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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2021.119)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2021.119: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall zur Regelung des persönlichen Verkehrs und der Betreuungsanteile entschieden. Die Eltern A.___ und B.___ leben getrennt und haben einen Sohn namens C.___. Nach verschiedenen Anhörungen und Verfahrensabläufen hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) die Betreuungsanteile neu festgelegt. Der Kindsvater A.___ hat Beschwerde gegen diesen Entscheid erhoben, da er sich in seinen Rechten verletzt sah. Nach Prüfung des Falls hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen und die Kosten des Verfahrens festgelegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.119

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2021.119
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2021.119 vom 05.05.2021 (SO)
Datum:05.05.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Recht; Entscheid; Regelung; Kindes; Scheidung; Kindsvater; Verfahren; Betreuungsanteil; Verwaltungsgericht; Frist; Betreuungsanteile; Gericht; Gehör; Eltern; Ziffer; Olten; Vorinstanz; Ehescheidung; Obhut; Kindsmutter; Sonntag; Kindseltern; Montag; Verkehr; Scheidungsklage; Parteien; Fristerstreckung
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ;Art. 315a ZGB ;Art. 315b ZGB ;
Referenz BGE:137 I 195;
Kommentar:
Bernhard Waldmann, , 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2021.119

 
Geschäftsnummer: VWBES.2021.119
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 05.05.2021 
FindInfo-Nummer: O_VW.2021.100
Titel: Regelung des persönlichen Verkehrs und der Betreuungsanteile

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

 

Urteil vom 5. Mai 2021      

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli    

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Marco Schwartz     

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

 

1.    KESB Olten-Gösgen,    

2.    B.___   

 

Beschwerdegegnerinnen

 

 

betreffend     Regelung des persönlichen Verkehrs und der Betreuungsanteile


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. B.___ und A.___ sind die getrennt voneinander lebenden Eltern von C.___ (geb. 2014). Mit Eheschutzurteil vom 20. September 2017 wurde das Kind unter die elterliche Obhut der Mutter gestellt und dem Kindsvater das Recht eingeräumt, seinen Sohn jedes zweite Wochenende von Freitag 18:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr sowie an jedem Mittwoch von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu sich auf Besuch zu nehmen und zweimal im Jahr eine Woche Ferien mit ihm zu verbringen.

 

2. Mit Abänderungsurteil vom 3. Februar 2020 hat der Eheschutzrichter eine Vereinbarung der Kindseltern genehmigt, wonach das Kind für die Dauer der Trennung unter die geteilte Obhut beider Eltern gestellt wird und den Wohnsitz bei der Mutter hat (Ziffer 1). Weiter wurden die Betreuungsanteile der Eltern wie folgt festgelegt: Der Vater betreut das Kind von Freitag 11:45 Uhr bis Montag 13:30 Uhr. Die Mutter betreut das Kind in der übrigen Zeit. In der Schulferienzeit gilt die analoge Regelung. Die Eltern haben das Recht, das Kind während zwei Wochen während der Schulferienzeit zu sich in die Ferien zu nehmen (Ziffer 2). In Ziffer 3 wurde die Finanzierung festgelegt und in Ziffer 4 festgehalten, die Regelung gemäss Ziffer 1 bis 3 hiervor gelte ab 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020. Vorbehalten bleibe eine Neubeurteilung.

 

3. Der Kindsvater reichte in der Folge bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen verschiedene «Gefährdungsmeldungen» ein, worin er behauptete, das Kind leide bei der Mutter.

 

4. Die KESB hörte die Kindseltern im Beisein der Beiständin am 12. Oktober 2020 persönlich an. Dabei teilte die Kindsmutter unter anderem mit, dass C.___ nun auch am Montagmorgen ab 8:15 Uhr Kindergarten habe und dass es nicht gut für ihn sei, wenn er so früh am Morgen mit dem öffentlichen Verkehr vom Wohnort des Kindsvaters in Derendingen nach Olten fahren müsse.

 

5. Nachdem die Kindsmutter geäussert hatte, sie wolle die Scheidung einreichen, forderte die KESB die Kindseltern mit Verfügung vom 28. Oktober 2020 auf, innert 30 Tagen bekanntzugeben, ob sie ein schriftliches Scheidungsverfahren einzuleiten gedenken würden. Andernfalls würde die KESB das Verfahren weiterführen.

