E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.429)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.429: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entscheidet am 4. April 2023 über den Führerausweisentzug eines Beschwerdeführers, der in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Der Beschwerdeführer hatte das Vortrittsrecht missachtet und wurde zu einer Busse verurteilt. Die Motorfahrzeugkontrolle entschied, ihm den Führerausweis für einen Monat zu entziehen, da er eine mittelschwere Widerhandlung begangen hatte. Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da er eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen hatte. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 1'500.00.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.429

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.429
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.429 vom 04.04.2023 (SO)
Datum:04.04.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Verkehr; Motor; Verkehrs; Widerhandlung; Motorrad; Strasse; Motorradfahrer; Gericht; Gefahr; Geschädigte; Vortritt; Verkehrsregel; Strassen; Verwaltungsgericht; Beschwerde; Führer; Vortritts; Gefährdung; Vortrittsrecht; Verletzung; Führerausweis; Urteil; Verkehrsregeln; Verschulden; Bundesgericht; Sinne
Rechtsnorm: Art. 14 SVG ;Art. 15 VRV ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 16b SVG ;Art. 16c SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 36 SVG ;
Referenz BGE:135 II 138;
Kommentar:
Bernhard Rütsche, Waldmann, Basler Strassenverkehrsgesetz, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.429

 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.429
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 04.04.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.83
Titel: Führerausweisentzug

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 4. April 2023         

Es wirken mit:

Vizepräsident Müller

Oberrichter Thomann

Oberrichter Frey   

Gerichtsschreiberin Hasler    

 

In Sachen

A.___, vertreten durch Fürsprecher Paul Wiesli, Advokatur,

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

Bau- und Justizdepartement, Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle, Abt. Administrativmassnahmen, Gurzelenstrasse 3, 4512 Bellach

 

Beschwerdegegner

 

betreffend     Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Am 20. Juni 2021 bog A.___ (im Folgenden: Beschwerdeführer) in [...] vom Vorplatz des [...] nach links auf die Hauptstrasse in Richtung [...] ein und übersah das auf der Hauptstrasse in Richtung [...] fahrende Motorrad Harley-Davidson, Lenker B.___ (Geschädigter), und missachtete dessen Vortrittsrecht. In der Folge ereignete sich eine Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen, worauf der Lenker des Motorrads frontal in die linke Seite des Personenwagens krachte und Verletzungen erlitt.

 

2. Mit Schreiben vom 3. September 2021 teilte die Motorfahrzeugkontrolle (MFK) dem Beschwerdeführer mit, sie habe gegen ihn ein Administrativverfahren eröffnet. Das Verfahren werde sistiert, bis ein rechtskräftiger Entscheid der Strafbehörde vorliege.

 

3. Mit Strafbefehl vom 17. Februar 2022 wurde der Beschwerdeführer wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) durch Mangel an Aufmerksamkeit und Missachten des Vortrittsrechts schuldig gesprochen. Dagegen erhob er Einsprache. Das Richteramt Thal-Gäu verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 12. Juli 2022 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 SVG) durch Mangel an Aufmerksamkeit und Missachten des Vortrittsrechts zu einer Busse von CHF 800.00. Das Urteil ist rechtskräftig. Die andere rechtliche Würdigung begründete das Richteramt Thal-Gäu insofern, dass nach dem durchgeführten Augenschein vor Ort habe festgestellt werden können, dass sich beide Beteiligten aus ca. 50 m Distanz hätten sehen können. Die Sichtung des vorhandenen Videomaterials habe ergeben, dass der Beschwerdeführer wohl auf die gerade aus Richtung [...] herkommenden Motorradfahrer fokussiert gewesen sei und der Geschädigte durch die Geräusche seines eigenen Motorrads abgelenkt gewesen sei. Als der Beschwerdeführer den Motorradfahrer bemerkt habe, habe er direkt auf der Strasse angehalten, um – gemäss den Aussagen des Beschwerdeführers – den Motorradfahrer vorbeizulassen. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit von beiden Parteien habe zur Kollision geführt. Anzeichen für die subjektive Voraussetzung der Rücksichtslosigkeit, um eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln annehmen zu können, seien jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr habe es sich um eine unglückliche Verkettung der Umstände gehandelt, ausgelöst durch die Unachtsamkeit.

