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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2022.125)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.125: Verwaltungsgericht

A.___ reichte ein Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat ein, nachdem er B.___ online kennengelernt hatte. Das Verwaltungsgericht wies das Gesuch ab, da die finanziellen Verhältnisse des Paares einem dauernden Aufenthalt der Frau in der Schweiz entgegenstanden. Der Beschwerdeführer legte daraufhin Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, aber der Kanton Solothurn übernahm sie aufgrund der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Der unentgeltliche Rechtsbeistand, Fürsprecher Daniel Weber, erhielt eine Entschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.125

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2022.125
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2022.125 vom 03.03.2023 (SO)
Datum:03.03.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Aufenthalt; Schweiz; Aufenthalts; Recht; Familie; Eheschliessung; Heirat; Urteil; Gesuch; Solothurn; Gesuchsteller; Familiennachzug; Erteilung; Aufenthaltsbewilligung; Apos; Verwaltungsgericht; Kanton; Beschwerde; Verlobte; Vorbereitung; Daniel; Weber; Migrationsamt; Sozialhilfe; Ehefrau; Widerruf
Rechtsnorm: Art. 12 EMRK ;Art. 123 ZPO ;Art. 14 BV ;Art. 17 AIG ;Art. 43 AIG ;Art. 62 AIG ;Art. 63 AIG ;Art. 8 EMRK ;Art. 98 ZGB ;
Referenz BGE:122 II 1; 137 I 351;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2022.125

 
Geschäftsnummer: VWBES.2022.125
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 03.03.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.52
Titel: Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 3. März 2023  

Es wirken mit:

Vizepräsident Müller

Oberrichter Thomann

Ersatzrichter Vögeli  

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

A.___    vertreten durch Daniel Weber,   

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Departement des Innern,    vertreten durch Migrationsamt,    

 

Beschwerdegegner

 

 

 

betreffend     Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

 

1.1 A.___, geboren am [...]1955, war von 1983 bis 1995 verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei heute erwachsene Söhne hervor. Am 20. Oktober 1995 reiste A.___ in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl, welches ihm mit Entscheid vom 1. April 1996 gewährt wurde.

 

1.2 Nach Angaben von A.___ habe er B.___ am 10. Juli 2020 auf der Online-Partnervermittlungsseite «[...].com» kennengelernt. Das Paar habe sich bis heute noch nie persönlich getroffen; es gebe jedoch täglich Telefonate und Videochats über WhatsApp.

 

2.1 Mit Schreiben vom 25. Juni 2021 bestätigte das Zivilstandsamt Kreis Solothurn, dass die vorgelegten Unterlagen in Ordnung seien und das Ehevorbereitungsverfahren zwischen dem Gesuchsteller und B.___ weitergeführt werden könne (AS 80 f.).

 

2.2 Am 25. November 2020 ging der Visumsantrag von B.___ für einen langfristigen Aufenthalt (Visum D) beim Migrationsamt Solothurn (MISA) ein (AS 38 ff.).

 

2.3 Das Aufenthaltsgesuch für B.___ zur Vorbereitung der Heirat wurde am 14. Juli 2021 eingereicht (AS 83 f.).

 

2.4 Aus den Akten des Gesuchstellers ist zu entnehmen, dass er von 1996 bis 2006, als er in [...] wohnhaft war, Sozialhilfe bezogen hat. Seit dem Zuzug in den Kanton Solothurn im Jahr 2006 bis zu seinem Rentenalter bezog der Gesuchsteller ebenfalls Sozialhilfe. Die Summe der bezogenen Sozialhilfegelder im Kanton Solothurn beläuft sich auf CHF 296'304.30 (AS 90 - 95). Der Gesuchsteller bezieht heute monatliche Ergänzungsleistungen in Höhe von CHF 2'193.00 und erhält eine Altersrente von CHF 622.00 (AS 86).