 

6. Mit Eingabe vom 30. November 2020 teilte Rechtsanwalt Elmar Wohlhauser der KESB mit, dass der Kindsvater ihn mandatiert habe, um in Bälde die Scheidungsklage einzureichen.

 

7. Nach entsprechenden Abklärungen stellte die KESB mit Verfügung vom 18. Februar 2021 fest, dass noch kein Ehescheidungsverfahren anhängig gemacht worden sei. Es sei vorgesehen, den Betreuungsanteil des Kindsvaters wie folgt neu zu regeln: In Abänderung von Ziffer 2 Satz 1 des Abänderungsurteils des Richteramts Olten-Gösgen vom 3. Februar 2020 betreue der Vater den gemeinsamen Sohn C.___ jeweils von Freitag 11:45 Uhr bis Sonntag 19:00 Uhr. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, innert 20 Tagen zur vorgesehenen Neuregelung Stellung zu nehmen.

 

8. Mit Eingabe vom 15. März 2021 teilte der Kindsvater, vertreten durch Rechtsanwalt Elmar Wohlhauser, mit, dass nun das Ehescheidungsverfahren anhängig gemacht worden sei (Ehescheidungsklage vom 19. März 2021). Somit sei die Regelung der Kinderbelange fortan von dem für die Scheidung zuständigen Gericht vorzunehmen. Sollte die KESB wider Erwarten dennoch einen Entscheid betreffend Regelung des persönlichen Verkehrs und der Betreuungsanteile treffen wollen, so werde vorliegend um eine Fristerstreckung von 30 Tagen zur Einreichung der Stellungnahme zur vorgesehenen Neuregelung ersucht. Aufgrund der derzeit hohen Arbeitsbelastung sei es bisher nicht möglich gewesen, die entsprechende Stellungnahme zu verfassen.

 

9. Mit Entscheid vom 17. März 2021 wies die KESB das Fristerstreckungsgesuch ab (Ziff. 2.1) und änderte den Betreuungsanteil des Kindsvaters wie angekündigt (Ziff. 2.2). Einer allfälligen Beschwerde gegen Ziffer 2.2 wurde die aufschiebende Wirkung entzogen und Ziffer 2.2 als vollstreckbar erklärt. Die Parteien wurden aufgefordert, die KESB unverzüglich über die allfällige Einreichung eines Scheidungsbegehrens (mittels dessen Kopie) zu informieren. Die Verfahrenskosten würden im Hauptentscheid festgesetzt.

 

10. Gegen diesen Entscheid liess der Kindsvater, A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Marco Schwartz, am 29. März 2021 Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:

 

Der Beschwerdeführer schliesst unter Kosten- und Entschädigungsfolgen dahin:

 

A. Hauptsache:

 

1.    Auf die Beschwerde sei einzutreten.

2.    Die Beschwerde sei gutzuheissen.

3.    Der Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein vom 17. März 2021 sei aufzuheben.

4.    Die Betreuungsanteile des Kindsvaters seien vorerst wie im Urteil des Richteramts Olten-Gösgen vom 3. Februar 2020 zu belassen.

5.    Das Kind C.___, geb. 2014, sei durch die Beschwerdeinstanz vor Entscheidfällung anzuhören:

Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese anzuweisen, das Kind C.___, geb. 2014 umgehend anzuhören.

Subeventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen.

6.    Die Verfahrenskosten seien dem Kanton Solothurn aufzuerlegen.

7.    Dem Beschwerdeführer sei eine angemessene Parteientschädigung in der Höhe von mind. CHF 2'500.00 (zzgl. MwSt.) zuzusprechen.

 

B. Unentgeltliche Rechtspflege

 

1.    Auf das Gesuch sei einzutreten.

2.    Das Gesuch sei gutzuheissen.

3.    Dem Beschwerdeführer sei in vorliegendem Verfahren die vollständige unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

4.    Dem Beschwerdeführer sei Rechtsanwalt Marco Schwartz, als amtlicher Rechtsbeistand zu bestellen.

5.    Für das Verfahren betreffend Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege seien keine Kosten zu erheben.