 

4. Mit Schreiben vom 30. August 2022 teilte die MFK dem Beschwerdeführer mit, es sei vorgesehen, dem Beschwerdeführer wegen mittelschwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften als Administrativmassnahme den Führerausweis für die Dauer von einem Monat nach Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG zu entziehen. Im Sinne des rechtlichen Gehörs nahm der Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Paul Wiesli, mit Schreiben vom 6. September 2022 dazu Stellung.

 

5. Mit Verfügung vom 9. November 2022 entzog die MFK dem Beschwerdeführer für die gesetzliche Mindestdauer von einem Monat den Führerausweis. Die MFK begründete ihren Entscheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer nach dem Wendemanöver vom Vorplatz in einer unübersichtlichen Strassenführung losgefahren sei und dabei bereits zwei von [...] herannahende Motorradfahrer übersehen habe. Deshalb habe er mitten auf der Fahrbahn anhalten müssen. Der Beschwerdeführer habe somit bereits diese beiden Motorradfahrer konkret gefährdet. Indem er in einer unübersichtlichen Kurve mitten auf der Strasse angehalten habe, habe er das Vortrittsrecht des Geschädigten missachtet. Er habe sowohl die von rechts, als auch den von links kommenden Motorradfahrer konkret gefährdet. Die von ihm geschaffene Verkehrsgefährdung sei somit nicht mehr leicht. Auch das Verschulden könne nicht mehr als leicht beurteilt werden. Durch bessere visuelle Kontrolle des Verkehrs hätte er die von rechts kommenden Motorradfahrer sehen können und hätte ihnen den Vortritt belassen und nicht die halbe Strasse blockiert. Entsprechend könne auch das Verschulden nicht mehr als leicht beurteilt werden. Es handle sich um eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG. Nach einer mittelschweren Widerhandlung müsse der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen werden (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Diese Mindestentzugsdauer dürfe trotz allfällig beruflicher Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, nicht unterschritten werden (Art. 16 Abs. 3 SVG).

 

6. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 18. November 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Er beantragte, die Verfügung der MFK vom 9. November 2022 sei aufzuheben. Der Beschwerdeführer sei wegen einer begangenen leichten Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG gemäss Art. 16a Abs. 3 SVG zu verwarnen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

7. Mit Schreiben vom 22. November 2022 beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer Gerichtsverhandlung.

 

8. Die MFK schloss mit Stellungnahme vom 9. Januar 2023 auf Abweisung der Beschwerde.

 

9. Mit Verfügung vom 25. Januar 2023 verlangte das Verwaltungsgericht beim Richteramt Thal-Gäu die Zustellung der entsprechenden Strafakten.

 

10. Zur Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 4. April 2023 erschien der Beschwerdeführer. Der Motorfahrzeugkontrolle (MFK) wurde im Vorfeld zur Verhandlung freigestellt, an der Verhandlung zu erscheinen, sie verzichtete auf eine Teilnahme. Der Beschwerdeführer wurde befragt (vgl. Protokoll vom 4. April 2023). Im Anschluss an die Parteibefragung bestätigt der Beschwerdeführer den mit Beschwerde gestellten Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

 

11. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1. Der Beschwerdeführer rügt in materieller Hinsicht, die MFK habe zu Unrecht das Vorliegen einer leichten Widerhandlung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG verneint und eine mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG angenommen. Er führt im Wesentlichen aus, die Unachtsamkeit des Motorradfahrers habe den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrochen. Zudem stelle die MFK eine unhaltbare, völlig frei erfundene und unzutreffende Behauptung auf, wenn sie ausführe, der Beschwerdeführer sei nach dem Wendemanöver vom Vorplatz in einer unübersichtlichen Strassenführung losgefahren und habe zwei von [...] – demzufolge von der Gegenrichtung – herannahende Motorradfahrer übersehen. Als Folge davon habe er mitten auf der Fahrbahn anhalten müssen, was bereits vor der Kollision mit dem von [...] herannahenden unaufmerksamen Motorradfahrer per se einer konkreten Gefährdung von Verkehrsteilnehmern gleichkommen würde. Diese Behauptung sei geradezu willkürlich.

