und keine Unterhaltsgewährung erfolge.

 

2.2 Der Beschwerdeführer begründete resp. dokumentierte die behauptete Anwendung eines «umgekehrten Familiennachzugs» zum Sohn nicht. Er ist insofern offensichtlich kein Familienangehöriger i.S.v. Anhang I Art. 3 Abs. 2 FZA. Der Beschwerdeführer behauptet zwar ein rege genutztes Kontakt- und Besuchsrecht zur in den Niederlanden lebenden Tochter, erklärt jedoch nicht, inwiefern dies einen Aufenthalt in der Schweiz im Rahmen des Anwendungsbereichs des FZA voraussetzt. Soweit sich der Beschwerdeführer schliesslich auf Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG beruft, sei in Erinnerung gerufen, dass diese sogenannte «Unionsbürgerrichtlinie» nicht Teil des FZA ist und in der Schweiz keine Anwendung findet (vgl. Art. 16 i.V.m. Anhang I Art. 4 Abs. 2 FZA e contrario). Das FZA verweist lediglich auf Richtlinie 1251/70/EWG, welche in Art. 3 die Kriterien für ein Verbleiberecht nach dem Tode des Ehegatten beschreibt (also keine Anwendung bei Scheidung findet). Zusammenfassend ist den kurzen, jedoch konzisen Erwägungen der Vorinstanz beizupflichten. Vorliegend findet nicht das FZA, sondern (nur) das AIG Anwendung.

 

3.1 Die Aufenthaltsbewilligung wird befristet erteilt, kann mit weiteren Bedingungen verbunden werden und kann verlängert werden, sofern keine Widerrufsgründe vorliegen (Art. 33 AIG). Gemäss Art. 50 Abs. 1 AIG besteht nach Auflösung der Ehe der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 43 AIG weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a) wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Die beiden Kriterien nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (Ablauf der Dreijahresfrist und erfolgreiche Integration) müssen kumulativ erfüllt sein, um einen Bewilligungsanspruch zu begründen (BGE 140 II 289 E. 3.5.1). Die Ansprüche stehen zudem unter dem Vorbehalt der Widerrufsgründe von Art. 62 Abs. 1 AIG (Art. 51 Abs. 2 lit. b AIG; vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_896/2020 vom 11. März 2021 E. 4.1). Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AIG).

 

3.2 Bei der Beurteilung der Integration sind u.a. die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die wirtschaftlichen Aspekte der Integration zu berücksichtigen (vgl. Art. 4 und Art. 58a AIG). Rechtsprechungsgemäss ist eine erfolgreiche wirtschaftliche Integration grundsätzlich zu bejahen, wenn die ausländische Person für sich sorgen kann, keine (nennenswerten) Sozialhilfeleistungen bezieht und sich nicht (in nennenswerter Weise) verschuldet (Urteil des Bundesgerichts 2C_584/2020 vom 3. Dezember 2021 E. 6.5). Vorausgesetzt werden dafür weder eine besonders qualifizierte Tätigkeit, noch ein hohes Einkommen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_749/2011 vom 20. Januar 2012 E. 3.3). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung sieht vor, dass für die Beurteilung einer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_653/2021 vom 4. Februar 2022 E. 4.3.2).

 

3.3 Als Widerrufsgründe gelten gemäss Art. 62 AIG u.a. die falsche Angabe das wesentliche Verschweigen von Tatsachen im Bewilligungsverfahren (lit. a), eine Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe (lit. b), der erhebliche wiederholte Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung resp. deren Gefährdung (lit. c) die Nichteinhaltung einer mit der Verfügung verbundenen Bedingung (lit. d). Nach Art. 77a Abs. 1 Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) liegt eine Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung insbesondere vor, wenn die betroffene Person gesetzliche Vorschriften behördliche Verfügungen missachtet (lit. a) öffentlich-rechtliche privatrechtliche Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt (lit. b).

