Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.323: Verwaltungsgericht
Der Beschwerdeführer A.___ kollidierte auf der Autobahn A1 mit einem Lieferwagen und einem vorausfahrenden Personenwagen, was zu einem Führerausweisentzug führte. Trotz seiner Argumentation wurde der Entzug bestätigt, da er eine mittelschwere Widerhandlung begangen hatte. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Ausweis für vier Monate entzogen wird, da A.___ bereits vorbelastet war. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 800.00 muss A.___ tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2022.323 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 21.08.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Verkehr; Widerhandlung; Verkehrs; Fahrzeug; Unfall; Führer; Führerausweis; Urteil; Verwaltungsgericht; Beschwerde; Bundesgericht; Verletzung; Gefahr; Führerausweisentzug; Befehl; Beschwerdeführers; Verfahren; Bundesgerichts; Gefährdung; Recht; Verschulden; Strasse; Autobahn; Entzug; Verfügung; Entscheid; Aufmerksamkeit; Fahrzeuge |
Rechtsnorm: | Art. 12 VRV ;Art. 16 SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 102 Ib 193; 121 II 214; 123 II 97; 124 II 103; 136 II 447; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2022.323 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 21.08.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2023.182 |
Titel: | Führerausweisentzug |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 21. August 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichter Müller Gerichtsschreiber Luder In Sachen A.___
Beschwerdeführer
gegen
Bau- und Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,
Beschwerdegegner
betreffend Führerausweisentzug zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Am 23. Juni 2022, um 07.40 Uhr, kollidierte A.___ mit einem Lieferwagen auf der Autobahn A1, bei Hindelbank in Fahrtrichtung Bern, mit einem vorausfahrenden Personenwagen.
2. In der Folge eröffnete die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (MFK), namens des Bau- und Justizdepartements (BJD), ein Administrativverfahren gegen A.___. Mit Schreiben vom 20. Juli 2022 stellte die MFK einen Entzug des Führerausweises für die Dauer von mindestens vier Monaten in Aussicht. Gleichzeitig gewährte sie A.___ das rechtliche Gehör. Innert erstreckter Frist nahm er mit Schreiben vom 17. August 2022 Stellung zur beabsichtigten Verkehrsmassnahme. Es sei ihm klar, dass ein Führerausweisentzug wohl unumgänglich sei und er beantragte, ihm sei aus beruflich organisatorischen Gründen eine dreimonatige Abgabefrist zu gewähren.
3. Mit Verfügung vom 25. August 2022 ordnete die MFK, unter Kostenfolge, den Entzug des Führerausweises für die Dauer von vier Monaten an. Die Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften wurden als mittelschwer im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) eingestuft. Nach einer mittelschweren Widerhandlung müsse der Führerausweis für mindestens vier Monate entzogen werden, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis einmal wegen einer schweren mittelschweren Widerhandlung entzogen war (Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG). Gleichzeitig wurde das Gesuch von A.___ um Gewährung einer Abgabefrist von drei Monaten gutgeheissen.
4. Gegen die eben genannte Verfügung erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 4. September 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Er beantragte, die Verfügung der MFK sei neu zu beurteilen. Die Verfügung der MFK sei bis zum Vorliegen des Strafbefehls bzw. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren.
5. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 6. September 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt und das Ergebnis des Strafverfahrens abgewartet. Gleichzeitig wurde die Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau gebeten, dem Verwaltungsgericht eine Kopie des rechtskräftigen Strafbefehls zuzustellen.
6. Mit rechtskräftigem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau vom 29. September 2022 wurde der Beschwerdeführer wegen einfacher Verkehrsregelverletzung verurteilt und mit einer Busse von CHF 500.00 bestraft.
7. Die MFK schloss mit Stellungnahme vom 19. Mai 2023 auf Abweisung der Beschwerde und machte ergänzende Ausführungen.
8. Der Beschwerdeführer liess sich dazu mit Schreiben vom 12. Juni 2023 vernehmen. Er stellte den Antrag, auf die Stellungnahme der MFK sei nicht einzugehen und diese sei abzuweisen.
9. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht infolge mittelschwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften (16b Abs. 1 lit. a SVG) einen viermonatigen Führerausweisentzug angeordnet hat.