 

2.2. Vorliegend ist zu überprüfen, ob die MFK zurecht von einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften ausgegangen ist ob eine leichte anzunehmen gewesen wäre.

 

3.1. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Nach der Rechtsprechung müssen eine geringe Gefahr und ein leichtes Verschulden kumulativ gegeben sein (zum Ganzen BGE 135 II 138 E. 2 S. 140, mit Hinweisen). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a). Gemäss Art. 16c SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer schweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen (Abs. 2 lit. a).

 

3.2. Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Eine solche liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Bernhard Rütsche/Denise Weber in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, Art. 16b N 7). Ist entweder die Gefährdung nicht mehr gering das Verschulden mehr als leicht, liegt eine mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG vor (Rütsche/Weber, a.a.O., Art. 16a N 4).

 

3.3. Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verkehrsregelnverordnung, VRV, SR 741.11). Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt (Art. 36 Abs. 4 SVG). Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten (Art. 14 Abs. 1 SVG). Wer aus Fabrik, Hof- Garageausfahrten, aus Feldwegen, Radwegen, Parkplätzen, Tankstellen und dergleichen über ein Trottoir auf eine Haupt- Nebenstrasse fährt, muss den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren. Ist die Stelle unübersichtlich, so muss der Fahrzeugführer anhalten; wenn nötig, muss er eine Hilfsperson beiziehen, die das Fahrmanöver überwacht (Art. 15 Abs. 3 VRV).

 

3.4. Der Beschwerdeführer hat unstreitig die obengenannten Verkehrsregeln verletzt. Auch anlässlich der heutigen Hauptverhandlung vor Verwaltungsgericht räumte er ein, dem von links herkommenden Motorradfahrer den Vortritt genommen zu haben. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass er mit dem Motorradfahrer Augenkontakt habe aufnehmen wollen, dieser hätte ausweichen und entweder vorne hinten an ihm vorbeifahren können. Der Motorradfahrer habe dies aber nicht gemacht, weil er – wie der Motorradfahrer selbst ausgesagt habe – unaufmerksam gewesen sei und auf seinen Motor und nicht auf die Strasse geradeaus geschaut habe. Er frage sich, wie er denn sonst hätte rausfahren sollen (Protokoll der Verhandlung vom 4. April 2023). Tatsächlich sagte der Geschädigte an der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht am 12. Juli 2022 im Wesentlichen aus, dass er beim Fahren abgelenkt gewesen sei, weil sein Motorrad Geräusche von sich gegeben habe, die ihn beunruhigt hätten (Einvernahmeprotokoll des Geschädigten vom 12. Juli 2022, Rz. 79 ff., Rz. 126). Der Geschädigte sagte aber auch aus, dass er den Beschwerdeführer habe rausfahren sehen, als er (Geschädigter) an der Hausecke gewesen sei. Man sehe lange, wirklich lange nichts. Als er (Beschwerdeführer) in Sicht gekommen sei, sei dieser rausgefahren und der Geschädigte habe sich gedacht, das sei «auch noch knapp». Im ersten Moment habe der Geschädigte gedacht, er (Beschwerdeführer) fahre rüber und auf der anderen Seite hoch. Dann fahre er raus und bleibe einfach bei der Mittellinie stehen. Sie hätten sich praktisch die ganze Zeit angeschaut. Der Beschwerdeführer habe zum Fenster rausgeschaut, der Geschädigte habe den Beschwerdeführer angeschaut und habe angefangen zu bremsen, es habe aber einfach nicht mehr gereicht (Rz. 56 ff.).

