E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2021.240)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2021.240: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entschied am 13. September 2021 über die Aufhebung der Beistandschaft für A.___ und die Erweiterung der Beistandschaft für die Bereiche `Wohn- und Betreuungssituation`. Die Beschwerdeführerinnen, vertreten durch Advokat Matthias Koller, forderten die Aufhebung der Beistandschaft und einen Wechsel der Beistandsperson. Das Gericht wies die Beschwerde ab und entschied, dass die Erweiterung der Beistandschaft gerechtfertigt sei. Die Kosten des Verfahrens von CHF 1'000,-- wurden den Beschwerdeführerinnen auferlegt. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde ebenfalls abgelehnt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.240

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2021.240
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2021.240 vom 13.09.2021 (SO)
Datum:13.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beistand; Beistands; Beistandschaft; Entscheid; Antrag; Betreuung; Beschwerdeführerin; Betreuungssituation; «Wohn; Betreuungssituation»; Beschwerdeführerinnen; Verwaltungsgericht; Aufhebung; Olten-Gösgen; Erwachsenenschutzbehörde; Beistandsperson; Vertretung; Vertretungsbeistandschaft; Verfahren; Stellung; Familie; Kompetenz; Massnahme; Gehör; Erweiterung; Stellungnahme; Kindes; Ausführungen; ässig
Rechtsnorm: Art. 389 ZGB ;Art. 390 ZGB ;Art. 391 ZGB ;Art. 394 ZGB ;Art. 395 ZGB ;Art. 450 ZGB ;Art. 450a ZGB ;Art. 450b ZGB ;Art. 450f ZGB ;Art. 56 ZPO ;
Referenz BGE:105 II 149; 119 Ia 264; 125 V 32; 137 III 617;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.240

 
Geschäftsnummer: VWBES.2021.240
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 13.09.2021 
FindInfo-Nummer: O_VW.2021.195
Titel: Aufhebung Beistandschaft

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

Urteil vom 13. September 2021     

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Werner

Rechtspraktikantin Kohler

In Sachen

1.    A.___    

2.    B.___   

 

beide hier vertreten durch Advokat Matthias Koller

 

Beschwerdeführerinnen

 

 

 

gegen

 

 

 

KESB Olten-Gösgen,    

 

Beschwerdegegnerin

 

 

betreffend     Aufhebung Beistandschaft


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Für A.___ (geb. am [...], nachfolgend: Beschwerdeführerin 1) besteht gestützt auf Art. 394 i.V.m. Art. 395 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) seit dem 1. September 2011 eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung. Beistand ist C.___ von der Sozialregion Unteres Niederamt SRUN (nachfolgend: Beistand).

 

2. Am 16. April 2021 hat der Beistand bei der KESB Olten-Gösgen den Bericht und die Rechnung für die Periode vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2020 zur Genehmigung eingereicht und gleichzeitig den Antrag gestellt, die bestehende Vertretungsbeistandschaft für die Bereiche «Wohn- und Betreuungssituation» zu erweitern.

 

3. Mit Schreiben vom 5. Mai 2021 wurde der Beschwerdeführerin 1 das rechtliche Gehör betreffend Erweiterung der Beistandschaft gewährt.

 

4. Am 18. Mai 2021 liess die Beschwerdeführerin 1 der KESB Olten-Gösgen eine schriftliche Stellungnahme zukommen, in welcher sie unter anderem sinngemäss den Antrag stellte, die Beistandschaft sei aufzuheben.

 

5. Mit Entscheid vom 2. Juni 2021 lehnte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen den Antrag der Beschwerdeführerin 1 auf Aufhebung der Beistandschaft ab und übertrug dem Beistand die zusätzliche Aufgabe, stets für eine geeignete «Wohn- und Betreuungssituation» besorgt zu sein und die Beschwerdeführerin 1 bei allen in diesem Zusammenhang erforderlichen Handlungen bei Bedarf umfassend zu vertreten.

 

6. Dagegen erhob B.___, Mutter der Beschwerdeführerin 1, (nachfolgend: Beschwerdeführerin 2), am 24. Juni 2021 Beschwerde bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen und verlangte die Aufhebung der Beistandschaft ihrer Tochter mit sofortiger Wirkung sowie die «Einschaltung eines unabhängigen Anwalts, der sich um die Angelegenheit im Interesse von A.___ kümmert». Die Beschwerde wurde zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht weitergeleitet.

