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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2016.393)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.393: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat über den Fall von B.___ entschieden, der wegen Brandstiftung und anderen Vergehen verurteilt wurde. Nachdem verschiedene Instanzen über die Verwahrung von B.___ entschieden haben, ordnete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine fürsorgerische Unterbringung an. Der Anwalt von B.___ legte Beschwerde ein, da er die Unterbringung für unverhältnismässig hielt. Das Verwaltungsgericht stimmte der Beschwerde zu und ordnete die sofortige Freilassung von B.___ aus der Unterbringung an. Der Kanton Solothurn muss die Gerichtskosten tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.393

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.393
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.393 vom 25.10.2016 (SO)
Datum:25.10.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:fürsorgerische Unterbringung
Schlagwörter: Erwachsenenschutz; Unterbringung; Massnahme; Person; Olten; Recht; Urteil; Schutz; Beschwerde; Olten-Gösgen; Bundesgericht; Behandlung; Voraussetzung; Verfahren; Entscheid; Massnahmen; Störung; Voraussetzungen; Geiser; Recht; Verwaltungsgericht; Solothurn; Anordnung; Fürsorge; Anstalt; Behandlungs; Verwahrung
Rechtsnorm: Art. 393 ZGB ;Art. 426 ZGB ;Art. 450e ZGB ;Art. 453 ZGB ;Art. 59 StGB ;Art. 62c StGB ;
Referenz BGE:112 II 488; 138 III 593;
Kommentar:
Thomas Geiser, Reusser, Basler Erwachsenenschutz, Art. 426 ZGB ZG, 2012

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.393

Urteil vom 25. Oktober 2016

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli

Oberrichter Flückiger

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

B.___ vertreten durch Rechtsanwalt Valentin N.J. Landmann, Zürich

Beschwerdeführer

gegen

KESB Olten-Gösgen,

Beschwerdegegnerin

betreffend fürsorgerische Unterbringung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Am 28. September 2011 verurteilte das Amtsgericht Solothurn-Lebern B.___ wegen Brandstiftung, mehrfacher versuchter Störung des Eisenbahnverkehrs, Schreckung der Bevölkerung sowie Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Gleichzeitig ordnete es eine therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an. Vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung sprach es ihn frei. Das Urteil ist rechtskräftig.

2. Das Amt für Justizvollzug hob die stationäre therapeutische Massnahme von B.___ am 2. Juli 2015 wegen Aussichtslosigkeit auf. Antragsgemäss ordnete hierauf das Amtsgericht Solothurn-Lebern am 15. Dezember 2015 die nachträgliche Verwahrung von B.___ an. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess die Beschwerdekammer des Obergerichts am 11. August 2016 gut und ordnete an, B.___ sei am 17. August 2016 um 17.00 Uhr aus dem «Verwahrungsvollzug» zu entlassen.

3. Die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen eröffnete hierauf ein Verfahren zur Prüfung von Erwachsenenschutzmassnahmen und teilte B.___ mit, dass sie ihn am 17. August 2016 persönlich anhören werde. Gleichzeitig wurden die Vorakten des Amtes für soziale Sicherheit, beinhaltend das Gutachten von Dr. med. X.___ vom 18. April 2011 zu B.___, beigezogen. Der amtliche Verteidiger von B.___ im Strafverfahren teilte der KESB am 16. August 2016 mit, dass er diesen im Erwachsenenschutzverfahren nicht vertreten werde.

4. Am 17. August 2016 erstattete das Amt für Justizvollzug eine Gefährdungsmeldung und belegte diese u.a. mit dem Gutachten von Dr. med. Y.___ vom 6. November 2015. Daraufhin hörte die KESB B.___ am 17. August 2016 im Untersuchungsgefängnis (UG) Olten ein erstes Mal persönlich an.

5. Weil das Bundesgericht einer von der Staatsanwaltschaft Solothurn eingereichten Beschwerde am 17. August 2016 die aufschiebende Wirkung erteilte, verfügte der Präsident der KESB Olten-Gösgen am 22. August 2016 die Sistierung des Verfahrens zur Prüfung von Erwachsenenschutzmassnahmen.

6. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Solothurn gegen den Entscheid der Beschwerdekammer mit Urteil 6B_875/2016 vom 3. Oktober 2016 ab. Es entschied, B.___ sei unverzüglich, spätestens innert sieben Tagen ab Erhalt des Urteils, aus dem Freiheitsentzug zu entlassen. Die siebentägige Frist wurde gesetzt, damit «die Vorinstanz diesbezüglich allfällige Vorkehrungen in die Wege leiten» könne, «wie etwa die von ihr bereits im angefochtenen Urteil in Erwägung gezogenen Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts [ ]».

7. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn die KESB Olten-Gösgen darum, die fürsorgerische Unterbringung von B.___ zu prüfen.

8. Am 10. Oktober 2016 verfügte der Vize-Präsident der KESB Olten-Gösgen die Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung von Erwachsenenschutzmassnahmen und teilte B.___ mit, er werde am 11. Oktober 2016 von der KESB zur Notwendigkeit einer Beistandschaft sowie einer fürsorgerischen Unterbringung angehört.