 

Vorliegend stellte die Vorinstanz fest und ist aus den Akten ersichtlich, dass es sich um eine unübersichtliche Kurve und Strassenführung handelte. Der Beschwerdeführer bog vom Vorplatz des [...] nach links auf die Hauptstrasse in Richtung [...] ein, bevor die aus der von Richtung [...] herankommenden Motorradfahrer an ihm vorbeigefahren sind und damit die rechte Fahrbahn (Richtung [...] schauend) zur Fahrt frei gewesen wäre. Aufgrund dessen rollte der Beschwerdeführer langsam auf der linken Fahrbahn weiter (Richtung [...] schauend) und hielt, als er den von [...] herankommenden Motorradfahrer sah, an, und blieb mitten auf der Strasse stehen. In der Folge kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, woraufhin der Geschädigte frontal in die linke Seite des Personenwagens und mit dem Kopf durch dessen hintere Scheibe krachte und sich dabei an der linken Hand verletzte. Aufgrund der mangelnden Aufmerksamkeit und Missachtung des Vortrittsrechts gefährdete der Beschwerdeführer sowohl den Geschädigten als auch seine eigenen Insassen. Ob der Beschwerdeführer eine abstrakte Gefahr für die beiden von der Gegenrichtung heranfahrenden Motorradfahrer geschaffen hat, was vom Beschwerdegegner vorgebracht und vom Beschwerdeführer bestritten wird, kann offengelassen werden, da die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere für seine eigenen Insassen und den Geschädigten, die der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten geschaffen hat, ohnehin nicht mehr als gering betrachtet werden kann.

 

Der Beschwerdeführer verkennt, dass er mit der Missachtung des Vortrittsrechts zugunsten des Geschädigten bei diesen Strassenverhältnissen eine wesentliche und grundlegende Verkehrsregel verletzt hat. Bereits dieses Verhalten ist nicht mehr als leicht einzustufen. Die durch den Beschwerdeführer geschaffene erhöhte abstrakte Gefahr verwirklichte sich konkret und es kam zu einer Unfallfolge mit Sach- und Personenschaden. Von einer leichten Widerhandlung kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer gab an der Hauptverhandlung mehrfach zu Protokoll, dass es nicht sein könne, dass ihm für sein Verhalten ein Monat der Führerausweis entzogen werde. Unter diesen Umständen ist verständlich, dass es für den Beschwerdeführer subjektiv schwer zu verstehen ist, da doch der Geschädigte die Schuld auf sich nahm und zugab, nicht aufmerksam gewesen zu sein. Doch, wie später ausgeführt, gibt es keine Verschuldenskompensation. Der nicht zu bagatellisierende Regelverstoss mit Unfallfolge sowie Sach- und Personenschaden ist unter den vorliegenden Umständen mindestens als mittelschwere Widerhandlung einzustufen. Der Beschwerdeführer verkennt, dass nicht die von rechts herkommenden Motorradfahrer die Ursache für den Entzug des Führerausweises darstellen, sondern das ganze Geschehen mit dem von links herkommenden Motorradfahrer. Es ist nicht verkehrt, wenn die Vorinstanz aber zusätzlich die Situation mit den von rechts herkommenden Motorradfahrern beurteilt und annimmt, dass der Beschwerdeführer auch für diese eine erhöhte abstrakte Gefahr geschaffen hat. Auf der Videoaufnahme ist – entgegen den Aussagen des Beschwerdeführers an der Hauptverhandlung vor Verwaltungsgericht – klar ersichtlich, dass er, bevor die rechte Strassenseite frei war, bereits auf die Strasse hinausrollte und abwartete, bis die Strasse frei war. Währenddessen kam der von links herkommende Motorradfahrer um die Kurve und sah den Beschwerdeführer auf der Strasse stehen. Der Beschwerdeführer fuhr dann nicht einmal weiter, sondern hielt sogar noch mitten auf der Strasse an. Er wirft dem Geschädigten anlässlich der Befragung implizit vor, er hätte – wäre er doch nur aufmerksam gewesen – vorne hinten an ihm vorbeifahren und ausweichen können. Es versteht sich von selbst, dass die Gefahr, die der Beschwerdeführer durch sein Verhalten hervorgerufen hat, nicht minder schwer gewogen hätte, hätte der Geschädigte noch ausweichen können. Durch die Missachtung des Vortrittsrechts schaffte er unter den vorliegenden Umständen eine konkrete Gefahr, was keine leichte Widerhandlung ist. Hinzu kommt, dass besondere Vorsicht geboten gewesen wäre, da es sich um eine unübersichtliche Verkehrsführung handelte, der Beschwerdeführer nach links abbog und er folglich das Vortrittsrecht der Verkehrsteilnehmer von beiden Strassenseiten hätte beachten müssen. Es geht nicht an, bereits auf die Strasse zu rollen, ohne sich vergewissert zu haben, dass weder von links noch rechts eine Gefahr ausgeht. Der Beschwerdeführer wäre gehalten gewesen, so lange auf dem Trottoir zu warten, dass er in einem Zug hätte nach links abbiegen können, ohne vorher noch warten zu müssen, bis die von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer vollständig an ihm vorbeifuhren.

