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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2020.405)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2020.405: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten nicht willkürlich eingeschränkt oder verweigert werden darf. In einem konkreten Fall beantragte A.___, die Enkeltochter und Erbin einer verstorbenen Person, Einsicht in die Akten, die von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde angelegt wurden. Nachdem ihr Gesuch abgelehnt wurde, wandte sie sich an das Verwaltungsgericht, das die Beschwerde teilweise gutgeheissen hat. Die Angelegenheit wurde an die Beauftragte für Information und Datenschutz überwiesen. Der Richter des Verwaltungsgerichts entschied zugunsten von A.___ und hob die ursprüngliche Verfügung auf. Die Gerichtskosten betrugen CHF 500.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2020.405

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2020.405
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2020.405 vom 13.07.2021 (SO)
Datum:13.07.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Schlichtung; Verfahren; Schlichtungsverfahren; Datenschutz; Beauftragte; InfoDG; Zugang; Beauftragten; Akten; Verfügung; Verfahrens; Dokumente; Schlichtungsverfahrens; Verwaltungsgericht; Akteneinsicht; Dokumenten; Kanton; Behörde; Etappe; Durchlaufen; Gesuch; Informations; VWBES; Entscheid; Olten-Gösgen; Einsicht; Urteil; Bundesverfassung
Rechtsnorm: Art. 449b ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Thomas Geiser, Christoph Auer, Marti, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Art. 449 ZGB, 2018

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2020.405

 
Geschäftsnummer: VWBES.2020.405
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 13.07.2021 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.6
Titel: Akteneinsicht

Resümee:

§ 34 Abs. 1 InfoDG, § 35 Abs. 1 und 2 Info DG, § 36 Abs. 1, 2 und 3 InfoDG, § 37 Abs. 1 InfoDG. Wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten von der ersuchten und zuständigen Behörde eingeschränkt, aufgeschoben verweigert, ist das Durchlau-fen eines Schlichtungsverfahrens vor der Beauftragten für Information und Datenschutz als unerlässliche Etappe im Verfahren um Zugang zu diesen amtlichen Dokumenten vorgesehen (sog. Schlichtungsobligatorium).
 

SOG 2022 Nr. 4

 

 

§ 34 Abs. 1 InfoDG, § 35 Abs. 1 und 2 Info DG, § 36 Abs. 1, 2 und 3 InfoDG, § 37 Abs. 1 InfoDG. Wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten von der ersuchten und zuständigen Behörde eingeschränkt, aufgeschoben verweigert, ist das Durchlaufen eines Schlichtungsverfahrens vor der Beauftragten für Information und Datenschutz als unerlässliche Etappe im Verfahren um Zugang zu diesen amtlichen Dokumenten vorgesehen (sog. Schlichtungsobligatorium).

 

 

Sachverhalt:

 

Mit Entscheid vom 3. Juni 2015 errichtete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Olten-Gösgen über B.___ sel. im Sinne von Art. 394 i.V.m. Art. 395 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung. Diese Erwachsenenschutzmassnahme endete mit dem Tod der Verbeiständeten am 31. August 2019. Am 17. Februar 2020 liess A.___, Enkeltochter und Erbin der Verstorbenen, ein Gesuch um Einsicht in die von der KESB Olten-Gösgen angelegten Akten über B.___ stellen. Mit Verfügung vom 5. März 2020 wurde das Gesuch abgewiesen. Die Verfügung der KESB blieb unangefochten. Mit Eingabe vom 9. September 2020 ersuchte A.___ die KESB Olten-Gösgen abermals um Einsicht in die im Rahmen der Erwachsenenschutzmassnahmen angelegten Akten über die Verstorbene. Mit Verfügung vom 15. September 2020 wurde auch dieses Gesuch abgewiesen. Dagegen wandte sich A.___ an das Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde mit Urteil vom 13. Juli 2021 teilweise gutheisst. Die angefochtene Verfügung wird aufgehoben. Die Sache wird als Schlichtungsgesuch entgegengenommen und zuständigkeitshalber an die Beauftragte für Information und Datenschutz überwiesen.

 

 

Aus den Erwägungen:

 

(…)

 

2.3 Der Bundesgesetzgeber hat das aus der Bundesverfassung resultierende Recht auf Akteneinsicht (vgl. Art. 29 Abs. 2 Bundesverfassung [BV, SR 101]) in verschiedenen Verfahrens- bzw. Prozessordnungen konkretisiert. Art. 449b ZGB stellt eine dieser gesetzlichen Konkretisierungen in kindes- und erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren dar (vgl. Luca Maranta / Christoph Auer / Michèle Marti, in: Thomas Geiser / Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Basel 2018, Art. 449b N 2). Art. 449b ZGB regelt aber einzig das Akteneinsichtsrecht in hängigen kindes- und erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren. Nach Abschluss des Verfahrens kann der Anspruch auf Akteneinsicht nicht mehr gestützt auf Art. 449b ZGB geltend gemacht werden. Das Akteneinsichtsrecht der am Verfahren Beteiligten entscheidet sich nunmehr nach der Bundesverfassung, der Kantonsverfassung und der im Kanton geltenden Datenschutz- und Informations- bzw. Öffentlichkeitsgesetzgebung. Gleiches gilt für Dritte, die Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens nehmen wollen (vgl. Maranta / Auer / Marti, a.a.O., N 31 ff.; VWBES.2020.250, E. 2.1). (…)