 

Der Beschwerdeführer liess vorbringen, die KESB habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem er sich trotz fristgerechtem Fristerstreckungsgesuch nicht habe äussern dürfen sowie indem das Kind nicht angehört worden sei. Die Behörde verhalte sich zudem treuwidrig und überspitzt formalistisch, indem sie eine Regelung erlassen habe, obwohl sie darauf hingewiesen worden sei, dass ein Ehescheidungsverfahren eingeleitet worden sei. Sie wäre dafür auch gar nicht mehr zuständig gewesen.

 

Die Übergaben am Montagmorgen hätten dem Wunsch des Kindes entsprochen, da sich dieses wünsche, mehr Zeit mit dem Kindsvater verbringen zu können. Die angeordnete Massnahme widerspreche nicht nur dem Willen des Kindes, sondern auch dessen Wohl. Die Kindsmutter habe das Kind bei der ersten Übergabe am Sonntagabend nicht abgeholt. Der Entscheid sei unangemessen.

 

11. Am 12. April 2021 reichte die Beiständin, D.___, eine Stellungnahme ein und unterstützte im Wesentlichen den Entscheid der KESB. Sie wies auf das angespannte Verhältnis der Kindseltern und den Loyalitätskonflikt von C.___ hin und empfahl ein Erziehungsfähigkeitsgutachten und eine Kindesanhörung.

 

12. Ebenfalls am 12. April 2021 nahm die Kindsmutter, B.___, Stellung.

 

13. Mit Vernehmlassung vom 12. April 2021 beantragte die KESB die Abweisung der Beschwerde, sofern darauf eingetreten werden könne, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die KESB erachte sich nach wie vor als unzuständig, in einem strittigen Verfahren eine Neuregelung der elterlichen Obhut vorzunehmen. Dafür wäre das Gericht im Rahmen eines Eheschutzabänderungs- eines Ehescheidungsverfahrens zuständig. Die KESB sei aber aufgrund der Führung der Beistandschaft und von eingereichten Gefährdungsmeldungen involviert. Der Beschwerdeführer sei mehrfach auf die Zuständigkeit des Gerichts hingewiesen worden und es sei dort mehrmals nachgefragt worden, ob ein Verfahren anhängig sei, was verneint worden sei. Nun bringe der Beschwerdeführer mit Beschwerde vom 15. März 2021 vor, dass er eine Scheidungsklage eingereicht habe, wobei er jedoch ein in der Zukunft liegendes Datum (19. März 2021) angebe. Die KESB gehe davon aus, dass noch kein Ehescheidungsverfahren hängig sei.

 

Die KESB gehe von einer erheblichen Gefährdung des Kindswohls aus. Sie sei jedoch machtlos, weil sie nicht dafür zuständig sei, die Erziehungsfähigkeit der Kindseltern abzuklären und gestützt darauf eine Obhutsregelung anzuordnen, welche kindswohlverträglich wäre.

 

Vorliegend bestehe effektiv gar keine Regelung des persönlichen Verkehrs, sondern die Eltern hätten die alternierende Obhut (das Richteramt habe in seinem Urteil vom 3. Februar 2020 den Begriff der «geteilten» Obhut verwendet). Die KESB sei lediglich befugt, im Rahmen der bestehenden alternierenden (bzw. «geteilten») Obhut die Betreuungsanteile zu modifizieren. Dies sei mit Entscheid vom 17. März 2021 getan worden, nachdem der Kindsvater wiederholt versucht habe, diesen Entscheid mit Ankündigung einer Scheidungsklage mit Fristerstreckungsbegehren hinauszuzögern. Die KESB versuche mit ihrem Entscheid ein wenig Beruhigung in den Wochenablauf des Kindes zu bringen.

 

Sofern der Kindsvater nun wirklich die Scheidungsklage eingereicht hätte, wäre das Gericht für Kindesschutzmassnahmen zuständig. Der Kindsvater könnte diesfalls beim Scheidungsrichter beantragen, die von der KESB getroffenen vorsorglichen Massnahmen aufzuheben. Diesfalls würde das vorliegende Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht gegenstandslos.

 

14. Mit Verfügung vom 15. April 2021 wurde das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bewilligt, dasjenige um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung hingegen abgewiesen.