 

3.5. Vergleichbar zum vorliegenden Fall ist der Sachverhalt im Urteil des Bundesgerichts 1C_218/2009 vom 26. November 2009. Das Bundesgericht erwog, durch sein vorschriftswidriges und unvorsichtiges Einfädeln in die Hauptstrasse unter Missachtung des signalisierten Vortrittsrechtes bei dichtem Verkehr habe der private Beschwerdegegner die übrigen Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Die konkrete und erhebliche Gefahr habe sich denn auch in einem Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden unmittelbar realisiert. Dass das vortrittsberechtigte Unfallopfer bei seinem Aufprall auf das Fahrzeug des privaten Beschwerdegegners keine schweren Verletzungen davongetragen habe, sei dem glücklichen Zufall zu verdanken. Die Annahme eines leichten Falles durch die Vorinstanz halte demnach vor dem Bundesrecht nicht stand. Es könne offen bleiben, ob es darüber hinaus auch noch an der zusätzlichen Voraussetzung des leichten Verschuldens mangeln würde.

 

3.6. Auch das Urteil des Bundesgericht 1C_267/2010 vom 14. September 2010 kann als Vergleich zum vorliegenden Sachverhalt herangezogen werden. Bei diesem Sachverhalt habe ein Motorfahrzeuglenker beim Rechtsabbiegen das Vortrittsrecht eines Fahrradfahrers missachtet, diesen zu Fall gebracht und verletzt. Das Bundesgericht erwog, die Gefährdung sei nicht mehr als gering einzustufen, sondern es sei von einer mittelschweren Widerhandlung auszugehen. Der Unfall habe sich ereignet, als starkes Verkehrsaufkommen geherrscht habe und der Verkehr zäh geflossen sei. Mit der Widerhandlung gegen die Verkehrsvorschrift habe der Beschwerdeführer nicht nur eine abstrakte Gefahr, sondern eine erhöhte abstrakte Gefahr geschaffen. Die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung von Radfahrern habe nahegelegen. Es sei denn auch tatsächlich zu einem Unfall gekommen. Der Radfahrer habe sich durch die Kollision Verletzungen zugezogen, nämlich zwei Rippenbrüche, Schürfungen an Gesicht und Arm, Prellungen am Körper und eine leichte Lungenverletzung. Bei dieser Sachlage scheide die Annahme einer nur geringen Gefahr für die Sicherheit anderer aus.

 

3.7. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und der Umstände im vorliegenden Fall ging die Vorinstanz damit zurecht von einer mittelschweren Widerhandlung im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG aus. Der Beschwerdeführer vermag auch anlässlich der Verhandlung nichts (Neues) vorzubringen und aus den Akten ist auch nichts ersichtlich, was zur Annahme einer leichten Widerhandlung führen müsste.

