Zusammenfassung des Urteils VWBES.2020.236: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass ein chinesisches Paar, das in der Schweiz lebt, keine Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat erhalten kann, da die Frau ihre Identität nicht nachweisen kann. Das Migrationsamt hat das Gesuch abgelehnt, da die Frau nicht mit dem Staatssekretariat für Migration zusammenarbeiten wollte, um einen Reisepass zu erhalten. Die Beschwerdeführer haben Beschwerde eingelegt, aber das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Gerichtskosten von CHF 1'500 müssen beide Parteien je zur Hälfte tragen. Die Frau erhält unentgeltliche Rechtspflege, während der Mann aufgrund seines Vermögens von CHF 33'000 die Kosten selbst tragen muss.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2020.236 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 15.02.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Aufenthalt; Identität; Aufenthalts; Recht; Ausländer; China; Ausweis; Ethnie; Schweiz; Migration; Kanton; Vorbereitung; Heirat; Ausweispapier; Person; Verwaltungsgericht; Aufenthaltsbewilligung; Personen; Reisedokument; Urteil; Migrationsamt; Volksrepublik; Eheschliessung; Schriftenlosigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 13 AIG ;Art. 190 BV ;Art. 89 AIG ;Art. 90 AIG ;Art. 98 ZGB ; |
Referenz BGE: | 137 I 351; 138 I 41; 139 I 37; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2020.236 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 15.02.2021 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2021.31 |
Titel: | Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 15. Februar 2021 Es wirken mit: Oberrichter Stöckli Oberrichter Müller Gerichtsschreiberin Kaufmann In Sachen 1. A.___ 2. B.___ beide hier vertreten durch C.___
Beschwerdeführer
gegen
Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Aufenthaltsgesuch zwecks Vorbereitung der Heirat zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Der aus China stammende A.___ mit tibetischer Ethnie (geb. 1977, nachfolgend Beschwerdeführer genannt) reiste am 19. September 2011 in die Schweiz ein. Am 3. Januar 2017 erhielt er im Rahmen einer Härtefallregelung die Aufenthaltsbewilligung. Er wohnt in einer Wohnung in [...] SO.
2. Die ebenfalls (angeblich) aus China stammende A.___ mit tibetischer Ethnie (geb. 1980, nachfolgend Beschwerdeführerin genannt) reiste am 22. Mai 2012 in die Schweiz ein. Am 30. September 2016 wurde ihr Asylgesuch abgewiesen und sie wurde aus der Schweiz weggewiesen. Der Vollzug der Wegweisung in die Volksrepublik China wurde aber ausgeschlossen, da ihr dort gegebenenfalls unmenschliche Behandlung Folter drohen würden. Mit Urteil vom 9. Dezember 2016 trat das Bundesverwaltungsgericht auf ihre Beschwerde nicht ein. Die Beschwerdeführerin wohnt in einer kantonalen Unterkunft für Ausreisepflichtige in [...] AG.
3. Mit Schreiben vom 29. November 2019 ersuchten die Beschwerdeführer beim kantonalen Migrationsamt um Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung für die Beschwerdeführerin zwecks Vorbereitung der Heirat.
4. Mit Verfügung vom 18. Juni 2020 wies das Migrationsamt, namens des Departements des Innern, das Gesuch ab, soweit darauf eingetreten wurde. Sinngemäss und im Wesentlichen wurde ausgeführt, es werde nicht von einer Scheinehe ausgegangen. Da die tibetische Beschwerdeführerin sich aber nicht über ihre Identität ausweisen könne und auch nicht gewillt sei, mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) zusammenzuarbeiten, um einen Reisepass zu besorgen, könne das Gesuch nicht bewilligt werden. Ohnehin wäre für die Eheschliessung vor dem Zivilstandsamt ebenfalls ein Identitätsnachweis zu erbringen und auch wenn die Eheschliessung erfolgen könnte, würde diese die Beschwerdeführerin mangels Identitätsnachweis nicht zum weiteren Aufenthalt in der Schweiz berechtigen. Die Beschwerdeführerin habe mit dem SEM keinen Kontakt aufgenommen, beim Gericht keinen Antrag um Feststellung der Identität gestellt und es fehle auch eine Bestätigung des Zivilstandsamts, dass das Ehevorbereitungsverfahren eingeleitet sei und die Heirat innert nützlicher Frist erfolgen könnte.
