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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.320)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.320: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A.___ aus Serbien hat gegen die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz geklagt. Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Ehe zwischen A.___ und ihrem Ehemann gescheitert ist und sie daher keinen Anspruch mehr auf die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat. A.___ behauptete, Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein, konnte dies jedoch nicht ausreichend belegen. Das Gericht wies die Beschwerde ab und verpflichtete A.___ zur Ausreise aus der Schweiz. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'500 wurden A.___ auferlegt, die Kosten für den Anwalt belaufen sich auf CHF 3'562.80.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.320

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.320
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.320 vom 01.06.2023 (SO)
Datum:01.06.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Recht; Ehemann; Aufenthalts; Gewalt; Schweiz; Vorinstanz; Rechtspflege; Person; Entscheid; Aufenthaltsbewilligung; Migrationsamt; Urteil; Ausreise; Verfahren; Apos; Verwaltungsgericht; Trennung; Gehör; Härte; Sachverhalt; Staat; Serbien; Anspruch; Härtefall; Zeitpunkt; ürdig
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 43 AIG ;Art. 50 AIG ;Art. 64d AIG ;
Referenz BGE:117 Ib 317; 133 I 98; 136 I 229; 137 I 195; 138 II 229; 143 III 65;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.320

 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.320
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 01.06.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.120
Titel: Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

Urteil vom 1. Juni 2023               

Es wirken mit:

Vizepräsident Müller    

Oberrichter Frey

Oberrichter Thomann   

Gerichtsschreiberin Gottesman

In Sachen

A.___    vertreten durch Advokat Sacha Sekulic,    

 

Beschwerdeführerin

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,    vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

 

 

betreffend     Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. A.___ (geb. 6. Dezember 1978, von Serbien, nachfolgend Beschwerdeführerin genannt) verheiratete sich am 12. Juli 2015 in Vranje (Serbien) mit dem in der Schweiz niederlassungsberechtigten Landsmann B.___ (geb. 11. Dezember 1965). Das Gesuch um Familiennachzug zu Gunsten von ihr und ihrem Sohn aus früherer Ehe, C.___ (geb. 12. Dezember 1999), wurde am 28. April 2016 bewilligt. Daraufhin reiste die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn am 18. Juli 2016 im Rahmen des Familiennachzuges in die Schweiz ein und war fortan bei ihrem Ehemann in [...] wohnhaft. Am 9. September 2016 wurde der Beschwerdeführerin im Kanton Solothurn erstmals eine Aufenthaltsbewilligung erteilt.

 

2. Aus den Scheidungsunterlagen, welche die Einwohnergemeinde [...] am 7. Juli 2017 dem Migrationsamt zukommen liess, war ersichtlich, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin am 23. Mai 2017 beim Grundgericht in Smederevo (Serbien) eine Scheidungsklage eingereicht hatte. Am 18. Juli 2017 wurden die Ausländerausweise von der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn sodann von der Einwohnergemeinde [...] an das Migrationsamt retourniert.

 

3. Gemäss undatierter Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde [...] (Eingang Migrationsamt: 16. November 2017) trennte sich die Beschwerdeführerin am 1. Juli 2017 von ihrem Ehemann. Einer weiteren undatierten Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde [...] zufolge (Eingang Migrationsamt: 22. November 2017) wurde die Trennung am 3. Oktober 2017 wieder aufgehoben. Dem beiliegenden Urteil des Grundgerichts in Smederevo (Serbien) vom 3. Oktober 2017 war zu entnehmen, dass der Ehemann die Scheidungsklage wieder zurückgezogen hatte.

 

4. Am 16. Mai 2018 ersuchte die Beschwerdeführerin letztmals um Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. Gemäss Angaben auf der Verfallsanzeige hat sie damals in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann gelebt und 15.5 Stunden pro Woche als Reinigungskraft gearbeitet.

 

5. Gemäss undatierter Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde [...] (Eingang Migrationsamt: 19. März 2019) trennten sich die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann am 23. Januar 2019 erneut.

 

6. Nach weiteren Abklärungen und Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte das Departement des Innern (DdI), v.d. das Migrationsamt, am 17. August 2022 Folgendes:

 

1.     Die im Rahmen des Familiennachzugs erteilte Aufenthaltsbewilligung von A.___ wird infolge Trennung nicht verlängert.