 

7. Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 gelangte die Beschwerdeführerin 2, nun gemeinsam mit der Beschwerdeführerin 1 und anwaltlich vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Koller, an das Verwaltungsgericht und erhob Beschwerde. Folgende Rechtsbegehren wurden gestellt.

1.    Es seien die Ziffer 3.2. und Ziffer 3.4. des Entscheides der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen vom 2. Juni 2021 aufzuheben.

2.    Es sei in Abänderung der Ziffer 3.2. des Entscheides der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen vom 2. Juni 2021 die bestehende Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 ZGB i.V.m. Art. 395 ZGB für Frau A.___ auf D.___ zu übertragen.

3.    Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung der Ziffer 3.2. des Entscheides der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen vom 2. Juni 2021 an die Vorinstanz zurückzuweisen, wobei die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen anzuweisen sei, die bestehende Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 ZGB i.V.m. Art. 395 ZGB für Frau A.___ auf D.___ zu übertragen mindestens einen Wechsel der Beistandschaft auf eine andere geeignete Person zu prüfen.

4.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolge für das vorinstanzliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren.

Prozessual wurde unter anderem die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt.

 

8. Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 (Postaufgabe) nahm der Beistand Stellung zur Beschwerde.

 

9. Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 reichte Rechtsanwalt Koller für die Beschwerdeführerin 2 die Gesuchsunterlagen zur Erlangung der unentgeltlichen Rechtspflege ein und teilte mit, die Akteneinsicht habe gezeigt, dass die Beschwerdeführerin 1 nicht bedürftig sei, weshalb für ihren Anteil ein Kostenvorschuss bezahlt wurde.

 

10. Die KESB Region Solothurn (nachfolgend Beschwerdegegnerin) schloss mit Vernehmlassung vom 28. Juli 2020 auf Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführerinnen.

 

11. Mit Verfügung vom 29. Juli 2021 wurde sämtlichen Parteien die Gelegenheit geboten, allfällige Bemerkungen bis zum 19. August 2021 einzureichen. Diese Gelegenheit wurde vom Beistand mit Schreiben vom 17. August 2021 und von den Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 19. August 2021 genutzt.

 

 

II.

 

1.1 Gemäss Art. 450 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) i.V.m. § 130 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum ZGB (EG ZGB, BGS 211.1) kann gegen Entscheide der Erwachsenenschutzbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist beim Gericht schriftlich und begründet einzureichen (Art. 450 Abs. 3 ZGB). Die Beschwerdefrist beträgt dreissig Tage seit Mitteilung des Entscheids (Art. 450b Abs. 1 ZGB). Dabei steht es dem Rechtssuchenden frei, seine in einer ersten Eingabe geäusserte Rechtsauffassung während der laufenden Beschwerdefrist mit Ergänzungen Verbesserungen zu untermauern, solange er sich dabei an den von Art. 450b ZGB gesetzten Rahmen hält. Subsidiär gelten gemäss Art. 450f ZGB die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272), soweit die Kantone nichts anderes bestimmen.

 

1.2 Die Beschwerdeführerin 1 ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert, ebenso die Beschwerdeführerin 2 in ihrer Funktion als Mutter und Bezugsperson (Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB). Beide Beschwerden wurden frist- und formgerecht erhoben.

 

1.3 Mit Beschwerde kann eine Rechtsverletzung, die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts Unangemessenheit geltend gemacht werden (Art. 450a Abs. 1 ZGB). Vorliegend wurden alle Beschwerdegründe gemäss Art. 450a Abs. 1 ZGB in der Beschwerde hervorgebracht. Die Beschwerdeführerinnen haben dabei im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid falsch sei und deshalb abgeändert werden müsse. Auf die Beschwerde ist damit grundsätzlich einzutreten.

 

2.1 Die Beschwerde dreht sich zunächst um den Vorwurf einer Gehörsverletzung bzw. der unrichtigen Feststellung des Sachverhalts durch die Annahme, der Antrag der Beschwerdeführerin 1 beinhalte lediglich die Aufhebung der Beistandschaft und nicht auch den eines Wechsels der Beistandsperson.

