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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2019.375)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2019.375: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer wurde wegen verschiedener Delikte verurteilt, darunter Nötigung und Tätlichkeiten, die zu einem Führerausweisentzug führten. Er legte Beschwerde ein und argumentierte, dass die Vorfälle auf einem privaten Gelände stattgefunden haben und somit keine Verkehrsregelverletzungen vorlägen. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass das Geschehene als Verkehrsverstoss zu werten sei. Letztendlich wurde die Beschwerde teilweise gutgeheissen, der Führerausweis für einen Monat entzogen und die Kosten aufgeteilt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2019.375

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2019.375
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2019.375 vom 28.02.2020 (SO)
Datum:28.02.2020
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Führerausweisentzug
Schlagwörter: Personen; Richter; Strasse; Verkehr; Gefährdung; Verkehrs; Widerhandlung; Verschulden; Strassen; Gefahr; Urteil; Vorplatz; Verfügung; Führerausweis; Beschwerde; Verkehrsregel; Befehl; Personenwagen; Verletzung; Verwaltungsgericht; Strassenverkehr; Verfahren; Bundesgericht; Parteien; Bestimmungen; Verkehrsregeln; Würdigung; Richters; Verfahren; Sachverhalt
Rechtsnorm: Art. 1 SVG ;Art. 1 VRV ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 26 SVG ;Art. 5 SVG ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:102 Ib 193; 104 IV 105; 121 II 214; 123 II 97; 135 II 138; 136 II 447;
Kommentar:
Philippe Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, Zürich, Art. 1 OBG SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2019.375

Urteil vom 28. Februar 2020

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Gottesman

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Schnyder,

Beschwerdeführer

gegen

Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,

Beschwerdegegner

betreffend Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) fuhr am 17. Dezember 2016, um 12:50 Uhr, in [...] [...], Werkstatt, privates Areal in einer Halle, laut Strafbefehl vom 13. August 2019 absichtlich mit seinem Personenwagen gegen einen Stapler, womit er diesen blockierte und damit den Gabelstaplerfahrer nötigte, Arbeiten, mit denen dieser gerade zugange war, zu unterbrechen, da dieser eingeklemmt war und entsprechend nicht mehr weiterarbeiten konnte. Nach der Blockierung bzw. Kollision mit dem Stapler versuchte der Beschwerdeführer, mit seinem Personenwagen den Stapler weiter in die Halle zu stossen, wobei es am Boden auf dem Asphaltbelag Pneuabriebspuren gab. Dies gelang ihm auch einige Zentimeter lang, während der Gabelstaplerfahrer immer noch auf dem Stapler sass. Etwas später fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen im Schritttempo langsam in die Beine der auf dem Vorplatz stehenden zwei Personen, drängte diese also mit der Front seines Personenwagens in nördlicher Richtung ungefähr zwei Meter vom Platz weg.

2. Aufgrund der Vorfälle vom 17. Dezember 2016 wurde der Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 13. August 2019 der Nötigung, der mehrfachen Drohung, der mehrfachen Tätlichkeiten und der Beschimpfung schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je CHF 200.00, einer Busse von CHF 300.00 und Verfahrenskosten von CHF 530.00 verurteilt. Der Strafbefehl ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

3. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2019 entzog die Motorfahrzeugkontrolle (nachfolgend MFK) dem Beschwerdeführer den Führerausweis für die Dauer von drei Monaten. Begründet wurde der Führerausweisentzug mit Behinderung und Gefährdung von Drittpersonen, begangen am 17. Dezember 2016, 12:50 Uhr, in Büsserach, mit einem Personenwagen.

Der Beschwerdeführer sei mit seinem Personenwagen absichtlich gegen die Beine von zwei Personen gefahren. Dadurch habe er in Kauf genommen, dass diese beiden Personen Verletzungen davontragen. Sowohl die von ihm geschaffene Gefährdung sein Verschulden müssten als schwer bezeichnet werden. Es handle sich um eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16c Abs. 2 lit. a Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01).

4. Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer, v.d. Rechtsanwalt Dominik Schnyder, mit Beschwerde vom 23. Oktober 2019 an das Verwaltungsgericht und stellte die folgenden Rechtsbegehren:

1.      Die Verfügung vom 17. Oktober 2019 sei aufzuheben.

2.      Evtl. dem Beschwerdeführer sei eine Verwarnung zu erteilen.

3.      Subevtl. sei der Führerausweis für die Dauer von maximal 1 Monat zu entziehen.

4.      Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

5. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 14. November 2019 wurde der MFK Frist gesetzt, um eine Stellungnahme einzureichen und sich insbesondere zur Frage zu äussern, warum vorliegend das SVG angewendet wurde.

