Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.119: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat am 16. Dezember 2022 entschieden, dass das Gesuch von A.___ für den Familiennachzug seiner Ehefrau B.___ abgelehnt wird. Das Migrationsamt begründete die Ablehnung damit, dass das Gesuch nicht innerhalb der Frist von fünf Jahren eingereicht wurde und wichtige familiäre Gründe fehlten. A.___ hat Beschwerde gegen diesen Entscheid eingereicht und argumentiert, dass die Voraussetzungen erfüllt seien und wichtige familiäre Gründe vorlägen. Das Gericht entschied jedoch, dass weder wichtige familiäre Gründe für den nachträglichen Familiennachzug vorlägen noch ein Verstoss gegen Art. 8 EMRK vorliege. Die Gerichtskosten von CHF 1'500 gehen zu Lasten von A.___.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2022.119 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 16.12.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Familie; Familiennachzug; Schweiz; Ehefrau; Gesuch; Frist; Recht; Urteil; Voraussetzungen; Verwaltungsgericht; Entscheid; Beschwerde; Verfügung; Gesuchs; Person; Familiennachzugs; Aufenthalt; Beziehung; Ausländer; Bundesgericht; Begründung; Personen; Rechtsprechung; Aufenthaltsbewilligung |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 44 AIG ;Art. 47 AIG ;Art. 8 EMRK ;Art. 85 AIG ; |
Referenz BGE: | 146 I 185; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2022.119 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 16.12.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2022.214 |
Titel: | Familiennachzug |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 16. Dezember 2022 Es wirken mit: Oberrichter Thomann Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Ramseier
In Sachen A.___
Beschwerdeführer
gegen
Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Familiennachzug zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Mit Eingabe vom 27. Mai 2021 ersuchte A.___ (geb. am [...] 1957) um Familiennachzug seiner Ehefrau B.___ (geb. [...] 1968). Das Gesuch wurde damit begründet, sie seien verheiratet und möchten ihren Lebensalltag gemeinsam bestreiten. Die [...] führte im Schreiben vom 1. Juni 2021 zur Begründung ergänzend aus, ihr Mandant verfüge über zwei feste Arbeitsstellen und eine bedarfsgerechte 2-Zimmer-Wohnung mit ausreichend Lebensraum für zwei Personen. 1988 habe A.___ seine Ehefrau geheiratet. Das Ehepaar hege nun den Wunsch, ihr zukünftiges Leben gemeinsam in der Schweiz verbringen zu können (Akten B.___, A1 S. 23 ff.).
2. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs wies das Migrationsamt (MISA) namens des Departements des Innern (DdI) das Gesuch um Familiennachzug zugunsten von B.___ mit Verfügung vom 4. März 2022 ab (A1 S. 86 ff.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Gesuchsteller sei am 7. Mai 2009 wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufgenommen worden. Die Frist für einen Familiennachzug habe damit im Mai 2012 begonnen. Mit der Einreichung des Gesuchs im Juni 2021 sei dieses nicht innert der Frist von fünf Jahren eingereicht worden. Wichtige familiäre Gründe, die einen nachträglichen Familiennachzug rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Der Gesuchsteller lebe seit 14 Jahren getrennt von seiner Ehefrau. Wenn er geltend mache, er habe vor Einreichung eines Familiennachzugsgesuchs zunächst saubere finanzielle Verhältnisse schaffen wollen, habe er es sich selber zuzuschreiben, dass er deswegen die Nachzugsfrist verpasst und sich zu spät um ein wirtschaftlich tragbares Einkommen für sich und seine Ehefrau bemüht habe. Ausserdem handle es sich dabei um pauschale und undifferenzierte Aussagen. Der weitere Umstand, dass er seine Nachkommen nicht aus ihrem Beziehungsnetz habe reissen wollen, könne ebenfalls nicht als Rechtfertigung für das verspätete Gesuch gelten. Die Abweisung des Gesuchs halte auch vor Art. 8 EMRK stand. Es sei nicht zwingend notwendig, dass der Gesuchsteller und seine Ehefrau in der Schweiz leben müssten.
