Zusammenfassung des Urteils VWBES.2017.42: Verwaltungsgericht
A.___ aus Kolumbien beantragt die Anerkennung seiner Geschlechtsumwandlung in der Schweiz, nachdem er eine geschlechtsumwandelnde Operation in Spanien durchgeführt hat und sein Geburtseintrag in Kolumbien angepasst wurde. Das Volkswirtschaftsdepartement lehnt die Anerkennung ab, da Kolumbien nicht zuständig sei. A.___ legt Beschwerde ein, aber das Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab und fordert A.___ auf, die Gerichtskosten von CHF 600.00 zu tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2017.42 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.05.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Anerkennung Geschlechtswechsel |
Schlagwörter: | Geschlecht; Geschlechts; Kolumbien; Zivilstand; Entscheid; Zivilstands; Zuständigkeit; Gesuch; Recht; Anerkennung; Gesuchsteller; Geschlechtsänderung; Gericht; Schweiz; Behörde; Geschlechtswechsel; Verwaltungsgericht; Behörden; Wohnsitz; Zivilstandsaufsicht; Beschwerde; Entscheidung; Bestimmungen; Person; Urteil; Sachen; Volkswirtschaftsdepartement |
Rechtsnorm: | Art. 1 IPRG ;Art. 25 IPRG ;Art. 26 IPRG ;Art. 27 IPRG ;Art. 33 IPRG ; |
Referenz BGE: | 119 II 264; 120 II 87; |
Kommentar: | Ramon Mabillard, Heinrich, Basler Internationales Privatrecht, Art. 25, 2013 |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Kofmel
In Sachen
A.___,
Beschwerdeführer
gegen
Volkswirtschaftsdepartement, Zivilstand und Bürgerrecht,
Beschwerdegegner
betreffend Anerkennung Geschlechtswechsel
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1.1 A.___ ist am [...] 1976 in Kolumbien als Sohn des [...] und der [...] geboren. Am [...] 2008 ist A.___ mit B.___, Bürger von [...] SO, die eingetragene Partnerschaft eingegangen.
1.2 A.___ liess sich im Jahr 2015 nach einer vorangegangenen Hormonbehandlung in Spanien einer geschlechtsumwandelnden Operation unterziehen. Im selben Jahr bereinigte die kolumbianische Zivilstandsbehörde seinen Geburtsregistereintrag in Bezug auf Vornamen und Geschlecht.
2.1 Mit Schreiben vom 11. März 2016 ersuchte A.___ (nachfolgend: Gesuchsteller) die solothurnische Zivilstandsaufsichtsbehörde, den durch die kolumbianische Zivilstandsbehörde ergangenen Entscheid in Sachen Geschlechtsund Vornamenswechsel zu anerkennen und im schweizerischen Zivilstandsregister zu beurkunden.
2.2 Die Zivilstandsaufsicht anerkannte mit Eintragungsverfügung vom 15. Juni 2016 die in Kolumbien erfolgte Vornamensänderung von [...] in [...] und erklärte, dass bezüglich der in Kolumbien erfolgten Geschlechtsänderung sowie der Regelung des aktuellen Zivilstands das Schweizerische Gericht am Wohnort des Gesuchstellers zuständig sei.
2.3 Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 informierte der Gesuchsteller die solothurnische Zivilstandsaufsicht, dass das angegangene Zivilgericht in [...] auf sein Begehren nicht eingegangen sei und ihn wieder an die solothurnische Zivilstandsaufsichtsbehörde zwecks Anerkennung der ausländischen Urkunde verwiesen habe.
2.4 Mit Schreiben vom 17. November 2016 ersuchte der Gesuchsteller um nochmalige Prüfung und Anerkennung der in Kolumbien bereits erfolgten Bereinigung in Sachen Geschlecht.
3. Am 18. Januar 2017 erliess das Volkswirtschaftsdepartement folgende Verfügung:
1. Das Gesuch um Anerkennung der in Kolumbien ergangenen Geschlechtsänderung für A.___, kolumbianischer Staatsangehöriger, geboren in Kolumbien [ ] in das weibliche Geschlecht, wird aufgrund der nicht begründeten internationalen Zuständigkeit von Kolumbien abgewiesen.
2. Die Eintragung der in Kolumbien beurkundeten Geschlechtsänderung ins schweizerische Personenstandsregister INFOSTAR wird infolgedessen verweigert.
3. Der Gesuchsteller wird zwecks Feststellung der Geschlechtsänderung an den Zivilrichter seines Wohnortes verwiesen.
4. Es werden keine Kosten erhoben.
4.1 Dagegen erhob der Gesuchsteller (von nun an: Beschwerdeführer) am 30. Januar 2017 (Postaufgabe) Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und ersuchte um Anerkennung der in Kolumbien ergangenen Geschlechtsänderung in das weibliche Geschlecht und um entsprechende Registerbereinigung im schweizerischen Personenstandsregister INFOSTAR.
4.2 Mit Stellungnahme vom 21. März 2017 schloss das Volkswirtschaftsdepartement auf Abweisung der Beschwerde.
5. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer als Adressat der angefochtenen Verfügung, ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Streitgegenstand bildet die Frage, ob die in Bezug auf den Geschlechtswechsel ausgestellte kolumbianische Urkunde, welche der Beschwerdeführer für die Eintragung ins schweizerische Personenstandsregister vorlegt, anerkannt werden kann.
