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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.183)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.183: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer kollidierte als Fahrer seines Autos mit einer Fussgängerin auf einem Zebrastreifen und wurde wegen Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt. Das Bau- und Justizdepartement entzog ihm daraufhin den Führerschein für drei Monate. Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein und argumentierte, dass es sich um eine weniger schwere Verletzung handele. Das Verwaltungsgericht entschied, dass es sich um eine mittelschwere Verletzung handelt und entzog ihm den Führerschein für einen Monat. Die Gerichtskosten trägt der Kanton Solothurn.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.183

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.183
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.183 vom 22.12.2022 (SO)
Datum:22.12.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Fussgänger; Verkehr; Widerhandlung; Gericht; Führer; Fussgängerstreifen; Führerausweis; Verkehrsregel; Fussgängerin; Verschulden; Beschwerde; Strasse; Fahrzeug; Urteil; Verkehrsregeln; Aufmerksamkeit; Vortritt; Verwaltungsgericht; Verletzung; Führerausweisentzug; Fahrbahn; Kollision; Verhalten; ücksichtslos
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 33 SVG ;Art. 6 VRV ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.183

 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.183
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 22.12.2022 
FindInfo-Nummer: O_VW.2022.224
Titel: Führerausweisentzug

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 22. Dezember 2022      

Es wirken mit:

Vizepräsident Müller

Oberrichter Thomann

Oberrichter Frey   

Gerichtsschreiberin Ramseier    

 

In Sachen

A.___   

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Bau- und Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle, 

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) kollidierte am 30. November 2021 um 16.50 Uhr in Rickenbach als Lenker seines Personenwagens mit einer Fussgängerin, welche im Begriff gewesen war, die Fahrbahn auf dem Fussgängerstreifen von links nach rechts zu überqueren.

 

2. Mit Strafbefehl vom 3. Januar 2022 wurde der Beschwerdeführer wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch Mangel an Aufmerksamkeit sowie Missachtens des Vortrittsrechts bei Fussgängerstreifen zu einer Busse von CHF 600.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu sechs Tagen Freiheitsstrafe, und den Verfahrenskosten von CHF 575.00 verurteilt. Es wurde ihm vorgehalten, beim Befahren des signalisierten Fussgängerstreifens die Fussgängerin B.___, welche den Fussgängerstreifen von Südosten nach Nordwesten überquert habe, zufolge mangelnder Aufmerksamkeit zu spät wahrgenommen und trotz sofort eingeleiteter Vollbremsung mit dieser kollidiert zu haben. Dadurch habe er das Vortrittsrecht von B.___ missachtet. Durch die Kollision sei B.___ zu Fall gekommen und verletzt worden.

 

3. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs entzog das Bau- und Justizdepartement, vertreten durch die Motorfahrzeugkontrolle (MFK), dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 28. April 2022 den Führerausweis für die Dauer von drei Monaten infolge schwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. a des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) aufgrund Mangel an Aufmerksamkeit und Verletzen der Vorsichtspflichten und Missachten des Vortrittsrechts bei einem Fussgängerstreifen mit Unfallfolge.

 

4. Dagegen erhob A.___ am 5. Mai 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag auf deren Aufhebung. Der Vorfall sei als mittelschwere Widerhandlung i.S.v. Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG einzustufen und es sei gestützt auf Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG ein einmonatiger Führerausweisentzug zu verfügen.

 

5. Mit Vernehmlassung vom 30. Mai 2022 beantragte die Motorfahrzeugkontrolle namens des Bau- und Justizdepartements die Abweisung der Beschwerde.

 

6. Der Beschwerdeführer äusserte sich mit Eingabe vom 9. Juni 2022 zu diesen Ausführungen.

 

7. Mit Verfügung vom 10. Juni 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

 

8. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Die MFK begründet die angefochtene Verfügung im Wesentlichen damit, gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesse eine strafrechtliche Verurteilung nach Art. 90 Abs. 1 SVG die Annahme einer mittelschweren schweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus. Vorliegend seien keine Gründe gegeben, die eine Bindung an die rechtliche Würdigung gemäss Strafbefehl bewirken würden. Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung müsse der Fahrzeugführer jedem Fussgänger den Vortritt gewähren, der sich bereits auf dem Streifen befinde davor warte und ersichtlich die Fahrbahn überqueren wolle. Er müsse die Geschwindigkeit rechtzeitig mässigen und nötigenfalls anhalten, damit er dieser Pflicht nachkommen könne. Diese Verkehrsregeln habe der Beschwerdeführer verletzt. Dadurch sei eine korrekt auf dem Fussgängerstreifen gehende Fussgängerin in erheblichem Mass konkret gefährdet worden. Die Missachtung des Vortrittsrechts von Fussgängern auf der Fahrbahn durch unvorsichtige Fahrzeuglenker stelle in aller Regel sowohl objektiv als auch subjektiv eine schwere Verletzung von Verkehrsregeln dar.