Mit Fax vom gleichen Tag zeigte Rechtsanwalt Valentin Landmann der KESB an, er werde B.___ nun auch im erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren vertreten. Gleichzeitig ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

9. Die KESB Olten-Gösgen hörte B.___ am 11. Oktober 2016 im UG ein zweites Mal persönlich an, beriet den Fall im Anschluss daran und entschied gleichentags, B.___ werde mittels fürsorgerischer Unterbringung (FU) im UG Olten zurückgehalten. Die Zuständigkeit zur Entlassung beliess sie bei der KESB selber.

10. Mit einem als «offenen Brief» bezeichneten Schreiben vom 16. Oktober 2016 gelangte B.___ an die KESB Olten-Gösgen und verlangte explizit seine sofortige Entlassung.

11. Mit Eingabe vom 21. Oktober 2016 (Eingang beim Verwaltungsgericht am 24. Oktober 2016) erhob Rechtsanwalt Valentin Landmann namens seines Mandanten Beschwerde gegen den Entscheid der KESB Olten-Gösgen vom 11. Oktober 2016. Er beantragte dessen Aufhebung und die Anweisung an das Amt für Justizvollzug bzw. das UG Olten, den Beschwerdeführer umgehend auf freien Fuss zu setzen. Gleichzeitig ersuchte er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und um angemessene Entschädigung für den seit 13. Oktober 2016 erlittenen Freiheitsentzug. Zudem stellte er Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

12. Das Verwaltungsgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen und Akten.

II.

1.1 Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (Art. 450 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, ZGB, SR 210, i.V.m. § 130 Abs. 1 Gesetz über die Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches, EG ZGB, BGS 211.1). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wird mit diesem Urteil hinfällig.

1.3 Soweit der Beschwerdeführer etwaige Schadenersatzansprüche gegen den Staat wegen unrechtmässigen Freiheitsentzugs stellt, ist darauf in diesem Verfahren nicht einzutreten.

2. Nach Art. 426 ZGB darf eine Person, die an einer psychischen Störung an geistiger Behinderung leidet schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung Betreuung nicht anders erfolgen kann. Dabei sind auch die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten zu berücksichtigen. Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind.

2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet einerseits, überhaupt Dritte zu gefährden. Andererseits stellt er in Abrede, dass es sich beim UG um eine «geeignete Anstalt» im Sinne des Gesetzes handle. Sodann bemängelt er das Fehlen eines Behandlungsplans und rügt, die aus den Strafverfahren beigezogenen Gutachten seien nicht zum konkreten Verfahren erstellt worden. Insofern fehle es an einem Gutachten im Sinn von Art. 450e Abs. 3 ZGB.

2.2 Damit die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung gerechtfertigt ist, muss die in eine Einrichtung einzuweisende Person zunächst an einem Schwächezustand leiden. Die Gründe hierzu sind in Art. 426 ZGB abschliessend aufgezählt. Das Gesetz verwendet mit der psychischen Störung und der geistigen Behinderung zwar Bezeichnungen aus der Medizin, doch handelt es sich um juristische Begriffe. Diese sind von den Behörden und Gerichten auszulegen, auch wenn sie sich dafür auf medizinische Erkenntnisse abzustützen haben (Thomas Geiser/Mario Etzensberger in: Thomas Geiser/Ruth E. Reusser: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 426 ZGB N 12 f.; KOKES [Hrsg.], Praxisanleitung Erwachsenenschutzrecht (mit Mustern), Zürich/St. Gallen 2012, Rz 10.6, nachfolgend zitiert als: KOKES-Praxisanleitung).

Der Begriff der psychischen Störung ist aus der modernen Medizin entnommen und umfasst die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie, unabhängig davon, ob sie körperliche nicht körperliche Ursachen haben. Es wird auf die Klassifikation der WHO (ICD, International Classification of Disturbances) abgestellt. Eine FU setzt voraus, dass eine psychische Störung diagnostiziert und in der Verfügung genau bezeichnet wird (Geiser/Etzensberger, a.a.O., Art. 426 ZGB N 15; Christof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, Rz 265 f. und Rz 267 ff.).

2.3 Dass beim Beschwerdeführer eine psychische Störung im Sinne des Gesetzes vorliegt, dürfte aufgrund der im strafrechtlichen Verfahren eingeholten Gutachten unbestritten sein. Insofern ist nicht zu beanstanden, dass sich die KESB auf die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren stützt. Fraglich ist indes, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung einer FU gegeben sind.