 

3.4 Als längerfristig gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (BGE 139 I 145 E. 2.1). Für die Prüfung dieses Widerrufsgrundes ist auf das Zusammenrechnen verschiedener Freiheitsstrafen zu verzichten. Indes können auch vergleichsweise weniger gravierende Pflichtverletzungen als «schwerwiegend» bezeichnet werden, wenn sich eine ausländische Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch zukünftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Ob der Ausländer willens und in der Lage ist, sich in die hier geltende Ordnung einzufügen, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung seines Verhaltens beurteilt werden. Mithin kann auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, einen Bewilligungsentzug rechtfertigen (BGE 137 II 297 E. 2.3.6 und 3.3). Unzulässig ist ein Widerruf, der nur damit begründet wird, dass ein Delikt begangen wurde, für das ein Strafgericht bereits eine Strafe Massnahme verhängt, jedoch von einer Landesverweisung abgesehen hat (Art. 62 Abs. 2 AIG).

 

3.5 Auch das Bestehen von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Schulden kann einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellen. Schuldenwirtschaft allein genügt aber für den Widerruf bzw. die Nichterneuerung eines Anwesenheitsrechts nicht. Vorausgesetzt ist Mutwilligkeit, d.h. diese muss selbstverschuldet und qualifiziert vorwerfbar sein (BGE 137 II 297 E. 3.3); erforderlich ist ein erheblicher Ordnungsverstoss, der aber auch in einer qualifizierten Leichtfertigkeit liegen kann (Urteil des Bundesgerichts 2C_789/2017 vom 7. März 2018 E. 3.3.1). Davon ist nicht leichthin auszugehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_730/2020 vom 6. Mai 2021 E. 4.1.1). Neben der Höhe der Schulden und der Anwesenheitsdauer des pflichtvergessenen Schuldners ist entscheidend, ob und gegebenenfalls inwiefern der Schuldner sich bemüht hat, seine Verbindlichkeiten abzubauen und mit den Gläubigern nach einer Lösung zu suchen. Eine durch Schicksalsschläge bedingte Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher privatrechtlicher Verpflichtungen gilt nicht als mutwillig (Urteil des Bundesgerichts 2C_896/2020 vom 11. März 2021 E. 5.2.2).

 

3.6 Die Vorinstanz begründet die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit dem Vorhandensein von Widerrufsgründen gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. b und c AIG. Den Widerrufsgrund der längerfristigen Freiheitsstrafe erklärt sie ausschliesslich mit dem Urteil des Kriminalgerichts vom 17. September 2004. Das Urteil würde zwar «etliche Jahre» zurückliegen, der Widerrufsgrund sei jedoch nach wie vor erfüllt. Abgesehen davon, dass die Aufenthaltsbewilligung seither wiederholt verlängert wurde, was einen gewissen Vertrauensbestand manifestiert, verkennt die Vor­instanz Art. 62 Abs. 2 AIG: Das Kriminalgericht hat bewusst darauf verzichtet, eine unbedingte Landesverweisung auszusprechen. Seither erfolgten weder Freiheitsstrafen noch andere Verurteilungen, welche einen (strafrechtlichen) Widerruf der bedingten Landesverweisung rechtfertigten. Der Widerrufsgrund der längerfristigen Freiheitstrafe findet vorliegend keine Anwendung.

 