 

15. Am 26. April 2021 liess der Beschwerdeführer Beweismittel einreichen, wonach er am 12. März 2021 eine Scheidungsklage beim Richteramt Bucheggberg-Wasseramt anhängig gemacht hat und für den 8. Juni 2021 zu einer Hauptverhandlung vorgeladen wurde.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB, SR 210] i.V.m. § 130 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum ZGB [EG ZGB, BGS 211.1]). Solange das parallel zuständige Ehescheidungsgericht keine abweichende Regelung erlassen hat, ist A.___ durch den angefochtenen Entscheid der KESB beschwert und damit zur Beschwerde vor Verwaltungsgericht legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. Der Beschwerdeführer rügt als erstes eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

 

2.1 Gemäss § 23 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) sind die Parteien vor Erlass einer Verfügung eines Entscheides anzuhören; sie haben das Recht, sich schriftlich zur Sache zu äussern und an den Beweisvorkehren teilzunehmen (Abs. 1). Die vorgängige Anhörung kann bei Dringlichkeit unterbleiben; sie ist möglichst bald nachzuholen (Abs. 2).

 

2.2 Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 18. Februar 2021 Gelegenheit gegeben, sich zum vorgesehenen Entscheid zu äussern. Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 15. März 2021 um Fristerstreckung gebeten, was die Vorinstanz abgewiesen und den angefochtenen Entscheid erlassen hat.

 

2.3 Gemäss § 10 VRG können behördlich gesetzte Fristen aus zureichenden Gründen erstreckt werden, sofern vor Ablauf darum nachgesucht wird (Abs. 1). Die gleiche Frist darf nur ausnahmsweise mehr als einmal erstreckt werden (Abs. 1bis). Wird die Erstreckung abgelehnt, so ist eine kurze Nachfrist zu setzen (Abs. 2).

 

2.4 Die Vorinstanz hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Beschwerdeführer habe keine zureichenden Gründe für eine Fristerstreckung vorgebracht und hat das Gesuch deshalb abgewiesen. Eine Nachfrist nach § 10 Abs. 2 VRG hat sie hingegen nicht gewährt, sondern hat sofort entschieden. Sie hat dem Beschwerdeführer auch nicht die Möglichkeit gegeben, sich nachträglich noch zu äussern. Damit hat sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

 

2.5.1 Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus – im Sinne einer Heilung des Mangels – selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2; 136 V 117 E. 4.2.2.2; 33 I 201 E. 2.2; Bernhard Waldmann / Jürg Bickel in: Bernhard Waldmann / Philippe Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, Zürich / Basel / Genf 2016, Art. 29 N 114 ff.).

 

2.5.2 Der Beschwerdeführer hatte ausreichend Gelegenheit, sich vor der Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Rückweisung an die KESB würde zu einem formalistischen Leerlauf führen, insbesondere nachdem das Verfahren bereits beim Scheidungsgericht hängig ist. Die Regelung der Betreuungsanteile bedarf zudem im Sinne des Kindswohls der baldigen Klärung, weshalb von einer Rückweisung abzusehen ist. Die Gehörsverletzung wird bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen sein.

 

2.6 Indem die Vorinstanz im Weiteren bisher keine Kindsanhörung durchgeführt hat, wurde hingegen das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht verletzt. Dies schon deshalb nicht, weil es sich bei der angefochtenen Anordnung erst um eine vorsorgliche Massnahme handelt und das Verfahren noch nicht abgeschlossen wurde. Nachdem nun das Verfahren beim Scheidungsgericht hängig ist, wird dieses für eine allfällige Kindesanhörung zuständig sein. Aus den gleichen Gründen ist auch der Antrag um Kindesanhörung vor Verwaltungsgericht abzuweisen. Das Kind sollte nur einmal angehört werden, um es keinen unnötigen Belastungen auszusetzen.

 

3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet die Zuständigkeit der KESB zum Erlass des angefochtenen Entscheids. Diese habe sich treuwidrig und überspitzt formalistisch verhalten, nachdem er auf die eingereichte Scheidungsklage hingewiesen habe, wenn auch mit falschem Datum.

 

3.2 Klarzustellen ist, dass es vorliegend nicht um die Abänderung einer gerichtlichen Anordnung nach Art. 315b ZGB geht. Die gerichtliche Regelung vom 3. Februar 2020 war lediglich bis zum 31. Dezember 2020 beschränkt. Danach bestand keine Regelung mehr.