2.     A.___ wird weder gestützt auf Art. 50 AIG noch auf eine andere Rechtsgrundlage eine Aufenthaltsbewilligung erteilt.

3.     A.___ wird weggewiesen und hat die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall – bis am 31. Oktober 2022 zu verlassen.

4.     A.___ hat sich ordnungsgemäss bei der Einwohnergemeinde […] abzumelden und sich die Ausreise mittels Abgabe der beiliegenden Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

5.     Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vom 24. Juni 2021 wird abgewiesen.

 

7. Gegen diese Verfügung wandte sich die Beschwerdeführerin, v.d. Advokat Sacha Sekulic, mit Beschwerde vom 2. September 2022 an das Verwaltungsgericht und liess folgende Rechtsbegehren stellen:

 

1.     Es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.

2.     Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, sofern ihr diese nicht bereits von Gesetzes wegen zukommt.

3.     a) Es sei der Beschwerdeführerin für das vorliegende Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und es sei ihr in der Person des Unterzeichneten ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.

b) Es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und es sei der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Migrationsamt […] die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und es sei ihr in der Person des Unterzeichneten ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Dem unentgeltlichen Rechtsbeistand sei eine Entschädigung für das Verfahren von CHF 8'621.70 (inkl. Auslagen von 139.30 und MwSt. von CHF 616.40) zuzusprechen.

4.     Unter Kosten- und Entschädigungsfolge (zuzüglich MwSt.) zu Lasten der Beschwerdegegnerin, welche ebenfalls anzuweisen sei, der Beschwerdeführerin auch für das Verfahren vor der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

8. Mit Eingabe vom 26. September 2022 schloss das Migrationsamt namens des DdI auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge.

 

9. Mit Präsidialverfügung vom 27. September 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt und der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege und Advokat Sacha Sekulic als unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.

 

10. Auf die Ausführungen der Parteien wird, soweit für die Entscheidfindung wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Die Beschwerdeführerin beantragt die Einvernahme dreier Zeugen. Gemäss § 52 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) sind die Verwaltungsgerichtsbehörden nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden. Sie können von Amtes wegen Beweiserhebungen anordnen. Da die für die Beurteilung eines nachehelichen Härtefalls massgebenden Tatsachen mit hinreichender Klarheit aus den Akten hervorgehen, ist nicht anzunehmen, dass eine Zeugenbefragung zu zusätzlichen Erkenntnissen führen wird. Von den entsprechenden Beweisanträgen kann somit in antizipierter Beweiswürdigung ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs abgesehen werden (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen); sie sind abzuweisen.

 

3. Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht eine mehrfache Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR 101]) und eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes. Sie wirft der Vorinstanz vor, beantragte Beweise nicht abgenommen und den Sachverhalt unvollständig abgeklärt zu haben. Zudem habe es die Vorinstanz unterlassen, der Beschwerdeführerin vor Erlass der angefochtenen Verfügung die Stellungnahme des Ehemannes vom 28. März 2022 zuzustellen.

 

3.1 Im Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz. Beruft sich eine ausländische Person auf eine Bestimmung des Ausländergesetzes, um daraus einen Aufenthalts­anspruch abzuleiten, obliegt es der zuständigen Behörde, die ent­sprechenden Voraussetzungen zu prüfen und die hierfür notwendigen Abklärungen zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts vorzunehmen. Indessen wird der Un­tersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert (Art. 90 Ausländer- und Integrationsgesetz [AIG, SR 142.20]; bis zum 1. Januar 2019 AuG). Betroffene ausländische Personen wie auch an ausländerrechtlichen Verfahren betei­ligte Dritte müssen ausdrücklich an der Feststellung des für die Anwendung des Ausländergesetzes massgebenden Sachverhalts mitwirken, wobei sie insbesondere zutreffende und vollständige Angaben über die für die Regelung des Aufenthalts wesentlichen Tatsachen machen müssen (Urteil des Bundesgerichts 2C_613/2019 vom 14. November 2019, E. 2.2. m.H.)

