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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.472
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.472 vom 05.04.2017 (SO)
Datum:05.04.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Wohnsitz
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 24 ZGB ; Art. 25 ZGB ; Art. 315 ZGB ; Art. 444 ZGB ;
Referenz BGE:134 II 45;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 5. April 2017

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Kofmel

In Sachen

Einwohnergemeinde A.___,

Beschwerdeführerin

gegen

1.      KESB Olten-Gösgen,

2. Einwohnergemeinde B.___,

Beschwerdegegnerinnen

betreffend Wohnsitz


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1.1 C.___ (geb. 2005) und D.___ (geb. 2008) sind die Söhne von E.___ und F.___. Mit Urteil vom 4. Februar 2014 des Kreisgerichts [ ] wurden die Kindseltern geschieden. Ihnen wurde die gemeinsame elterliche Sorge belassen. Ferner wurde bestimmt, dass die Kinder bei der Mutter wohnen. Am 1. September 2014 zog die Mutter mit ihren beiden Kindern nach [Ort 1], wo alle drei Wohnsitz nahmen. Der Kindsvater wohnt in der Ostschweiz.

1.2 Mit Verfügung vom 1. Mai 2015 (bestätigt durch Verfügung vom 12. August 2015) der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen (nachfolgend: KESB) wurde den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und die Kinder mit Wirkung ab 5. Mai 2015 im «[Heim 1] » in [Ort 1] fremdplatziert.

1.3 Mit Entscheid der KESB vom 30. September 2015 wurde eine Unterbringung der Kinder im [Heim 2] in [Ort 2/A.] auf den nächstmöglichen Zeitpunkt, frühestens per 5. Oktober 2015, verfügt.

1.4 Am 2. November 2016 (rückwirkend per 1. Oktober 2016) meldete sich die Kindsmutter in [Ort 3/B.] an. Die beiden Kinder wurden von ihr ebenfalls dort angemeldet mit dem Vermerk «Wochenaufenthalter bei [Heim 2] in [Ort 2/A.]». Nachdem die Einwohnerkontrolle [Ort 3/B.] von der KESB über die Sorgerechtsverhältnisse informiert worden war, machte diese die Anmeldung rückgängig und forderte die KESB auf, für die Anmeldung am Wohnsitz der Kinder zu sorgen.

2. Am 21. November 2016 fällte die KESB folgenden Entscheid:

3.1 Es wird festgestellt, dass sich der zivilrechtliche Wohnsitz der beiden Kinder, C.___, geb. 2005, und D.___, geb. 2008, in der Gemeinde [Ort 2/A.] befindet.

3.2 Die Beiständin G.___ wird beauftragt und ermächtigt, die beiden Kinder in der Gemeinde [Ort 2/A.] anzumelden und die dazu notwendigen Rechtshandlungen bei den Behörden und Ämtern vorzunehmen.

3.3 Einer allfälligen Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung entzogen.

3.4 Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.1 Dagegen erhob die Einwohnergemeinde A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin), welcher der Entscheid ebenfalls mitgeteilt worden war, am 21. Dezember 2016 (Postaufgabe) Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und verlangte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, unter Kostenfolge zu Lasten des Staates.

3.2 Die KESB und die Einwohnergemeinde B.___ (nachfolgend: Beschwerdegegnerinnen) schlossen mit Stellungnahmen vom 10. Januar 2017 bzw. vom 12. Januar 2017 auf Abweisung der Beschwerde.

3.3 Mit Replik vom 27. Februar 2017 bestätigte die Beschwerdeführerin die gestellten Rechtsbegehren.

4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

II.

1.1 Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12).

1.2 Die Gemeinde ist gemäss § 12 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) zur Beschwerde legitimiert, wenn sie durch eine Verfügung oder einen Entscheid besonders berührt wird und ein schutzwürdiges kommunales Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.

1.3 Die Legitimationsvoraussetzungen nach solothurnischem Recht (§ 12 Abs. 2 VRG) entsprechen denjenigen des Bundesrechts, so dass die entsprechende Praxis auch für das kantonale Recht übernommen werden kann.

1.4 Nach der Praxis des Bundesgerichts zur Beschwerdelegitimation der Gemeinwesen (Art. 89 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG, SR 173.110) kann sich eine Gemeinde für ihre Legitimation nicht nur auf die Gemeindeautonomie, sondern auch auf das allgemeine Beschwerderecht berufen, wenn sie durch den angefochtenen Hoheitsakt gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen oder in schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen berührt ist (Urteil des BGer 2C_444/2008 vom 9. März 2009). Letzteres kann unter anderem bei vermögensrechtlichen Interessen der Fall sein - etwa als Subventionsempfänger, als Gläubiger von Kausalabgaben, als lohnzahlungspflichtiger öffentlicher Arbeitgeber oder als Erbringer von Fürsorgeleistungen, aber auch bei Eingriffen in spezifische eigene öffentliche Sachanliegen. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft indessen keine Beschwerdebefugnis. Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt auch nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens (BGE 134 II 45 E. 2.2.1; SOG 2010, Nr. 19).

1.5 Da sich für die Gemeinde A.___ als Standortgemeinde der Institution «[Heim 2] » auch künftig die gleiche Frage stellen und sie unter Umständen mit Streitigkeiten und insbesondere mit Sozialhilfeleistungen belastet werden kann, ist ein schutzwürdiges kommunales Interesse zu bejahen. Die Gemeinde ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert. Auf die Beschwerde ist einzutreten, soweit sie sich gegen die Ziffern 3.1 bis 3.3 der angefochtenen Verfügung richtet.