 

3.8. Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, der Motorradfahrer habe aufgrund seines Fehlverhaltens den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der durch den Beschwerdeführer begangenen Verkehrsregelverletzung und den verursachten Unfallfolgen unterbrochen, weshalb lediglich von einer leichten Widerhandlung auszugehen sei. Dabei verweist der Beschwerdeführer auf obenerwähntes Urteil des Bundesgerichts 1C_218/2009 vom 26. November 2009. Was der Beschwerdeführer mit Verweis auf dieses Urteil zu seinen Gunsten ableiten möchte, ist unklar. Im Gegenteil schliesst das Bundesgericht im vergleichbaren Fall auf eine mittelschwere Widerhandlung und führt in Erwägung Ziff. 7 aus: «Das Vorbringen, auch andere Verkehrsteilnehmer hätten Verkehrsvorschriften missachtet, vermag den privaten Beschwerdegegner im hier zu beurteilenden Zusammenhang nicht zu entlasten. Dies umso weniger, als ein etwaiges separates Fehlverhalten Dritter den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Verkehrsregelverletzung des privaten Beschwerdegegners und den verursachten Unfallfolgen nicht unterbrochen hätte.». Auch der Erwägung 3.4 des bereits erwähnten Urteils des Bundesgerichts 1C_267/2010 vom 14. September 2010 ist zu entnehmen, dass das tatsächliche Vorliegen einer Verkehrsregelverletzung die Grundlage für die Beurteilung der Gefahr im Sinne von Art. 16a Abs. 1 Art. 16b Abs. 1 SVG ist. Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer das Vortrittrecht des Radfahrers im Sinne der Verkehrsvorschriften missachtet habe, weswegen er mit dem Strafbescheid bestraft worden sei. Die Verkehrsregelverletzung habe, wie dargetan, eine Gefährdung bewirkt. Die genannten SVG-Bestimmungen stellten ausschliesslich darauf ab, ob die Widerhandlung eine Gefährdung hervorrufe und welcher Art und Schwere diese Gefährdung sei. Es könne dem Gesetzestext nicht entnommen werden, dass die Qualifikation der Gefährdung vom Verhalten von Drittpersonen abhängen würde. Die Revision des SVG mit den neuen Bestimmungen von Art. 16a-16c ordne der Gefährdung der Sicherheit allgemein einen wesentlichen und eigenständigen Gehalt zu. Der Gesetzgeber habe bewusst dem Gesichtspunkt der Verkehrsgefährdung ein höheres Gewicht beigemessen. Insbesondere habe er das Recht des Warnungsentzugs verselbständigt und im Hinblick auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit verschärft. Vor diesem Hintergrund könne für die Qualifizierung der durch die Verkehrsregelverletzung hervorgerufenen Gefährdung nicht auf das Verhalten des Radfahrers abgestellt werden. Letzteres sei nicht geeignet, die vom Beschwerdeführer bewirkte Gefährdung als gering im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG erscheinen zu lassen.

 

3.9. Damit muss festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer durch die Verletzung der Verkehrsregeln eine nicht geringe Gefahr, sondern eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen hatte, die sich durch den Unfall verwirklichte. Wie schwer sein Verschulden wiegt, ist für die weitere Beurteilung nicht relevant, da auch bei Vorliegen eines leichten Verschuldens von einer mittelschweren Widerhandlung auszugehen ist. Schliesslich ist auch das Fehlverhalten des Motorradfahrers für die vorliegende Beurteilung irrelevant. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.

 

3.10. Nach einer mittelschweren Widerhandlung muss der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen werden (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, dass er beruflich auf das Motorfahrzeug angewiesen sei. Doch diese Mindestentzugsdauer darf trotz allfällig beruflicher Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, nicht unterschritten werden (Art. 16 Abs. 3 SVG).

 

4. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1’500.00 festzusetzen sind.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1’500.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Vizepräsident                                                             Die Gerichtsschreiberin

Müller                                                                                Hasler

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.