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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.243)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.243: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A. hatte ihren schweizerischen Führerausweis in einen spanischen umgetauscht, als sie nach Spanien auswanderte. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wurde ihr der schweizerische Führerausweis wieder ausgetauscht. Die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn zog den Führerausweis vorsorglich ein, da der spanische Ausweis angeblich ungültig war. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde ein, um den Entzug des Führerausweises rückgängig zu machen. Das Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Beschwerdeführerin und hob die Verfügung des Bau- und Justizdepartements auf.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.243

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.243
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.243 vom 18.10.2022 (SO)
Datum:18.10.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Führer; Führerausweis; Führerausweise; Führerausweises; Fahrkompetenz; Recht; Verfügung; Fahreignung; Schweiz; Entzug; Kategorie; Verwaltungsgericht; Kontrollfahrt; Zweifel; Spanien; Widerruf; Anforderungen; Kanton; Umtausch; Verfahren; Beschwerde; Verkehr; Strassen; Justizdepartement; Solothurn; Strassenverkehr
Rechtsnorm: Art. 14 SVG ;Art. 15c SVG ;Art. 15d SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Philippe Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, Art. 15 OBG SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.243

 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.243
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 18.10.2022 
FindInfo-Nummer: O_VW.2022.175
Titel: Führerausweisentzug

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

Urteil vom 18. Oktober 2022        

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Thomann   

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

A.___, vertreten durch Advokat Joël Burgunder,    

 

Beschwerdeführerin

 

gegen

 

 

Bau- und Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,    

Beschwerdegegner

 

 

betreffend     Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

1. A.___ hatte im Jahre 2003 (Juni/Oktober) und im Jahre 2006 (Juni) im Kanton Basel-Landschaft die Führerprüfungen zur Erlangung des Führerausweises für diverse Kategorien abgelegt und bestanden. Am 18. Juni 2009 hat sie den definitiven schweizerischen Führerausweis erhalten. Im März 2015 wanderte sie nach Spanien aus und tauschte vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten ihren schweizerischen in einen spanischen Führerausweis um. Im Dezember 2020 kehrte A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) in die Schweiz zurück und nahm zuerst in […], dann in […] Wohnsitz. Auf Antrag hin wurde ihr am 2. November 2021 der spanische wieder in einen schweizerischen Führerausweis zurückgetauscht. Dieser weist mit Zusatzangabe auf den Umtausch eines ausländischen F.rerausweises hin.

 

1.2 Mit Posteingang vom 20. Mai 2022 wurde die Motofahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (MFK, handelnd für das Bau- und Justizdepartement; nachfolgend Beschwerdegegnerin) mit einer Mitteilung des Spanischen Innenministeriums vom 13. Mai 2022 bedient, wonach der spanische Führerausweis seit 12. Februar 2019 nicht mehr gültig gewesen sein soll, da der Punktesaldo aufgebraucht gewesen sei. Sie habe deswegen keine Fahrberechtigung in Spanien mehr gehabt.

 

2. Gestützt auf diese Mitteilung hat die MFK am 24. Mai 2022 den Führerausweis der Beschwerdeführerin für sämtliche Kategorien vorsorglich ent- und eingezogen. Gleichzeitig wurde ihr das rechtliche Gehör betreffend Widerruf des Umtauschs des schweizerischen Führerausweises (da die Erteilungsvoraussetzungen nicht gegeben seien) gewährt.

 

2.1 Die nun durch Rechtsanwalt Joël Burgunder anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin nahm am 21. Juni 2022 fristgerecht Stellung, worauf das Bau- und Justizdepartement (BJD), handelnd durch die MFK, die angefochtene Verfügung vom
24. Juni 2022 mit folgendem Wortlaut (Dispositiv) erliess:

           

1.    Der mit Verfügung vom 24. Mai 2022 angeordnete vorsorgliche Entzug des Führerausweises wird aufrechterhalten.

2.    Die Erteilung des schweizerischen Führerausweises, ausgestellt am 2. November 2021, wird widerrufen.

 

Ergänzend wird in der Verfügung aufgeführt, dass für die Zulassung zum Strassenverkehr ein positiv lautendes verkehrspsychologisches Gutachten und eine erneute praktische Führerprüfung vorausgesetzt wird.

 

2.2 Mit Verfügung vom 24. Juni 2022 wurde der Beschwerdeführerin ebenfalls in Aussicht gestellt (und das rechtliche Gehör gewährt), dass vorgesehen sei, den ausländischen Führerausweis für alle Kategorien, Unterkategorien und Spezialkategorien für das Gebiet der Schweiz auf unbestimmte Zeit zu aberkennen und den Umtausch des ausländischen in einen schweizerischen Führerausweis zu verweigern.  