3.7 In der angefochtenen Verfügung begründet die Vorinstanz den Widerrufsgrund des Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung sodann einerseits mit dem wiederholt straffälligen Verhalten und andererseits mit der mutwilligen Verschuldung des Beschwerdeführers. Konkret sei der Beschwerdeführer in mindestens 20 Strafverfahren zu Freiheitsstrafen von rund 2 Jahren und 8½ Monaten, Geldstrafen von 143 Tagessätzen sowie Bussen von CHF 6'630.00 verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe sich weder durch strafrechtliche Verurteilungen, hängige Strafverfahren, laufende Probezeiten und diverse ausländerrechtliche Massnahmen von weiterer Delinquenz abhalten lassen. Die Vielzahl und teilweise Schwere der Delikte lasse darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer nicht ernsthaft gewillt und fähig sei, sich an die Rechtsordnung zu halten. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer trotz wiederholter ausländerrechtlicher Verwarnung massive Schulden angehäuft habe ohne dafür eine im Ansatz nachvollziehbare Begründung zu liefern. Dabei handle es sich – soweit erkennbar – neben Steuerforderungen insbesondere um Forderungen diverser Krankenkassen, Versicherungsgesellschaften, der Motorfahrzeugkontrolle und der Ausgleichskasse. Seit dem Hinweis des Beschwerdeführers, die Schulden würden aus den Jugendjahren stammen, hätten sich diese drastisch erhöht. Es könne nicht dargelegt werden, dass sich die Schuldenlast aufgrund früherer «Selbständigkeit» erhöht habe, denn die beiden Familienunternehmen seien als GmbHs organisiert gewesen, was eine Haftung ausschliesse; zumal er nicht als Gesellschafter und lediglich in einer GmbH als Geschäftsführer eingetragen war. Es wäre am Beschwerdeführer gewesen, sich gegen unberechtigte Betreibungen mittels Rechtsvorschlags zu wehren. Selbst wenn es sich zum Teil um eheliche Schulden handeln sollte, was jedoch – wie die angeblich doppelt in Betreibung gesetzten Forderungen – in keiner Weise belegt sei, könne der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Obgleich der Beschwerdeführer in Aussicht gestellt hatte, mit Unterstützung eines Bekannten ein systematisches Schuldenmanagement auszuarbeiten und eine Beratungsstelle zwecks Schuldensanierung aufzusuchen, seien bislang keine positiv zu würdigenden Sanierungsanstrengungen ausfindig zu machen. Dass der Beschwerdeführer behauptet, sein aktuelles Einkommen als Hilfsschreiner im Stundenlohn reiche nicht für eine Schuldensanierung aus, verkenne, dass er seit geraumer Zeit seine finanziellen Verpflichtungen grob vernachlässige (u.a. auch steuerrechtliche Verpflichtungen). In Anbetracht der vorausgegangenen ausländerrechtlichen Massnahmen sei klarerweise auf Mutwilligkeit der anhaltenden Verschuldung zu schliessen. Schliesslich seien dem Beschwerdeführer (auch) die aus den straffälligen Verhalten herrührenden finanziellen Verpflichtungen qualifiziert vorzuhalten.

 

3.8 Insbesondere die Ausführungen der Vorinstanz zur Schuldenwirtschaft sind stichhaltig, während die wiederholte Delinquenz in erster Linie den Eindruck verfestigt, der Beschwerdeführer achte auch die diesbezüglichen ausländerrechtlichen Ermahnungen nicht. Die Delinquenz vervollständigt folglich das Gesamtbild. Zumal der Beschwerdeführer im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens diesbezüglich weder Gegenteiliges behauptet noch die Vorwürfe bestreitet. Offensichtlich wurden auch die wiederholten ausländerrechtlichen Verwarnungen namentlich betreffend Schuldensanierung vom Beschwerdeführer nicht ernst genommen. Soweit die enorme Schuldenlast teilweise aus seiner «Selbständigkeit» resp. auf der Funktion als Geschäftsführer beruhen sollte, so wäre angesichts des Strafbefehls vom 18. April 2019 wegen Unterlassen der Buchführung eine Mutwilligkeit offenkundig. Zwar finden sich in den Akten (jedoch nicht mehr im Betreibungsauszug vom 27. März 2023) durchaus vereinzelt Hinweise auf Zahlungen, doch lediglich in sehr untergeordneter Höhe (p. 388: CHF 581.75, p. 455: CHF 400.00, p. 454: CHF 393.60). Neben der Schuldenhöhe ist auch eine zunehmende Nachlässigkeit unverkennbar: Während die Bewährungshilfe am 6. Juli 2006 noch konstatierte, der Beschwerdeführer habe mit den wichtigsten Gläubigern Abzahlungs- Stundungsvereinbarungen getroffen (p. 377), räumte der Beschwerdeführer am 17. Oktober 2022 ein, er müsse die Höhe der Schulden und die Identität der Gläubiger erst noch feststellen (p. 631). Offensichtlich hat er jeglichen Überblick über die enorme Schuldenlast verloren resp. sich diesbezüglich gar nicht bemüht. Der Grossteil der im Betreibungsregister verzeichneten Betreibungen dürfte sich auf öffentlich-rechtliche Forderungen beziehen, namentlich die regelmässigen Verlustscheine des Krankenversicherers, der Gemeinde, des Steueramtes und – bezeichnenderweise ab Scheidung – des Oberamts (u.a. zuständig für Alimentenbevorschussung). Dies ist als erheblicher Ordnungsverstoss einzustufen. Als selbstverschuldet dürften auch die sieben Verlustscheine der Gerichtskasse einzuordnen sein. Schliesslich hat die Vorinstanz bereits im Rahmen der Korrespondenz vom 12. Januar 2017 und vom 7. Juli 2017 darauf hingewiesen, dass das Argument, wonach die finanziellen Mittel hauptsächlich für Zahnbehandlungskosten resp. die Ausbildung der Kinder aufgewendet worden seien, weder glaubwürdig noch nachvollziehbar noch ansatzweise belegt ist; zumal die Kinder – soweit ersichtlich – öffentliche Schulen besuchten. Der Beschwerdeführer hat es jahrelang und trotz entsprechender Verwarnungen verpasst, alles ihm Mögliche zu tun, um seine finanzielle Situation zu verbessern bzw. seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ausserordentliche Schicksalsschläge werden nicht geltend gemacht. Die Annahme einer mutwilligen Verschuldung ist daher nicht zu beanstanden. Zusammenfassend ist die Vor­instanz zu Recht davon ausgegangen, dass infolge fortwährender, qualifiziert vorwerfbarer Schuldenwirtschaft ein Widerrufsgrund vorliegt, womit die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werden kann. Während die Schwere der Delikte der letzten Jahrzehnte (also seit der 2½-jährigen Freiheitsstrafe) zu relativieren ist, stellen die Vielzahl der Delikte die Erfüllung einer gelungenen Integration in Frage und ergänzen das Gesamtbild. Bei diesem Resultat kann offengelassen werden, ob mit der wiederholten Missachtung der in den ausländerrechtlichen Verwarnungen formulierten Erwartungen ein Widerrufsgrund gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG erfüllt wurde.

