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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.169)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.169
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.169 vom 15.02.2023 (SO)
Datum:15.02.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Das Verwaltungsgericht entschied am 15. Februar 2023 über den Fall betreffend den Führerausweisentzug von A.___. Dieser hatte in Frankreich eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, wodurch ihm der Führerschein entzogen wurde. Trotz Einspruchs wurde der Führerausweis für fünf Monate entzogen. Das Gericht berücksichtigte die schwere Widerhandlung und die berufliche Notwendigkeit des Führerscheins. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen, und A.___ muss die Verfahrenskosten von CHF 800.00 tragen.
Schlagwörter: Führerausweis; Entzug; Geschwindigkeit; Fahrverbot; Entzugsdauer; Geschwindigkeitsüberschreitung; Motorfahrzeug; Verkehr; Behörde; Person; Entscheid; Beschwerde; Verwaltungsgericht; Recht; Frankreich; Stellung; Massnahme; Führerausweisentzug; Strassen; Verfügung; Beschwerdeführers; Stellungnahme; Schweiz; Ausland; ändische
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ; Art. 16c SVG ; Art. 7 StGB ;
Referenz BGE:141 II 256;
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.169
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 15.02.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.38
Titel: Führerausweisentzug

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 15. Februar 2023     

Es wirken mit:

Vizepräsident Müller

Oberrichter Thomann

Oberrichter Frey   

Gerichtsschreiberin Ramseier    

 

In Sachen

A.___    vertreten durch Raphael Fankhauser,     

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

Bau- und Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle, 

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1.1 Am 11. Januar 2022 setzte das Bundesamt für Strassen die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (MFK) darüber in Kenntnis, dass A.___ am 20. Dezember 2021 von der zuständigen Präfektur in Frankreich (Préfecture du Bas-Rhin) der Führerausweis für das französische Gebiet wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h (zulässige Höchstgeschwindigkeit 90 km/h, gemessene Geschwindigkeit 142 km/h), begangen am 18. Dezember 2021, 16:15 Uhr, in Roppenheim, entzogen worden war.

 

Die MFK teilte A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 13. Januar 2022 mit, sie habe ein Administrativverfahren zum Entzug des Führerausweises eröffnet, gewährte ihm das rechtliche Gehör und stellte ihm den von den französischen Behörden abgenommenen Führerausweis wieder zu. Auf dieses Schreiben reagierte der Beschwerdeführer nicht.

 

1.2 Mit Verfügung vom 28. März 2022 entzog das Bau- und Justizdepartement (BJD), vertreten durch die MFK, dem Beschwerdeführer wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung den Führerausweis für die Dauer von fünf Monaten.

 

2. Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Fankhauser, mit Schreiben vom 19. April 2022 an die MFK. Sein Mandant habe erst mit der zweiten Zustellung vom 7. April 2022 Kenntnis von der Verfügung erhalten. Angesichts der verfügten Entzugsdauer erlaube er sich, zur beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, Stellung zu nehmen und ersuche vor diesem Hintergrund, eine Abänderung der Verfügung bzw. Anpassung der Entzugsdauer auf einen Monat vorzunehmen.

 

Die MFK teilte dem Vertreter des Beschwerdeführers am 22. April 2022 anlässlich einer telefonischen Besprechung mit, sie sähe keinen Anlass, auf die Verfügung zurückzukommen. Der Vertreter des Beschwerdeführers ersuchte in der Folge darum, die Stellungnahme als Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. März 2022 zu behandeln und sie an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten. Das Verwaltungsgericht nahm die Stellungnahme am 25. April 2022 als Beschwerde entgegen.

 

3. Mit Vernehmlassung vom 13. Mai 2022 beantragte die Motorfahrzeugkontrolle namens des Bau- und Justizdepartements die Abweisung der Beschwerde.

 

4. Mit Stellungnahmen vom 7. Juni 2022 und 22. Juni 2022 liessen sich der Beschwerdeführer und die MFK nochmals vernehmen.