5. Gegen diesen Entscheid erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch C.___, am 22. Juni 2020 Beschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Bewilligung ihres Gesuchs um Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Eheschliessung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
6. Am 13. Juli 2020 beantragte das Migrationsamt, namens des Departements des Innern, die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge und verzichtete auf eine weitere Vernehmlassung.
7. Die Beschwerdeführer nahmen am 16. Juli 2020 abschliessend Stellung.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ und B.___ sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Die Kurzaufenthaltsbewilligung wird für befristete Aufenthalte bis zu einem Jahr erteilt (vgl. Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG, SR 142.20). Sie wird für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt und kann mit weiteren Bedingungen verbunden werden (Abs. 2). Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG i.V.m. Art. 31 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) könnte zur Vorbereitung der Heirat eine Härtefallbewilligung erteilt werden. Ausländerinnen und Ausländer müssen bei der Anmeldung ein gültiges Ausweispapier vorlegen. Der Bundesrat bestimmt die Ausnahmen und die anerkannten Ausweispapiere (Art. 13 Abs. 1 AIG). Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn alle von der zuständigen Behörde bezeichneten, für die Bewilligungserteilung notwendigen Dokumente vorliegen (Abs. 3). Die Ausländerinnen und Ausländer müssen während ihres Aufenthaltes in der Schweiz im Besitz eines gültigen, nach Art. 13 Abs. 1 AIG anerkannten Ausweispapiers sein (Art. 89 AIG).
3. Die Vorinstanz führte aus, zur Vorbereitung der Heirat mit einem Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung könnte gestützt auf die Härtefallregelung von Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG i.V.m. Art. 31 VZAE eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Hierzu müsse vor der Einreise eine Bestätigung des Zivilstandsamtes vorliegen, aus welcher hervorgehe, dass die Heirat eingeleitet sei und innert nützlicher Frist erfolgen könne. Zudem müssten die übrigen Voraussetzungen für einen Familiennachzug erfüllt sein.
Das Migrationsamt gehe nicht von einer geplanten Scheinehe aus. Der Beschwerdeführerin mangle es jedoch an einem gültigen Identitätsnachweis. Anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs hatte das Migrationsamt ausgeführt, gemäss Schreiben des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 13. Januar 2020 würden abgewiesene asylsuchende Personen tibetischer Ethnie seit November 2018 nicht mehr aufgefordert, auf der chinesischen Vertretung ein Reisedokument zu beschaffen. Sie würden jedoch angewiesen, ihre tatsächliche Identität offenzulegen, indem sie überprüfbare Angaben zu ihrem Lebenslauf im Ausland machten (insbesondere die letzten Wohnadressen im Ausland, den Aufenthaltsstatus, Arbeitgeber, Schulbesuche usw.), damit ihre Schriftenlosigkeit abgeklärt werden könne. Zudem hätten sie die Möglichkeit, bei den Botschaften von Indien und Nepal um heimatliche Dokumente nachzusuchen. Das SEM sei aktuell bereit, bei der Beschaffung von Reisedokumenten bzw. Identitätsausweisen behilflich zu sein. Die Chancen auf ein Ersatzreisepapier für Personen tibetischer Ethnie mit einem (ehemals) gültigen Aufenthaltstitel in Indien stünden laut E-Mail des SEM vom 17. Dezember 2019 gut. Bezüglich der Beschwerdeführerin sei man anlässlich ihres Asylverfahrens davon ausgegangen, dass sie nicht in der Volksrepublik China, sondern in einer exiltibetischen Community ausserhalb Chinas, etwa in Indien, Nepal Bhutan, sozialisiert worden und aufgewachsen sei. Aufgrund ihrer mangelnden Kooperation sei es dem SEM bislang nicht möglich gewesen, das Herkunftsland herauszufinden.