 

2.7 Das Gesuch inklusive genaue Bezeichnung der amtlichen Dokumente ist zunächst an die Behörde zu richten, welche die Dokumente besitzt (§ 34 Abs. 1 InfoDG). (…)

 

2.8.1 Wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben verweigert, kann die gesuchstellende Person der Beauftragten für Information und Datenschutz in einem nächsten Schritt schriftlich einen Antrag auf Schlichtung stellen (§ 36 Abs. 1 InfoDG). Kommt eine Schlichtung zustande, gilt das Verfahren als erledigt (Abs. 2). Wird keine Schlichtung erzielt, gibt die Beauftragte eine schriftliche Empfehlung ab (Abs. 3). Die zuständige Behörde erlässt sodann eine Verfügung, wenn die gesuchstellende Person dies verlangt (§ 37 Abs. 1 InfoDG). (…)

 

2.8.3 In seinem Entscheid 1C_353/2019 vom 18. März 2020, E. 4 erwog das Bundesgericht in Bezug auf das Schlichtungsverfahren vor der Beauftragten für Öffentlichkeit und Transparenz im Kanton Freiburg (Art. 14a Abs. 2 lit. c DZV-FR), die Parteien seien verpflichtet, bei der Suche nach einer Einigung mitzuwirken und an der Schlichtungsverhandlung teilzunehmen. Das Schlichtungsverfahren bilde eine obligatorische Etappe im Zugangsverfahren (Art. 33 Abs. 2 InfoG und Art. 14 DZV-FR). Es obliege allein der Beauftragten, das Scheitern der Schlichtung festzustellen, da dieser Verfahrensschritt ansonsten systematisch umgangen werden könnte.

 

2.8.4 Der Kanton Solothurn kennt in seinen Verfahrensbestimmungen keine entsprechende Regelung einer solchen Mitwirkungspflicht der Parteien im Schlichtungsverfahren vor der Beauftragten für Information und Datenschutz. Aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien geht diesbezüglich aber hervor, dass die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zur Entlastung der Rechtsmittelinstanzen vorgesehen sei (vgl. Botschaft zum Informations- und Datenschutzgesetz vom 22. August 2020 RRB Nr. 1653, § 36, S. 25). Insofern ist ein Obligatorium naheliegend, ansonsten diese Entlastung in der Praxis nicht zum Tragen kommt. Wie im Kanton Freiburg hat demnach auch der hiesige Gesetzgeber in Anwendung des Informations- und Datenschutzgesetzes das Durchlaufen eines Schlichtungsverfahrens als unerlässliche Etappe im Zugangsverfahren vorgesehen. Auch im bundesrechtlichen Zugangsverfahren nach dem Öffentlichkeitsgesetz ist das Durchlaufen eines Schlichtungsverfahrens vor Erlass einer Verfügung erforderlich (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 15 BGÖ). In seinem Urteil A-4781/2019 vom 17. Juni 2020, E. 3.3.1 mit Verweis auf das Urteil A-7369/2006 vom 24. Juli 2007 erwog das Bundesverwaltungsgericht, das Schlichtungsverfahren bilde einen wesentlichen Verfahrensabschnitt mit dem Ziel der Streitbeilegung und Vermeidung von Gerichtsverfahren, weshalb es nicht aus prozessökonomischen Gründen weggelassen werden könne. Dieser Auffassung ist vollumfänglich zuzustimmen. Im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren werden grundsätzlich keine Schlichtungsversuche durchgeführt. Wäre das hier zur Diskussion stehende Schlichtungsverfahren vor der Beauftragten für Information und Datenschutz lediglich als «kann»-Vorschrift zu verstehen, stünde dieser Verfahrensschritt im Belieben der Parteien und könnte – wie vom Bundesgericht festgestellt (vgl. Ziff. II E. 2.9.3 hiervor) – ohne Weiteres umgangen werden. Eine solche Praxis widerspräche der vorgesehenen Zuständigkeitsordnung nach dem historischen Willen des Gesetzgebers und liesse die Geschäftslast des Verwaltungsgerichts unbegründet ansteigen. Im Gegensatz dazu lägen die Ressourcen der Schlichtungsbehörde brach. Auch im hier zu beurteilenden Verfahren nach der Informations- und Datenschutzgesetzgebung hat somit ein Schlichtungsverfahren und eine Empfehlung der Beauftragten für Information und Datenschutz vor Erlass einer materiellen Verfügung zu ergehen. Das Durchlaufen des Schlichtungsverfahrens ist demnach obligatorisch.

 

Verwaltungsgericht, 13. Juli 2021 (VWBES.2020.405)

 

 

 

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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