 

5. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

 

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1 Die MFK begründete die angefochtene Verfügung im Wesentlichen damit, bei der Geschwindigkeitsüberschreitung habe es sich um eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften gehandelt. Bei einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung müsse das Verschulden als schwer bewertet werden, weil die Handlung auf eine grosse Rücksichtslosigkeit schliessen lasse. Dies wirke sich auf die Entzugsdauer erschwerend aus.

 

2.2 Dagegen brachte der Beschwerdeführer in der Eingabe vom 19. April 2022 vor, er sei bei der [...] AG als Werkstattleiter angestellt. Dabei sei er nicht nur für die Instandsetzung von rund 40 Fahrzeugen, sondern auch noch für deren Probefahrten zuständig. Zusätzlich obliege ihm auch die Erledigung von zahlreichen organisatorischen Angelegenheiten. Der Besitz des Führerausweises sei für ihn daher von existenzieller Notwendigkeit. Ein Entzug über die Zeitdauer von fünf Monaten käme einem Berufsverbot gleich und hätte den Verlust der Arbeitsstelle zur Folge. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass bereits in Frankreich ein 6-monatiges Fahrverbot gelte, das ihm den grenzüberschreitenden Verkehr wesentlich erschwere und erhebliche Nachteile verursacht habe. Abgesehen von der hier zur Diskussion stehenden Verfehlung habe er sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen.

 

2.3 Die MFK führte dazu in der Stellungnahme vom 13. Mai 2022 aus, bei der Entzugsdauer sei die massive Geschwindigkeitsüberschreitung und die damit einhergehende erhebliche Gefährdung erschwerend berücksichtigt worden. Mangels Stellungnahme hätten bei der Festsetzung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots in Frankreich nicht gewürdigt werden können und eine Massnahmeempfindlichkeit sei nicht zu berücksichtigen. Nach telefonischer Rück­sprache mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei klar geworden, dass der Beschwerdeführer wegen des Fahrverbotes in Frankreich nicht betroffen gewesen sei und es weiterhin auch nicht sei. Er müsse nur einen längeren Weg über deutsches Staatsgebiet auf sich nehmen, um seine Verwandtschaft in Deutschland besuchen zu können. Auch eine berufliche Notwendigkeit, Motorfahrzeuge zu lenken, sei zu verneinen. Die Auswirkungen des Führerausweisentzuges auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers seien gering; die von ihm hinzunehmenden Mehraufwände und Unannehmlichkeiten in Bezug auf seine Berufsausübung überstiegen das übliche Mass nicht. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, die Entzugsdauer von fünf Monaten durch den Besuch des bfu-Kurses «Kurve Warnungsentzug» um einen Monat zu reduzieren.

 

2.4 In der Eingabe vom 7. Juni 2022 lässt der Beschwerdeführer neu vorbringen, bevor er damals in Roppenheim angehalten worden sei, habe er eine Strecke auf einer Landstrasse befahren, die nicht nur aufgrund ihrer Länge, sondern auch aufgrund des Verkehrsaufkommens eine Beschleunigung auf nota bene 150 km/h als absurden Vorwurf anmuten lasse. Als er angehalten und von der Polizei mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, sei er völlig überrascht gewesen und habe einen Beweis hierfür verlangt. Weil er aber der französischen Sprache nicht mächtig und eine Verständigung mit dem Polizeibeamten auf Deutsch nicht möglich gewesen sei, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als die Busse zu bezahlen und das Schreiben «Avis de rétention d’un permis de conduire» zu unterzeichnen. Der Polizeibeamte habe ihm nach dem Einkassieren von 750 Euro versichert, mit der Bezahlung der Busse sei nun alles erledigt. Er habe deshalb nicht mit der Zustellung von weiteren Schriftstücken in dieser Angelegenheit rechnen müssen. Als er das Schreiben der Motorfahrzeugkontrolle vom 13. Januar 2022 erhalten habe, sei es für die Einreichung einer Stellungnahme bereits zu spät gewesen. Wie erwähnt, der französischen Sprache nicht mächtig, sei ihm auch die 2-monatige Anfechtungsfrist des Entscheides der französischen Behörde entgangen.