3. Gegen diese Verfügung erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 17. März 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit den Anträgen auf deren Aufhebung und Gutheissung des Gesuchs um Familiennachzug.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die Voraussetzungen von Art. 44 AIG würden in der angefochtenen Verfügung nicht angezweifelt. Sie seien auch alle erfüllt. Im Übrigen werde nicht bestritten, dass vorliegend von einem nachträglichen Familiennachzug auszugehen sei. Für einen solchen müssten wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden können, was vorliegend der Fall sei. Der Beschwerdeführer habe frühestens im Mai 2012 die Möglichkeit gehabt, seine Familie in die Schweiz nachzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt seien seine Söhne 22 und 14 Jahre alt gewesen. Seine Ehefrau und er hätten den älteren Sohn nicht alleine in […] zurücklassen und den jüngeren aus der gewohnten Umgebung reissen wollen. Zudem habe er, der Beschwerdeführer, damals nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um seine Ehefrau, geschweige denn seinen jüngeren Sohn, in die Schweiz nachzuziehen. Er habe sich immer um Stellen bemüht. Nachdem er bei seiner Einreise in die Schweiz im Jahre 2007 aber bereits 50 Jahre alt gewesen sei, er [...] sei und über keinerlei in der Schweiz anerkannte Ausbildungen bzw. Qualifikationen verfüge, sei dies schwierig gewesen. Im Jahr 2015 habe er eine Anstellung mit einem 50 %-Pensum gefunden und seit 1. Januar 2021 habe er noch eine zweite 50 %-Stelle. Dies erlaube ihm nun den Nachzug seiner Ehefrau in die Schweiz. Dass er seine Ehefrau vor 2020 nie besucht habe, lasse nicht auf eine freiwillige Trennung schliessen. Mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. CHF 1'500.00 sei dies nicht möglich gewesen. In Beachtung der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass wichtige familiäre Gründe gegeben seien. Die Verfügung der Vorinstanz sei weder mit Art. 73 Abs. 3 VZAE i.V.m. Art. 47 Abs. 4 AIG noch mit Art. 8 EMRK in Einklang zu bringen.
4. Mit Eingabe vom 31. März 2022 beantragte das Migrationsamt die Abweisung der Beschwerde. Auf eine Vernehmlassung wurde mit Verweis auf die angefochtene Verfügung verzichtet.
5. Für die weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich, ist im Folgenden darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den negativen Entscheid betreffend seine Ehefrau beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Der Beschwerdeführer reiste am 1. Juni 2007 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch, welches am 2. Juli 2007 abgewiesen wurde (Akten Beschwerdeführer, A2 S. 149 ff.). Am 7. Mai 2009 wurde er wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen (A2 S. 138 f.). Am 20. November 2018 wurde ihm aufgrund eines Härtefalls die Aufenthaltsbewilligung erteilt (A2 S. 26 ff.). Seit 1. Juli 2019 wohnt der Beschwerdeführer im Kanton Solothurn (A2 S. 10 ff.).
3.1.1 Vorweg ist festzuhalten, dass der Familiennachzug zum Beschwerdeführer, welcher lediglich über eine Härtefallbewilligung verfügt, grundsätzlich keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verschafft (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_800/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.3 mit Hinweisen). Wie im erwähnten Entscheid, beruft sich der Beschwerdeführer indessen auch vorliegend auf Art. 8 EMRK. Eine rechtmässige Anwesenheit infolge einer vorläufigen Aufnahme aufgrund eines persönlichen Härtefalls kann unter bestimmten Umständen ein gefestigtes Anwesenheitsrecht auf der Grundlage von Art. 8 EMRK begründen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn von vornherein feststeht, dass die Härtefallbewilligung für einen längeren Zeitraum verlängert wird, wenn die Situation des vorläufig aufgenommenen Ausländers angesichts der Anzahl der in der Schweiz verbrachten Jahre als hinreichend stabil bzw. gefestigt erscheint (Urteil 2C_800/2022 vom 7. Dezember 2022, a.a.O.).
Der Beschwerdeführer hält sich seit 15 Jahren in der Schweiz auf, wovon knapp zwei auf Asylverfahren und 9 ½ Jahre auf eine vorläufige Aufnahme entfallen. Seit dem 20. November 2018, also seit 4 Jahren, ist er im Besitz einer Härtefallbewilligung. Ob aufgrund dieser Umstände von einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, nachdem eine Berufung auf Art. 8 EMRK aus den nachfolgenden Gründen nicht gerechtfertigt ist.