6. Mit Vernehmlassung vom 9. Januar 2020 nahm die MFK Stellung zur Beschwerde.

7. Der Beschwerdeführer replizierte mit Eingabe vom 16. Januar 2020.

8. Für die weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich, ist im Folgenden darauf einzugehen.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die im Strafbefehl relevanten Delikte hätten sich nicht auf öffentlichem Grund auf einer öffentlichen Strasse, sondern auf einer privaten Garageneinfahrt ereignet. Aus diesem Grund habe der Strafrichter auch nicht die Bestimmungen des SVG angewendet. Aus dem Strafbefehl würden sich somit keine Verletzungen von Verkehrsregeln ergeben. Allein schon aus diesem Grund sei die Verfügung aufzuheben. Liege keine Verkehrsregelverletzung vor, sei eine Administrativmassnahme im Strassenverkehr nicht gerechtfertigt. Die Administrativbehörde sei an die Sachverhaltsfeststellungen und die rechtliche Würdigung des Strafrichters gebunden und könne nicht eine echte Konkurrenz konstruieren, wo der Strafrichter keine solche sehe. Selbst wenn auf der Grundlage des Strafbefehls echte Konkurrenz anzunehmen wäre, sei zu prüfen, ob eine konkrete bzw. erhöhte abstrakte Gefährdung anderer Personen gewollt in Kauf genommen worden sei. Zudem müsse neben der Gefährdung ein schweres Verschulden vorliegen. Eine konkrete Gefahr sei in beiden Fällen weder gewollt noch in Kauf genommen worden. Er habe die betroffenen Personen offensichtlich nicht in konkrete Gefahr bringen wollen, sondern nur ihren freien Willen mittels Nötigung einschränken. Auch von einer erhöhten abstrakten Gefahr könne keine Rede sein. Letztere sei weder gewollt noch in Kauf genommen worden. Beabsichtigt und in Kauf genommen worden sei nur das Verhalten der betroffenen Personen auf privatem Grund in ihrer Freiheit einzuschränken, ansonsten der Strafrichter Gefährdung des Lebens sogar versuchte Körperverletzung angenommen hätte, was er nicht gemacht habe. Hinsichtlich des Verschuldens sei ein geringes Verschulden anzunehmen, was sich aus der eigentlichen Sanktion des Strafrichters für die Delikte ableiten lasse. Wenn überhaupt, dann liege höchstens ein mittelschwerer Fall vor, wenn nicht sogar ein leichter Fall. Dem Verwaltungsrichter sei es versagt, nicht beurteilte nicht zu beurteilende Sachverhalte im Nachhinein beizuziehen und eine Administrativmassnahme anzuordnen. Er sei grundsätzlich an die Feststellungen und Rechtsanwendungen des Strafrichters gebunden. Der Verwaltungsrichter könne nicht Versäumnisse nachholen eine andere Beurteilung des Strafrichters annehmen. Er habe sich mit dem Strafurteil und den dazugehörenden Akten auseinanderzusetzen und bei seinem Urteil auf die massgebenden Kriterien abzustellen, die der Strafrichter gemäss den Strafbestimmungen des SVG Art. 90 ff. anwende. Im vorliegenden Verfahren wende der Strafrichter keine SVG-Bestimmungen an. Also könne der Verwaltungsrichter diese Bestimmungen nicht im Nachhinein anwenden. Zudem müsse er sich, falls der Strafrichter die Strafbestimmungen des SVG auch in echter Konkurrenz anwende, an die Würdigung des Strafrichters halten.

3.1 Die für den Führerausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde darf bei einem Warnungsentzug grundsätzlich nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Eine Abweichung ist nur zulässig, wenn die Behörde ihrem Entscheid Tatsachen zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn der Strafrichter nicht alle sich mit dem Sachverhalt stellenden Rechtsfragen abklärte. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen auch an einen Strafentscheid gebunden, der im Strafbefehlsverfahren ergangen ist, selbst wenn er ausschliesslich auf einem Polizeirapport beruht. Dies gilt namentlich, wenn der Beschuldigte wusste angesichts der Schwere der ihm vorgeworfenen Delikte davon ausgehen musste, dass neben dem Strafverfahren ein Administrativverfahren eröffnet wird. Entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben muss der Betroffene allfällige Verteidigungsrechte und Beweisanträge im Strafverfahren vorbringen und dort gegebenenfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; BGE 121 II 214 E. 3a; Urteil 6A.81/2006 vom 22.12.2006 E. 2.3).

3.2 In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, insbesondere auch des Verschuldens ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447 E. 3.1). Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen zwar nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen. Die Strafnorm von Art. 90 SVG legt das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt, während die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (BGE 102 Ib 193 E. 3).

