Zusammenfassung des Urteils VWBES.2022.101: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat in einem Verfahren bezüglich einer Aufsichtsbeschwerde / Ehevorbereitungsverfahren entschieden. B.___ und A.___ wollten heiraten, aber das Zivilstandsamt Thal-Gäu verlangte von A.___ zusätzliche Identitätsnachweise, die sie nicht vorlegen konnte. Trotz mehrerer Versuche und Beschwerden wurde das Ehevorbereitungsverfahren nicht eingeleitet. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass das Zivilstandsamt eine Rechtsverweigerung begangen hat, wies aber dennoch die Beschwerde teilweise ab. Die Kosten des Verfahrens wurden aufgeteilt, und die Beschwerdeführerin wurde zu einer reduzierten Parteientschädigung verurteilt. Das Bundesgericht trat nicht auf eine Beschwerde gegen das Urteil ein.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2022.101 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 04.10.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Zivilstandsamt; Gesuch; Verwaltung; Entscheid; Verfügung; Verwaltungsgericht; Verfahren; Identität; Rechtsverweigerung; Eheschliessung; Verfahrens; Gesuchs; Braut; Urteil; Thal-Gäu; Schweiz; Vorinstanz; Gesuchsteller; Brautleute; Ehevorbereitungsverfahren; Rechtsanwalt; Sankieme; Lusanga; Vorbereitung; E-Mail; Anspruch; Verlobte; Beschwerde |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 99 ZGB ; |
Referenz BGE: | 130 I 312; 130 II 521; |
Kommentar: | Markus Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren VwVG, Zürich, Art. 46 VwVG, 2008 |
Geschäftsnummer: | VWBES.2022.101 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 04.10.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2022.169 |
Titel: | Aufsichtsbeschwerde / Ehevorbereitungsverfahren |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 4. Oktober 2022 Es wirken mit: Oberrichter Thomann Oberrichterin Weber-Probst Gerichtsschreiberin Gottesman
In Sachen A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga, Beschwerdeführerin
gegen
1. Volkswirtschaftsdepartement, Beschwerdegegner
betreffend Aufsichtsbeschwerde / Ehevorbereitungsverfahren zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Am 9. Dezember 2019 sprach B.___ (geb. 1991) beim Zivilstandsamt Thal-Gäu vor, um sich zu erkundigen, welche Dokumente er und seine Verlobte, A.___ (geb. 1991), für eine Eheschliessung in der Schweiz bräuchten. B.___ wurde vom Zivilstandsamt eine Liste der notwendigen Dokumente zugestellt, welche von den Beschwerdeführern beizubringen seien, damit auf ihr Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung eingetreten werden könne.
2. Am 7. Oktober 2021 erschienen A.___ und B.___ zusammen mit ihrem Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga, auf dem Zivilstandsamt Thal-Gäu, um das Ehevorbereitungsverfahren einzuleiten. B.___ ebrachte gegenüber dem Zivilstandsamt mittels gültiger Dokumente sowohl den Identitäts-, den Wohnsitz- als auch den Aufenthaltsnachweis. A.___ habe dem Zivilstandsamt die massgebenden kongolesischen Zivilstandsdokumente in aktueller Ausführung vorgelegt (Geburtsurkunden, Zivilstandsnachweis, Staatsangehörigkeitsbescheinigung). Ihre Identität konnte sie indessen weder mit einem Reisepass noch mit dem blauen Reiseausweis für anerkannte Flüchtlinge nachweisen. Der Aufenthalt in der Schweiz von A.___ war damals noch bis zum 19. Oktober 2021 geregelt. Das Zivilstandsamt teilte den beiden Gesuchstellern und ihrem Rechtsvertreter vor Ort mündlich mit, man könne aus Gründen des fehlenden Identitätspapiers und dem ablaufenden Aufenthalt auf das Ehevorbereitungsgesuch nicht eintreten.
3. Am 8. Oktober 2021 stellte das Zivilstandsamt beim Staatssekretariat für Migration (SEM) den Antrag auf Einsicht in das Asyldossier von A.___. Den Asylunterlagen zufolge habe A.___ beim SEM weder einen Reisepass noch eine qualifizierte Identitätskarte hinterlegt.