 

2.2.1 Die Beschwerdeführerinnen führen in ihrer Beschwerde im Wesentlichen aus, die Beschwerdegegnerin verletze das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin 1, wenn sie aus deren Stellungnahme lediglich den Antrag auf Aufhebung der Beistandschaft herauslese. Aus der Stellungnahme sei ersichtlich, dass es der Beschwerdeführerin 1 primär darum gehe, dass sie sich mit dem bestehenden Beistand, C.___, nicht wohl fühle und sie mindestens einen Wechsel der Beistandsperson wünsche. Indem die Beschwerdegegnerin diesen Antrag nicht geprüft habe, verletze sie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin 1. Des Weiteren sei von der Beschwerdegegnerin der Sachverhalt unvollständig festgestellt worden, indem die Beschwerdeführerin 1 nicht gefragt worden sei, weshalb sie mit der bestehenden Beistandsperson unzufrieden sei und vor allem, wen sie sich als Beistandsperson wünsche und vorstellen könne. Das Gesetz sehe die Möglichkeit vor, dass Frau D.___ und Herr E.___ die Beistandschaft gemeinsam bewerkstelligten. Ein Interessenskonflikt liege in casu nicht vor.

 

2.2.2 In ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2021 führte die Beschwerdegegnerin dagegen aus, sie habe die im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs von A.___ eingegangene Stellungnahme vom 18. Mai 2021 ohne weiteres wortgetreu und ausschliesslich als Antrag auf Aufhebung der Beistandschaft entgegennehmen dürfen. Der Interpretation der Beschwerdeführerin, dass darüber hinaus sinngemäss eventualiter ein Beistandswechsel beantragt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Die von der Beschwerdeführerin monierte Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sei somit nicht gegeben. Nach Auffassung der KESB sei der erstmalig im Rahmen der Beschwerde erfolgte Antrag auf einen Wechsel der Beistandsperson deshalb auch nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht zu behandeln, sondern sei stattdessen in einem separaten Verfahren zunächst von der KESB zu prüfen.

 

2.3 Erklärungen der Parteien im Rahmen eines Prozesses sind nach Treu und Glauben auszulegen (BGE 105 II 149 E. 2a), d.h. sie müssen so ausgelegt werden, wie sie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Dabei ist neben dem Wortlaut eines Begehrens auch die Begründung zu berücksichtigen (BGE 137 III 617 E. 6.2.). Bei unklaren unbestimmten Vorbringen greift unter Umständen die gerichtliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO).

 

2.4 In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2021 führen die Beschwerdeführerinnen richtigerweise aus, dass der «Antrag» (pag.78) und die Begründung (pag. 77) in Verbindung gelesen werden müssten. Mit ihrer Eingabe vom 18. Mai 2021 hatte die Beschwerdeführerin 1 vor der KESB Stellung zur beabsichtigten Erweiterung der Beistandschaft genommen. Ihre Ausführungen lauteten wie folgt:

 

«Zu Ihrem Brief teile ich Ihnen mit, dass ich nicht irgendwo anders hin versetzt werden möchte. Bei der Familie E.___ fühle ich mich wohl und es wird gut für mich gesorgt. Ich fühle mich gar nicht gut mit meinem Beistand Herr C.___. Sein Verhalten und seine Absicht, mich anderswohin zu verlegen, machen mich nervös.»

 

Auf einem weiteren von ihr eingereichten Blatt (pag. 78) befindet sich zudem eine Notiz mit den Worten «Ich will keinen Beistand mehr, dass macht mich nervös». Die Notiz ist mit einer handschriftlichen Unterschrift versehen.

 

Die Erklärungen der Beschwerdeführerin auf der Beilage sind unmissverständlich und klar formuliert; ihr Hauptanliegen ist die Aufhebung der Beistandschaft. Dieser Antrag in Zusammenhang mit der vorgängigen Begründung, nach welcher sie ihr Beistand nervös mache und sie sich mit der Beistandschaft nicht gut fühle, durfte und musste nach dem Wortlaut und im Gesamtzusammenhang daher als Antrag auf Aufhebung der Beistandschaft verstanden werden – er lässt keinen Raum für Interpretationen. Die Beschwerdegegnerin konnte und musste dieser Eingabe nicht entnehmen, dass sinngemäss ein Eventualantrag um Wechsel der Beistandsperson gestellt wurde. Zudem wurde der Antrag der Beschwerdeführerin 1 denn auch so in der Beschwerde vom 28. Juni 2021 durch die Beschwerdeführerin 2 bestätigt. Nur bei unklaren unbestimmten Vorbringen greift die gerichtliche bzw. behördliche Fragepflicht. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall. Mit der Würdigung wurde auch dem Umstand ausreichend Rechnung getragen, dass die Beschwerdeführerin 1 rechtsunkundig ist.