3.3 Unter welchen Voraussetzungen eine Verkehrsfläche als öffentliche Strasse im Sinne von Art. 1 Abs. 1 SVG und Art. 1 Abs. 1 und 2 Verkehrsregelnverordnung (VRG, SR 741.11) gilt, ist eine Frage des eidgenössischen Rechts (vgl. Philippe Weissenberger: Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, Zürich/St. Gallen 2015, Art. 1 N 8). Da die Verwaltungsbehörde bei einer Rechtsfrage eben nicht an die Beurteilung durch den Strafrichter gebunden ist, kann der Beschwerdeführer aus dem von ihm zitierten Grundsatz nichts zu seinen Gunsten ableiten.

4.1 Das SVG ordnet den Verkehr auf den öffentlichen Strassen sowie die Haftung und die Versicherung für Schäden, die durch Motorfahrzeuge, Fahrräder fahrzeugähnliche Geräte verursacht werden (Art. 1 Abs. 1 SVG). Strassen sind die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen Fussgängern benützten Verkehrsflächen (Art. 1 Abs. 1 VRV). Öffentlich sind Strassen, die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen (Art. 1 Abs. 2 VRV).

4.2 Für die Einordnung des Charakters einer Strasse als öffentlich ist somit die Art und Weise ihres Gebrauchs entscheidend, nicht deren Beschränkung: Dem SVG unterstehen alle Strassen, die tatsächlich dem allgemeinen Verkehr dienen. Das trifft zu, wenn eine Verkehrsfläche einem unbestimmbaren Personenkreis zur Verfügung steht, selbst wenn die Benützung nach Art Zweck eingeschränkt ist und unabhängig davon, ob die Strasse in öffentlichem privatem Eigentum steht. Deshalb verliert eine Strasse ihren öffentlichen Charakter auch dann nicht, wenn sie nur unter gewissen Einschränkungen nur für bestimmte Zwecke benützt werden darf, in diesem Rahmen aber jedermann zur Verfügung steht. In all diesen Fällen ist der Kreis der Benützer unbestimmbar und damit das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit gegeben. Dementsprechend kann beispielsweise ein privater Vorplatz, der einem unbestimmbaren Personenkreis zur Benützung offen steht, nur durch ein signalisiertes Verbot durch eine Abschrankung dem öffentlichen Verkehr und damit der Herrschaft des SVG entzogen werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 SVG). Allerdings wird ein privater Vorplatz nicht allein deshalb zur öffentlichen Verkehrsfläche, weil er unbefugterweise und entgegen einem signalisierten Betretungsund Fahrverbot auch von anderen Personen als dem Berechtigten benutzt wird (vgl. Philippe Weissenberger, a.a.O., Art. 1 N 6 ff. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung, BGE 104 IV 105, E. 3, vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_673/2008 vom 8. Oktober 2008, E. 1.1). Parkplätze und Vorplätze, selbst wenn sie im Privateigentum stehen, gehören zu den öffentlichen Strassen, solange ihre Benützung nicht auf einen ausschliesslich privaten Gebrauch eingeschränkt wird (Bernhard Waldmann/Raphael Kraemer, in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar zum SVG, Basel 2014, Art. 1 N 21; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 1C_66/2019 vom 20. Mai 2019).

4.3 Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Argument, der Vorfall habe auf einer privaten Garageneinfahrt stattgefunden, spielt nach dem Gesagten für die Einordnung des Charakters einer Strasse als öffentlich keine Rolle. Entscheidend ist, ob der Vorplatz lediglich einem bestimmbaren Personenkreis zur Benützung offen steht. Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Aus der aktenkundigen Videoaufnahme und der Fotodokumentation ergibt sich, dass der Vorplatz weder durch eine Abschrankung noch durch ein signalisiertes Betretungsbzw. Fahrverbot dem öffentlichen Verkehr entzogen ist. Der fragliche Vorplatz gehört zu einer Gewerbeliegenschaft, in der verschiedene Gewerbebetriebe eingemietet sind. Von der öffentlichen Strasse her ist das Areal grundsätzlich allgemein zugänglich, d.h. die Zufahrt auf den Vorplatz problemlos für jedermann möglich. Demnach ist davon auszugehen, dass der Vorplatz von einem unbestimmbaren Benützerkreis wie Besuchern, Mitarbeitern der Gewerbebetriebe, Lieferanten Handwerkern etc. genutzt werden kann. Folglich hat der fragliche Vorplatz in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als öffentliche Strasse zu gelten. Das Strassenverkehrsgesetz und die dazugehörigen Verordnungen sind damit anwendbar.