 

Auch wenn das Verwaltungsgericht an die Sachverhaltsfeststellung der französischen Behörden gebunden sei, werde an dieser Stelle nicht bestritten, dass er rund 10 km/h zu schnell unterwegs gewesen sei, aufgrund der Länge der gefahrenen Strecke und dem dies nicht zulassenden Verkehrsaufkommen werde hingegen der Vorwurf der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h vehement zurückgewiesen. Mangels Angaben in den Schriften der französischen Behörden könne aus dem bekannten Sachverhalt, bis auf die bestrittene Geschwindigkeitsüberschreitung, kein Rückschluss auf die anderen Umstände der Tat vorgenommen werden. Es sei davon auszugehen, dass von seiner Fahrt keine konkrete Gefährdung der Verkehrssicherheit ausgegangen sei. Es könne nur auf eine abstrakte Gefährdung geschlossen werden. Selbst wenn die Geschwindigkeit um noch mehr als 10 km/h überschritten worden wäre, wäre dies unbewusst, d.h. fahrlässig geschehen. Die Annahme von Rücksichtslosigkeit sei restriktiv zu handhaben. Er sei damals nicht in Eile gewesen, habe sich auf die Fahrbahn konzentriert und habe nicht etwa am Mobiltelefon herumhantiert. Die Strassenverhältnisse, die Sicht sowie die Witterung seien gut gewesen, das Verkehrsaufkommen eher gering und es sei niemand konkret gefährdet worden. Sein guter Leumund als Motorfahrzeugführer sei in der angefochtenen Verfügung mit keinem Wort erwähnt worden.

 

Schliesslich sei die Stellungnahme der MFK zur beruflichen Notwendigkeit, Motorfahrzeuge zu führen, bzw. zur Massnahmeempfindlichkeit, nicht nachvollziehbar. Er sei zwar für seinen Arbeitsweg nicht auf einen Führerausweis angewiesen, bei seiner eigentlichen Arbeit verhalte es sich aber anders. Eine Delegation an eine andere Person für Probefahrten in der Werkstatt sei ausgeschlossen. Zudem sei er der einzige in der Werkstatt, der über eine Befähigung zur Lenkung eines Lkw’s verfüge. Im Weiteren könnten Ersatzteile nicht einfach von Dritten abgeholt werden. Schliesslich käme noch dazu, dass in der Firma ein akuter Personalmangel herrsche. Der Besitz des Führerausweises sei für ihn von existenzieller Notwendigkeit. Insgesamt sei deshalb mindestens von einer mittelgradig erhöhten Massnahmeempfindlichkeit auszugehen.

 

2.5 Dazu führt die MFK aus, der Beschwerdeführer habe den französischen Entscheid akzeptiert. Er hätte ihn ohne weiteres anfechten können. Auch im Rahmen des rechtlichen Gehörs in der Beschwerde hätte er den Sachverhalt bestreiten können. Indem er dies erst mit der Replik tue, erfolge dies zu spät. Entsprechend sei auf den Sachverhalt abzustellen, wie er der angefochtenen Verfügung zugrunde liege. Durch die massive Geschwindigkeitsüberschreitung habe der Beschwerdeführer eine sehr erhebliche Gefährdung geschaffen. Eine derart massive Geschwindigkeitsüberschrei­tung könne auch nicht unbemerkt bleiben. Von Fahrlässigkeit könne somit keine Rede sein. Sein Verschulden wiege schwer und die Rücksichtslosigkeit sei zu bejahen. Die Festsetzung der Entzugsdauer sei angemessen erfolgt. Der leicht getrübte Leumund habe sich bei der Festsetzung der Entzugsdauer nicht erschwerend ausgewirkt, der Beschwerdeführer könne jedoch auch keinen tadellosen Leumund für sich in Anspruch nehmen. Die Massnahmeempfindlichkeit sei leicht. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die erwähnten Arbeiten zwingend das Lenken eines Motorfahrzeuges voraussetzen würden.