 

2.5 Zusammenfassend und den Ausführungen der Beschwerdegegnerin folgend kann festgehalten werden, dass die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. die unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts nicht gegeben ist. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

 

3. Folgedessen ist festzuhalten, dass gemäss § 68 Abs. 3 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) vor Verwaltungsgericht keine neuen Begehren gestellt werden dürfen. Die Beschwerdeführerinnen haben vor der Vorinstanz nie den Antrag um Wechsel der Beistandsperson gestellt. Folglich kann die Frage eines allfälligen Wechsels der Beistandsperson nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden. Auf diesen erstmalig im Rahmen der Beschwerde erfolgten Antrag ist damit nicht einzutreten.

 

4.1 Die Beschwerdeführerinnen wenden sich weiter gegen die Anordnung der KESB (vgl. Ziff. 3.2 des angefochtenen Entscheids), wonach die Vertretungsbeistandschaft um die Aufgabenbereiche «Wohn- und Betreuungssituation» erweitert wird. Die Handlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin 1 werde im Bereich, für welchen die Vertretungsbeistandschaft ausgedehnt worden sei, ihrer Meinung nach eingeschränkt.

 

4.2.1 Die Beschwerdegegnerin führte in ihrem Entscheid vom 2. Juni 2021 dazu aus, im aktuellen Bericht über die Ausübung der Beistandschaft sei vom Beistand nicht nur eine Weiterführung der bestehenden Beistandschaft empfohlen, sondern auch eine Ausweitung seines Kompetenzbereichs beantragt worden. Die Ausführungen im Beistandsbericht seien schlüssig. Es sei nicht ersichtlich und werde von A.___ auch nicht dargelegt, inwiefern der Schwächezustand und die daraus resultierende Schutzbedürftigkeit bei ihr derzeit nicht mehr gegeben sein sollten. Die Voraussetzungen für eine Weiterführung der Beistandschaft seien nach wie vor als erfüllt anzusehen. Der Antrag auf Aufhebung der Beistandschaft sei folglich abzuweisen (vgl. Ziff. 2.3/2.5 sowie 2.6 [S. 2] des angefochtenen Entscheids).

 

4.2.2 Die Beschwerdeführerinnen entgegnen dazu, es sei unangemessen und nicht sachgerecht, dass einer für die Beschwerdeführerin 1 fremden Drittperson die Kompetenz erteilt werde, grundsätzlich ohne Weiteres etwas an der «Wohn- und Betreuungssituation» zu ändern. Die Beschwerdeführerin 1 sei in der Lage, selbst einzuschätzen, ob eine «Wohn- und Betreuungssituation» für sie geeignet sei nicht. Sollte die aktuelle «Wohn- und Betreuungssituation» in Zukunft nicht mehr geeignet sein, so sei die Beschwerdeführerin 1 fähig, diesen Willen selbständig gegenüber einem Beistand zu äussern. Wenn der Beschwerdeführerin 1 die Handlungsfähigkeit im Bereich dieser Einschätzung abgesprochen werde, stelle sich die Frage, ob dies überprüft worden sei. Sollte eine Ausweitung der Kompetenz des Beistandes für die «Wohn- und Betreuungssituation» als zweckmässig und notwendig erachtet werden, so sei diese Kompetenz zumindest einzuschränken; so gebiete der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im engeren Sinn, dass die Ausübung dieser Kompetenz zumindest an Bedingungen, wie den Willen der Beschwerdeführerin 1, geknüpft werde.