 

Gemäss Polizeirapport sei es zur fraglichen Zeit dunkel gewesen und es habe geschneit. Solche Sichtverhältnisse verlangten von einem Fahrzeuglenker eine besonders vorsichtige Fahrweise. Der Unfall hätte bei entsprechender Vorsicht vermieden werden können. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei als mindestens unbewusst grobfahrlässig zu bezeichnen. Als er sich dem Fussgängerstreifen genähert habe, hätte er sich vergewissern müssen, ob der Fussgängerstreifen tatsächlich frei sei. Bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte er den Unfall vermeiden können. Durch sein Verhalten habe er eine grundsätzliche Sorgfaltspflicht verletzt. Sein Verschulden und die von ihm geschaffene Verkehrsgefährdung müssten als schwer qualifiziert werden. Es könne daher nicht nur von einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften ausgegangen werden.

 

3. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, im November des vergangenen Jahres habe es bereits eingedunkelt gehabt und es habe geschneit. Die Strasse sei nass gewesen und habe stark reflektiert. Die Sicht sei demnach eingeschränkt gewesen, weshalb er bei erlaubter Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit maximal 40 km/h gefahren sei. Auch der direkt hinter ihm fahrende Lenker habe gegenüber der Polizei explizit bestätigt, dass er (der Beschwerdeführer) langsam unterwegs gewesen sei. Es habe an diesem Spätnachmittag ein starkes Verkehrsaufkommen geherrscht und die Autos auf der Gegenfahrbahn seien ebenso in stockendem Verkehr unterwegs gewesen, sodass er die Fussgängerin beim Überqueren des ersten Fahrstreifens auch gar nicht habe sehen können. Als er die Fussgängerin auf dem Fahrstreifen vor ihm wahrgenommen habe, habe er eine Vollbremsung eingeleitet. Leider habe er sie mit der Fahrzeugfront dennoch berührt, sodass sie gestürzt sei. Glücklicherweise habe sie sich durch den Sturz (und nicht die Kollision) nur leicht verletzt und habe den Unfallort sogleich verlassen. Am Ort des Vorfalls hätten keine Bremsspuren festgestellt werden können und auch sein Auto sei absolut unbeschädigt geblieben, was auf seine geringe Geschwindigkeit und eine leichte Kollision schliessen lasse.

 

Ihm sei bewusst, dass er im Strassenverkehr stets aufmerksam sein und auf Fussgänger Rücksicht nehmen müsse. Ebenso wisse er, dass er an diesem Tag die Fussgängerin zu spät gesehen habe, nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können und dadurch eine Verkehrsregel verletzt habe. Jedoch verstehe er nicht, inwiefern sein Verhalten rücksichtslos gewesen sein solle. Er habe zu keiner Zeit ein unnötiges Risiko eingehen und dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährden wollen. Auch seien ihm seine eigenen Interessen nicht wichtiger gewesen als die der anderen Verkehrsteilnehmer. Ein schweres Verschulden könne ihm gestützt auf diese Ausführungen sowie die Aktenlage nicht angelastet werden.

 

Der Vollständigkeit halber möchte er anfügen, dass er nachweislich nicht unter Alkoholeinfluss gestanden und uneingeschränkt fahrfähig gewesen sei. Ebenso habe er genügend geschlafen und sei weder durch sein Handy noch durch ein anderes Gerät abgelenkt gewesen. Er bedauere den Vorfall sehr und sei bereit, die Konsequenzen seines Fehlverhaltens zu tragen. Er sei seit Jahrzehnten auf den Strassen unterwegs und habe noch nie eine Verwarnung einen Führerausweisentzug gehabt. Aufgrund dieses einmaligen Fahrfehlers den Führerausweis für drei Monate zu entziehen, sei unverhältnismässig. Ein Führerausweisentzug von einem Monat reiche aus, um einen erzieherischen Effekt erreichen zu können.