Die Beschwerdeführerin sei nicht gewillt, mit der vom SEM angebotenen Hilfe einen Reisepass zu organisieren. Auch auf den Vorschlag des Zivilstandsamtes, durch das Gericht die Identität feststellen zu lassen, sei sie nicht eingegangen. Da kein Reisepass vorliege, sei die Voraussetzung nach Art. 13 AIG zur Erteilung einer Bewilligung nicht erfüllt. Ausserdem müsse die Identität auch für die zivilstandsamtliche Trauung nachweislich belegt werden. Auch im Rahmen einer Härtefallbewilligung nach Art. 14 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG, SR 142.31) i.V.m. Art. 31 VZAG müsse die Identität nachgewiesen werden.
Es treffe nicht zu, dass eine befristete Aufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Ehe erteilt werden müsse, wenn keine Scheinehe vorliege. Es müssten auch die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sein, was ohne Identitätsnachweis nicht der Fall sei. Die Angaben im Ausländerausweis N und im ZEMIS reichten nicht aus, um die Identität nachzuweisen, da es sich lediglich um Angaben handle, welche die Beschwerdeführerin im Asylverfahren gemacht habe. Sie seien aber nicht durch ein Identitätspapier nachweislich belegt. Schriftenlosigkeit müsste durch das SEM festgestellt werden, was vorliegend nicht der Fall sei. Im Gegenteil sei die Beschwerdeführerin nicht gewillt, ihre Identität offenzulegen. Sie komme ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach. Im Übrigen fehle der Beschwerdeführerin auch die Bestätigung des Zivilstandsamtes, dass die Heirat eingeleitet sei und innert nützlicher Frist erfolgen könne.
4. Die Beschwerdeführer lassen dagegen vorbringen, ihnen werde das Recht auf Eheschliessung verweigert. Auch werde entgegen des Leiturteils des Bundesgerichts BGE 137 I 351 gehandelt, sowie entgegen 2C_541/2017 E. 4.4.6, BGVE E-6706/2008 E. 6.5, E-2981/2012 E. 5.11 sowie C-4005/2013 E. 8 und 9.
Die Eheleute würden sich seit 2013 kennen und möchten seit langem heiraten. Sie würden bis auf die Präsenzzeiten der Beschwerdeführerin in der Asylunterkunft, zusammen in der Wohnung des Beschwerdeführers in [...] wohnen. Im November 2019 hätten sie beim Zivilstandsamt in [...] ein Eheschliessungsbegehren gestellt und seien von dort an das Migrationsamt verwiesen worden. Die Beschwerdeführer hätten sämtliche erforderlichen Dokumente beigebracht, bis auf den chinesischen Reisepass. China verweigere geflüchteten chinesischen Staatsbürgerinnen tibetischer Ethnie Reisepapiere, da es sie (zu Recht) als Unterstützer des Dalai Lama und damit als separatistisch gesinnte Oppositionelle betrachte. Die indischen und nepalesischen Vertretungen stellten chinesischen Staatsangehörigen keine Ausweise ihrer Staaten aus. Sie erhielten eine grosse Zahl von Zuschriften tibetischer Flüchtlinge in der Schweiz, welche sie nicht beantworten würden. Die Beschwerdeführerin habe sich nie in Indien aufgehalten.
Die Beschwerdeführerin könne ihre Identität durch den ZEMIS-Eintrag und den kantonalen Ausweis für abgewiesene Asylsuchende belegen.
Das Grundsatzurteil BGE 137 I 351 weise die Migrationsämter an, abgewiesenen Asylsuchenden eine Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Eheschliessung auszustellen, wenn keine Scheinehe vorliege. Viele abgewiesene Asylsuchende würden über keine Dokumente verfügen, was auf eine Vereitelung des Rechts auf Ehe und Familie hinauslaufe.
Zu klären sei vorliegend, ob es der Beschwerdeführerin als Staatsangehörige der Volksrepublik China möglich sei, von den diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes ein Reisepapier Ausweispapiere zu beschaffen ob es möglich wäre, solche Papiere in Indien Nepal zu erhalten. Entsprechende Verfahren seien momentan auch beim Bundesverwaltungsgericht hängig.