 

3. Der Beschwerdeführer lässt in der Replik neu vorbringen, er habe lediglich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von rund 10 km/h begangen.

 

Wer in Frankreich ein Motorfahrzeug lenkt, ist selbstredend dem französischen Strassenverkehrsrecht unterworfen. Die Strassen- und Verkehrsverhältnisse in den Nachbarstaaten der Schweiz entsprechen ebenso wie deren Verkehrsordnungen weitgehend den hiesigen. Es besteht daher grundsätzlich kein Anlass, für das in der Schweiz durchzuführende Verwaltungsverfahren nicht auf einen in Rechtskraft erwachsenen französischen Massnahmenentscheid abzustellen (vgl. Urteil 1C_33/2018 vom 6. Juli 2018 E. 2.2 mit Hinweis).

 

Die über eine Massnahme entscheidende Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts gebunden. Sofern die beschuldigte Person wusste angesichts der Schwere der ihr vorgeworfenen Delikte voraussehen musste, dass gegen sie ein Führerausweisentzugsverfahren eröffnet wird und sie es trotzdem unterlässt darauf verzichtet, im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens die ihr garantierten Verteidigungsrechte geltend zu machen, gilt dies auch für einen Strafentscheid, der nicht im ordentlichen Verfahren, sondern im Strafbefehlsverfahren gefällt wurde. Unter diesen Umständen darf die betroffene Person nicht das Verwaltungsverfahren abwarten, um allfällige Rügen vorzubringen und Beweisanträge zu stellen, sondern ist nach Treu und Glauben verpflichtet, dies bereits im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens zu tun, sowie allenfalls die nötigen Rechtsmittel zu ergreifen (Urteil des Bundesgerichts 1C_67/2021 vom 5. August 2021 E. 2.3 mit Hinweis).

 

Es wird vom Beschwerdeführer weder bestritten, dass er zwei Monate Zeit gehabt hätte, sich gegen den Entscheid der französischen Behörden zu wehren noch, dass ihm von der MFK mit Schreiben vom 13. Januar 2022 das rechtliche Gehör betreffend das gegen ihn eröffnete Administrativverfahren hinsichtlich eines Führerausweisentzugs gewährt worden war (Replik Ziff. 3, Beschwerde S. 2). Er wusste somit noch während der laufenden Frist zur Anfechtung des Entscheides aus Frankreich, dass gegen ihn ein Administrativverfahren eröffnet wurde. Nichts desto trotz hat er den Entscheid der französischen Behörden akzeptiert. Dass er dies wegen mangelnder Französischkenntnisse getan hat, entlastet ihn nicht. Es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich gewesen wäre, den Entscheid innerhalb der Rechtsmittelfrist von jemandem übersetzen zu lassen. Auch in der Beschwerde hat er sich nicht zum Sachverhalt geäussert. Indem er dies erst in der Replik macht, erfolgt dies verspätet (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_432/2017 vom 7. Februar 2018 E. 3.1, ebenfalls einen Fall mit Frankreich betreffend).

 

Die Vorinstanz durfte für die Beurteilung eines Führerausweisentzuges deshalb auf den Entscheid der französischen Behörden (Fahrverbot für die Dauer von sechs Monaten auf französischem Gebiet wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausserorts um 52 km/h) abstellen. Zudem ist auch nicht einzusehen, weshalb sich die französische Polizei bei ihrer Messung derart getäuscht haben sollte.

 

4.1 Gemäss Art. 16cbis Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) wird der Führerausweis nach einer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Ausland entzogen, wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde (lit. a) und die Widerhandlung nach den Art. 16b und Art. 16c SVG als mittelschwer schwer zu qualifizieren ist (lit. b).