 

4.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verwaltungsbehörde grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts gebunden. Sie darf davon nur abweichen, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafgericht unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn das Strafgericht bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt, namentlich die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat. Nicht gebunden ist die Verwaltungsbehörde an die rechtliche Beurteilung, namentlich des Verschuldens, des Strafgerichts. Der Warnungsentzug ist eine der Strafe ähnliche, aber von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme mit präventivem Charakter, die primär die Erziehung des fehlbaren Fahrzeuglenkers im Interesse der Verkehrssicherheit und nicht dessen Bestrafung bezweckt, auch wenn sie mitunter vom Betroffenen als Strafe empfunden wird. Die straf- und die verwaltungsrechtliche Beurteilung der Schwere eines strassenverkehrsrechtlich massgeblichen Fehlverhaltens müssen sich daher nicht zwingend decken. Gemäss dem Grundsatz von Treu und Glauben ist der Betroffene angehalten, allfällige Rügen und Beweisanträge bereits im Strafverfahren vorzubringen. Er darf nicht das Verwaltungsverfahren abwarten (Urteile 1C_491/2021 vom 17. Februar 2022 E. 3.4, 1C_464/2020 vom 16. März 2021 E. 2.2, je mit Hinweisen).

 

4.2 Gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Lernfahr- Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a).

 

Eine schwere Widerhandlung begeht, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG). Nach einer schweren Widerhandlung wird der Lernfahr- Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen (Abs. 2 lit. a). Die schwere Widerhandlung entspricht der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG (Urteil 1C_626/2021 vom 3. November 2022 E. 3.1).

 

Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar, der immer dann greift, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung gegeben sind. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor (Urteil 1C_421/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 2.1 mit Hinweisen).

 

Die Annahme einer schweren Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden voraus. In objektiver Hinsicht wird verlangt, dass die Verkehrssicherheit ernsthaft gefährdet wird. Dabei genügt nach der Rechtsprechung eine erhöhte abstrakte Gefährdung, die vorliegt, wenn in Anbetracht der jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls der Eintritt einer konkreten Gefährdung gar einer Verletzung naheliegt. Subjektiv erfordert der Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung ein rücksichtsloses sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung grobe Fahrlässigkeit (Urteil 1C_464/2020 vom 16. März 2021 E. 3.2 mit Hinweisen).

 

5.1 Der Beschwerdeführer bestreitet den Sachverhalt gemäss rechtskräftigem Strafbefehl vom 3. Januar 2022 beziehungsweise die Übernahme desselben durch die Vorinstanz nicht. Es ist demnach davon auszugehen, dass er beim Befahren des signalisierten Fussgängerstreifens die Fussgängerin B.___, welche den Fussgängerstreifen von Südosten nach Nordwesten überquert hat, zufolge mangelnder Aufmerksamkeit zu spät wahrgenommen hat und trotz sofort eingeleiteter Vollbremsung mit dieser kollidiert ist. Dadurch hat er das Vortrittsrecht von B.___ missachtet. Durch die Kollision ist B.___ zu Fall gekommen und verletzt worden.

 

5.2 Der Führer muss gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Verkehrsregelnverordnung, VRV, SR 741.11). Den Fussgängern ist das Überqueren der Fahrbahn in angemessener Weise zu ermöglichen. Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden im Begriffe sind ihn zu betreten (Art. 33 Abs. 1 und 2 SVG). Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung muss der Fahrzeugführer jedem Fussgänger Benützer eines fahrzeugähnlichen Gerätes, der sich bereits auf dem Streifen befindet davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn überqueren will, den Vortritt gewähren. Er muss die Geschwindigkeit rechtzeitig mässigen und nötigenfalls anhalten, damit er dieser Pflicht nachkommen kann (Art. 6 Abs. 1 VRV).

 

5.3 Vorliegend hat der Beschwerdeführer durch seinen Fahrfehler mit Unfallfolgen B.___ konkret gefährdet. Gemäss Strafanzeige vom 2. Dezember 2021 erlitt sie aufgrund der Kollision resp. des deswegen erfolgten Sturzes Schürfungen und Prellungen an ihren Händen, am Kinn und am Knie. Es ist glücklichen Umständen zu verdanken, dass sie sich dabei nicht schwerer verletzt hat. In objektiver Hinsicht ist daher von einer schweren Widerhandlung i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG auszugehen (vgl. Urteil 1C_122/2022 von 11. Juli 2022 E. 3.3.2).