 

2.3 Am 7. Juli 2022 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Joël Burgunder, Beschwerde gegen die Verfügung vom 24. Juni 2022 mit folgenden Rechtsbegehren in der Hauptsache:

 

1.    Es seien die Verfügungen vom 24. Mai 2022 und 24. Juni 2022 aufzuheben. Demgemäss sei vom vorsorglichen Entzug sowie dem Widerruf des schweizerischen Führerausweises abzusehen und der Beschwerdeführerin der schweizerische Führerausweis zu retournieren.

2.    Der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vorinstanz anzuweisen, der Beschwerdeführerin den schweizerischen Führerausweis unverzüglich auszuhändigen.

3.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

2.4 Fristgerecht liess die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 22. Juli 2022 die Beschwerde ergänzend begründen. Die Rechtsbegehren wurden bestätigt. Am 4. August 2022 nahm die Beschwerdegegnerin Stellung zur Beschwerde.

 

2.5 Mit Verfügung vom 8. August 2022 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde abgewiesen.

 

2.6 Auf die Ausführungen und Eingaben der Parteien wird, soweit für die Entscheidfindung wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

 

 

II.

 

1. Der vorsorgliche Führerausweisentzug schliesst das Verfahren vor dem BJD nicht ab, weshalb seine Anordnung einen Zwischenentscheid darstellt. Vor- und Zwischenentscheide, die entweder präjudizierlich für eine Partei von erheblichem Nachteil sind, sind Hauptentscheiden gleichgestellt (§ 66 Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, BGS 124.11). Da die Beschwerdeführerin zurzeit nicht fahrberechtigt ist, liegt ein solcher Nachteil vor. Zudem ist die Beschwerdeführerin durch den Widerruf der erteilten schweizerischen Fahrberechtigung beschwert. Die Beschwerde ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.

 

1.1 Beschwerdegegenstand ist in der vorliegenden Angelegenheit der vorsorgliche Entzug des Führerausweises sowie der Widerruf des erteilten schweizerischen Führerausweises. Anderes ist bislang von der Vorinstanz noch nicht verfügt und die Beschwerdeführerin entsprechend nicht beschwert.

 

1.2 Der von der Beschwerdegegnerin angeordnete vorsorgliche Entzug ist die Folge des Widerrufs des erteilten schweizerischen Führerausweises vom 2. November 2021. Insofern ist vorab die Rechtmässigkeit des Widerrufs zu prüfen.

 

2. Nach Art. 44 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV, SR 741.51) wird dem Inhaber eines gültigen nationalen ausländischen Ausweises der schweizerische Führerausweis der entsprechenden Kategorie erteilt, wenn er auf einer Kontrollfahrt nachweist, dass er die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorien, für die der Ausweis gelten soll, sicher zu führen versteht. Grundsätzlich setzt der Umtausch in einen schweizerischen Führerausweis Gültigkeit und Echtheit des vorgelegten ausländischen Ausweises voraus (Urteile des BGer 1C_682/2013 vom 5. September 2013; 1C_85/2012 vom 22. November 2012; 1C_221/2008 vom 8. Dezember 2008). Dies entspricht der wörtlichen Auslegung von Art. 44 Abs. 1 VZV. Die genannte Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf Betroffene, welche ihren Führerausweis originär im Ausland erworben haben.

 

2.1 Sinn und Zweck dieser Norm ist sicherzustellen, dass sich ausländische Führer von Motorwagen sicher und korrekt im hiesigen Verkehr bewegen können. Entsprechend wird das erfolgreiche Ablegen einer Kontrollfahrt für den Umtausch eines ausländischen Ausweises vorausgesetzt, damit sich ein schweizerischer Verkehrsexperte ein Bild über die Fahrkompetenz des Betroffenen machen kann. Von dieser Kontrollfahrt ausgenommen sind gemäss Art. 150 Abs. 5 VZV lit. e ausländische Fahrzeugführer, die in Bezug auf Ausbildung und Prüfung der Schweiz entsprechende Anforderungen aufweisen. Mit der Kontrollfahrt wird gemäss Art. 29 Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01) die Fahrkompetenz eines Fahrzeugführers abgeklärt. Über Fahrkompetenz verfügt, wer die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher führen kann (Art. 14 Abs. 3 SVG). Mithin will damit der Gesetzgeber sicherstellen, dass ausländische Fahrzeugführer ähnliche äquivalente Anforderungen erfüllen müssen, um einen Führerausweis zu erlangen. Bei Erfüllung dieser Anforderungen wird auf eine Kontrollfahrt gemäss Art. 44 Abs. 1 VZV verzichtet bzw. muss sogar auf eine Kontrollfahrt verzichtet werden, wenn das entsprechende Land auf der Staatenliste gemäss Anhang 2 des Kreisschreiben des Astra vom 1. Oktober 2013 verzeichnet ist und ansonsten keine besonderen Anzeichen für eine Fahruntauglichkeit bestehen. Mitunter wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung die Fahrkompetenz nach Art. 14 Abs. 3 SVG auf schweizerischen Strassen sicherstellen, indem entweder eine Kontrollfahrt durchgeführt wird die Anforderungen an die praktische/theoretische Führerausbildung überprüft werden sollten.