4. B.___ wurde am 12. November 2021 seitens des Zivilstandsamtes telefonisch mitgeteilt, dass für die Einleitung des Ehevorbereitungsverfahrens – auch wenn die Migrationsbehörde in der Zwischenzeit den Aufenthalt verlängert habe – A.___ ihre Identität mittels Identifikationsdokument belegen müsse.
5. Mit E-Mail vom 15. November 2021 gelangte Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga im Namen von A.___ und B.___ an das Zivilstandsamt und bemängelte darin den übermässigen Formalismus und die Verzögerung im Zusammenhang mit der Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens. Er forderte das Zivilstandsamt auf, die verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien einzuhalten und die Situation so schnell wie möglich zu klären. Es seien konkrete Massnahmen zu ergreifen, sonst werde er bei der zuständigen Behörde gegebenenfalls eine «Klage» wegen Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung einreichen.
6. Am 16. November 2021 nahm das Zivilstandsamt ebenfalls auf elektronischem Weg Stellung zum E-Mail von Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga und wies unter anderem daraufhin, dass im jetzigen Zeitpunkt noch das Identitätspapier und der Wohnsitzausweis von A.___ fehlten. Aus diesem Grund habe man auf das Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung nicht eintreten können – dies habe man mündlich mitgeteilt. Bei Vorliegen aller Unterlagen würden sie auf das Gesuch eintreten.
7. Mit E-Mail vom 19. November 2021 erhoben A.___ und C.___, v.d. Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga, Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen gegen das Zivilstandsamt Thal-Gäu wegen formeller Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung, weil sich das Zivilstandsamt weigere, das Datum der Eheschliessung festzulegen bzw. einen formellen Entscheid mit Rekursmöglichkeit zu fällen. Die Angelegenheit sei an das Zivilstandsamt zurückzuweisen, damit dieses ein Datum für die Eheschliessung festlege eine Verfügung erlasse. A.___ habe während ihres Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz und ihre Identität sei nicht umstritten.
8. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 1. Dezember 2021 stellte die Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen fest, dass die elektronische Beschwerde vom 19. November 2021 im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht möglich sei und den formalen Anforderungen einer Beschwerde nicht genüge. Die Vertretungsrechte müssten zudem nachgewiesen sein.
9. Nach Eingang der den Formerfordernissen entsprechenden Beschwerde und der Vernehmlassung des Zivilstandsamtes Thal-Gäu wies das Volkswirtschaftsdepartement die Beschwerde mit Entscheid vom 25. Februar 2022 ab und auferlegte die Verfahrenskosten von CHF 600.00 A.___ und B.___.
10. Gegen diesen Entscheid gelangte A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin genannt), vertreten durch Rechtsanwalt Ange Sankieme Lusanga, an das Verwaltungsgericht und beantragte, die vorliegende «Klage» sei für zulässig zu erklären, der Entscheid vom 25. Februar 2022 sei für nichtig zu erklären und von Amtes wegen die Eheschliessung anzuordnen, alle anderen widersprechenden gegenteilige Anträge seien abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
11. Das Zivilstandsamt Thal-Gäu äusserte sich mit Eingabe vom 24. März 2022 zur Beschwerde.
12. Das Volkswirtschaftsdepartement schloss am 28. März 2022 auf Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge.
13. Für die weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich, ist im Folgenden darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 19 Abs. 2 Verordnung über den Zivilstandsdienst [VZD; BGS 212.11] i.V.m. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz [GO, BGS 125.12]). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Das Verbot der Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung ergibt sich als Teilgehalt aus der Verfahrensgarantie von Art. 29 Abs. 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101). Danach hat jede Person vor Gerichts- und Verfahrensinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist (sog. Beschleunigungsgebot).
Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde sich weigert, eine Verfügung zu erlassen, obwohl sie dazu aufgrund der einschlägigen Rechtsnormen verpflichtet wäre. Rechtsverzögerung ist eine abgeschwächte Form; sie ist anzunehmen, wenn behördliches Handeln zwar nicht grundsätzlich infrage steht, aber nicht binnen gesetzlicher - falls eine solche fehlt - angemessener Frist erfolgt, und für das «Verschleppen» keine objektive Rechtfertigung vorliegt. Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen. In Betracht zu ziehen sind namentlich die Komplexität der Sache, die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen, dessen Verhalten, und schliesslich auch einzelfallspezifische Entscheidungsabläufe (vgl. zum Ganzen BGE 130 I 312 E. 5.1 und 5; Markus Müller, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG), Zürich 2008, Rz. 6 zu Art. 46a). Gemäss § 18 Abs. 2 Verfassung des Kantons Solothurn (KV, BGS 111.1) haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Behörden und Verwaltung und auf einen begründeten Entscheid innert angemessener Frist.
3. Ob das Verhalten des Zivilstandsamtes eine Rechtsverweigerung darstellt, hängt demnach davon ab, ob ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Erlass einer Verfügung besteht. Eine Verfügung ist Voraussetzung dafür, dass sie ihre Parteistellung wirksam geltend machen kann (vgl. § 11bis Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11]) und berechtigt ist, einen negativen Entscheid anzufechten (Beschwerdebefugnis; § 12 Abs. 1 VRG). Das gilt sowohl für Leistungs- und Gestaltungsverfügungen als auch für Feststellungsverfügungen (vgl. Urteil des VGer BE VGE 100.202016.163 vom 8. August 2017 in BVR 2018 S. 310 ff.).
4. Die Vorinstanz führte im angefochtenen Entscheid namentlich aus, zum Anlass für die vorgebrachte Rüge der Rechtsverweigerung würden die Gesuchsteller das nicht ihrem Sinn entsprechende Agieren des Zivilstandsamtes auf ihr elektronisches Schreiben vom 15. November 2021 nehmen. Die Zivilstandsbeamtin habe die Gesuchsteller am 16. November 2021 via E-Mail kontaktiert. Im E-Mail habe sie chronologisch aufgelistet, welche Beratungen ihrerseits erfolgt seien, welche zivilstandesamtlichen Handlung sie vorgenommen habe und welche Dokumente für die definitive Entgegennahme und Prüfung des Gesuchs um Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens fehlten. Von einem mehrmonatigen Schweigen gar einem Untätigsein der Zivilstandsbeamtin und einem unfairen Verfahren könne nicht die Rede sein. Vielmehr habe die Zivilstandsbeamtin stets, das heisst seit der ersten Kontaktaufnahme Ende 2019, in der Angelegenheit der Gesuchsteller zeitnah agiert. Es liege noch kein vollständiges Gesuch vor. Wenn das Zivilstandsamt bei dieser Ausgangslage keinen Trautermin zusichere, könne dies dem Amt weder als übermässiger Formalismus noch als Rechtsverweigerung ausgelegt werden. Die ehewilligen Gesuchsteller seien gehalten mitzuwirken; das heisse, sie seien in Eigenregie für die Beschaffung ihrer Identitäts- und Personenstandsurkunden beziehungsweise des Nachweises der Unmöglichkeit verantwortlich. Somit liege die Ursache, dass das Zivilstandsamt den Gesuchstellern keinen definitiven Ehetermin erteile, bei den Gesuchstellern selbst. Diese befänden sich im Irrtum, wenn sie davon ausgingen, dass sie vor mehreren Monaten ordnungsgemäss ein Gesuch auf Eheschliessung beim Zivilstandsamt eingereicht hätten.
Das Zivilstandsamt sei nach einem Beratungsgespräch im Zusammenhang mit einer Eheschliessung, bei welchem sich herausstelle, dass die Eheunterlagen unvollständig seien, nicht gehalten, darauf einzutreten, beziehungsweise wie es die Gesuchsteller darlegten, wegen Nichteintretens eine beschwerdefähige Verfügung zu erlassen. Das Gesetz kodifiziere in diesem beratenden Vorverfahrensstadium – im Gegensatz zu Art. 67 Abs. 4 Zivilstandsverordnung (ZStV, SR 211.112.2) – den Brautleuten keinen allgemeinen Anspruch auf eine Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung. Es genüge die mündliche, allenfalls schriftliche Information und Instruktion. Die Zivilstandsbeamtin könne in dieser Situation nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die Verlobten mitwirkten und die fehlenden Unterlagen nachreichten. Seien die Verlobten mit der Weigerung, auf das Gesuch um Durchführung des Vorbereitungsverfahrens einzutreten, nicht einverstanden, sei diese Haltung von ihnen schriftlich darzulegen und explizit der Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung zu verlangen.