 

In subjektiver Hinsicht ist für eine schwere Widerhandlung wie erwähnt ein rücksichtsloses sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten gefordert, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung grobe Fahrlässigkeit. Im letztgenannten Entscheid hat das Bundesgericht in Erwägung 3.3.3 auch den subjektiven Tatbestand bejaht und festgehalten, die Vorinstanz führe nachvollziehbar aus, dass die Fussgängerin hier zunächst die Gegenfahrbahn habe überqueren müssen, um auf die Fahrbahn des Beschwerdeführers zu gelangen. Dieser müsse jene somit während mehreren Sekunden nicht wahrgenommen haben, obschon er dem Verkehrsgeschehen insbesondere auf dem Fussgängerstreifen eine erhöhte Aufmerksamkeit hätte entgegen bringen müssen. Nach der Vorinstanz hätte der Beschwerdeführer die Fussgängerin bei gebotener Aufmerksamkeit ohne Weiteres rechtzeitig sehen und noch vor dem Fussgängerstreifen anhalten können. Mit seinem Verhalten habe er ohne ersichtlichen Grund gegen eine grundlegende Verkehrsregel verstossen und in schwerer Weise bedenkenlos Leib und Leben der Fussgängerin gefährdet, was als rücksichtslos und damit grobfahrlässig zu bezeichnen sei.

 

Obwohl der vorliegende Fall vergleichbar ist und sich hier gar eine Kollision mit der Fussgängerin ereignet hat, ist nicht von einem rücksichtslosen Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen. So ist zunächst festzuhalten, dass hier – im Gegensatz zum erwähnten Bundesgerichtsurteil – keine Verurteilung nach Art. 90 Abs. 2 SVG, d.h. wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln, erfolgt ist. Zudem geht weder aus den Akten noch aus dem Strafbefehl hervor, dass der Beschwerdeführer mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen wäre, im Gegenteil, bestätigte der nachfolgend fahrende Fahrzeuglenker C.___ doch, dass der Beschwerdeführer langsam gefahren sei. Der Beschwerdeführer selber hatte gegenüber der Polizei ausgesagt, es habe Kolonnenverkehr geherrscht und er sei mit etwa 40 km/h gefahren. Er hat gemäss eigenen Angaben während seiner Fahrt auch keine Verrichtung vorgenommen und er ist nicht unter Medikamenten-, Drogen- Alkoholeinfluss gestanden. Die Atemalkoholkontrolle verlief negativ. Auch wenn die Sichtverhältnisse am frühen Abend eingeschränkt waren und die Strasse nass war, kann aufgrund der konkreten Umstände nicht auf eine zwingend vorliegende momentane Rücksichtslosigkeit Grobfahrlässigkeit geschlossen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer kurzzeitig unaufmerksam war und die Fussgängerin, welche aufgrund des auf der Gegenfahrbahn offenbar herrschenden Kolonnenverkehrs schlecht zu erkennen war, deshalb zu spät wahrnahm. Das Verschulden präsentiert sich zweifelsohne nicht mehr als leicht, jedoch auch noch nicht als schwer. Es liegt demnach eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG vor.

 

5.4 Nach einer mittelschweren Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG ist der Lernfahr- Führerausweis für mindestens einen Monat zu entziehen. Bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweisentzugs sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 SVG). Der fahrerische Leumund des Beschwerdeführers ist bis anhin ungetrübt. Folglich ist die Entzugsdauer auf einen Monat festzusetzen.

 

6. Die Beschwerde erweist sich als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Die Ziffern 1 und 2 der Verfügung des BJD vom 28. April 2022 sind abzuändern und dem Beschwerdeführer ist der Führerausweis in Anwendung von Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG für die Dauer von einem Monat (ab Einsendung des Führerausweises an die MFK) zu entziehen.

 

7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten von der Staatskasse zu tragen. Der geleistete Kostenvorschuss von CHF 800.00 ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten.

 

Eine Parteientschädigung wurde nicht geltend gemacht und ist auch nicht geschuldet.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    In Gutheissung der Beschwerde werden die Ziffern 1 und 2 der Verfügung des BJD vom 28. April 2022 insofern abgeändert, als der Führerausweis in Anwendung von Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG für die Dauer von einem Monat entzogen wird.

2.    Der Führerausweis ist spätestens innert 30 Tagen nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils an die MFK einzusenden.

3.    Der Kanton Solothurn hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu tragen.

 

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Vizepräsident                                                             Die Gerichtsschreiberin

Müller                                                                                Ramseier



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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