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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2020.379)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2020.379: Verwaltungsgericht

Eine Person namens A.___ und eine Person namens B.___ waren in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem A.___ mit einem Fahrrad und B.___ mit einem E-Bike beteiligt waren. Nach dem Unfall wurde A.___ von der Solothurner Spitäler AG eine Rechnung über CHF 1'000.00 ausgestellt, da er von der Ambulanz behandelt wurde. A.___ erhob Beschwerde gegen die Rechnung und argumentierte, dass er nicht für die Kosten aufkommen müsse. Die Solothurner Spitäler AG verteidigte die Rechnung und argumentierte, dass A.___ für die Kosten verantwortlich sei. Das Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Solothurner Spitäler AG und A.___ wurde verpflichtet, die Gerichtskosten in Höhe von CHF 300.00 zu tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2020.379

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2020.379
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2020.379 vom 11.01.2021 (SO)
Datum:11.01.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Verwaltung; Spitäler; Solothurn; Solothurner; Recht; Leistung; Verwaltungsgericht; Spital; Verfügung; Ambulanz; Kanton; Verfügungen; Kantons; Entscheid; Tarif; Urteil; Behörde; Einsatz; Polizei; Rechnung; Leistungen; Aufgabe; Rechtsmittel; Gericht; Verwaltungsgerichts; Müller; Fahrrad; Rettungsdienst
Rechtsnorm: Art. 419 OR ;Art. 43 KVG ;Art. 46 KVG ;Art. 47 KVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2020.379

 
Geschäftsnummer: VWBES.2020.379
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 11.01.2021 
FindInfo-Nummer: O_VW.2021.4
Titel: Spitalrechnung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 11. Januar 2021           

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller   

Oberrichter Stöckli    

Gerichtsschreiber Schaad

 

In Sachen

A.___   

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

Solothurner Spitäler AG

 

Beschwerdegegnerin

 

 

betreffend     Spitalrechnung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

 

I.

 

1. Am 27. Mai 2020 ereignete sich in der Äusseren Klus in Oensingen um 16:30 Uhr ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren A.___ mit seinem Fahrrad und B.___ mit seinem (langsamen [gem. Polizeirapport]) E-Bike.

 

B.___ rief eine Ambulanz. Laut deren Einsatzrapport wies der Beschwerdeführer A.___ weder Schwellungen noch Prellungen auf. Er hatte auch keine Schmerzen. Einzig an der Wade links wurde eine kleine Prellung vermutet. Der Einsatz der Ambulanz dauerte insgesamt eine knappe Stunde.

 

Laut beigezogenem Polizeirapport waren die beiden Velofahrer auf dem Fahrradweg kollidiert. Als die Polizei eintraf, lag der Beschwerdeführer am Boden und wurde durch den Rettungsdienst versorgt. Es war kein normales Gespräch mit ihm möglich, der Beschwerdeführer wirkte sehr aufbrausend. B.___ hatte lediglich eine Schürfwunde an der linken Stirnseite.

 

2. Gestützt auf § 19 des Spitalgesetzes (SpiG, BGS 817.11) verfügte die Solothurner Spitäler AG am 16. September 2020, A.___ habe innert 15 Tagen CHF 1’000.00 zu bezahlen.

 

3. A.___ erhob Verwaltungsgerichtbeschwerde und beantragte sinngemäss, die Rechnung sei aufzuheben. Der unfallverursachende Ausländer habe die Ambulanz samt Polizei für ihn bestellt; dies ohne sein Wissen. Er habe sich untersuchen lassen, weil er noch nach […] habe fahren müssen. Die Rechnung werde weder von der Krankenkasse noch durch ihn bezahlt.

 

4. Die Solothurner Spitäler AG beantragte, die Beschwerde sei unter Kostenfolge abzuweisen. Das Verhältnis zwischen Spital und Patienten sei öffentlich-rechtlicher Natur. Der Einsatz der Ambulanz habe wegen eines Sturzes mit dem Fahrrad stattgefunden. Ein Patiententransport habe nicht stattgefunden. Nach Ziffer 7 der allgemeinen Geschäftsbedingungen sei derjenige kostenpflichtig, wegen dessen Gesundheitszustand die Ambulanz gerufen worden sei resp. derjenige, der von der Leistung hätte profitieren sollen. Da sich der Beschwerdeführer geweigert habe, zu bezahlen, sei eine Verfügung erlassen worden. Nach § 19 SpiG gelte für Leistungen, die durch die Sozialversicherungen nicht gedeckt sind, öffentliches Recht. Die Tarifbestimmungen fänden Anwendung. In Ziff. 7 der AGB seien auch Leerfahrten geregelt. Die Grundtaxe betrage CHF 900.00; der Zuschlag für eine kleine medizinische Leistung CHF 100.00. B.___ habe den Rettungsdienst für den Beschwerdeführer gerufen. Der Beschwerdeführer sei vom Rettungsdienst auch behandelt worden. Er habe sich vor Ort unflätig benommen. Man habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, er könne die Rechnung der Haftpflichtversicherung einreichen.