 

2.2 Die Beschwerdeführerin hat im Jahre 2003 in der Schweiz die Anforderungen an die praktische und theoretische Führerprüfung der Kategorie B und im Jahre 2006 der Kategorie A erfüllt. Sie hat mit den bestandenen Prüfungen ihre vorliegend relevante Fahrkompetenz nach Art. 14 Abs. 3 SVG unter Beweis gestellt und am 18. Juni 2009 den definitiven schweizerischen Führerausweis erlangt. Nach Art. 15c Abs. 1 SVG sind Führerausweise grundsätzlich unbefristet gültig. Die Beschwerdegegnerin hat damit grundsätzlich Kenntnis über die Fahrkompetenz der Beschwerdeführerin.

 

2.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie keine Kenntnis vom Verfall ihres spanischen Führerausweises hatte. In den Verfahrensakten befindet sich hierzu einzig die Meldung des spanischen Innenministeriums vom 13. Mai 2022, wonach der spanische Führerausweis seit 12. Februar 2019 verfallen sei. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Rückkehr in die Schweiz (1. Dezember 2020) während beinahe zwei Jahren ohne Führerausweis geblieben bzw. ohne Fahrberechtigung in Spanien unterwegs gewesen sein soll. Eine Zustellbescheinigung ein Beleg einer (möglichen) öffentlichen Bekanntmachung befindet sich nicht in den Verfahrensakten. Es bestehen somit erhebliche Zweifel, ob ein allfälliger Verfall des spanischen Führerausweises rechtsverbindlich eröffnet worden ist. Entsprechend kann nicht ohne Weiteres von einem Verfall des spanischen Führerausweises ausgegangen werden. Damit ist nicht gesichert, ob der spanische Führerausweis zum Zeitpunkt des Umtauschs ungültig gewesen ist. Die Vorinstanz hat die entsprechenden Abklärungen zu tätigen. Ein Widerruf der ursprünglichen Verfügung ist bei dieser unklaren Sachlage nicht möglich, da nicht erstellt ist, ob sich die Tatsachen geändert haben (§ 28 Abs. 1 VRG).

 

2.4 Ebenfalls offen bleibt, weshalb der spanische Führerausweis ungültig gewesen sein soll, mithin weshalb die Beschwerdeführerin keine Fahrkompetenz mehr aufweisen sollte. So bringt die Beschwerdeführerin zu Recht vor, dass mit dem von Spanien verwendeten Modell eine Ungültigkeit des Führerausweises für Verfehlungen möglich ist, welche in der Schweiz mit einer Ordnungsbusse geahndet werden und somit keinen Einfluss auf Administrativmassnahmen nach SVG haben können.

 

2.5 Es ist vorderhand davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die grundsätzlichen Anforderungen an die Fahrkompetenz mit bestandenen schweizerischen Prüfungen erfüllt. Ein Eingriff in diesen Rechtsanspruch rechtfertigt sich nur in Kenntnis konkreter Vorwürfe. Die Vorinstanz hat mit Hilfe der spanischen Behörden abzuklären, aufgrund welcher Verstösse der spanische Führerschein verfallen sein soll und ob dieser rechtsverbindlich eröffnet worden ist. Alsdann können mögliche Massnahmen geprüft werden.

 

3. Gemäss Art. 14 Abs. 1 SVG müssen Motorfahrzeugführer über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen. Über Fahreignung verfügt unter anderem, wer die erforderliche körperliche und psychische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen hat (Art. 14 Abs. 2 lit. b SVG) aufweist. Bestehen Zweifel an der Fahrkompetenz einer Person, so wird diese gemäss Art. 15d Abs. 1 SVG einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, namentlich in den in lit. a-e dieser Bestimmung in nicht abschliessender Aufzählung genannten Fällen. Nach Art. 15d Abs. 5 SVG kann bei bestehenden Zweifeln an der Fahrkompetenz einer Person, eine Kontrollfahrt, eine Theorieprüfung, eine praktische Führerprüfung eine andere geeignete Massnahme wie eine Aus- Weiterbildung eine Nachschulung angeordnet werden. Wecken konkrete Anhaltspunkte ernsthafte Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen, ist eine verkehrsmedizinische Abklärung anzuordnen (Art. 15d Abs. 1 SVG, Art. 28a Abs. 1 VZV). Nach Art. 30 VZV kann ein vorsorglicher Entzug angeordnet werden, wenn ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen.