 

Aus Gründen der Rechtsgleichheit hat das Bundesgericht für die Beurteilung von Geschwindigkeitsüberschreitungen schematische Regeln aufgestellt. Unabhängig von den konkreten Umständen liegt ein objektiv schwerer Fall unter anderem dann vor, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h (wobei eine Beschränkung auf 60 km/h statt 50 km/h es nicht rechtfertigt, von der üblichen Schwelle von 25 km/h abzuweichen), ausserorts um 30 km/h auf der Autobahn um 35 km/h übersteigt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 1C_520/2016 vom 16. Februar 2017 E. 4.2; 6B_326/2017 vom 20. November 2017 E. 1.1; 6B_33/2015 vom 5. Mai 2015 E. 1.1 mit Hinweisen).  

 

Wäre die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h in der Schweiz begangen worden, hätte es sich somit um eine schwere Widerhandlung nach Art. 16c SVG gehandelt. Daraus ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer der Führerausweis auch in der Schweiz zu entziehen ist. Dies wird von ihm grundsätzlich nicht bestritten (Beschwerde S. 2, Replik Ziff. 14). Nach Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG wäre ihm der Führerausweis in der Schweiz mindestens für drei Monate zu entziehen.

 

4.2 Gemäss Art. 16cbis Abs. 2 SVG sind bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbotes auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, zu denen im Informationssystem Verkehrszulassung keine Daten zu Administrativmassnahmen (Art. 89c lit. d SVG) enthalten sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten.

 

Begeht eine Person mit schweizerischem Wohnsitz im Ausland ein Strassenverkehrsdelikt, kann der Tatortstaat eine Administrativmassnahme allein mit Wirkung für das eigene Staatsgebiet aussprechen. Den schweizerischen Führerausweis als solchen kann er nicht entziehen. Die Wirkung der im Ausland verfügten Administrativmassnahme ist daher beschränkt. Deshalb sieht Art. 16cbis SVG unter den dort genannten Voraussetzungen den Entzug des schweizerischen Führerausweises durch die hiesige Behörde vor. Das darf jedoch nicht zu einer doppelten Sanktionierung führen. Die im Ausland und in der Schweiz ausgesprochenen Massnahmen müssen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein. Daher sind gemäss Art. 16cbis Abs. 2 Satz 1 SVG bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Mit dem Wort «angemessen» trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass das ausländische Fahrverbot den Fehlbaren unterschiedlich stark gar nicht treffen kann. So gibt es Fahrzeuglenker, die im Tatortstaat oft unterwegs sind, weshalb sie das dortige Fahrverbot erheblich belastet. Umgekehrt gibt es Personen, die praktisch nie im Tatortstaat ein Fahrzeug lenken, weshalb sie das ihnen dort auferlegte Fahrverbot kaum überhaupt nicht trifft. Massgeblich sind somit die Umstände des Einzelfalles. Gegebenenfalls kann sich das Unterschreiten der Mindestentzugsdauer rechtfertigen, was Art. 16cbis Abs. 2 Satz 2 SVG ausdrücklich zulässt. Diese Bestimmung geht als spätere und spezielle Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG, wonach die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden darf, vor (BGE 141 II 256 E. 2.3 mit Hinweisen).

 

Gemäss Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG darf die Entzugsdauer bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten. Dieser Satz wurde in der parlamentarischen Beratung in das Gesetz eingefügt. Damit wird dem Unrechtsgehalt der Verkehrsregelverletzung am ausländischen Begehungsort Rechnung getragen. Verwiesen wurde auf Art. 7 Abs. 3 StGB, der im Strafrecht bei Auslandtaten eine ähnliche Regelung kennt. Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG ist nur anwendbar bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, also bei Ersttätern. Bei Rückfalltätern darf die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots überschreiten. Der Grund hierfür liegt darin, dass die ausländische Behörde von früher in der Schweiz gegen den Fehlbaren verfügten Administrativmassnahmen regelmässig keine Kenntnis hat. Dürfte die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots nicht überschreiten, könnte sie die bei Rückfalltätern gemäss Art. 16b Abs. 2 und Art. 16c Abs. 2 SVG vorgesehenen Massnahmeverschärfungen nicht zur Anwendung bringen, was zu einer unhaltbaren Privilegierung führen würde. Bei einem Ersttäter darf die schweizerische Behörde keine strengere Wertung vornehmen als die ausländische (BGE 141 II 256 E. 2.4 mit Hinweisen).