 

5. Der Beschwerdeführer liess wissen, die Solothurner Spitäler AG versuche, sich zu bereichern. Er habe Strafanzeige erhoben.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert.

 

2. 1. Mit dem Spitalgesetz (SpiG, BGS 817.11) gründete der Kanton die Solothurner Spitäler AG als privatrechtliche gemeinnützige Aktiengesellschaft (§ 16) und übertrug dieser die nötigen Kompetenzen und Ressourcen zur Erfüllung der ihm obliegenden öffentlichen Aufgabe einer medizinischen Versorgung der Kantonseinwohner. Die Leistungsvereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und dem Kanton ist ein Vertrag nach öffentlichem Recht, die Haftung der Aktiengesellschaft und ihres Personals richtet sich nach dem Verantwortlichkeitsgesetz, in den Rechtsbeziehungen zu Dritten gilt öffentliches Recht, und die Rechtsbeziehungen zum Personal richten sich nach dem Gesetz über das Staatspersonal (§ 19 SpiG). Die Solothurner Spitäler AG ist ein öffentliches Unternehmen in Privatrechtsform, welches gegenüber der kantonalen Verwaltung weitestgehend verselbständigt ist. Sie hat alle Befugnisse, die einer Verwaltungsstelle eigen sind, namentlich auch die Verfügungsbefugnis (vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller: Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2014, § 10 Rz 6).

 

Das Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11), welches das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons und den Rechtsschutz in Verwaltungssachen regelt, gilt nach § 4 sinngemäss nicht nur für Körperschaften und Anstalten des kantonalen öffentlichen Rechts, sondern auch für Private und für privatrechtliche Organisationen, die öffentliche Aufgaben erfüllen. Die Solothurner Spitäler AG gilt daher als Behörde, handelt in Anwendung kantonalen eidgenössischen Rechts in Verwaltungssachen und ist befugt, Verfügungen zu erlassen.

 

2.2 Das Spitalgesetz regelt in § 19 die Rechtsbeziehungen der Solothurner Spitäler AG zu Dritten. Für die Vergütung von Leistungen, die durch die Sozialversicherungen nicht gedeckt sind, gilt öffentliches Recht. Die Kosten werden dem Benutzer durch Verfügung auferlegt. Bei den Spitaltaxen handelt es sich um für die Nutzung einer öffentlichen Unternehmung (in Form einer «privatrechtlichen» AG) geschuldete Benutzungsgebühren; dies aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses ohne vertragliche Komponente zum behandelnden Arzt (vgl. Thomas Poledna/Brigitte Berger in: Öffentliches Gesundheitsrecht, Bern 2002, Rz 105 ff.). Die entsprechenden Verfügungen können mittels Beschwerde angefochten werden.

 

2.3 Nach § 29 VRG können Verfügungen und Entscheide durch Beschwerde an die nächsthöhere Verwaltungsbehörde bis zum zuständigen Departement und danach ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden, soweit nicht ein anderes Rechtsmittel, insbesondere die Beschwerde an den Regierungsrat, zulässig ist. Die Solothurner Spitäler AG ist gegenüber der kantonalen Verwaltung verselbständigt. Es gibt somit keine nächsthöhere Verwaltungsbehörde und auch kein für sie zuständiges Departement. Auch der Regierungsrat ist aufgrund der Verselbständigung der Solothurner Spitäler AG nur noch für die normativ-politischen Aufgaben zuständig. Die Leistungen selber werden von den Spitälern in eigener Verantwortung erbracht, wofür ihnen die nötigen Kompetenzen und Ressourcen übertragen wurden (vgl. Botschaft des Regierungsrats an den Kantonsrat von Solothurn vom 1. Juli 2003, RRB Nr. 2003/1275, S. 21).