 

3.2 Das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die Vorbringungen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70; 138 I 232 E. 5.1 S. 237). Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn ein Gericht – oder, wie vorliegend, eine Verwaltungsbehörde – darauf verzichtet, beantragte Beweise abzunehmen, weil es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236, das Ganze zitiert aus Urteil des Bundesgerichts 2C_562/2019 vom 12. November 2019, E. 3.2 f.)

 

3.3 Art. 29 Abs. 2 BV umfasst auch das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können (sog. Replikrecht: BGE 133 I 98 E. 2.1 S. 99). Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass die fragliche Eingabe der Partei zugestellt wird. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass den Verfahrensbeteiligten ein Anspruch auf Zustellung von Vernehmlassungen zusteht, unabhängig davon, ob diese Eingaben neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten. Das Gericht muss vor Erlass seines Urteils eingegangene Vernehmlassungen den Beteiligten zustellen, damit diese sich darüber schlüssig werden können, ob sie sich dazu äussern wollen nicht (BGE 137 I 195 E. 2.3.1 m.w.H.). Diese Grundsätze gelten auch für das hier zu beurteilende Verfahren vor dem Migrationsamt.

 

3.4 Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 m.w.H.).

 

3.5 Der angefochtene 18 Seiten umfassende Entscheid genügt den genannten Voraus­setzungen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ohne Weiteres. Die Beschwer­deführerin hatte vor dem Migrationsamt hinreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt einzubringen und diesen mit den entscheidenden Dokumenten zu untermauern. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt umfassend ermittelt und insbesondere sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihren Ehemann und ihren Sohn am 20. Januar 2022 ausführlich befragt (act. 319 – 342). Der Sachverhalt, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat, ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hinreichend erstellt, um die entsprechenden Schlüsse zuzulassen. Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Sachverhaltsabklärungen im vorliegenden Fall noch zu tätigen gewesen wären. Selbst wenn man zum Ergebnis gelangen würde, dass die Beschwerdeführerin nach Eingang der Stellungnahme des Ehemannes vom 28. März 2022 einen Anspruch auf nochmalige Äusserung gehabt hätte und folglich das rechtliche Gehör verletzt worden wäre, hätte vor Verwaltungsgericht eine Heilung desselben stattgefunden. Die Beschwerdeführerin erhielt vor dem Verwaltungsgericht hinlänglich die Möglichkeit, sich dazu zu äussern. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin konnte somit vollum­fänglich nachgeholt werden. Die beanstandeten Gehörsverletzungen erweisen sich nach dem Gesagten als unbegründet.

 

4. Gemäss Art. 43 Abs. 1 Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG, SR 142.20) haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn: sie mit diesen zusammenwohnen (lit.a ); eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist (lit. b); sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind (lit. c); sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können (lit. d); und die nachziehende Person keine jährlichen Ergänzungsleistungen nach dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) bezieht wegen des Familiennachzugs beziehen könnte (lit. e).

 

4.1 Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang aus, die Beschwerdeführerin habe am 12. Juli 2015 in Vranje (Serbien) den in der Schweiz niederlassungsberechtigten Landsmann B.___ geheiratet und sei am 18. Juli 2016 im Rahmen des Familiennachzuges in die Schweiz eingereist. Bereits am 23. Mai 2017 reichte der Ehemann der Beschwerdeführerin in Serbien eine Scheidungsklage ein, die er jedoch am 3. Oktober 2017 wieder zurückzog. Mit Urteil des Richteramts Olten-Gösgen vom 23. Januar 2019 erfolgte schliesslich die gerichtliche Trennung, woraufhin die Beschwerdeführerin am 1. April 2019 mit ihrem Sohn aus der vormals ehelichen Wohnung ausgezogen sei. Die Beschwerdeführerin lebe somit bereits seit mehr als drei Jahren räumlich getrennt von ihrem Ehemann. Aufgrund der langen Trennungsdauer von mehr als drei Jahren sowie des offenbar pendenten Scheidungsverfahrens erscheine die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann bei objektiver Betrachtungsweise als gescheitert.

 

4.2 Dass die Beschwerdeführerin infolge Trennung gestützt auf Art. 43 Abs. 1 AIG keinen Anspruch mehr auf die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung hat, wird von ihr im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht bestritten, weshalb sich weitere Ausführungen dazu erübrigen und auf die vorgenannten, zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden kann. Ebenso ist unbestritten, dass die gelebte Ehegemeinschaft weniger als drei Jahre gedauert hat, sodass ein Bewilligungsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG entfällt.