 

3.3 Art. 315a ZGB regelt die Zuständigkeit des Gerichts: Hat das Gericht, das für die Ehescheidung den Schutz der ehelichen Gemeinschaft zuständig ist, die Beziehungen der Eltern zu den Kindern zu gestalten, so trifft es auch die nötigen Kindesschutzmassnahmen und betraut die Kindesschutzbehörde mit dem Vollzug (Abs. 1). Die Kindesschutzbehörde bleibt gemäss Art. 315a Abs. 3 ZGB jedoch befugt, ein vor dem gerichtlichen Verfahren eingeleitetes Kindesschutzverfahren weiterzuführen (Ziff. 1); die zum Schutz des Kindes sofort notwendigen Massnahmen anzuordnen, wenn sie das Gericht voraussichtlich nicht rechtzeitig treffen kann (Ziff. 2).

 

3.4 Die KESB hat sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, die Kindseltern sollten sich zur Regelung der Betreuungsanteile ihres Kindes an das Scheidungsgericht wenden. Sie hat den Eltern entsprechende Fristen gesetzt und auch bei den in Frage kommenden Gerichten nachgefragt. Erst als die gerichtliche Regelung vom 3. Februar 2020 ausgelaufen war und sich keine baldige Neureglung durch ein Gericht abzeichnete, griff sie zum Schutz des Kindes, welches sich in der hochstrittigen Elternsituation offensichtlich in einem massiven Loyalitätskonflikt befindet, ein, um die Situation etwas zu entschärfen. Dies ist weder treuwidrig noch überspitzt formalistisch. Die KESB durfte dies gestützt auf Art. 315a Abs. 3 ZGB tun, auch wenn das gerichtliche Verfahren bereits eingeleitet war.

 

4. Die KESB hat die Betreuungsanteile in einer vorsorglichen Massnahme neu so festgelegt, dass das Kind nicht mehr am frühen Montagmorgen mit dem öffentlichen Verkehr von Derendingen nach Olten pendeln muss, um rechtzeitig um 8:15 Uhr im Kindergarten zu sein. Diese Regelung ist offensichtlich kindswohlverträglicher und entlastet die Situation, wenn das Kind bereits am Sonntagabend um 19:00 Uhr zu seiner Mutter zurückkehren und dann am Montagmorgen von da aus in den Kindergarten gehen kann. Die Vorinstanz durfte sich mit einer summarischen Tatsachenerhebung begnügen, da es sich lediglich um eine vorläufige Anordnung handelt. Es wird dem Scheidungsgericht obliegen, die Situation umfassend zu prüfen und die Betreuungsanteile für die weitere Zukunft zu bestimmen. Vorläufig ist diese Regelung angemessen und im Kindswohl.

 

Im Umstand, dass die Kindsmutter das Kind am ersten Sonntagabend nach der neuen Regelung nicht am Bahnhof abgeholt hat, ist keine Kindswohlgefährdung seitens der Kindsmutter erkennbar, wie sie der Beschwerdeführer behauptet. Es hat sich offensichtlich um ein Missverständnis gehandelt. Vielmehr ist das Vorgehen des Kindsvaters zu hinterfragen, der mit dem Kind am späten Sonntagabend von Olten wieder zurück nach Derendingen gereist ist und dann am frühen Montagmorgen von dort schon wieder nach Olten in den Kindergarten, statt sich mit der Kindsmutter in Verbindung zu setzen, um dem Kind den nötigen Schlaf zu verschaffen.

 

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hätte grundsätzlich der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, welche inklusive Entscheidgebühr auf CHF 1'000.00 festzusetzen sind. Aufgrund der Gehörsverletzung sind ein Viertel der Kosten durch den Kanton Solothurn zu übernehmen. Die anderen drei Viertel trägt der Staat aufgrund der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Für diesen Anteil von CHF 750.00 bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren vorbehalten, sobald der Beschwerdeführer zur Rückzahlung in der Lage ist (Art. 123 Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272).

 

Aufgrund der Gehörsverletzung ist dem Beschwerdeführer durch den Kanton zudem eine teilweise Parteientschädigung auszurichten. Für diesen Anteil erscheinen CHF 500.00 angemessen.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'000.00 einen Anteil von CHF 750.00 zu bezahlen. Die restlichen Kosten trägt der Staat. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Kanton Solothurn auch den Anteil des Beschwerdeführers von CHF 750.00; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Kantons Solothurn in diesem Umfang während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

3.    Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung von CHF 500.00 (inkl. Auslagen und MwSt.) auszurichten.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

 

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

 

 

Scherrer Reber                                                                 Kaufmann

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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