Die Kantone Aargau und Zürich sowie das SEM würden Aufenthaltsbewilligungen an schriftenlose Gesuchsteller ohne Flüchtlingsstatus auch für abgewiesene Asylsuchende ausstellen. Es sei fraglich, weshalb der Kanton Solothurn dies verweigere. Eheleute ohne Ausweisdokumente könnten im Kanton Aargau auch heiraten, während der Kanton Solothurn dies nicht zulasse.
Bei einer auf Verlangen des SEM erfolgten begleiteten Vorsprache von chinesischen Staatsbürgern tibetischer Ethnie beim Chinesischen Generalkonsulat seien sowohl ein Reisepass wie auch eine Bestätigung der Vorsprache verweigert worden. Mit Schreiben vom 13. Januar 2018 habe der Staatssekretär des SEM bestätigt, dass abgewiesene asylsuchende Personen tibetischer Ethnie nicht mehr aufgefordert würden, auf einer chinesischen Vertretung Reisedokumente zu beschaffen. Im Kanton Aargau müssten Asylsuchende tibetischer Ethnie keine heimatlichen Reisedokumente einreichen. Auch der Kanton Zürich habe darauf verzichtet.
Die diplomatischen Vertretungen der Volksrepublik China würden eng mit den chinesischen Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten. Es wäre davon auszugehen, dass die Angehörigen Repressionen ausgesetzt wären, wenn um die Ausstellung von Reisedokumenten ersucht würde.
Das SEM sei der Meinung, die Beschwerdeführerin sei möglicherweise in Indien Nepal sozialisiert worden. Den negativen Nachweis zu erbringen, dass dem nicht so sei, sei schwierig. Die Beschwerdeführerin habe sich nie in Indien aufgehalten. In Nepal sei sie nur kurz auf der Durchreise gewesen. Auf telefonische Nachfrage beim indischen Botschafter habe dieser angegeben, man trete grundsätzlich nicht auf Gesuche von Angehörigen von Drittstaaten ein. Die gleiche Auskunft sei von der nepalesischen Botschaft in Genf erteilt worden.
Der Unterzeichnete habe diverse andere Tibeter vertreten, denen die Eheschliessung durch andere Kantone trotz Schriftenlosigkeit gewährt worden sei. Werde vorliegend auf der Beschaffung von Dokumenten beharrt, bedeute dies, dass die Beschwerdeführer nie heiraten könnten, da es für die Beschwerdeführerin unzumutbar und unmöglich sei, die entsprechenden Dokumente zu beschaffen. Das SEM und andere Kantone würden Art. 8 Abs. 2 VZAE für Staatsbürger der VR China mit tibetischer Ethnie anwenden. Der Kanton Solothurn dürfe diese bundesrechtlichen Bestimmungen nicht willkürlich missachten.
5. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Migrationsbehörden im Hinblick auf Art. 12 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) bzw. Art. 14 der Bundesverfassung (BV, SR 101) in Konkretisierung des Gesetzeszwecks von Art. 98 Abs. 4 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) gehalten, eine (Kurz-)Aufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Ehe zu erteilen, wenn keine Hinweise dafür bestehen, dass die ausländische Person rechtsmissbräuchlich handelt (Scheinehe, missbräuchliche Anrufung der Familiennachzugsbestimmungen usw.), und «klar» erscheint, dass sie nach der Heirat mit dem Ehepartner in der Schweiz wird verbleiben können, d.h. sie auch die weiteren hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (BGE 139 I 37 E. 3.5.2 S. 48; 138 I 41 E. 4 und 5 S. 46 ff.; 137 I 351 E. 3.7 S. 359 f.). Die Kurzaufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung des Eheschlusses soll schliesslich nur erteilt werden, wenn mit diesem bzw. dem Erhalt der hierfür zivilrechtlich erforderlichen Papiere und Bestätigungen in absehbarer Zeit gerechnet werden kann; die (vorübergehende) Legalisierung des Aufenthalts mit Blick auf den Eheschluss darf nicht dazu dienen, die Anwesenheit längerfristig zu sichern (Urteile 2C_117/2019 vom 7. Juni 2019 E. 3; 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018 E. 4.3; 2C_702/2011 vom 23. Februar 2012 E. 4.4). Diese Rechtsprechung gilt trotz des Vorrangs des Asylverfahrens (Art. 14 Abs. 1 des Asylgesetzes, AsylG, SR 142.31) und der Bindung an die Bundesgesetze (Art. 190 BV) auch für abgewiesene Asylsuchende, die erst dank der Heirat einen ausländerrechtlichen Bewilligungsanspruch erwerben (vgl. BGE 138 I 41 E. 3 S. 45 f.; 137 I 351 E. 3.5 S. 356 ff. und E. 3.7 S. 359 f.; Urteil 2C_962/2013 vom 13. Februar 2015 E. 4.2; zum Ganzen: 2C_827/2019 vom 17. Januar 2020 E. 3).