 

4.3 Beim Beschwerdeführer handelt es sich nicht um einen Ersttäter. Er ist im Infor­mationssystem Verkehrszulassung (IVZ, früher ADMAS) verzeichnet (Verwarnung, vgl. Art. 16cbis Abs. 2 i.V.m. Art. 89c lit. d Ziff. 7 SVG).

 

Nach Art. 16 Abs. 3 SVG sind bei der Festsetzung der Dauer des Lernfahr- Führerausweisentzugs die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass angesichts einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h ausserorts von einem schweren Verschulden auszugehen ist und die Vorinstanz die Rücksichtslosigkeit zu Recht bejaht, zumal das Verkehrsaufkommen anlässlich der Fahrt des Beschwerdeführers gemäss dessen eigenen Angaben nicht gering war (s. Replik Ziff. 2). Bei einer solchen Geschwindigkeitsüberschreitung kann auch keinesfalls von einer fahrlässig begangenen Widerhandlung gesprochen werden. Eine Geschwindigkeit von 142 km/h statt der vorgeschriebenen 90 km/h kann nicht unbemerkt bleiben und eine derartige Überschreitung wäre auch ohne Weiteres vermeidbar gewesen.

 

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Fahrverbot in Frankreich für den Beschwerdeführer nicht als Einschränkung zu betrachten ist. Er fährt nur aus privaten Gründen durch Frankreich und dies nur, um einen kürzeren Weg auf seiner Reise nach Deutschland zurücklegen zu müssen. Das ausländische Fahrverbot hat daher nur einen marginalen Einfluss auf ihn und kann bei der Entzugsdauer folglich nicht mildernd berücksichtigt werden.

 

Bezüglich des automobilistischen Leumunds des Beschwerdeführers erwähnt die MFK zu Recht, dass der Leumund nicht ungetrübt ist. Die im Jahre 2017 ausgesprochene Verwarnung wurde indessen bei der Festsetzung der Entzugsdauer nicht erschwerend berücksichtigt (Stellungnahme der MFK vom 22. Juni 2022).

 

Schliesslich ist nicht zu beanstanden, dass die MFK nur von einer leichten Massnahmeempfindlichkeit ausgeht. Sofern der Beschwerdeführer überhaupt noch bei der [...] AG als Werkstattleiter tätig ist (er hat Jahrgang 1955), kann angenommen werden, dass Probefahrten auch von anderen Mitarbeitern durchgeführt werden können. Ebenfalls können Ersatzteile von Fahrzeugen von anderen Mitarbeitern beschafft und geholt werden. Dass dies zu einem organisatorischen Mehraufwand führt, ist nicht zu bestreiten, von einer Verunmöglichung der Berufsausübung kann deswegen aber nicht gesprochen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Probefahrten mit einem Lkw. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich die einzige Person in der Werkstatt sein, die über eine Befähigung zur Lenkung eines solchen verfügt, hätte die Arbeitgeberin dies anders zu organisieren. Dies dürfte dem Beschwerdeführer kaum die Berufsausübung verunmöglichen. Von einer existenziellen Notwendigkeit des Besitzes eines Führerausweises kann zudem ohnehin aufgrund des Alters des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden. Die vom Beschwerdeführer hinzunehmenden Mehraufwände und Unannehmlichkeiten in Bezug auf seine Berufsausübung sprengen damit nicht das übliche Mass, welches mit jedem Führerausweisentzug einhergeht.

 

5. Zusammenfassend ist die von der MFK verfügte Entzugsdauer von fünf Monaten folglich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist entsprechend abzuweisen.

 

6. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet. Eine Parteientschädigung kann zufolge Unterliegens nicht zugesprochen werden.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.

3.    Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Vizepräsident                                                             Die Gerichtsschreiberin

Müller                                                                                Ramseier



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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