 

4.3.1 Die allgemeinen Voraussetzungen einer Beistandschaft werden in Art. 390 ZGB definiert. Danach errichtet die Erwachsenenschutzbehörde bei einer volljährigen Person eine Beistandschaft, wenn ein dauerhafter vorübergehender Schwächezustand vorliegt und aus diesem Zustand das Unvermögen resultiert, die eigenen Angelegenheiten hinreichend zu besorgen entsprechende Vollmachten zu erteilen.

 

4.3.2 In Art. 389 ZGB unterstellt der Gesetzgeber alle behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes den beiden Maximen der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit. Subsidiarität (Art. 389 Abs. 1 ZGB) heisst, dass behördliche Massnahmen nur dann anzuordnen sind, wenn die Betreuung der hilfsbedürftigen Person auf andere Weise nicht angemessen sichergestellt ist. Die behördliche Massnahme muss verhältnismässig, das heisst erforderlich und geeignet sein (Art. 389 Abs. 2 ZGB). Die Erwachsenenschutzbehörde hat dabei nicht gesetzlich fest umschriebene, starre Massnahmen, sondern «Massnahmen nach Mass» zu treffen, das heisst solche, die den Bedürfnissen der betroffenen Person entsprechen (Art. 391 Abs. 1 ZGB). Es gilt der Grundsatz: «Soviel staatliche Fürsorge wie nötig, so wenig staatlicher Eingriff wie möglich». Dies gilt auch für die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 ZGB (Urteil des BGer 5A_702/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 4.3.1).

 

4.4.1 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin 1 nicht alleine wohnen und ohne Hilfe für sich selbst sorgen kann. Bei ihrem Ex-Mann E.___ und dessen jetziger Ehefrau, D.___, wo die Beschwerdeführerin 1 seit geraumer Zeit wohnt, ist sie gut aufgehoben und umsorgt. Der Ex-Mann organisiert zudem Arztbesuche und steht in engem Kontakt mit Bezugspersonen wie Beistand und Ärzten. Unbestritten ist weiter, dass die Beschwerdeführerin 1 stark von ihrem Ex-Mann beeinflusst werden kann und dieser meist eine positive Wirkung auf sie hat. Die Beschwerdeführerin 1 leidet an einer schizoaffektiven Störung mit manischen Episoden sowie an einer Anpassungsstörung. Dadurch benötigt sie auch weiterhin die Unterstützung einer Beistandsperson. Durch das Engagement der Familie E.___ ist eine umfassende Beistandschaft der Beschwerdeführerin 1 nicht notwendig und eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung deckte bis anhin ihren Schutzbedarf.

 

4.4.2 Nach Ansicht des Beistandes sowie der Beschwerdegegnerin bestehen jedoch mögliche Interessens- und Rollenkonflikte, welche es zum Schutz der Beschwerdeführerin 1 zu minimieren gilt. Diese Ansicht wird von den Ausführungen von Frau G.___ (Sozialdienst Psychiatrische Klinik Solothurn) gestützt, wonach sie eine tendenzielle Verschlechterung der Gesamtsituation wahrgenommen habe.

 

4.4.3 Die Geschehnisse in der Vergangenheit zeigen, dass es beim Krankheitsbild der Beschwerdeführerin 1 immer wieder zu psychischen Akutsituationen und relativ rasch auch zu einem Konflikt mit Drittpersonen kommt. Insbesondere die letzte Einweisung in die Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (KPPP) in Solothurn im Juli 2021 zeigt die herausfordernde Betreuungssituation der Beschwerdeführerin 1. Im dazugehörigen Entscheid der KESB vom 12. Juli 2021 war die Rede von einer akuten Fremdgefährdung und einer Verwahrlosung. Den Akten kann weiter entnommen werden, dass sich das Zusammenleben zwischen ihr und der Familie E.___ aufgrund ihrer sich verschlechternden psychischen Situation zunehmend herausfordernd gestaltet und mit einem zusätzlichen Unterstützungsaufwand verbunden ist. Die Familie E.___ befindet sich dabei in einem Interessenkonflikt, da sich die Beschwerdeführerin 1 bei ihnen wohl fühlt, die Betreuung von ihr aber gleichzeitig sehr aufwändig und intensiv ist. Eine Erweiterung der bereits bestehenden Beistandschaft um die Sicherstellung einer angemessenen «Wohn- und Betreuungssituation» der Beschwerdeführerin 1 ist unter diesen Umständen geeignet und erforderlich, einer möglichen weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes einem von der Familie E.___ nicht mehr zu bewältigenden Unterstützungsaufwand (bereits vorzeitig) zu begegnen. Die behördliche Massnahme wurde vorliegend der Lebenssituation, vor allem dem sich verschlechternden Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin 1, angepasst. Die Massnahme ist für die Beschwerdeführerin 1 (momentan) praktisch kaum spürbar und die Anordnung lag im Rahmen des Ermessens der Vorinstanz. Sie wurde von dieser auch hinreichend begründet. Die von den Beschwerdeführerinnen gemachten Ausführungen in ihrer Beschwerde vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern.