 

4.1 Wird eine Bewilligung verweigert, widerrufen nicht verlängert, so ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz verhältnismässig ist (vgl. Art. 96 Abs. 1 AIG) und vor Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) standhält. Es ist folglich eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wegweisung aus der Schweiz sowie dem privaten Interesse am Verbleib in der Schweiz vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_318/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 7.1). Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend gewesen ist, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an Fernhaltemassnahmen zu stellen. Doch selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren wurde und sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat, ist eine Wegweisung möglich (BGE 130 II 176 E. 4.4.2).

 

4.2 Die Vorinstanz erwog, die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers stimme nicht ansatzweise mit dem Grad seiner Integration überein. Die soziale und wirtschaftliche Integration sei offenkundig gescheitert. Zwar sei er der deutschen Sprache mächtig und gehe einer Erwerbstätigkeit nach, jedoch sei er wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geraten und habe massive Schulden angehäuft, welche trotz entsprechender ausländerrechtlicher Verwarnung stetig zugenommen hätten. Dass der Beschwerdeführer auch während der Dauer der Unterstützung durch die Sozialhilfe fortwährend Schulden generiert habe, deute darauf hin, dass er die Gelder anderweitig verwendet habe über seinen Verhältnissen lebe. Der Gesuchsteller habe die prägenden Kinder- und Jugendjahre in seinem Heimatland verbracht, sei der heimatlichen Sprache mächtig und mit der dortigen Kultur sowie den Gepflogenheiten vertraut. Es sei infolge fehlender gegenteiliger Einwände davon auszugehen, dass in […] diverse Familienangehörige und Bekannte ansässig seien, während in der Schweiz keine Familienangehörigen wohnen würden, welche vom Schutzbereich der EMRK erfasst seien. Die Wegweisung sei geeignet um weitere Straftaten und eine weitere Verschuldung in der Schweiz zu vermeiden, zumal die bisherigen ausländerrechtlichen Massnahmen keine Wirkung gezeigt haben. Der Beschwerdeführer habe die mehrfach gewährten Chancen leichtfertig verpasst und damit zum Ausdruck gebracht, dass ihm nicht sonderlich viel am hiesigen Aufenthalt liege. Es sei dem Beschwerdeführer zumutbar, in seinem Heimatland eine neue Existenz aufzubauen.