 

2.5 Mit Schreiben vom 11. November 2021 wurde dem Gesuchsteller im Rahmen des rechtlichen Gehörs mitgeteilt, dass erwogen werde, das Aufenthaltsgesuch um Vorbereitung der Heirat abzuweisen. Der mandatierte Rechtsvertreter reichte die Stellungnahme am 8. Dezember 2021 ein. Er gab an, dass der Gesuchsteller vorerst lediglich die Ehe schliessen wolle. Er habe zur Kenntnis genommen, dass die Voraussetzungen für einen Familiennachzug aus den im rechtlichen Gehör genannten Gründen nicht gegeben seien. B.___ werde deshalb nach erfolgter Eheschliessung die Schweiz wieder verlassen. Ein Familiennachzug gemäss Art. 43 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20) AIG zu einem späteren Zeitpunkt (beispielsweise nach erfolgtem Spracherwerb und nachgewiesener Eignung für eine bestimmte Erwerbstätigkeit in der Schweiz) werde jedoch vorbehalten. Die Eheschliessung habe für den Gesuchsteller und B.___ auch ohne Aufenthalt in der Schweiz erhebliche Vorteile: sie verbessere die Rechtsstellung von B.___ in ihrer Heimat (auch gegenüber der eigenen Familie) und ermögliche es ihr, insbesondere sich allenfalls in einem Drittstaat (z.B. der Türkei) mit dem Gesuchsteller zu treffen – was für ein verheiratetes Paar eher möglich sei als ohne vorgängige Eheschliessung. Der Gesuchsteller könne als anerkannter Flüchtling nicht in den Iran reisen. Er sei daher darauf angewiesen, dass seine Braut zur Eheschliessung in die Schweiz reisen könne. Eine Eheschliessung in einem Drittstaat sei nicht möglich. Die Verweigerung der Einreise und des Aufenthalts, was für die Eheschliessung zwingend notwendig sei, sei unangemessen und unverhältnismässig. Sie verletze die geschützten Rechte des Gesuchstellers. Der Sohn des Gesuchstellers, [...], sei bereit, für die Kosten des Kurzaufenthaltes von B.___ zu garantieren. Es wurde eine entsprechende Bestätigung des Sohnes eingereicht (AS 108). Das Vorverfahren des Zivilstandsamtes sei abgeschlossen und aus den Akten ergebe sich, dass der Eheschliessung seitens der Zivilbehörden keine Hindernisse im Wege stünden. Es seien keine überwiegenden öffentlichen Interessen an einer Verweigerung der angestrebten Bewilligung auszumachen. Es werde zugesichert, dass die Ehefrau nach erfolgter Heirat die Schweiz wieder verlassen werde.

 

2.6 Das Migrationsamt des Kantons Solothurn wies das Aufenthaltsgesuch zu Gunsten von B.___ mit Verfügung vom 9. März 2022 ab.

 

3. Mit Eingabe vom 21. März 2022 erhob A.___ (im Folgenden Beschwerdeführer) Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Migrationsamtes vom 9. März 2022 und beantragte, es sei dem Gesuch für die Einreise und den Aufenthalt für B.___ zwecks Eheschliessung zu entsprechen. In seiner Vernehmlassung vom 6. April 2022 schliesst das Migrationsamt auf vollumfängliche Beschwerdeabweisung unter Kostenfolge. Mit Eingabe vom 8. April 2022 wurden Chatverlauf und Telefonliste nachgereicht. Mit Eingabe vom 27. April 2022 liess sich der Beschwerdeführer zur Vernehmlassung des Migrationsamtes verlauten.

 

4. Das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Verfügung vom 22. März 2022 abgewiesen.

 

5. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom 11. April 2022 die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung von Rechtsanwalt Daniel Weber als unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht ist zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

Auf die weiteren Ausführungen und Beweismittel der Parteien in ihren Rechtsschriften wird im Folgenden, soweit notwendig, eingegangen.

 

2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet, im Iran überhaupt an einem anderen Ort als in der Schweiz heiraten zu können. Er wirft der Vorinstanz vor, diesbezüglich den Sachverhalt ungenügend abgeklärt und Tatsachen erfunden zu haben.