 

5. Davon unabhängig kann ein Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehe aufgrund wichtiger persönlicher Gründe gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG gegeben sein. Insbesondere eheliche Gewalt kann einen wichtigen persönlichen Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG darstellen (Art. 50 Abs. 2 AIG). Erfasst ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich jede Form ehelicher bzw. häuslicher Gewalt, sei sie physischer psychischer Natur. Häusliche Gewalt bedeutet Misshandlung mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben. Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung rechtfertigt es, von einem nachehelichen Härtefall im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG auszugehen. Die Gewährung eines Aufenthaltsrechts für Opfer ehelicher Gewalt nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG soll verhindern, dass eine von ehelicher Gewalt betroffene Person nur deshalb in einer für sie objektiv unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft verbleibt, weil die Trennung für sie nachteilige ausländerrechtliche Folgen zeitigen würde. Kommt es in einer solchen Situation zur Trennung, transformiert sich der vormals aus der ehelichen Beziehung abgeleitete Aufenthaltsanspruch in einen selbständigen Aufenthaltsanspruch. Ausgehend vom dargelegten Normzweck ist für die Annahme eines nachehelichen Härtefalls bei häuslicher Gewalt vorauszusetzen, dass ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der ehelichen Gewalt und der Trennung besteht. Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, ist nicht davon auszugehen, dass sich das Opfer von häuslicher Gewalt in der für die Annahme des nachehelichen Härtefalls vorausgesetzten Dilemmasituation befand, zwischen dem unzumutbaren Verbleib in der Ehe und der Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz entscheiden zu müssen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_842/2019 vom 20. Dezember 2019, E. 4.4. mit Hinweisen).

 

5.1 Die ausländische Person trifft bei den Feststellungen des entsprechenden Sachverhalts eine weitreichende Mitwirkungspflicht. Sie muss die eheliche Gewalt bzw. häusliche Oppression in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von Fachstellen [Frauenhäuser, Opferhilfe usw.], glaubwürdige Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen Nachbarn etc.). Allgemein gehaltene Behauptungen Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen nicht; wird häusliche Gewalt in Form psychischer Oppression behauptet, muss vielmehr die Systematik der Misshandlung bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden. Dasselbe gilt, soweit damit verbunden geltend gemacht werden soll, bei einer Rückkehr erweise sich die soziale Wiedereingliederung als stark gefährdet. Auch hier genügen allgemeine Hinweise nicht; die befürchtete Beeinträchtigung muss im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände glaubhaft erscheinen. Nur in diesem Fall und beim Bestehen entsprechender Beweisanträge, die nicht in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen werden können, wobei aber allfälligen sachinhärenten besonderen Beweisschwierigkeiten Rechnung zu tragen ist, rechtfertigt es sich, ein ausländerrechtliches Beweisverfahren durchzuführen (BGE 138 II 229, E. 3.2.3 mit Hinweisen).

 