5. Zur Vorbereitung der Eheschliessung stellen die Verlobten das Gesuch um Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens beim Zivilstandsamt des Wohnortes der Braut des Bräutigams (Art. 98 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB, SR 210]). Art. 99 ZGB legt fest, was das Zivilstandsamt zu prüfen hat. U.a. hat es – wie bei der Vorbereitung jeder anderen Beurkundung – abzuklären, ob seine Zuständigkeit gegeben ist, die Identität der Verlobten nachgewiesen ist (Art. 99 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB) und diese handlungsfähig sind, und ob die im System abrufbaren Daten und die zu beurkundenden Angaben richtig, vollständig und auf dem neusten Stand sind (siehe auch Art. 66 Abs. 1 Zivilstandsverordnung [ZStV, SR 211.112.2] i.V.m. Art. 16 Abs. 1 ZStV). Auf das Gesuch um Durchführung des Vorbereitungsverfahrens ist nicht einzutreten, solange die Identität der des Verlobten nicht feststeht (Michel Montini/Cora Graf-Gaiser in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage, Basel 2018, Art. 99 ZGB N 1 mit Hinweis).
6. Die Information und die rechtlichen Ausführungen im Vorbereitungsverfahren zur Eheschliessung und Trauung erfolgen laut GER 4/2012 E. 2.10 zum grössten Teil mündlich zwischen dem Zivilstandsbeamten bzw. der Zivilstandsbeamtin und den Brautleuten. Des Weiteren haben die Brautleute gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a ZStV eine Mitwirkungspflicht. Nichtsdestotrotz hätte das Zivilstandsamt das Gesuch der Brautleute, dessen Erledigung klar in seine Kompetenz fällt, behandeln müssen. Dies entspricht im Übrigen auch der Praxis des Zivilstandsamtes selbst (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn VWBES.2019.77 vom 15. Juli 2019 sowie GER 4/2012). Der Rechtsvertreter der Brautleute ersuchte mit E-Mail vom 15. November 2021 – wenn auch mit dem Einsatz einer Übersetzungshilfe – zumindest sinngemäss um den Erlass einer begründeten Verfügung. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz erweist sich als aktenwidrig. Der Unmut der Beschwerdeführerin ist jedenfalls in gewisser Weise verständlich. Das Zivilstandsamt brachte in seinem E-Mail vom 16. November 2021 zum Ausdruck, dass es aufgrund der nicht vorhandenen Unterlagen auf das Gesuch der Brautleute nicht eintreten bzw. diesem nicht entsprechen könne, ging aber (noch) nicht von einem Anspruch auf Erlass einer Verfügung aus. Entgegen dem, was die Vorinstanzen anzunehmen scheinen, handelt es sich vorliegend um einen individuell-konkreten Hoheitsakt, dem die Rechtsnatur einer Verfügung zukommen muss und der in der entsprechenden Form zu ergehen hat. Besteht nach Auffassung einer Behörde kein Anspruch auf Beurteilung im Rahmen einer materiellen Verfügung, so hat die Behörde eine Nichteintretensverfügung zu erlassen und ihre Auffassung darin zu begründen (vgl. dazu René Wiederkehr/Kaspar Plüss, Praxis des öffentlichen Verwaltungsrechts, Bern 2020, N 57 mit Hinweis auf BGE 130 II 521 E 2.5). Sodann argumentiert die Vorinstanz auch widersprüchlich, wenn sie einerseits davon ausgeht, es bestehe kein Anspruch auf Erlass einer Verfügung und andererseits unter Verweis auf das Interesse der Brautleute schliesslich beurteilt, ob von diesen ein Reisepass ein Schweizer Reiseausweis für anerkannte Flüchtlinge zwecks Feststellung ihrer Identität verlangt werden dürfe.