 

2.2 Es trifft zu, dass dem Beschwerdeführer die Heirat gestützt auf Art. 12 EMRK (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101) bzw. Art. 14 BV (Ehefreiheit, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, SR 101) in der Schweiz ermöglicht werden muss, da sich dies andernorts als nicht möglich bzw. unzumutbar erweist (Urteil 2C_962/2013 vom 15. Februar 2015 E. 3.3; Urteil des EGMR vom 14. Dezember 2010 O'Donoghue und Mitb. gegen Vereinigtes Königreich [Nr. 34848/07] und dazu BGE 137 I 351 E. 3.4 S. 356; vgl. auch das Urteil 2C_639/2012 vom 13. Februar 2013 E. 4): Dem Beschwerdeführer wurde Asyl erteilt, womit davon auszugehen ist, dass ihm bei einer Rückkehr in den Iran ernstliche Nachteile drohen. Auf jeden Fall müsste er damit rechnen, bei einer Heirat in der Heimat seinen Flüchtlingsstatus und das Asyl in der Schweiz zu verlieren (vgl. das Urteil 2C_320/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 3.3.1). Die Ehe kann auch nicht in zumutbarer Weise in einem Drittstaat geschlossen werden; ein solcher ist – ohne Wohnsitz eines der Beteiligten in dessen Staatsgebiet – nicht gehalten, das Recht auf Ehe des Beschwerdeführers zu achten (vgl. das Urteil 2C_962/2013 vom 13. Februar 2015 E. 3.3 mit zahlreichen Hinweisen).  

 

2.3 Indessen ist es der Verlobten B.___ möglich, den Beschwerdeführer während eines bewilligungsfreien Aufenthalts im Rahmen eines Schengenvisums eines räumlich auf die Schweiz begrenzten landesrechtlichen Visums zu heiraten. Es empfiehlt sich hierfür - in Übereinstimmung mit dem Urteil 2C_962/2013 vom 13. Februar 2015 E. 4 -, das Vorbereitungsverfahren vom Iran aus über die zuständige Auslandsvertretung abzuwickeln (vgl. Art. 98 Abs. 2 ZGB [Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210] und Art. 69 Abs. 2 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. c ZStV [Zivilstandsverordnung, SR 211.112.2]) und erst für die Eheschliessung in der bewilligungslos möglichen Aufenthaltszeit in die Schweiz einzureisen, womit genügend Zeit bleibt, die Ehe einzugehen (BGE 2C_1019/2018 vom 11. Dezember 2018).

 

3. Es bleibt zu prüfen, ob die Einreise und der Aufenthalt der Verlobten B.___ in die Schweiz zur Vorbereitung des Eheschlussverfahrens in der Schweiz gestattet werden muss.

 

3.1 Das Zivilstandsamt Kreis Solothurn bestätigte mit Schreiben vom 25. Juni 2021 (AS 80), dass der positive Abschluss des Ehevorbereitungsverfahrens unter dem Vorbehalt erfolge, dass bei der Trauung der Aufenthalt der Braut geregelt bzw. rechtmässig sein müsse (Visum Aufenthalt). Der Frage von Visum Aufenthalt kommt damit eine eigenständige Bedeutung zu. Ausserdem kann daraus gefolgert werden, dass aus dem Abschluss des Ehevorbereitungsverfahrens kein Anspruch auf Erteilung eines Einreise- Aufenthaltstitels abgeleitet werden kann. Vielmehr müssen, wie die Vorinstanz richtigerweise festgestellt hat, die übrigen Voraussetzungen für einen Familiennachzug erfüllt sein. Dabei entscheiden die Migrationsbehörden frei und unabhängig vom Zivilstandsamt über die Erteilung Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an einen ausländischen Ehegatten.

 