5.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, Opfer ehelicher Gewalt geworden zu sein. In der angefochtenen Verfügung werde ausgeführt, dass anlässlich der Befragung vom 20. Januar 2022 gewisse Anschuldigungen der Beschwerdeführerin betreffend die psychische und physische Gewalt hätten bestätigt werden können, wie z.B., dass der Ehemann ihr ab einem gewissen Zeitpunkt kein Geld mehr gegeben und auch keine Rechnungen bezahlt habe sowie dass es zu einzelnen physischen Übergriffen gekom­men sei. Insofern sei darauf hinzuweisen, dass der Ehemann bereits im September 2016 in Verletzung der ehelichen Beistandspflicht aufgehört habe, die Krankenkassenprämien der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes zu zahlen, obwohl diese damals gerade erst rund drei Monate in der Schweiz gewesen seien. Weder habe sie zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitsstelle bzw. ein eigenes Einkommen, noch habe sie ausreichend Deutsch gesprochen. Sie sei damals Hausfrau gewesen und habe Sprachkurse besucht. Ent­sprechend sei sie nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Rechnungen zu bezahlen. Die Folge sei eine durch den Ehemann vorsätzlich herbeigeführte Verschuldung der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes, von der sie erst viel später, gegen April/Mai 2017 erfahren hätten. Die Beschwerdeführerin habe erst ab Februar 2017 eine Arbeitsstelle als Putzfrau gehabt, mit der sie für das gesamte Jahr CHF 5'777.00 verdient habe. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe der Ehemann nachweislich nichts mehr bezahlt, d.h. weder Essen noch Haushalts- Hygieneartikel. Er habe der Beschwerdeführerin ausserdem alle Haushaltsgegenstände sowie das Internet entzogen, während er zur Arbeit gegangen sei. Gemäss Vorakten sei auch erstellt, dass die Beschwerdeführerin um Sozialhilfe gebeten habe, diese jedoch aus ungeklärten Gründen nie gewährt worden sei. Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn seien aus rein wirtschaftlicher Sicht auf den Verbleib beim Ehemann angewiesen gewesen. Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn hätten übereinstimmend und auch gegenüber Behörden mehrfach ausgesagt, dass der Ehemann sie oft beleidigt und psychisch malträtiert habe. Dass sich die Beschwerde­führerin nicht an detaillierte Aussagen erinnert habe, liege nicht an mangelnder Intensität, sondern an der inzwischen vergangenen Zeit und wohl auch daran, dass die ungewünschten Erinnerungen unangenehm seien und sie diese verdrängt habe. Die Vorinstanz schenke den Aussagen des Ehemannes, z.B. er habe die Beschwer­deführerin weder beschimpft, bedroht, zu Geschlechtsverkehr gezwungen noch zur Bezahlung für die Aufenthaltsbewilligung gezwungen, ohne Weiteres Glauben, während sie jene der Beschwerdeführerin und des Sohnes je nach Aussage mal als glaubwürdig, dann wieder als widersprüchlich unglaubwürdig bezeichne. Weshalb die Aussagen des Ehemannes – der mit der Beschwerdeführerin offensichtlich einen Konflikt über mehrere Ebenen führe (zurzeit ein streitiges Scheidungsverfahren) – durchs Band weg glaubwürdiger seien, erhelle sich aus den Ausführungen der Verfügung nicht. Insbesondere fraglich sei das Abstellen auf seine Aussagen, wenn man in Betracht ziehe, dass er gegenüber den Migrationsbehörden bereits aktenkundig mehrfach falsche Aussagen getätigt habe. Der Sohn der Beschwerdeführerin sei zudem mehrfach wegen Angstzuständen in ärztliche Behandlung gegangen und befinde sich seit dem 6. Juli 2020 in ambulanter psychiatrischer Behandlung. Die eingereichten Visitenkarten der Polizei würden bestätigen, dass die Beschwerdeführerin mehrfach auf dem Polizei­posten gewesen sei. Sie würden auch belegen, dass die anwesenden Polizisten keine Anzeige aufgenommen hätten. Entsprechend erstaune es auch nicht, dass auch bei der Staatsanwaltschaft nichts aktenkundig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei damals aber davon ausgegangen, dass sie eine gültige Anzeige erstattet habe. Die Vorinstanz unterlasse eine Gesamtwürdigung aller angewendeten Druck- und Gewaltmittel. Sie äussere sich hierzu lediglich in pauschaler Weise. Die von der Beschwerdeführerin darge- und belegte, konstant erlittene psychische als auch physische Gewalt sei gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 50 Abs. 2 AIG als hinreichend intensive und konstante häusliche Gewalt zu qualifizieren.

 