1.6 Soweit sich die Beschwerde gegen die Ziffer 3.4 richtet, ist darauf mangels Beschwer nicht einzutreten.

2.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass letzter zivilrechtlicher Wohnsitz der beiden Kinder, der von der Mutter abgeleitete Wohnsitz in [Ort 1] (gewesen) ist. Die Kinder wurden mit Wirkung ab 5. Mai 2015 im «[Heim 1]» in [Ort 1] fremdplatziert. Gleichzeitig wurde beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Von der KESB bestimmter Aufenthaltsort der Kinder blieb [Ort 1]. Mit Entscheid vom 30. September 2015 erfolgte eine Umplatzierung der Kinder in das [Heim 2] in [Ort 2/A.]. Die Kindsmutter verzeichnet seit 1. Oktober 2016 Wohnsitz in [Ort 3/B.].

3. Strittig ist, wo die beiden Kinder (zivilrechtlich) Wohnsitz haben.

3.1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungsoder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz (Art. 23 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB, SR 210). Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes (Art. 24 Abs. 1 ZGB). Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz (Art. 25 Abs. 1 ZGB).

4. Die KESB hat ihre Zuständigkeit als Verfahrensvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen, sowohl in sachlicher als auch in örtlicher Hinsicht (vgl. Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 444 Abs. 1 ZGB).

4.1.1 Für den Kindesschutz ist die örtliche Zuständigkeit in Art. 315 ZGB geregelt. Je nach Ausgangslage ist die KESB am Wohnsitz (Abs. 1) oder am Aufenthaltsort (Abs. 2) zuständig.

4.1.2 Die KESB muss sich demnach im Rahmen ihrer vorfrageweisen Zuständigkeitsprüfung Gedanken über den Wohnsitz bzw. den Aufenthaltsort der beiden Kinder machen. Dass die KESB Olten-Gösgen trotz Wohnsitzwechsels der Mutter weiterhin örtlich zuständig ist, ist vorliegend unbestritten, zumal sowohl [Ort 1] wie [Ort 2/A.] in ihrem Zuständigkeitsgebiet liegen (im Unterschied zu [Ort 3/B.], dem neuen Wohnort der Mutter).

4.2.1 Die sachliche Zuständigkeit bestimmt, ob eine Angelegenheit in den Aufgabenbereich einer Behörde fällt. Die KESB ist für alle Angelegenheiten zuständig, die ihr das Kindesund Erwachsenenschutzrecht zuweist (Christoph Auer/Michèle Marti in: Heinrich Honsell et al. [Hrsg.], Zivilgesetzbuch I, Basler Kommentar, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 444 N 7 mit Hinweisen).

4.2.2 Da der Begriff des (zivilrechtlichen) Wohnsitzes allein kein Recht oder Rechtsverhältnis beinhaltet, kann er nicht selbständig zum Gegenstand einer zivilrechtlichen Feststellungsklage gemacht werden (Daniel Staehelin in: Heinrich Honsell et al. [Hrsg.], Zivilgesetzbuch I, Basler Kommentar, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 23 N 29a). Entsprechend kann ihn die KESB nicht auf dem Verfügungsweg verbindlich feststellen, sowenig wie die Gemeinde zu diesem Entscheid befugt ist. Es liegt demnach nicht im sachlichen Zuständigkeitsbereich der KESB, den zivilrechtlichen Wohnsitz eines Kindes mittels Feststellungsverfügung zu bestimmen.

4.2.3 Die sachliche Unzuständigkeit stellt einen Nichtigkeitsgrund dar (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich/St. Gallen 2016, N 1105).

4.2.4 Aufgrund des Gesagten ist festzustellen, dass die Ziffer 3.1 der angefochtenen Verfügung nichtig ist. Insofern ist die Beschwerde gutzuheissen.

4.3.1 In den sachlichen Zuständigkeitsbereich der KESB fällt hingegen die Anmeldung der Kinder an deren Wohnoder Aufenthaltsort. Entsprechend kann Entscheidinhalt der Verfügung der KESB nur der Auftrag an die Beiständin sein, die Kinder am Wohnoder Aufenthaltsort anzumelden.

4.3.2 Soweit sich die Beschwerde gegen Ziffer 3.2 der angefochtenen Verfügung richtet, ist sie unbegründet und demnach abzuweisen.

4.4 Entsteht Streit darüber, ob oder wie die Kinder in der Gemeinde, wo sie sich aufhalten, polizeilich anzumelden sind, ist ein Konflikt im dafür vorgesehenen Verfahren eventuell gemeindeinternes Beschwerdeverfahren, anschliessend Beschwerde beim zuständigen Departement auszutragen.

4.5 Dasselbe gilt, wenn der Unterstützungswohnsitz streitig ist. Rechtsweg und Verfahrensbeteiligte sind nicht zwingend dieselben wie im Kindesschutzverfahren vor der KESB, richtet sich doch das Verfahren nach § 3 Abs. 3 Sozialgesetz (BGS 831.1) nach dem ZUG (Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, SR 851.1), wie die KESB zu Recht festhält.

5.1 Aufgrund der Erwägungen ist die Beschwerde in Bezug auf Ziffer 3.1 der angefochtenen Verfügung gutzuheissen und es ist festzustellen, dass vorgenannte Ziffer nichtig ist. Die Beschwerde ist in Bezug auf die Ziffer 3.2 der angefochtenen Verfügung abzuweisen.

5.2 Beim gegebenen Ausgang hat der Kanton Solothurn die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen. Der Kostenvorschuss in der Höhe von CHF 1000.00 ist der Beschwerdeführerin vollumfänglich zurückzuerstatten.

Demnach wird erkannt:

1.    In Gutheissung der Beschwerde wird die Ziffer 3.1 der Verfügung der KESB Olten-Gösgen vom 21. November 2016 für nichtig erklärt.

2.    Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.    Der Kanton Solothurn trägt die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kofmel



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