3.2 Verlobte, die nicht Schweizerbürgerinnen Schweizerbürger sind, müssen gemäss Art. 98 Abs. 4 ZGB während des Vorbereitungsverfahrens ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nachweisen. Kann der Zivilstandsbeamte die Trauung eines ausländischen Verlobten mangels Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz nicht vollziehen (Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV), so ist die Migrationsbehörde gehalten, letzterem im Hinblick auf die Heirat einen provisorischen Aufenthaltstitel auszustellen, sofern keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen und klar erscheint, dass der Betroffene - einmal verheiratet - aufgrund seiner persönlichen Situation die Zulassungsvoraussetzungen in der Schweiz analog zu Art. 17 Abs. 2 AIG erfüllen wird (BGE 137 I 351). Dies gilt umso mehr, wenn die ausländische Verlobte noch gar nicht in die Schweiz eingereist ist. Anders ausgedrückt: Wenn bei Vorliegen von Widerrufsgründen auch nach erfolgter Eheschliessung mutmasslich kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung besteht, kann ein Aufenthalt verweigert werden (Marc Spescha, Kommentar Migrationsrecht, N 7 zu Art 17 AIG). Oder wie sich das Bundesgericht in BGE 2C_1019/2018 vom 11. Dezember 2018 ausdrückt: Sind die Zulassungsvoraussetzungen vermutlich nicht gegeben, besteht kein Anlass, den Aufenthalt im Hinblick auf die Eheschliessung zu gestatten (138 I 41 E. 4 S. 46; 137 I 351 E. 3.7 S. 360; Urteil 2C_386/2018 vom 15. Juni 2018 E. 3.3). Wird nach der Eheschliessung kein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestehen, so liegt kein Grund vor, eine (Kurz-) Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Heirat auszustellen (Urteile: 2C_386/2018 vom 15. Juni 2018 E. 3.3; 2C_950/2014 vom 9. Juli 2015 E. 5 und 6; 2C_295/2017 vom 27. März 2017 E. 5).

 

3.3 Es ist somit zu prüfen, ob das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtsmissbräuchlich im Sinne dieser Rechtsprechung erfolgte, ob bereits vor der Heirat Widerrufsgründe vorhanden sind, welche nach erfolgter Eheschliessung einem dauernden Aufenthalt entgegenstehen würden. Damit sind generell die Regelungen gemäss Art. 33 Abs. 3 i.V.m Art. 62 Abs. 1 AIG (Widerruf der Aufenthaltsbewilligung) sowie gemäss Art. 63 AIG (Widerruf der Niederlassungsbewilligung) angesprochen. Mit letzterem in direktem Zusammenhang steht auch Art. 43 AIG, welcher sich mit den Bedingungen für einen Familiennachzug befasst. Wird nämlich Aufenthalt lediglich mit der Vorbereitung einer Eheschliessung bewilligt und steht fest, dass ein Familiennachzug auch nach erfolgter Heirat nicht gewährt werden kann, wäre dieser Aufenthalt zu widerrufen. Die Vorinstanz hat daher zurecht geprüft, ob der Familiennachzug möglich wäre.

 

3.3.1 Ein schützenswertes Familienleben ist zu bejahen, sofern eine tatsächlich gelebte Beziehung zwischen den angehenden Eheleuten besteht. Gemäss BGE 2C_53/2012 vom 25. Januar 2012 können sich Konkubinatspaare für ihren Bewilligungsanspruch nur dann auf Art. 8 EMRK berufen und daraus nur dann einen Bewilligungsanspruch ableiten, wenn eine lang dauernde und gefestigte Partnerschaft vorliegt und die Heirat unmittelbar bevorsteht. Gemäss Bundesgericht liegt keine lang dauernde und gefestigte Partnerschaft vor, wenn sich die Personen erst seit rund zwei Jahren kennen und ihre Beziehung nur besuchsweise leben. Im vorliegenden Fall sind die notwendigen Mindestvoraussetzungen noch weniger gegeben. Die Verlobten haben sich zumindest bis zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch überhaupt nie persönlich getroffen. Es besteht somit keine Partnerschaft im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung. Der Beschwerdeführer anerkennt die Unmöglichkeit des Familiennachzuges, führt zudem weiter ins Feld, dass auf einen Familiennachzug sogar explizit verzichtet werde. Damit drückt er jedoch auch aus, dass eine eheliche Gemeinschaft in Form eines gemeinsamen Haushalts bzw. Zusammenlebens (mindestens vorerst) gar nicht angestrebt wird.