5.3 Die Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend eheliche Gewalt sind generell vage und weitgehend unbelegt. Die Beschwerdeführerin behauptet, über mehrere Jahre psychische Gewalt und Erniedrigung von ihrem Ehemann erduldet zu haben. Sie äusserte allgemein, ihr Ehemann habe psychisch Druck auf sie ausgeübt und sie psychisch malträtiert. Beweismässig untermauern konnte sie ihre Behauptungen nicht. Die Beschwerdeführerin verkennt ihre eigene Mitwirkungspflicht. Es wäre an ihr gelegen, die relevanten Fakten und Vorfälle in das Verfahren einzubringen. Zwar sind im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines nachehelichen Härtefalls oft schwierig zu überprüfende Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin konnte indes auch anlässlich ihrer ausführlichen Befragung am 20. Januar 2022 vor dem Migrationsamt auf Nachfrage hin kaum konkrete Situationen beschreiben, in denen ihr Ehemann physische psychische Gewalt ausgeübt hat. Es erscheint abwegig, dass die Erinnerungen an das Erlebte im Zeitpunkt der Befragung durch die Vorinstanz durch Zeitablauf verloren gegangen sind, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Auch die Äusserungen des Sohnes an seiner Befragung enthielten nur allgemein gehaltene Behauptungen und gewisse Hinweise auf Streitigkeiten. Dass die Beschwerdeführerin bei der Polizei mehrmals an der Erstattung einer Strafanzeige gegen ihren Ehemann gehindert worden sein soll, erscheint schliesslich wenig plausibel. Den in diesem Zusammenhang ins Recht gelegten drei Visitenkarten von Mitarbeitenden der Kantonspolizei kommt kaum Beweiswert zu. Es ist davon auszugehen, dass die behauptete systematische Unterdrückung durch den Ehemann die Beschwerdeführerin nicht veranlasst hat, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie hätte sich im Übrigen nicht nur an die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch an eine Beratungsstelle wenden können, was sie ebenfalls unterlassen hat. Dies spricht gegen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der physischen und psychischen Integrität der Beschwerdeführerin. Schliesslich ist festzuhalten, dass die blosse Kundgabe von Trennungs- und Scheidungsabsichten und deren allfällige gerichtliche Durchsetzung legitim ist. Dass der Ehemann in Serbien heimlich die Scheidung eingereicht hat, kann demnach ohnehin nicht als psychische Gewalt eingestuft werden. Die Schilderungen der Beschwerdeführerin legen zwar durchaus familiäre Spannungen nahe, lassen aber nicht auf die von ihr behauptete systematische Misshandlung schliessen. Aufgrund des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts ist nicht davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin in der für die Annahme des nachehelichen Härtefalls vorausgesetzten Dilemmasituation befand, zwischen dem unzumutbaren Verbleib in der Ehe und der Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz entscheiden zu müssen. Dafür spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass trotz der behaupteten ehelichen Gewalt die Initiative zur definitiven Trennung nicht etwa von der Beschwerdeführerin, sondern von ihrem Ehemann ausging. Insgesamt fehlen konkrete Nachweise und hinreichend substantiierte Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der behaupteten häuslichen Gewalt während des ehelichen Zusammenlebens, weshalb diese zu verneinen ist. Eine Gefährdung der sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland liegt ebenfalls nicht vor und wird von der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Auf die umfassenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid kann im Übrigen verwiesen werden. Ob sich die Beschwerdeführerin rechtsmissbräuchlich verhalten hat, braucht bei der vorliegenden Sachlage nicht weiter geprüft zu werden.

 

6.1 Von den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen kann gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG abgewichen werden, wenn schwerwiegenden persönlichen Härtefällen wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen ist. Ein persönlicher Härtefall wird dann angenommen, wenn sich die betroffene Person in einer persönlichen Notlage befindet; ausserdem müssen ihre Lebens- und Daseinsbedingungen gemessen am durchschnittlichen Schicksal von anderen ausländischen Personen in gesteigertem Masse infrage gestellt sein (BGE 117 Ib 317, E. 4.b.).

 

6.2 Die Beschwerdeführerin ist erst im Alter von 37 Jahren in die Schweiz eingereist. Sie lebt inzwischen seit sechs Jahren hier. Aufgrund dieser noch nicht besonders langen Zeitdauer ist sie in der Schweiz noch nicht derart verwurzelt, dass ihr die Reintegration in ihrem Heimatland Serbien nicht mehr zuzumuten wäre, selbst wenn sie, wie sie vorbringt, dort über kein grosses soziales familiäres Umfeld mehr verfügen sollte. Die prägenden Kindheits- und Jugendjahre und auch den grössten Teil ihres Lebens im Erwachsenenalter hat sie im Heimatland verbracht. Dass eine Heimreise in ihr Herkunftsland schon als unüberwindbare Härte erscheint, ist nicht ersichtlich, spricht die Beschwerdeführerin doch die dortige Sprache und ist mit der Kultur und Lebensweise bestens vertraut. Sodann vermag die generell schwierige wirtschaftliche Situation in der Heimat keinen Härtefall zu begründen, zumal dies auch nicht in einem relevanten Zu­sammenhang zur gescheiterten Ehegemeinschaft steht. Die Beziehung der Beschwer­deführerin zu ihrem volljährigen Sohn kann durch gegenseitige Besuche bzw. mittels der heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Die Vorinstanz hat die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu Recht nicht verlängert.