3. Die Vorinstanz, welche die in Kolumbien erfolgte notarielle Erklärung und Beurkundung im kolumbianischen Geburtsregister betreffend Geschlechtswechsel zufolge fehlender internationaler Zuständigkeit von Kolumbien nicht anerkannte, erwog dazu Folgendes: Bei internationalen Sachverhalten wie dem vorliegenden, lege das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR 271) die Zuständigkeit sowie das anzuwendende Recht fest. Der Vorrang des IPRG bei internationalen Sachverhalten durch Art. 1 Abs. 2 gelte nur, sofern wie im vorliegenden Fall zwischen der Schweiz und Kolumbien keine völkerrechtlichen Verträge bestünden. Mangels Spezialbestimmung im IPRG für die Beurteilung von personenrechtlichen internationalen Vehältnissen in Bezug auf die Geschlechtsänderung sei allein Art. 33 IPRG massgebend. Aufgrund des - seit mehreren Jahren ununterbrochenen - schweizerischen Wohnsitzes des Gesuchstellers - seien gemäss Art. 33 IPRG für personenrechtliche internationale Verhältnisse allein die schweizerischen Instanzen für die Regelung des Geschlechtswechsels zuständig. Gemäss Randanmerkung auf der kolumbianischen Zivilstandsurkunde sei der Geschlechtswechsel gestützt auf eine notarielle Erklärung eingetragen worden. Der Gesuchsteller könne nicht nachweisen, dass sein Wohnsitz damals in Kolumbien gewesen sei. Somit sei die kolumbianische Behörde gestützt auf Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 33 IPRG nicht zuständig gewesen.
4.1 Die Anerkennung nach ausländischem Recht in der Schweiz richtet sich im Verhältnis Schweiz-Kolumbien nach dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht, da hierfür kein dem Bundesgesetz vorgehendes Staatsvertragsrecht besteht (Art. 1 Abs. 2 IPRG).
4.2 Art. 25 IPRG setzt für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen drei kumulativ zu erfüllende Kriterien voraus. Erstens muss die indirekte Zuständigkeit des Staates, in welchem die Entscheidung ergangen ist, aus Sicht des schweizerischen Rechts begründet sein (lit. a; Robert Däppen/Ramon Mabillard, in: Heinrich Honsell et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, Basel 2013, Art. 25 N 29). Zweitens muss die genannte Entscheidung Bestand erlangt haben, das heisst, dass gegen sie kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann sie endgültig ist (lit. b). Drittens darf kein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 27 IPRG vorliegen (lit. c).
4.3 Die in Art. 25 lit. a IPRG vorausgesetzte Zuständigkeit ausländischer Behörden wird in Art. 26 IPRG konkretisiert. Die Bestimmung regelt abschliessend die Fälle, in denen die Schweiz nach eigener Rechtsauffassung die Zuständigkeit ausländischer Gerichte und Behörden zum Erlass einer im Inland anerkennungsfähigen Entscheidung anerkennt (BGE 120 II 87 E. 5; Däppen/Mabillard, a.a.O., Art. 26 N 1). Nach Art. 26 lit. a IPRG ist die Zuständigkeit ausländischer Behörden begründet, wenn eine Bestimmung des IPRG diese vorsieht oder, falls eine solche fehlt, der Beklagte seinen Wohnsitz im Urteilsstaat hat.
4.4 Das IPRG hat für den Geschlechtswechsel keine Bestimmungen im Besonderen Teil aufgenommen, weshalb einzig und allein Art. 26 IPRG massgebend ist.
4.5 Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz seit mehreren Jahren (gemäss eigenen Angaben seit 2004) in der Schweiz und nicht in Kolumbien hat und damit die entscheidende Voraussetzung, die im vorliegenden Fall die indirekte Zuständigkeit der kolumbianischen Behörden und die Anerkennung eines von dieser erlassenen Entscheides nach sich gezogen hätte, nicht gegeben war. Daraus folgt aus Sicht des schweizerischen Rechts, dass nach den Bestimmungen in Art. 25 lit. a IPRG, die kolumbianische Behörden nicht für den Erlass des umstrittenen Entscheids zuständig gewesen war.
4.6 Die indirekte Zuständigkeit den Geschlechtsumwandlungsentscheid betreffend liegt unter Beachtung der genannten Bestimmungen im vorliegenden Fall bei den schweizerischen und nicht bei den kolumbianischen Behörden.
5. Aufgrund der Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 600.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
6. Der Vollständigkeit halber bleibt darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht an den Zivilrichter seines Wohnortes verwiesen hat: Bei der Klage zur Feststellung einer Geschlechtsänderung handelt es sich um eine mittels richterlicher Rechtsfortbildung geschaffenen zivilstandsrechtlichen Klage sui generis (BGE 119 II 264 E. 6; Rechtsauskunft des Eidgenössischen Amtes für das Zivilstandswesen, EAZW, vom 1. Februar 2012 betreffend Transsexualität, S. 2). Die Änderung des amtlichen Geschlechts liegt sachlich in der Zuständigkeit des Zivilgerichts (Alecs Recher in: FamPra.ch 2015, Änderung von Namen und amtlichen Geschlecht: einfach zum rechtskonformen Entscheid, S. 627). Örtlich richtet sich der Gerichtsstand in Fällen freiwilliger Gerichtsbarkeit nach dem Wohnsitz der klagenden Person (vgl. Art. 33 Abs. 1 IPRG).
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 600.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Kofmel
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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