7. Dem Zivilstandsamt ist nach dem Gesagten Rechtsverweigerung vorzuwerfen, indem es über das Gesuch der Brautleute nicht mittels Verfügung befunden hat. Die Beschwerde ist daher teilweise gutzuheissen und die Rechtsverweigerung im Dispositiv des vorliegenden Urteils festzustellen. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, würde eine Rückweisung an das Zivilstandsamt bei der vorliegenden Sachlage indes zu einem prozessualen Leerlauf führen.
8. Die Vorinstanz hat den Entscheid in der Sache selbst vorweggenommen. Die Auffassung der Vorinstanz entspricht der Praxis des hiesigen Verwaltungsgerichts (VWBES.2019.77 vom 15. Juli 2019 und VWBES.2021.80 vom 13. Juli 2021). Im Urteil VWBES.2021.80 vom 13. Juli 2021 wird festgehalten, dass für den dort geforderten Reisepass eine gesetzliche Grundlage existiere und sich die Forderung im Sinne der Registerwahrheit im öffentlichen Interesse und verhältnismässig erweise (vgl. insb. E. 7). Hier verhält es sich nicht anders. Es kann auf die entsprechenden umfangreichen Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (E. 2.7 ff. des angefochtenen Entscheids). Weshalb es der Beschwerdeführerin nicht möglich und zumutbar sein sollte, bei ihrer Heimatvertretung einen Passantrag zu stellen – zumal sie über beglaubigte Personenstandsurkunden aus dem Kongo verfügt – ist weder ersichtlich noch rechtsgenüglich dargetan. Damit erweisen sich die Rügen der Beschwerdeführerin in der Sache selbst als unbegründet. Die Beschwerde ist in dieser Hinsicht abzuweisen.
9.1 Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht sind einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1‘500.00 festzusetzen. Laut § 77 VRG werden die Prozesskosten in sinngemässer Anwendung der Artikel 106 -109 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) auferlegt. Nach Art. 106 ZPO werden die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt (Abs. 1). Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Abs. 2).
9.2 Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde insoweit als teilweise begründet, als festzustellen ist, dass das Zivilstandsamt Thal-Gäu eine Rechtsverweigerung begangen hat. Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Anträgen etwa zur Hälfte durchgedrungen, zumal sie vor Verwaltungsgericht auch einen Entscheid in der Sache verlangt. Die Kosten des Verfahrens sind daher je zur Hälfte der Beschwerdeführerin und dem Kanton Solothurn aufzuerlegen. Die Verfahrenskosten der Vorinstanz von CHF 600.00 sowie diejenigen vor Verwaltungsgericht (CHF 1’500.00) sind nach dem Gesagten im Umfang von CHF 1’050.00 von der Beschwerdeführerin zu tragen; die restlichen Kosten trägt der Kanton Solothurn.
9.3 Wegen des teilweisen Obsiegens der Beschwerdeführerin ist ihr eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten. Rechtsanwalt Sankieme Lusanga macht eine Entschädigung von total CHF 3’500.00 (22 Stunden à CHF 150.00 + CHF 200.00 Auslagen) geltend. Die einzelnen Aufwandpositionen werden nicht ausgewiesen. Da die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben umfangreiche allgemeine rechtliche Ausführungen zur Sache macht, ist die Honorarforderung entsprechend zu kürzen und auf pauschal CHF 2'800.00 (inkl. Auslagen) festzulegen. Diese Parteientschädigung ist ausgangsgemäss auf die Hälfte, d.h. auf CHF 1'400.00 zu reduzieren und dem Kanton Solothurn aufzuerlegen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen: Es wird festgestellt, dass das Zivilstandsamt Thal-Gäu eine Rechtsverweigerung begangen hat. 2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 3. Die Beschwerdeführerin hat an die Verfahrenskosten vor dem Volkswirtschaftsdepartement CHF 300.00 und vor dem Verwaltungsgericht CHF 750.00 zu zahlen. 4. Der Kanton Solothurn hat A.___ für die Verfahren vor dem Volkswirtschaftsdepartement und dem Verwaltungsgericht insgesamt eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 1'400.00 (inkl. Auslagen) auszurichten.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Gottesman
Auf eine gegen das vorliegende Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 5A_829/2022 vom 31. Oktober 2022 nicht ein. |
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