 

6.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr im Falle des Unterliegens die Ausreisefrist auf mindestens 180 Tagen zu erstrecken sei.

 

6.3.1 Mit der Wegweisungsverfügung ist eine angemessene Ausreisefrist zwischen sieben und dreissig Tagen anzusetzen. Eine längere Ausreisefrist ist anzusetzen die Ausreisefrist wird verlängert, wenn besondere Umstände wie die familiäre Situation, gesundheitliche Probleme eine lange Aufenthaltsdauer dies erfordern (Art. 64d Abs. 1 AIG).

 

6.3.2 Die allgemeine Lebenserfahrung legt nahe, dass eine geordnete Beendigung des Aufenthalts in der Regel mehr als einen Monat beansprucht. Es geht namentlich darum, bestehende Arbeits- Mietverhältnisse zufriedenstellend auflösen zu können. Die von Art. 64d Abs. 1 AIG vorgesehene Möglichkeit, ausnahmsweise eine Ausreisefrist von über 30 Tagen anzusetzen, darf nicht dazu dienen, über den gesetzlichen Regelrahmen von sieben bis dreissig Tage hinaus dem weggewiesenen Ausländer faktisch eine Bewilligungsverlängerung zu gewähren. Im Zusammenhang mit der Frage der Angemessenheit der Ausreisefrist ist von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt der Ausländer ernsthaft damit zu rechnen hatte, das Land definitiv verlassen zu müssen. Diese Möglichkeit hat er wohl schon ab dem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Wegweisungsentscheids in Betracht zu ziehen, wobei von ihm allerdings vor Eintritt der Rechtskraft nicht erwartet werden kann, dass er auch schon ab diesem Zeitpunkt nicht rückgängig zu machende organisatorische Massnahmen trifft. Hingegen ist ihm zuzumuten, dass er ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Rechtskraft des Wegweisungsentscheids sofort selber die für die Ausreise notwendigen Vorkehrungen trifft und nicht tatenlos eine Fristansetzung abwartet (Urteil des Bundesgerichts 2C_815/2018 vom 24. April 2019, E. 5.4.).

 

6.3.3 Eine Ausreisefrist von 180 Tagen würde der Beschwerdeführerin faktisch eine Bewilligungsverlängerung gewähren, was nicht angehen kann. Praxisgemäss ist die inzwischen abgelaufene Ausreisefrist auf zwei Monate nach Rechtskraft dieses Urteils festzusetzen. Mit Blick auf die Rechtsmittelfrist von 30 Tagen wird der Beschwerdeführerin dadurch auch ermöglicht, ihr bestehendes Arbeits- und Mietverhältnis ordentlich aufzulösen.

 

7. Zu prüfen bleibt das von der Vorinstanz abgewiesene Gesuch um integrale unentgeltliche Rechtspflege.

 

7.1 Eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel für die Prozessführung verfügt, kann die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangen, wenn der Prozess nicht als aussichtslos mutwillig erscheint. Wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, kann sie die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands verlangen (§ 39ter i.V.m. § 76 Abs. 1 VRG).

 