 

4.4.4 Die Kompetenzerweiterung des Auftrags des Beistands um die Aufgabenbereiche «Wohn- und Betreuungssituation» ist nicht nur zulässig, sondern auch notwendig; die Erweiterung der Beistandschaft ist auch zum Schutz der Familie E.___ erforderlich. Durch die Kompetenzerweiterung wird nicht nur der Beschwerdeführerin 1, sondern auch der Familie E.___ in Fragen zur «Wohn- und Betreuungssituation» eine neutrale Ansprechperson zur Verfügung stehen. Der Beistand wird der Beschwerdeführerin in der Bewältigung ihrer «Wohn- und Betreuungssituation» eine Hilfe und Stütze sein; er wird dies im Sinne des Subsidiaritätsprinzips nur insoweit tun, als es in der aktuellen Situation als notwendig erscheint. Zudem kann den Ausführungen der KESB vollumfänglich zugestimmt werden, wonach der Beistand weder beantragt noch beabsichtigt hat, die Beschwerdeführerin 1 irgendwo anders hin zu versetzen (vgl. Ziff. 2.5 [S. 2] des angefochtenen Entscheids). Ein allfälliger Entscheid zur «Wohn- und Betreuungssituation» kann von der Beschwerdeführerin 1 künftig in einem separaten Verfahren vor der KESB gerügt werden.

 

4.5 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Erweiterung der Beistandschaft im Interesse der Beschwerdeführerin 1 und zum Schutz der Familie E.___ erforderlich ist. Mit der Kompetenzerweiterung wurde die mildest mögliche und dennoch wirksame Massnahme verfügt. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit wurde eingehalten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine (Um-)Platzierung der Beschwerdeführerin 1 vorgesehen und gegen eine solche würde es ihr überdies freistehen, wiederum selbständig Beschwerde zu führen. Damit ist auch der Vorwurf der Unangemessenheit unbegründet. Die Beschwerde ist abzuweisen.

 

5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen die Kosten für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht von CHF 1'000.00, unter solidarischer Haftbarkeit, zu tragen. Eine Parteientschädigung kommt bei diesem Ergebnis nicht in Frage.

 

6. Die Beschwerdeführerin 2 beantragt für das vorliegende Beschwerdeverfahren die vollständige unentgeltliche Rechtspflege. Sie begründet das damit, dass sie ihren Bedarf mit dem Einkommen nicht decken könne und auch kein Vermögen habe, auf welches sie zurückgreifen könne. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine anwaltliche Vertretung bei Verfahren mit Offizialmaxime Untersuchungsgrundsatz grundsätzlich nur dann geboten, wenn ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen droht wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen die gesuchstellende Person auf sich selbst gestellt nicht gewachsen wäre (vgl. BGE 125 V 32 E. 4b S. 36; BGE 119 Ia 264 E. 3b S. 265). Die Erweiterung der Beistandschaft stellt für die Mutter keinen spürbaren Eingriff dar. Sie ist von diesem Entscheid auch nicht direkt betroffen. Infolgedessen kommt ihr auch kein Anspruch auf eine unentgeltliche Rechtspflege zu. Das Gesuch ist somit abzuweisen.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.    Das Gesuch von A.___ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung durch Rechtsanwalt Matthias Koller wird abgewiesen.

3.    Die Verfahrenskosten (inkl. Entscheidgebühr) von CHF 1'000.00 werden A.___ und B.___ je zur Hälfte auferlegt. Der Anteil von A.___ wird mit dem von ihr bereits geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

 

Die Präsidentin                                                                 Die Rechtspraktikantin

 

 

Scherrer Reber                                                                 Kohler

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.