3.1 Die MFK führt in der angefochtenen Verfügung aus, der Beschwerdeführer habe sich wegen eines bevorstehenden Spurwechsels vorwiegend auf den rechten Rückspiegel und nach rechts hinten konzentriert, weshalb er das Bremsmanöver des voranfahrenden Fahrzeugs zu spät wahrgenommen habe. Der Unfall sei auf seine Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Durch das Fehlverhalten habe er eine grundsätzliche Sorgfaltspflicht missachtet. Der Unfall hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit unschwer vermieden werden können. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht leicht und die geschaffene Verkehrsgefährdung (Auffahrkollision) erheblich gewesen. Auffahrkollisionen, insbesondere auf Autobahnen, könnten zu folgeschweren Verletzungen und Folgeunfällen führen. Es liege eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften vor. Die gesetzliche Mindestentzugsdauer betrage vorliegend vier Monate.
3.2 Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, im Zusammenhang mit dem Unfall könne ihm kein Mangel an Aufmerksamkeit angelastet werden. Beim beabsichtigten Wechsel von der linken auf die rechte Spur habe er den Verkehr aufmerksam beobachtet. Er habe auch auf die nachfolgenden bzw. rechtsfahrenden Autos Rücksicht nehmen müssen. Auf beiden Fahrspuren seien die Fahrzeuge nicht im «stop and go» Modus bewegt worden. Trotz des hohen Verkehrsaufkommens habe auf beiden Spuren eine Geschwindigkeit von ca. 40-60 km/h gefahren werden können. Er habe nicht vorhersehen können, dass der voranfahrende Personenwagen ohne erkennbaren Grund (nicht verkehrsbedingt) plötzlich bis zum Stillstand abgebremst werde. Seine volle Aufmerksamkeit habe den beiden Fahrspuren gleichermassen gegolten. Er sei hoch konzentriert und bei klarem Verstand gewesen. Durch die Vorbelastung sei er eine Stufe höher konzentriert, um in keine problematische Fahrsituation zu kommen. Er sei Vielfahrer und fahre jährlich ca. 40'000 km quer durch die Schweiz. Die Wahrscheinlichkeit, in kritische Verkehrssituationen zu gelangen sei dabei erhöht.
Der Unfall sei durch das gleichzeitige Aufeinandertreffen ungünstiger Verkehrssituationen herbeigeführt worden. Die optische Wahrnehmung sei durch die einfallenden tiefen Sonnenstrahlen, kombiniert mit den eingeschwärzten Rücklichtverblendungen des voranfahrenden Personenwagens, beeinträchtigt worden. Dadurch hätten Sekundenbruchteile gefehlt, um die leichte Kollision zu verhindern. Im Ergebnis sei lediglich etwas Plastik an beiden Fahrzeugen verbeult worden. Die Annahme der MFK, seine Fahrweise hätte eine folgenschwere Kollision mit Verletzungen verursachen können, sei hoch spekulativ und könne nicht als erschwerenden Umstand für die Beurteilung herangezogen werden.
Es sei zutreffend, dass er mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 29. September 2022 wegen einfacher Verkehrsregelverletzung verurteilt worden sei. Entgegen den Ausführungen der MFK habe er diesen Strafbefehl angefochten. Anlässlich der Verhandlung vom 19. April 2023 habe er, aufgrund der Ausführungen des Richters und um Kosten zu vermeiden, die Einsprache zurückgezogen. Dies heisse nicht, dass er den Strafbefehl akzeptiert habe und an seiner in der Beschwerde vorgebrachten Sichtweise nicht mehr festhalte.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, ein mehrmonatiger Ausweisentzug würde den Konkurs seines Unternehmens und seinen persönlichen Ruin bedeuten.
4. Die für den Führerausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde darf bei einem Warnungsentzug grundsätzlich nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Eine Abweichung ist nur zulässig, wenn die Behörde ihrem Entscheid Tatsachen zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn der Strafrichter nicht alle sich mit dem Sachverhalt stellenden Rechtsfragen abklärte. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen auch an einen Strafentscheid gebunden, der im Strafbefehlsverfahren ergangen ist, selbst wenn er ausschliesslich auf einem Polizeirapport beruht. Dies gilt namentlich, wenn der Beschuldigte wusste angesichts der Schwere der ihm vorgeworfenen Delikte davon ausgehen musste, dass neben dem Strafverfahren ein Administrativverfahren eröffnet wird. Entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben muss der Betroffene allfällige Verteidigungsrechte und Beweisanträge im Strafverfahren vorbringen und dort gegebenenfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen (BGE 123 II 97, E. 3c/aa; BGE 121 II 214, E. 3a; Urteil des Bundesgerichts 1C_539/2016 vom 20. Februar 2017, E. 2.2). In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, insbesondere auch des Verschuldens, ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa, weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447, E. 3.1). Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen zwar nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen. Die Strafnorm von Art. 90 SVG legt das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt, während die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (BGE 124 II 103, E. 1c/bb; BGE 102 Ib 193, E. 3). Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts (Urteil des Bundesgerichts 6A.64/2006 vom 20. März 2007, E. 2.1). Die strafrechtliche Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als einfach im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG schliesst die Annahme einer mittelschweren schweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus (Urteile des Bundesgerichts 1C_224/2010 vom 6. Oktober 2010, E. 4.2; 1C_156/2010 vom 26. Juni 2010, E. 4; 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011, E. 2.4.2).
