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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2021.318)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2021.318: Verwaltungsgericht

A.___ aus Libyen reiste in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, das abgelehnt wurde. Nach einem Ladendiebstahl wurde er inhaftiert und sollte nach Spanien ausgewiesen werden, verweigerte jedoch die Ausreise und den Coronatest. Das Migrationsamt ordnete daraufhin Durchsetzungshaft an, die vom Haftgericht bestätigt wurde. A.___ reichte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da die Haft als verhältnismässig erachtet wurde. Die Durchsetzungshaft kann maximal einen Monat dauern und wurde in diesem Fall genehmigt. Der Beschwerdeführer kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht Beschwerde einreichen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.318

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2021.318
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2021.318 vom 12.08.2021 (SO)
Datum:12.08.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Ausreise; Durchsetzungshaft; Spanien; Vollzug; Wegweisung; Verwaltungsgericht; Migration; Entscheid; Corona; Beschwerde; Anordnung; Urteil; Migrationsamt; Verhalten; Frist; Bundesgericht; Haftgericht; Person; Bundesgerichts; -Test; Schweiz; Coronatest; Ausreisepflicht
Rechtsnorm: Art. 78 AIG ;
Referenz BGE:130 II 56;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.318

 
Geschäftsnummer: VWBES.2021.318
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 12.08.2021 
FindInfo-Nummer: O_VW.2021.167
Titel: Anordnung Durchsetzungshaft

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 12. August 2021      

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Frey

Oberrichter Müller 

Gerichtsschreiber Schaad   

 

In Sachen

A.___    

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

 

1.    Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,    

 

2.    Haftgericht,   

 

Beschwerdegegner

 

 

betreffend     Anordnung Durchsetzungshaft


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

 

I.

 

1. A.___ (geboren am [...] 1986, aus Libyen) reiste am 28. März 2021 in die Schweiz ein und stellte am Folgetag ein Asylgesuch. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) trat auf das Begehren nicht ein und wies ihn nach Spanien weg (Dublin-Verfahren). Der Entscheid vom 21. April 2021 ist rechtskräftig. Die Ausreisefrist endete am 5. Mai 2021. Auf ein (neues) Asylgesuch vom 17. Mai 2021 trat das SEM nicht ein.

 

2. Am 24. Juni 2021 wurde A.___ nach einem Ladendiebstahl angehalten und dem Migrationsamt des Kantons Solothurn überstellt, das am 28. Juni die Haft im Rahmen des Dublin-Abkommens bis am 5. August 2021 anordnete. Zunächst wurde A.___ vom Untersuchungsgefängnis Solothurn ins Gefängnis Bässlergut, Basel verlegt. Die Effekten, nach denen A.___ verlangt hatte, fanden sich im Asylzentrum nicht. Er gab in der Folge an, er werde ohne seine Effekten nicht nach Spanien ausreisen und verweigerte den für die Reise notwendigen Coronatest. Der Flug nach Madrid musste annulliert werden. In der Folge erklärte er, er sei bereit, sich gegen Corona impfen zu lassen und unterzeichnete eine Freiwilligkeitserklärung zur Ausreise nach Spanien. Am 17. Juli 2021 teilte er dem Vertreter des MISA jedoch mit, er wolle nicht ausreisen. Schicke man ihn nach Libyen, sei dies in Ordnung. Er gehe jedoch auf keinen Fall nach Spanien. Daraufhin verweigerte er am 26. Juli 2021 den Coronatest neuerlich, weshalb das MISA den Rückflug nach Madrid ein zweites Mal annullieren musste.

 

2. Bereits am 22. Juli 2021 wurde A.___ das rechtliche Gehör zur in Aussicht genommenen Durchsetzungshaft gewährt. Er verlangte, gesundgepflegt zu werden, dann werde er ausreisen. Mit Verfügung vom 3. August 2021 ordnete das Migrationsamt die Durchsetzungshaft vom 6. August 2021 bis zum 5. September 2021 an.

 

3. Das Haftgericht erwog namentlich Folgendes: A.___ sei vom SEM nach Spanien weggewiesen worden. Er könne umgehend nach Spanien ausreisen, sofern er sich einem Coronatest unterziehe. Bereits zweimal sei ein Flug für ihn gebucht worden, der nach der Verweigerung des Corona-Tests wieder habe annulliert werden müssen. Es liege ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vor, A.___ habe seine Ausreisepflicht nicht erfüllt. Der Vollzug der Wegweisung scheitere allein am Verhalten von A.___. Die Voraussetzungen von Art. 78 AIG seien damit erfüllt und Durchsetzungshaft könne grundsätzlich angeordnet werden.

 

Eine mildere Massnahme zur Sicherstellung des Vollzugs der Wegweisung sei nicht ersichtlich. Die familiären Verhältnisse ergäben keine Anhaltspunkte, die gegen eine Haftanordnung sprächen. Die Haftbedingungen seien nicht beanstandet worden. A.___ mache auch nicht geltend, er sei nicht hafterstehungsfähig. Eine Behandlung könne auch in Spanien gewährleistet werden. Der Arzt habe ihn als reisefähig bezeichnet. Insgesamt seien keine Gründe ersichtlich, welche die angeordnete Haft als unverhältnismässig erscheinen liessen.

 

Gemäss Art. 78 Abs. 2 AIG könne die Durchsetzungshaft erstmals für maximal einen Monat angeordnet werden. Danach könne sie mit Zustimmung des Haftgerichts um jeweils zwei Monate verlängert werden. Die angeordnete Dauer sei nicht zu beanstanden.