6. Die Beschwerdeführer sind der Meinung BGE 137 I 351 gewähre einen bedingungslosen Anspruch auf Gewährung einer Kurzaufenthaltsbewilligung, wenn keine Scheinehe vorliege. Dem ist nicht so. Der Entscheid hält fest, dass die Migrationsbehörde gehalten ist, einem ausländischen Verlobten einen provisorischen Aufenthaltstitel auszustellen, wenn der Zivilstandsbeamte die Trauung mangels Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz nicht vollziehen könnte (Art. 98 Abs. 4 ZGB). Der Aufenthaltstitel ist auszustellen, wenn keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen und klar erscheint, dass der Betroffene – einmal verheiratet – aufgrund seiner persönlichen Situation die Zulassungsvoraussetzungen in der Schweiz erfüllen wird.
Vorliegend könnte jedoch der Zivilstandsbeamte die Trauung auch deshalb nicht durchführen, weil die Beschwerdeführerin ihre Identität nicht belegen kann (vgl. Art. 98 Abs. 3 und 99 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; VWBES.2019.77 vom 15. Juli 2019). Und auch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug nach Durchführung der Trauung muss ein Identitätsnachweis vorliegen. Ein solcher fehlt der Beschwerdeführerin offensichtlich.
7.1 Es ist deshalb zu prüfen, ob eine Ausnahme nach Art. 8 Abs. 2 VZAE vorliegt. Bei der Anmeldung muss nämlich laut Art. 8 Abs. 2 VZAE kein gültiges ausländisches Ausweispapier vorgelegt werden, wenn sich dessen Beschaffung nachweislich als unmöglich erweist (lit. a); von den betroffenen Personen nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- Herkunftsstaates um die Ausstellung Verlängerung eines Ausweispapiers bemühen (Art. 89 und 90 Bst. c AIG) (lit. b); die Ausländerin der Ausländer einen vom SEM ausgestellten Pass gemäss Art. 4 Abs. 1 2 lit. a der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5) besitzt (lit. c); die Ausländerin der Ausländer keine gültigen ausländischen Ausweispapiere besitzt und vom SEM einen Reiseausweis für Flüchtlinge gemäss Art. 3 RDV erhalten hat (lit. d).
Da die Beschwerdeführerin keine Ausweispapiere gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. c und d VZAE besitzt, können nur die Ausnahmegründe von lit. a und b in Frage kommen. Dieselben Voraussetzungen nennt auch Art. 10 Abs. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5) zum Nachweis der Schriftenlosigkeit.
7.2 Vom SEM wird seit November 2018 anerkannt, dass von abgewiesenen asylsuchenden Personen tibetischer Ethnie nicht verlangt werden kann, auf der chinesischen Vertretung ein Reisedokument zu beschaffen.