 

3.3.2 Der Beschwerdeführer hat seine Verlobte bis zur Beschwerdeerhebung noch nie persönlich getroffen und will keine Familiengemeinschaft leben. Er ist 25 Jahre älter als seine Verlobte, hat diese erst vor kurzem auf einer Onlineplattform kennengelernt, sie mindestens bis zur Beschwerdeerhebung noch nie gesehen und ist selber bereits im Pensionsalter. Achtenswerte Gründe im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung für die Heirat sind nicht ersichtlich und werden nicht genannt. Es bestehen nicht wegzudiskutierende Anhaltspunkte, dass der beantragte Aufenthalt rechtsmissbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung erfolgte. Es kann jedoch offengelassen werden, ob das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist, da wie im Folgenden gezeigt Widerrufsgründe vorhanden sind.

 

3.3.3.1 Die Aufenthaltsbewilligung kann gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG widerrufen werden, wenn die Ausländerin der Ausländer erheblich wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz im Ausland verstossen hat diese gefährdet die innere die äussere Sicherheit gefährdet. Eine Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt gemäss Art. 77a Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbs­tätigkeit (VZAE; SR 142.201) insbesondere vor, wenn die betroffene Person gesetzliche Vorschriften und behördliche Verfügungen missachtet (lit. a) öffentlich-rechtliche privatrechtliche Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt (lit. b). Demgegenüber liegt gemäss Art. 77a Abs. 2 VZAE eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt.

 

3.3.3.2 Birgt der Nachzug eines Familienangehörigen die Gefahr der Fürsorgeabhängigkeit der nachzuziehenden Person eine Erhöhung der finanziellen Abhängigkeit des anwesenden Flüchtlings, kann es sich im öffentlichen Interesse rechtfertigen, von der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzusehen. Das Zulassungskriterium des Vorhandenseins hinreichender finanzieller Mittel und damit einer Entlastung der Sozialhilfe und der öffentlichen Finanzen ist als Voraussetzung des Familiennachzugs konventionsrechtlich anerkannt (vgl. die EGMR-Urteile Konstantinov gegen Niederlande vom 26. April 2007 [Nr. 16351/03] § 50 ["wirtschaftliches Wohl des Landes"] und Hasanbasic gegen Schweiz vom 11. Juni 2013 [Nr. 52166/09], § 59; Urteil 2C_320/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 3.2), doch sind die statusspezifischen Umstände beim (nachträglichen, ausländerrechtlichen) Familiennachzug von Flüchtlingen mit Asylstatus jeweils mitzuberücksichtigen (vgl. BGE 122 II 1 E. 2 S. 6). Die meisten europäischen Staaten gewähren das Recht auf Nachzug der engeren Familie erst, wenn deren Unterhalt gesichert erscheint bzw. die Familie über eine geeignete Wohnung verfügt (vgl. BGE.126 II 335 E. 3c/aa S. 344; Urteil 2C_1081/2012 vom 6. Dezember 2013 E 2 und 3.2 mit Hinweisen).

 

3.3.3.3 Nach der bundesgerichtlichen Praxis zum Familiennachzug von Flüchtlingen (mit Asyl) stehen finanzielle Gründe der Familienzusammenführung entgegen, wenn die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht. Dabei ist von den aktuellen Verhältnissen auszugehen, die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung aber auf längere Sicht mitzuberücksichtigen. Zudem sind nicht nur das Einkommen des hier anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen in die Beurteilung miteinzubeziehen, sondern die finanziellen Möglichkeiten aller Familienmitglieder über eine längere Dauer hinweg. Die Erwerbsmöglichkeiten und das damit verbundene Einkommen müssen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf mehr als nur kurze Frist hin gesichert erscheinen (BGE 122 II 1 E. 3c S. 8 f.; Urteile 2C_1018 vom 6. Dezember 2013 E. 4.2.2 und 2C_31/2012 vom 15. März 2012 E. 2.2). Vgl. zum Ganzen BGE 2C_1019/2018 vom 11. Dezember 2018, E. 3.2.