 

Es lägen keine Anzeichen dafür vor, dass das Migrationsamt dem Beschleunigungsgebot nicht ausreichend Beachtung geschenkt hätte. Die Haft wurde mit Entscheid vom 4. August 2021 genehmigt.

 

4. Mit Eingabe vom 11. August 2021 wandte sich der Beschwerdeführer an das Verwaltungsgericht und beantragte in italienischer Sprache, der Entscheid sei zu kassieren und die angeordnete Haft von einem Monat sei aufzuheben.

 

Das Migrationsamt schloss auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Auf eine Vernehmlassung wurde verzichtet.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1 Hat eine Person ihre Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der ihr angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- Ausweisung die rechtskräftige Landesverweisung nach Art. 66a 66abis Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) Art. 49a 49abis Militärstrafgesetz (MStG, SR 321.0) aufgrund ihres persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so kann sie, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in Haft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist und eine andere, mildere Massnahme nicht zum Ziel führt (Art. 78 Abs. 1 Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20). Die Haft wird beendet, wenn eine selbständige und pflichtgemässe Ausreise nicht möglich ist, obwohl die betroffene Person den behördlich vorgegebenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist (Art. 78 Abs. 6 lit. a AIG; Urteil des Bundesgerichts 2C_408/2020).  

 

2.2. Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- Ausweisung ohne ihre Kooperation nicht (mehr) möglich erscheint.

 

2.3 Die Haft ist unverhältnismässig, wenn triftige Gründe für Verzögerungen beim Vollzug der Wegweisung sprechen praktisch feststeht, dass sich dieser im Einzelfall kaum innert nützlicher Frist wird realisieren lassen (BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 61). Nur falls keine bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung zu vollziehen, ist die Haft zu beenden. (BGE 130 II 56).

 

2.4 Der Vollzug der Wegweisung ist während der Corona-Pandemie nur dann innert absehbarer Frist möglich und durchführbar, wenn ernsthaft Aussicht auf Vollzug der Wegweisung, bzw. die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise besteht. Entscheidend ist dabei, ob die Ausreise «objektiv» möglich erscheint. Es liegt keine relevante Unmöglichkeit vor, falls die betroffene Person  freiwillig ausreisen kann, d.h. diesbezüglich keine technischen Hindernisse bestehen; ebenso verhält es sich, wenn die zwangsweise Ausschaffung ausgeschlossen ist, sich eine freiwillige Ausreise aber technisch als möglich erweist; die Durchsetzungshaft ist dann untauglich, wenn sich sowohl die Ausschaffung als auch die freiwillige Ausreise objektiv als unmöglich erweisen (Urteil 2C_35/2021 des Bundesgerichts vom 10. Februar 2021 E. 2.2.4 mit Hinweis). 

 

Eine freiwillige Ausreise nach Spanien ist derzeit möglich, auch wenn die dortigen Behörden - wie andere Staaten auch - für die Einreise ein COVID-Zertifikat einen COVID-19-Test voraussetzen (siehe etwa https://www.tcs.ch/de/camping-reisen/reiseinformationen/laenderinfos/spanien.php#anchor_96a7328f_Accordion-reiseinfo_detail_vorbereitung, zuletzt abgerufen am 12. August 2021). Weitere Hindernisse bestehen nicht. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, «insbesondere» Ausweispapiere zu beschaffen an der Beschaffung mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht umfasst alle Vorkehrungen, die ein Staat zur Einreise voraussetzt, aufgrund der pandemischen Lage auch einen Covid-Test. Ein solcher Test kann zwar unangenehm sein, hat aber keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit und ist schnell erledigt. Würde der Beschwerdeführer sich dem Test unterziehen, könnte er umgehend ausreisen. Ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid liegt vor, der Beschwerdeführer erfüllt seine Ausreisepflicht nicht und der Vollzug der Ausreise scheitert einzig am Verhalten des Beschwerdeführers. Objektiv wäre die Ausreise – mit negativem Covid-19-Test - jederzeit möglich. Damit sind die Voraussetzungen für die Anordnung der Durchsetzungshaft grundsätzlich erfüllt. Für den Beschwerdeführer war denn auch absehbar, welche Konsequenzen seine Weigerung haben könnte, nämlich die Anordnung der Durchsetzungshaft (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 2C_35/2021 vom 10. Februar 2021).

 

3. Zu prüfen bleibt, ob aus Verhältnismässigkeitsgründen von der Haft abzusehen wäre. Beim Beschwerdeführer besteht offenbar der Verdacht auf eine Abhängigkeit von Benzodiazepinen. Wegen Nieren- und Harnsteinen wurde er am 21. April 2021 im Unispital Basel operiert. Es wurde eine nephrologische bzw. urologische Nachkontrolle empfohlen. Bei der Befragung im Asylzentrum wurde er am 5. Mai 2021 als gesund bezeichnet. Er kann sowohl hier im Gefängnis als auch in Spanien behandelt werden und ist reisefähig (Befundbericht, AS 99). Eine mildere Massnahme zur Sicherstellung des Vollzugs ist aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Insgesamt ist dem Haftgericht darin zuzustimmen, dass keine Gründe erkennbar sind, welche die Haft als unverhältnismässig erscheinen lassen würden.

 

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Kosten sind keine zu erheben.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es werden keine Kosten erhoben.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Scherrer Reber                                                                 Schaad

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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