3.1.2 Gemäss Art. 85 Abs. 7 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) können Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von vorläufig aufgenommenen Personen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen frühestens drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme nachgezogen und in diese eingeschlossen werden, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (lit. a), eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist (lit. b), und die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist (lit. c), sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können (lit. d), und die nachziehende Person keine jährlichen Ergänzungsleistungen nach dem ELG bezieht wegen des Familiennachzugs beziehen könnte (lit. e). Sind die zeitlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug nach Artikel 85 Abs. 7 AIG erfüllt, muss das Gesuch um Einbezug in die vorläufige Aufnahme innerhalb von fünf Jahren eingereicht werden (Art. 74 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, VZAE, SR 142.201). Ein nachträglicher Familiennachzug kann nur bewilligt werden, wenn wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden (Art. 74 Abs. 4 Satz 1 VZAE). Die Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 7 lit. a bis e AIG gelten auch für Personen mit Aufenthaltsbewilligung (Art. 44 Abs. 1 lit. a bis e AIG).
3.1.3 Der Beschwerdeführer erwähnt in der Beschwerde zunächst, in der angefochtenen Verfügung seien die Voraussetzungen von Art. 44 AIG nicht angezweifelt worden. Dies trifft so nicht zu. Die Vorinstanz hat diese Voraussetzungen gar nicht geprüft und musste sie vom Ergebnis ihres Entscheides her auch gar nicht näher prüfen (vgl. nachfolgende Erwägungen).
3.1.4 Der Beschwerdeführer wurde am 7. Mai 2009 wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen. Die Frist für einen Familiennachzug begann daher im Mai 2012 zu laufen und endete im Mai 2017. Die Frist für den Familiennachzug der Ehefrau ist damit längst abgelaufen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer nun über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, denn die vorläufige Aufnahme wirkt sich auf die Fristen des Familiennachzugs aus, d.h. ein neues Gesuch setzt voraus, dass sowohl das erste als auch das zweite Gesuch innert Frist gestellt wurde (Urteil des Bundesgerichts 2D_43/2016 vom 23. November 2016, vgl. auch Urteile 2C_888/2011 E. 2.4 und 2.5 und 2C_948/2019 vom 27. April 2020 E. 2.3.2). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die geltende Frist nicht eingehalten zu haben. Zu prüfen ist, ob wichtige familiäre Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug gegeben sind.
3.2.1 Die Bundesverfassung (BV, SR 101) bzw. die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101) umfassen in Art. 13 Abs. 1 bzw. Art. 8 keinen vorbehaltslosen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt bzw. auf Wahl des von den Betroffenen gewünschten Wohnorts für die Familie. Soweit ein Bewilligungsanspruch besteht, gilt er nicht absolut: Liegt eine aufenthaltsbeendende -verweigernde Massnahme im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sich der Eingriff als zulässig, falls er gesetzlich vorgesehen ist (Art. 47 AIG) einem legitimen Zweck dient und sich in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig erweist (Verhältnismässigkeit).
Der Begriff der wichtigen familiären Gründe hat im Zusammenhang mit dem Nachzug des Ehepartners keine ausdrückliche Regelung in der VZAE gefunden. Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat gemäss dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben. Ein wichtiger familiärer Grund besteht etwa dann, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland beispielsweise wegen des Todes der Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle Alternative besteht, die dem Kindeswohl besser entspricht, weil dadurch vermieden wird, dass das Kind aus seiner bisherigen Umgebung und dem ihm vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird. Die Regelung des Familiennachzugs ist, wie aus der parlamentarischen Debatte hervorgeht, eine Kompromisslösung zwischen den konträren Anliegen, einerseits das Familienleben zu gestatten, und andererseits die Einwanderung zu begrenzen. Den Fristen in Art. 47 AIG kommt somit (auch) die Funktion zu, den Zuzug von ausländischen Personen zu steuern. Hierbei handelt es sich um ein legitimes staatliches Interesse, um im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK das Recht auf Familienleben beschränken zu können.
Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine Familie, die freiwillig jahrelang getrennt gelebt hat, dadurch ihr beschränktes Interesse an einem ortsgebundenen (gemeinsamen) Familienleben zum Ausdruck bringt; in einer Situation, in der die familiären Beziehungen während Jahren über die Grenzen hinweg besuchsweise und über die verschiedenen Kommunikationsmittel gelebt worden sind, überwiegt regelmässig das der ratio legis von Art. 47 Abs. 4 AIG zugrunde liegende legitime Interesse an der Einwanderungsbeschränkung, solange nicht objektive, nachvollziehbare Gründe, welche von den Betroffenen zu bezeichnen und zu rechtfertigen sind, etwas anderes nahelegen. Ob wichtige familiäre Gründe vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtsicht unter Berücksichtigung aller relevanten Elemente im Einzelfall zu entscheiden (zum Ganzen: Urteil 2C_948/2019 vom 27. April 2020 E. 3.2 f. mit Hinweisen; diese Rechtsprechung muss auch im Zusammenhang mit Art. 85 AIG i.V.m. Art. 74 VZAE zur Anwendung gelangen).