 

3.3.3.4 Der Beschwerdeführer hat seit seinem Zuzug in den Kanton Solothurn vom April 2006 bis Ende 2018 nie gearbeitet und Sozialhilfe im Umfang von CHF  296'304.30 bezogen (AS 90 – 95). Seit Erreichung des Pensionsalters bezieht er eine AHV-Rente von monatlich CHF 622.00. Darüber hinaus erhält er monatliche Ergänzungsleistungen in Höhe von CHF 2'193.00 (AS 68, 65, 86). Seine Braut spricht weder eine schweizerische Landessprache noch erzielt sie, soweit bekannt, im Iran ein eigenes Einkommen. Über eine allfällige Berufsausbildung ist nichts bekannt. Es sind keine Anzeichen vorhanden, dass die fremdsprachige Ehefrau ihren eigenen Lebensbedarf in der Schweiz selber decken könnte. Konkrete Erwerbsmöglichkeiten und ein damit verbundenes Einkommen der Ehefrau sind jedenfalls nicht ersichtlich. Der auf Ergänzungsleistung angewiesene Ehemann hat keine genügenden Eigenmittel (Einkommen, Vermögen), um den Unterhalt seiner Ehefrau zu sichern. Die Wahrscheinlichkeit einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit der Ehefrau ist daher sehr hoch. Ein Aufenthalt in der Schweiz nach erfolgter Heirat, welcher sich nach Art. 43 AIG richten und ein Zusammenleben mit dem Ehegatten voraussetzen würde (Art. 43 Abs. 1 lit. a AIG), wäre nicht möglich, weil er nicht finanziert werden könnte (Sozialhilfe bzw. Ergänzungsleistungen, siehe Art. 43 Abs. 1 lit. c – e AIG).

 

Die finanziellen Verhältnisse des Paares stehen einem dauernden Aufenthalt der künftigen Frau des Beschwerdeführers in der Schweiz entgegen bzw. würden zu einem Widerruf eines Aufenthalts führen.

 

4. Der Beschwerdeführer widerspricht der Sichtweise der Vorinstanz, bei Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Eheschliessung sei die Wiederausreise der Ehefrau nach erfolgter Eheschliessung nicht gesichert. Es gebe dafür in den Akten keinerlei Anhaltspunkte.

 

Wie oben festgestellt, liegt kein Grund vor, eine (Kurz-)Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Heirat auszustellen, wenn wie hier nach der Eheschliessung kein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestehen wird (Urteile Bundesgericht: 2C_386/2018 vom 15. Juni 2018 E. 3.3; 2C_950/2014 vom 9. Juli 2015 E. 5 und 6; 2C_295/2017 vom 27. März 2017 E. 5). Auch wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung zwecks Eheschliessung nicht erfüllt sind, kann der Beschwerdeführer seine Verlobte dennoch im Rahmen eines bewilligungsfreien Aufenthalts in der Schweiz ehelichen (siehe oben Ziff. 2.3). Ist der Aufenthalt jedoch bewilligungsfrei, stellt sich die Frage nach der Wiederausreise aufgrund der Erfüllung eines bewilligten Aufenthaltszwecks gar nicht.

 

5.1 Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer grundsätzlich die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, welche inklusive Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Kanton Solothurn diese Kosten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Kantons Solothurn während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 der Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).

 

5.2 Der von Fürsprecher Daniel Weber geltend gemachte Aufwand als unentgeltlicher Rechtsbeistand ist durch den Kanton Solothurn zu entschädigen, dies zum Stundenansatz von CHF 180.00, ausmachend CHF 2'116.85 (Aufwand: 10.5 Std. x CHF 180.00 = CHF 1'890.00, Auslagen: CHF 75.50, davon 7,7 % MwSt. = CHF 151.35); vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren sowie der Nachforderungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Fürsprecher Daniel Weber, im Umfang von CHF 735.00 (Differenz zu vollem Honorar von CHF 250.00/Std.), zuzüglich MwSt., sobald der Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Kanton Solothurn diese Kosten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

3.    Der Kanton Solothurn hat dem unentgeltlichen Rechtsbeistand Fürsprecher Daniel Weber, zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Entschädigung von CHF 2'116.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) auszurichten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Fürsprecher Daniel Weber, im Umfang von CHF 735.00 (Differenz zu vollem Honorar von CHF 250.00/Std.), zuzüglich MwSt., sobald der Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Vizepräsident                                                             Der Gerichtsschreiber

Müller                                                                                Schaad



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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