 

4.3 Der Beschwerdeführer äussert sich im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zur Interessensabwägung resp. Verhältnismässigkeit der Wegweisung.

 

4.4 Das mutwillige Nichterfüllen der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verpflichtungen, das straffällige Verhalten und die wiederholte Missachtung der ausländerrechtlichen Verwarnungen stellen vorliegend einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, was ein erhebliches öffentliches Interesse an der Wegweisung indiziert. Es ist nicht zu erwarten, dass – sofern man (auch) vorliegend nur eine Verwarnung im Sinne einer milderen Massnahme aussprechen würde – der Beschwerdeführer einen deliktsfreien Lebenswandel anstreben und ihm eine ernsthafte Abkehr von der Schuldenwirtschaft inklusive Sanierungsbemühungen gelingen würde. Aufgrund der hohen und weiter anwachsenden Verschuldung, der Unbelehrbarkeit sowie der wiederholten Delinquenz des Beschwerdeführers besteht ein grosses öffentliches Interesse an seiner Wegweisung aus der Schweiz.

 

4.5. Die Darlegungen der Vorinstanz, wonach das private Interesse das öffentliche Interesse an der Wegweisung nicht überwiegt, vermögen zu überzeugen. Wie die Vorinstanz treffend darlegt, scheint das private Interesse denn auch eher überschaubar. Zwar geht mit der Wegweisung der Arbeitsplatzverlust einher. Doch legt der Beschwerdeführer – entgegen den kommunizierten Absichten – ein gewisses Desinteresse eine Beratungsresistenz hinsichtlich der ausländerrechtlichen Verwarnungen an den Tag, welche nur als Inkaufnahme einer Wegweisung gelesen werden können. Dem Beschwerdeführer scheint tatsächlich nicht viel am Aufenthalt in der Schweiz zu liegen. Es sind keinerlei soziale Bindungen in der Schweiz dokumentiert. Hingegen bestehen verhältnismässig wenig Hindernisse, eine Existenz im Heimatland aufzubauen; zumal scheinbar auch vorinstanzlich keine diesbezüglichen Schwierigkeiten geltend gemacht wurden. Interessanterweise findet sich in den Vorakten eine Aktennotiz vom 26. Juni 2017 (p. 503) wonach der Beschwerdeführer informierte, gar selbst zu planen, ein Import/Export-Unternehmen zu gründen und nicht nur in der Schweiz und Deutschland, sondern auch in seinem Heimatland tätig zu sein. Zumindest damals ging er also davon aus, auch im Heimatland erwerbstätig sein zu können. Dazu passt, dass er sich von November 2019 bis September 2020 weitgehend in seinem Heimatland aufhielt. Zwar findet sich in den Akten (p. 626) die Übersetzung eines im Heimatland nach 60-minütigem Interview erstellten psychiatrischen Gutachtens vom 13. August 2019, welches eine schwere depressive Störung diagnostizierte. Dies stellt jedoch kein Hindernis für eine Wegweisung dar, denn – sofern die Krankheit noch aktuell ist – zu berücksichtigen ist, dass der damalige Psychiater eine familientherapeutische Behandlung in seiner Praxis empfahl – mithin im Heimatland.

 

4.6 Die Wegweisung eignet sich, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz zu schützen. Mildere Massnahmen sind weder tauglich noch angemessen. Es liegen keine unüberwindbaren Hindernisse vor, welche die Wegweisung des Beschwerdeführers als unzumutbar erscheinen liessen. Die Massnahme ist somit verhältnismässig und hält auch vor Art. 8 der EMRK stand. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen. Nachdem die angesetzte Frist zur Ausreise allerdings inzwischen abgelaufen ist, ist diese angemessen zu verlängern. Der Beschwerdeführer wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis spätestens 60 Tage nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zu verlassen.

 

5. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, welche inklusive Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind (und mit dem Kostenvorschuss verrechnet werden). Parteientschädigungen werden keine gesprochen.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis spätestens 60 Tage nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zu verlassen.

3.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Der Gerichtsschreiber

Thomann                                                                          Schaad



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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