Aufgrund der Feststellungen im Asylverfahren ist jedoch bei der Beschwerdeführerin gar nicht klar, ob sie überhaupt aus der Volksrepublik China stammt. Das SEM führte im rechtskräftigen Asylentscheid vom 30. September 2016 aus, aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin im Asylverfahren, insbesondere des mangelhaften Alltagswissens zur angeblichen Herkunftsregion, bestünden erhebliche Zweifel an der von ihr geltend gemachten Herkunft. Das SEM gehe davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Schweizer Behörden über ihre Herkunft aus der Volksrepublik China täuschen wolle und in Wahrheit in einer exiltibetischen Gemeinschaft ausserhalb Chinas sozialisiert worden sei (act. 96). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne für eine asylsuchende Person tibetischer Ethnie, welche unglaubhafte Angaben über ihren angeblichen Sozialisierungsraum in der Volksrepublik China mache, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie eine Aufenthaltsbewilligung eine Duldung in einem Drittstaat, aber sogar eine andere Staatsangehörigkeit besitze (E-2981/2012 vom 20. Mai 2014 E. 5.8).
7.3 Gemäss Art. 90 AIG sind die Ausländerinnen und Ausländer sowie an Verfahren nach dem AIG beteiligte Dritte verpflichtet, an der Feststellung des für die Anwendung dieses Gesetzes massgebenden Sachverhalts mitzuwirken. Sie müssen insbesondere zutreffende und vollständige Angaben über die für die Regelung des Aufenthalts wesentlichen Tatsachen machen (lit. a); die erforderlichen Beweismittel unverzüglich einreichen sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen (lit. b); Ausweispapiere (Art. 89 AIG) beschaffen bei deren Beschaffung durch die Behörden mitwirken (lit. c).
Damit überprüft werden kann, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich als schriftenlos gilt und es ihr nicht möglich nicht zumutbar ist, Ausweispapiere zu beschaffen, hat sie der Behörde überprüfbare Angaben über ihre Identität zu machen. Die Schriftenlosigkeit wird gemäss Art. 10 Abs. 4 RDV im Rahmen der Gesuchsprüfung vom SEM festgestellt. Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 hat der Staatssekretär des SEM mitgeteilt, dass abgewiesene asylsuchende Personen tibetischer Ethnie angewiesen würden, ihre tatsächliche Identität offenzulegen, indem sie überprüfbare Angaben zu ihrem Lebenslauf im Ausland machen würden (insbesondere die letzten Wohnadressen im Ausland, den Aufenthaltsstatus, Arbeitgeber, Schulbesuche usw.), damit ihre Schriftenlosigkeit abgeklärt werden könne.
Es liegt somit an der Beschwerdeführerin glaubhafte und überprüfbare Angaben zu ihrem Lebenslauf zu machen. Solange sie dies verweigert, muss davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen der Schriftenlosigkeit nicht erfüllt sind. Das Recht auf Ehe und Familie wird der Beschwerdeführerin damit nicht verweigert. Sie hat nach Art. 90 AIG eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung ihrer Identität. Solange sie dieser nur ungenügend nachkommt, kann ihr Aufenthalt nicht legalisiert werden.
8. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang haben A.___ und B.___ die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht je zur Hälfte zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Eine Parteientschädigung ist bei diesem Ausgang nicht geschuldet.
Die Beschwerdeführerin hat die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt. Sie ist als Bezügerin von Nothilfe bedürftig und der Prozess erschien nicht aussichtslos mutwillig, weshalb ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und ihr Anteil von CHF 750.00 durch den Kanton Solothurn zu bezahlen ist; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch während zehn Jahren, sobald B.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272).
A.___ hat seine Bedürftigkeit hingegen nicht nachgewiesen. In den Akten befindet sich vielmehr ein Kontoauszug, wonach er über ein Vermögen von rund CHF 33'000.00 verfügt. Ihm ist zuzumuten, seinen Anteil der Verfahrenskosten davon zu begleichen. Ihm kann deshalb die unentgeltliche Rechtspflege, die auch nicht beantragt wurde, nicht bewilligt werden.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. B.___ wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt. 3. A.___ und B.___ haben die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 je zur Hälfte, unter solidarischer Haftbarkeit, zu bezahlen. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Kanton Solothurn den Anteil von B.___; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Scherrer Reber Kaufmann
Das vorliegende Urteil wurde vom Bundesgericht mit Urteil 2D_14/2021 vom 5. Oktober 2021 bestätigt.
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