 

3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Anforderungen an die Anordnung einer Fahreignungsuntersuchung nicht dieselben wie für den vorsorglichen Führerausweisentzug, obschon diese beiden Massnahmen häufig zusammen ergehen: Für Erstere genügen hinreichende Anhaltspunkte, welche die Fahreignung in Frage stellen, Letztere setzt dagegen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person voraus, etwa bei konkreten Hinweisen auf eine Alkoholabhängigkeit. Das Ausmass der notwendigen behördlichen Nachforschungen zur Ermittlung der Fahreignung, namentlich die Frage, ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde. So sehen auch die Empfehlungen des Leitfadens Fahreignung des Astra (abrufbar unter www.astra2.admin.ch/media/pdfpub/2020-11-27_235_d.pdf) eine Vielzahl von Konstellationen vor, welche eine Abklärung erfordern aber ein vorsorglicher Entzug nicht nötig erscheint. Das Belassen des Führerausweises während einer Eignungsabklärung dürfte in den Fällen des Art. 15d Abs. 1 lit. d (allenfalls auch lit. e) und Abs. 5 SVG, Art. 29b VZV sowie bei Sachverhalten ohne Zusammenhang mit der Teilnahme am Strassenverkehr in Betracht kommen. Möglich sollte dies vor allem bei hinreichenden, aber nicht besonders schwerwiegenden Zweifeln daran sein, ob der Betroffene über genügende Kenntnisse der Verkehrsregeln, Fahrpraxis Fahrkompetenzen verfügt (Philippe Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, N13 zu Art. 15d SVG).

 

3.2 Den Verfahrensakten ist zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin seit Erhalt des Führerscheins auf Probe (Kategorie B) während knapp zwölf Jahren im Strassenverkehr bewegt hat, ohne dass eine Administrativmassnahme hätte ausgesprochen werden müssen. Für die Zeit in Spanien vom April 2015 bis November 2020 sind keine konkreten Verfehlungen bekannt. Schliesslich sind auch seit dem Zuzug in die Schweiz im Dezember 2020 bis zur Abnahme des Führerausweises im Mai 2022 keine Massnahmen im Administrativregister verzeichnet (Übersicht Astra vom 15. Juli 2022). Mithin hat sich die Beschwerdeführerin, mindestens in der Schweiz, während insgesamt cirka 13.5 Jahren als Fahrzeugführerin bewährt, ohne dass jemals eine Administrativmassnahme hätte ausgesprochen werden müssen. Für die Zeit in Spanien fehlen konkrete Angaben über mögliche Verstösse. Es bestehen somit keine nachgewiesenen ernsthaften Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin. Im Übrigen erscheint der vorsorgliche Entzug auch anhand der konkreten Umstände unverhältnismässig. Die Beschwerdeführerin hat insgesamt fünf Kinder, welche zum Teil noch sehr jung sind, und wohnt in ländlichem Gebiet. Es erscheint nachvollziehbar, dass der angeordnete vorsorgliche Entzug für sie ein empfindlicher Eingriff in ihre Rechtsstellung bedeutet. Unter Berücksichtigung dessen, dass nicht abgeklärt ist, welche Verstösse die Beschwerdeführerin in Spanien begangen haben soll, erscheint es angezeigt, vorläufig auf den Entzug des Führerausweise zu verzichten, bis die erwähnten Abklärungen getroffen wurden. Zwar wurde mit Verfügung vom 8. August 2022 die Gewährung der aufschiebenden Wirkung – und damit die Wiederaushändigung der Führerausweises – verweigert, dies aber aufgrund einer summarischen Prüfung im damaligen Zeitpunkt. Mit Blick auf den tadellosen verkehrsrechtlichen Leumund der Beschwerdeführerin in der Schweiz, rechtfertigt sich momentan eine (zumindest vorläufige) Rückgabe des Führerausweises.

 

4. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet; sie ist gutzuheissen: Die Verfügung vom 24. Juni 2022 des Bau- und Justizdepartements ist aufzuheben. Bei diesem Ausgang hat der Kanton Solothurn die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'000.00 zu tragen. Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin am 13. September 2022 geltend gemachten Aufwendungen erscheinen der Sache angemessen. Die geltend gemachte Entschädigung von CHF 4'227.35 (inkl. Auslagen und MwSt) ist durch den Kanton Solothurn zu bezahlen.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen: Die Verfügung vom 24. Juni 2022 des Bau- und Justizdepartements wird aufgehoben.

2.    Der Beschwerdeführerin ist der schweizerische Führerausweis bis zum Abschluss weiterer Abklärungen und Erlass möglicher Massnahmen auszuhändigen.

3.    Der Kanton Solothurn hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu tragen.

4.    Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung von CHF 4'227.35 (inkl. Auslagen und MwSt) auszurichten.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

 

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

 

 

Scherrer Reber                                                                 Schaad

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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