7.2 Was die von der Beschwerdeführerin kritisierte Kürzung des Grundbetrages von CHF 1'200.00 auf CHF 850.00 betrifft, ist Folgendes zu bemerken: Leben erwachsene Personen (volljährige Kinder mit eigenem Erwerbseinkommen mitumfassend) mit dem Gesuchsteller in einer nicht partnerschaftlichen Haushaltsgemeinschaft, besteht rechtlich keine Unterstützungspflicht. Insofern besteht eine gewisse Parallele zum Konkubinat, denn die gemeinsame Haushaltsführung führt auch bei erwachsenen Personen zu Kosteneinsparungen. Im Gegensatz zum Konkubinat ist die blosse Wohngemeinschaft indes nicht partnerschaftlicher Natur. Die Einsparungen fallen daher geringer aus als bei einer Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft zweier Konkubinatspartner. Der Grundbetrag ist jedoch angemessen zu reduzieren (vgl. Daniel Wuffli/David Fuhrer, Handbuch unentgeltliche Rechtspflege im Zivilprozess, Zürich/St. Gallen 2019, S. 98 N 280). Weil die Beschwerdeführerin mit ihrem volljährigen Sohn zusammenlebt, rechtfertigt sich eine Kürzung des Grundbetrages auf CHF 1'050.00. Zu beachten ist schliesslich, dass die Wohnkosten proportional zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufzuteilen sind, wenn der Gesuchsteller zusammen mit seinem erwerbstätigen volljährigen Kind in Haushaltsgemeinschaft lebt (vgl. Daniel Wuffli/David Fuhrer, a.a.O., S. 108 N 305). Wie die Beschwerdeführerin aufzeigt, resultiert aus den Lohnabrechnungen von Januar bis Juli 2022 ein monatliches Durchschnittseinkommen von CHF 3'322.55. Mit Blick auf den Durchschnittslohn des Sohnes von CHF 964.40 erweist sich demnach eine Kürzung von 20 % der Miete als statthaft. Die Miete von CHF 850.00 ist somit auf CHF 690.00 zu kürzen. Ein praxisüblicher Betrag für Telefon- bzw. Kommunikationskosten von CHF 100.00 ist zu berücksichtigen. Die Kosten von CHF 225.00 für das «A-Welle Monatsabo» sind ebenfalls im Bedarf einzuberechnen. Die Position «Rückzahlung Swisscom» ist unklar und kann nicht weiter berücksichtigt werden. Zusammengefasst ist mit Bezug auf die Beurteilung der prozessualen Mittellosigkeit von einem Bedarf der Beschwerdeführerin von rund CHF 2’895.00 auszugehen. Mit Blick auf das von der Beschwerdeführerin selber erwähnte monatliche Durchschnittseinkommen von CHF 3'322.55 resultiert somit ein Überschuss von CHF 428.00 pro Monat. Ausgehend von Verfahrenskosten von CHF 1'500.00 und ungefähren Rechtsvertretungskosten von CHF 5'000.00 wird die Beschwerdeführerin in der Lage sein, die auf sie entfallenden Verfahrens- sowie Rechtsvertretungskosten innert zwei Jahren aus ihrem Überschuss zu begleichen. Die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin ist damit zu verneinen. Folglich hat die Vorinstanz das Gesuch der Beschwerdeführerin um integrale unentgeltliche Rechtspflege zu Recht abgewiesen.

 

8. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, sie ist abzuweisen. Zufolge Unterliegens der Beschwerdeführerin sind ihr die Kosten des Verfahrens, welche einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1‘500.00 festzusetzen sind, aufzuerlegen. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wurde die integrale unentgeltliche Rechtspflege mit Präsidialverfügung vom 27. September 2022 bewilligt. Darauf ist nicht mehr zurückzukommen. Zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Staat die Kosten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführerin zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. § 58 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11] i.V.m Art. 123 Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).

 

9. Die Entschädigung von Advokat Sacha Sekulic ist gemäss der eingereichten, angemessenen Honorarnote auf CHF 3'562.80 (3'177.00 Honorar, CHF 131.10 Auslagen und CHF 254.70 MWST) festzusetzen und infolge unentgeltlicher Rechtspflege durch den Staat Solothurn zu bezahlen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staats während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO). Die mündlich abgeschlossene Honorarvereinbarung ist nicht weiter zu berücksichtigen, weshalb ein Nachzahlungsanspruch von Advokat Sacha Sekulic entfällt.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.     Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.     A.___ hat die Schweiz spätestens zwei Monate nach Rechtskraft dieses Urteils zu verlassen.

3.     Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1‘500.00 werden A.___ zur Bezahlung auferlegt, sind aber zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Staat Solothurn zu übernehmen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

4.     Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Advokat Sacha Sekulic, wird auf CHF 3'562.80 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

 

Der Vizepräsident                                                             Die Gerichtsschreiberin

 

 

Müller                                                                                Gottesman

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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