 

Im Gerichtsorganisationsgesetz (GO, BGS 125.12) war die Solothurner Spitäler AG bis zur Revision vom 29. Oktober 2008 (Anpassung an die Rechtsweggarantie) in § 49 Abs. 1 lit. j explizit als «Behörde», deren Verfügungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterlagen, aufgeführt. Mit der Revision sollte daran nichts geändert werden. Statt einer Aufzählung der Vorinstanzen, deren Verfügungen (direkt) mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar waren, wechselte der Gesetzgeber zur generellen Anfechtbarkeit von kantonal letztinstanzlichen Verfügungen und Entscheiden. Nach dem heute geltenden § 49 Abs. 1 GO beurteilt das Verwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide in Verwaltungssachen von Behörden des Kantons und der Gemeinden, gegen die kein anderes ordentliches kantonales Rechtsmittel die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen ist und die nicht von einem anderen oberen Gericht ausgehen. Die Solothurner Spitäler AG ist als öffentliche Unternehmung in Privatrechtsform eine «Behörde» des Kantons. Gegen Verfügungen der Solothurner Spitäler AG ist kein anderes kantonales Rechtsmittel vorgesehen. Es findet die Generalklausel von § 49 Abs. 1 GO Anwendung. Ein Ausschlussgrund gemäss § 50 GO liegt nicht vor.

 

3.1 Das Entgelt, das die Solothurner Spitäler AG verlangt, ist rechtlich eine Benutzungsgebühr. Die Preise des Spitals stehen in keinem Gebührentarif. Dies ist aber auch nicht zwingend nötig. Die maximale Höhe der Gebühr ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip (Häfelin/Müller/Uhlmann: Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2020, Rz 2769 und 2809; Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2017.00213).

 

3.2 Im Bereich der Sozialversicherung gilt Folgendes: Gemäss Art. 43 Abs. 4 KVG (Bundesgesetz über die Krankenversicherung, SR 832.10) werden die Tarife in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Ein Tarifvertrag bedarf der Genehmigung durch die Kantonsregierung (Art. 46 Abs. 4 KVG). Kommt zwischen Leistungserbringern und Versicherern kein Tarif zustande, setzt die Kantonsregierung nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest (Art. 47 Abs. 1 KVG). Vor der Tarifgenehmigung -festsetzung ist die Preisüberwachung anzuhören (Art. 14 Abs. 1 Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985, PüG; SR 942.20). Als Beispiel möge der Beschluss Nr. 2018/100 betreffend die Vereinbarung zwischen der Solothurner Spitäler AG und der tarifsuisse ag dienen.

 

Wenn für die Fahrt zu einer Behandlung aus medizinischen Gründen ein spezielles Transportmittel nötig ist (z.B. eben eine Ambulanz) der Gesundheitszustand der Patienten und Patientinnen einen Transport mit einem öffentlichen privaten Transportmittel nicht erlaubt, werden von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung die Hälfte der Kosten bis zu einem jährlichen Maximalbetrag von CHF 500.00 vergütet (Art. 26 der Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV, SR 832.112.31).

 

3.3 Nun aber handelt es sich hier nicht um eine Leistung, die wegen einer Krankheit erfolgt und von einer Krankenkasse zu bezahlen ist. Der Beschwerdeführer weigert sich, den Vorfall einer Versicherung zu melden (Unfall- Haftpflichtversicherung).

 

Wer verunfallt ist, wird oftmals nicht in der Lage sein, selber eine Ambulanz zu rufen. Das Spital kann vor dem Einsatz auch nicht das Einverständnis des Betroffenen einholen. Es muss möglich sein, dass jemand die Ambulanz für einen Dritten ruft. Es geht in analoger Rechtsanwendung um eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag nach Art. 419 ff. OR (Obligationenrecht, SR 220; Häfelin et al., a.a.O., Rz 252 ff.). Dem Geschäftsführer, dem Spital, sind alle «Verwendungen» zu ersetzen (Art. 422 OR). Nach Ziffer 7 der jeweils vom Verwaltungsrat herausgegebenen allgemeinen Geschäftsbedingungen des Spitals beträgt die Grundtaxe für «Primär-Krankentransporte» CHF 900.00. Leerfahrten werden der Person in Rechnung gestellt, die von der Leistung hätte profitieren sollen. Hinzu kommt eine Pauschale für «kleine medizinische Leistungen» von CHF 100.00. Rechnerisch ist die Faktura korrekt. Dass die Ambulanz ausgerückt ist, ergibt sich aus dem Protokoll. Dies ist auch nicht bestritten. Das Team hat sich auch um den Beschwerdeführer gekümmert, ihn jedoch nicht ins Spital eingewiesen, da dazu (nach der Untersuchung) keine Notwendigkeit bestand. Es hat folglich auch eine «kleine medizinische Leistung» stattgefunden.

 

4. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die auf CHF 300.00 festzusetzen sind. Parteientschädigung ist keine auszurichten, weil die Beschwerdegegnerin durch keinen Anwalt vertreten war.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 300.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Scherrer Reber                                                                 Schaad

 

 

Auf eine gegen das vorliegende Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 2C_77/2021 vom 28. April 2021 nicht ein.

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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