5.1 Gemäss rechtskräftigem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau vom 29. September 2022 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Der Beschwerdeführer befuhr als Lenker eines Lieferwagens die Autobahn A 1, wandte dabei seine Aufmerksamkeit vom vorausfahrenden Verkehr ab und kollidierte in der Folge mit einem vorausfahrenden Personenwagen, nachdem dessen Lenker sein Fahrzeug verkehrsbedingt abgebremst hatte.
5.2 Nach Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, der Führerausweis entzogen eine Verwarnung ausgesprochen.
5.3 Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar, der immer dann greift, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung gegeben sind. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor. Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a-c SVG ist bei einer konkreten auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung naheliegt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand der jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. statt vieler Urteil des Bundesgerichts 1C_421/2019 vom 20. Dezember 2019, E. 2.1 mit Hinweisen).
5.4 Nach Art. 31 Abs. 1 SVG muss der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11) muss er seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Er muss auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten können (Art. 12 Abs. 1 VRV).
6. Auffahrunfälle auf Autobahnen können fatale Folgen für Leib und Leben der Unfallbeteiligten haben und grosse Sachschäden bewirken (Urteil des Bundesgerichts 1C_424/2012 vom 15. Januar 2013, E. 4.2).
Bei Auffahrunfällen besteht die ernsthafte Gefahr, dass die durch den Stoss auf das Heck des vorderen Fahrzeugs bewirkte hohe Rückwärtsbeschleunigung auf die Halswirbelsäule der betroffenen Fahrzeuginsassen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen kann. Dies gilt nach der Praxis auch bei Auffahrkollisionen zwischen Personenwagen mit Aufprallgeschwindigkeiten von ca. 10-15 km/h. Bei solchen Unfällen liegt - auch ohne tatsächlichen Personenschaden - in der Regel ein mittelschwerer Fall mit konkreter Gefährdung des Unfallgegners vor (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_575/2012 vom 5. Juli 2013, E. 5.1 mit Hinweisen).
Aus dem Anzeigerapport vom 29. Juni 2022 ergeht, dass sich weder der Beschwerdeführer noch der Unfallgegner verletzt haben. Auch die übrigen Akten lassen nicht auf eine Verletzung der Unfallbeteiligten schliessen. Dem Anzeigerapport ist zu entnehmen, dass an beiden Fahrzeugen Sachschaden entstanden ist. Beim Fahrzeug des Beschwerdeführers an der Stossstange, der Motorhaube und den Kotflügeln (Schadensbetrag ca. CHF 6'000.00). Am Fahrzeug des Unfallgegners an der Heckstossstange und am Kofferraum (Schadensbetrag ca. CHF 5'000.00).
Auch wenn es zu keinen schwereren (Unfall-)Folgen kam, schliesst dies eine massgebende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG nicht aus (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_478/2014 vom 14. Juli 2015, E. 2.3).
Der Unfall ereignete sich am 23. Juni 2022, um 07.40 Uhr, auf der Überholspur der Autobahn A1, bei hohem Verkehrsaufkommen. Bei der A1 handelt es sich besonders zu Zeiten des Berufsverkehrs um eine stark frequentierte Autobahn. Zum Zeitpunkt des Unfallhergangs war die gefahrene Geschwindigkeit aufgrund des stockenden Verkehrs eher gering (maximal 60 km/h). Beim Morgenverkehr können die gefahrenen Geschwindigkeiten häufig variieren.