5. Der Beschwerdeführer wendet weiter ein, es liege, wenn überhaupt, höchstens eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften vor.

6. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt.

Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind. Demgegenüber setzt die Annahme einer leichten Widerhandlung kumulativ eine geringe Gefahr und ein geringes Verschulden voraus (BGE 135 II 138 E. 2.2.2 f. S. 141). Bei einer schweren Widerhandlung muss kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden gegeben sein. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor (vgl. zum Ganzen: BGE 136 II 447 E. 3.2 S. 452; Urteil 1C_120/2016 vom 8. Juli 2016 E. 3.1 mit Hinweisen). Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a-c SVG ist bei einer konkreten auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung naheliegt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand der jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_364/2019 vom 4. Februar 2020, E. 2.2. f.).

7. Gemäss Art. 26 Abs. 1 SVG muss sich jedermann im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen den Vorwurf der Verkehrsregelverletzung an sich. Dass er die vorgenannte grundlegende Verkehrsregel verletzt hat, dürfte unbestritten sein. Der Beschwerdeführer handelte weiter bewusst, wie dieser selbst angibt. Wer mit einem Personenwagen absichtlich gegen die Beine zweier Personen fährt, nimmt die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung der beiden Personen zumindest in Kauf. Die gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Mit seinem Fahrmanöver offenbarte der Beschwerdeführer jedenfalls ein bedenkenloses Verhalten gegenüber der physischen Integrität der beiden Personen. Von einer massiven Gefährdungssituation kann indes keine Rede sein. Der Strafrichter ist von einer Tätlichkeit ausgegangen. Dass er weder eine Gefährdung des Lebens noch eine versuchte Körperverletzung angenommen hat, macht deutlich, dass es sich um einen Bagatellfall handelt. So ist es glücklicherweise zu keinen (Unfall-) Folgen gekommen. Der Beschwerdeführer fuhr denn auch nur im Schritttempo auf die beiden Personen zu. Angesichts der vorliegenden Umstände ist die vom Beschwerdeführer geschaffene Gefahr für die Sicherheit anderer als gering einzustufen. Da das Verschulden hoch, die Gefährdung aber gering ist, ist der Tatbestand von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG nicht erfüllt. Vielmehr handelt es sich um eine mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG. Die Entzugsdauer beträgt gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG demzufolge einen Monat. Diese Entzugsdauer darf gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG nicht unterschritten werden (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1C_424/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2.1). Für eine Berücksichtigung der beruflichen Angewiesenheit besteht kein Raum.

8.1 Die Beschwerde erweist sich somit als teilweise begründet; sie ist teilweise gutzuheissen: Ziffer 2 der Verfügung der MFK vom 17. Oktober 2019 ist aufzuheben und dem Beschwerdeführer der Führerausweis lediglich für die Dauer von einem Monat zu entziehen.

8.2 Die Prozesskosten werden in sinngemässer Anwendung der Art. 106-109 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) auferlegt. Den am verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren beteiligten Behörden werden in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegt und keine Parteientschädigungen zugesprochen auferlegt (§ 77 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11]). Da der Beschwerdeführer hauptsächlich die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragt, obsiegt er nur teilweise. Es rechtfertigt sich daher, dem Beschwerdeführer die Hälfte der Prozesskosten aufzuerlegen. Die Gerichtskosten sind auf CHF 800.00 festzusetzen. Der Beschwerdeführer trägt nach dem Gesagten CHF 400.00 der Gerichtskosten, dieser Betrag ist mit den geleisteten Vorschüssen zu verrechnen. Die andere Hälfte der Gerichtskosten hat der Kanton Solothurn zu tragen.

8.3 Wegen des teilweisen Obsiegens des Beschwerdeführers ist ihm eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten. Gemäss der von Rechtsanwalt Dominik Schnyder eingereichten, angemessenen Honorarnote beläuft sich der Aufwand für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht auf CHF 2'151.10 (7.75 Stunden à CHF 250.00 inkl. Auslagen und MWST). Diese Parteientschädigung ist ausgangsgemäss auf die Hälfte, d.h. auf CHF 1'075.55 zu reduzieren und dem Kanton Solothurn aufzuerlegen.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen: Ziffer 2 der Verfügung der MFK vom 17. Oktober 2019 wird aufgehoben.

2.    A.___ wird der Führerausweis in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 i.V.m. Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG sowie Art. 33 Verkehrszulassungsverordnung (VZV; SR 741.51) für die Dauer von einem Monat entzogen.

3.    A.___ hat CHF  400.00 an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen. CHF 400.00 der Verfahrenskosten trägt der Kanton Solothurn.

4.    Der Kanton Solothurn hat A.___ eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 1'075.55 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Gottesman



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