3.2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe zum Zeitpunkt, als er frühestens die Möglichkeit gehabt hätte, seine Ehefrau resp. seine Familie in die Schweiz nachzuziehen, nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt. Dieser Einwand erscheint zwar nachvollziehbar, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss ein Nachzugsbegehren im Rahmen von Art. 44 AIG aber auch dann rechtzeitig gestellt werden, wenn es zu diesem Zeitpunkt nur beschränkte Aussichten auf Erfolg hat. Der Umstand, dass es einem Ausländer nicht gelungen ist, rechtzeitig die Voraussetzungen für den Familiennachzug zu schaffen, stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG dar (Urteil 2C_948/2019 vom 27. April 2020 E. 2.3.4 und 3.4.1 mit Hinweisen; diese Rechtsprechung muss wie erwähnt auch für Nachzugsbegehren im Rahmen von Art. 85 AIG i.V.m. Art. 74 VZAE gelten).
Keinen wichtigen Grund kann auch darin erblickt werden, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau die Söhne nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reissen wollten. Dies ist zwar ebenfalls nachvollziehbar, es oblag aber ihrer Entscheidung, das Familienleben so zu gestalten und getrennt voneinander zu leben (das Asylgesuch war im Juli 2007 abgewiesen worden und eine Rückkehr nach […] war in den Jahren, in denen der Beschwerdeführer nun in der Schweiz lebt, wieder zumutbar). Ihre Wahl verpflichtet die Schweiz nicht, der Ehefrau des Beschwerdeführers, die keine näheren Beziehungen zum Land unterhält, den Nachzug ausserhalb der gesetzlichen Fristen zu gestatten (vgl. dazu wiederum das Urteil 2C_948/2019 vom 27. April 2020 E. 3.4.2). Insofern liegt der vorliegende Fall auch anders als derjenige, der dem Entscheid BGE 146 I 185 (übersetzt durch Dieter Müller in: Die Praxis 4/2021 Nr. 36) zugrunde lag. Dort war der Familiennachzug aufgrund einer wesentlichen Änderung der Umstände, nämlich des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers, verlangt worden.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Nachzug der Ehefrau mit erheblichen Integrationsschwierigkeiten verbunden wäre. Diese war noch nie in der Schweiz, spricht kein Deutsch und ist bereits 54-jährig. Es dürfte für sie daher mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein, sich in der Schweiz einzuleben und eine Arbeit zu finden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer inzwischen das Pensionsalter erreicht hat, weshalb sich auch seine finanzielle Situation in absehbarer Zeit ändern dürfte, wenn sie sich nicht schon verändert hat (vgl. dazu auch Urteil 2C_948/2019 E. 3.4.3).
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben ihre Beziehung während 15 Jahren über die lange Distanz zwischen [...] und der Schweiz gelebt. Es ist ihnen deshalb zumutbar, dies auch weiterhin zu tun. Ansonsten ist davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer zuzumuten wäre, nach [...] zurückzukehren und die Beziehung zu seiner Ehefrau dort zu pflegen (ferienhalber war er vom Februar bis März 2020 in [...] bei seiner Frau auf Besuch, A2 S. 43); dies auch wenn die Frage, ob anstelle eines Familiennachzugs die Rückkehr des Ausländers in seine Heimat verlangt werden kann, nicht Gegenstand einer Prüfung ist, ob die Voraussetzungen des Familiennachzugs erfüllt sind (146 I 185 resp. Praxis 4/2021 Nr. 36 E. 7.2).
3.2.3 Zusammenfassend liegt somit weder ein wichtiger familiärer Grund vor, der einen nachträglichen Familiennachzug rechtfertigen würde, noch ein Eingriff in Art. 8 EMRK. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und sie ist entsprechend abzuweisen.
4. Beim vorliegenden Verfahrensausgang gingen die Gerichtskosten von CHF 1'500.00 zu Lasten des Beschwerdeführers. Infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind sie vom Kanton zu tragen, unter dem Vorbehalt des Rückforderungsanspruchs des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272).
Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gehen sie zu Lasten des Kantons Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO). 3. Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Müller Ramseier
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