Der Beschwerdeführer gab anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 23. Juni 2022 zu Protokoll, er habe auf dem nächsten Rastplatz anhalten wollen und dabei in den rechten Rückspiegel geschaut, um sich auf dem Normalstreifen einzuordnen. Daher habe er die Bremslichter des vorderen Fahrzeuges nicht gesehen. Das vordere Fahrzeug habe stark, bis fast in den Stillstand, gebremst. Als er gesehen habe, dass das vordere Fahrzeug verzögerte, habe er sofort eine Vollbremsung gemacht. Dies habe die Kollision nicht verhindern können. Er sei während seiner Fahrt nicht abgelenkt gewesen und habe auch keinen Alkohol, Drogen Medikamente zu sich genommen.
Dem Beschwerdeführer ist anzulasten, dass er durch seine Unaufmerksamkeit eine konkrete Gefahr nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Unfallgegner verursachte. Für diesen bestand eine naheliegende Möglichkeit einer konkreten Verletzung. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach bei der Kollision keine Verletzungsgefahr bestanden haben soll, vermögen nicht zu überzeugen. Zudem bestand die abstrakte Gefahr weiterer Verkehrsteilnehmer in einen Folgeunfall verwickelt zu werden. Ohne die pflichtwidrige Unaufmerksamkeit des Beschwerdeführers hätte der Unfall ohne Weiteres vermieden werden können, selbst wenn eine durch die Sonneneinstrahlung hervorgerufene Blendung eine weitere Mitursache gewesen sein mag. Auch der Verweis des Beschwerdeführers auf die getönten Rück- bzw. Bremsleuchten des Fahrzeuges des Unfallgegners ist unbehelflich. Wären diese nicht Strassenverkehrs konform gewesen, liesse sich ein Vermerk im Anzeigerapport vom 29. Juni 2022 finden. Auch in den übrigen Akten findet sich kein solcher Hinweis.
Somit fehlt es für die Annahme eines leichten Falles bereits an der Geringfügigkeit der Gefährdung. Somit kann offen bleiben, ob das Verschulden als gering schwer einzustufen ist. Der Unfall hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers jedenfalls vermieden werden können.
Nach dem Gesagten ist die MFK zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer eine mittelschwere Widerhandlung im Sinn von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG hat zu Schulden kommen lassen.
7.1 Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens vier Monate entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis einmal wegen einer schweren mittelschweren Widerhandlung entzogen war (Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG). Gemäss Eintragung im Massnahmenregister ist der Beschwerdeführer u.a. bereits mit einer mittelschweren Widerhandlung vorbelastet. Die Widerhandlung vom 15. Juni 2021 hatte einen einmonatigen Entzug des Führerausweises zur Folge (vom 6. Oktober 2021 bis 5. November 2021). Die zweijährige Frist gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG beginnt am letzten Vollzugstag des vorangehenden Ausweisentzuges zu laufen. Damit fällt der Führerausweisentzug in die massgebenden zwei Jahre nach Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG. Dies hat zur Folge, dass ein Führerausweisentzug von mindestens vier Monaten vorzunehmen ist.
7.2 Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter und Geschäftsführer der A.___ GmbH mit Sitz in [...] (Firmennummer CHE-[...]). Nach eigenen Angeben sei er der einzige Mitarbeiter der GmbH. Er unterhalte in erster Linie einen 24-Stunden / 7-Tage [...]notdienst und sei auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Im Bestätigungsschrieben der A.___ GmbH vom 17. August 2022 an die MFK wird die berufliche Notwendigkeit zum Führen von Fahrzeugen detailliert dargelegt.
7.3 Gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG darf die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden. Vorliegend wurde die Entzugsdauer auf das gesetzliche Minimum von vier Monaten festgesetzt. Es kann deshalb auch unter Berücksichtigung der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, nicht von dieser Entzugsdauer abgewichen werden.
Nach dem Gesagten geht die verfügte Entzugsdauer von vier Monaten nicht über die Mindestentzugsdauer hinaus; sie ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen verlangte selbst der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 12. Juni 2023 vor Verwaltungsgericht die Mindestentzugsdauer nicht zu unterschreiten. Aufgrund der Vorbelastung des Beschwerdeführers beträgt diese die vorerwähnten vier Monate.
8. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen.
9. Die MFK hat dem Beschwerdeführer mitzuteilen, innert welcher Frist (nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils) dessen Führerausweis einzusenden ist.
10. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Der Gerichtsschreiber Thomann Luder
Das vorliegende Urteil wurde vom Bundesgericht mit Urteil 1C_517/2023 vom 25. April 2024 bestätigt.
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