3.1 Analog zum alten Recht ist eine Voraussetzung für die Anordnung der FU die besondere Schutzbedürftigkeit, welche nur mit einem Freiheitsentzug erbracht werden kann. Dieser muss die persönliche Fürsorge sicherstellen. Darunter sind einerseits therapeutische Massnahmen und andererseits jede Form von Betreuung, deren eine Person für ein menschenwürdiges Dasein bedarf, zu verstehen. Fürsorgebedürftig ist ein Mensch, wenn er auch nur für kurze Zeit im persönlichen Bereich nicht mehr für sich selbst sorgen kann und Hilfe benötigt, um eine durch den Schwächezustand bedingte ernsthafte Gefährdung seines psychischen und/oder physischen Wohls abzuwenden (Bernhart, a.a.O., Rz 315; Barbara Caviezel-Jost: Die materiellen Voraussetzungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Stans 1988, S. 272 f.). Die FU dient dem Schutz der betroffenen Person, nicht ihrer Umgebung. Entsprechend ist die Fremdgefährdung weder eine Unterbringungsvoraussetzung, noch für die Unterbringung ausreichend. Das geltende Recht hält im Gegensatz zum früheren zwar ausdrücklich fest, dass nicht nur die Belastung, sondern auch der Schutz Angehöriger und Dritter zu berücksichtigen sind. Der Schutz kann aber nie für sich allein ausschlaggebend sein (zum Ganzen: Thomas Geiser / Mario Etzensberger, in: Thomas Geiser / Ruth Reusser [Hrsg.]: Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 426 N 41 ff., mit Hinweisen zur Botschaft Erwachsenenschutz BBl 2006 7062). Die betroffene Person soll vor einer Versorgungslücke wegen Überforderung ihres Umfeldes geschützt werden. Eine Fremdgefährdung allein genügt für die Anordnung einer FU nicht. Massnahmen aus dem strafund polizeilichen Bereich sowie andere zivilrechtliche Massnahmen sollen hier vorgehen (siehe dazu Nora Bertschi / Boas Loeb, Schutz vor gefährlichem Verhalten? Zur Bedeutung von Fremdgefährdung im Erwachsenenschutzrecht, Zeitschrift für Kindesund Erwachsenenschutz (ZKE) 2016 S. 263 ff., S. 270).

3.2 Umstritten ist in Rechtsprechung und Lehre, inwiefern allenfalls das Abhalten vor der Begehung schwerer Straftaten zum Schutz der Betroffenen vor sich selber zulässig sein soll. In der Botschaft (BBl 2006 7062 f.) wurde damals wörtlich ausgeführt: «Auch der Schutz Dritter darf in die Beurteilung einbezogen werden, kann allerdings für sich allein nicht ausschlaggebend sein. Indessen gehört es letztlich ebenfalls zum Schutzauftrag, etwa eine kranke, verwirrte Person davon abzuhalten, eine schwere Straftat zu begehen». Auf diesen Satz hat sich das Bundesgericht denn auch im Urteil BGE 138 III 593 gestützt: Ein 17-jähriger Mann hatte sich mehrmals an einer Prostituierten vergangen und diese getötet, worauf er vom zuständigen Jugendgericht in einer geschlossenen Anstalt untergebracht wurde. Nach Ablauf der strafrechtlichen Massnahmen bestand nach Einschätzung der involvierten Fachpersonen eine erhebliche Rückfallgefahr. Das Bundesgericht hielt fest, das Gesetz sehe keine Unterbringung allein wegen Fremdgefährdung vor. Es gelangt jedoch zum Schluss, wer die Sicherheit anderer bedrohe, sei persönlich schutzbedürftig (E. 5.2) und schützte die angeordnete fürsorgerische Freiheitsentziehung. Das (inzwischen mehrfach bestätigte) Urteil (etwa 5A_765/2015 vom 23. November 2015, 5A_228/2016 vom 11. Juli 2016) löste in der Lehre heftige Kritik aus. Abgelehnt werden u.a. die mit dem Urteil verbundene Zweckentfremdung der FU und die Möglichkeit, jemanden ohne Manifestation der Gefährlichkeit zu verwahren. Auch erscheint der Lehre unklar, welche drohenden Straftaten gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Anordnung einer behördlichen Unterbringung rechtfertigen können und welche Wahrscheinlichkeit der weiteren Begehung dabei in Zukunft vorausgesetzt wird (Bertschi/Loeb, a.a.O., S. 271 mit Hinweisen). Im Urteil 5A_765/2015 vom 23. November 2015 argumentierte das Bundesgericht zusätzlich, es liege nicht im Interesse einer psychisch kranken Person, sich der Gefahr einer schweren Straftat gegen Dritte auszusetzen, womit sie im Ergebnis nicht nur Dritte, sondern letztlich in gewisser Weise auch sich selbst gefährde. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf die strafrechtlichen Folgen einer solchen Tat und deren finanzielle Konsequenzen für den von der psychischen Störung Betroffenen hinzuweisen.

3.3 Die von der Lehre gegenüber dieser Rechtsprechung geäusserten Bedenken treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. So wurde die Möglichkeit einer Verwahrung des Beschwerdeführers höchstrichterlich verneint, weil dieser gemäss den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen des Urteils vom 28. September 2011 weder bei der Brandstiftung noch bei der versuchten Störung des Eisenbahnverkehrs Personen verletzt konkret gefährdet hatte. Wurde nun also die ursprünglich angeordnete stationäre Massnahme zufolge Aussichtslosigkeit rechtskräftig aufgehoben, eine Verwahrung aber als unzulässig erachtet, kann es nicht angehen, Dritte unter dem Stichwort «Selbstschutz» nun mittels FU vor dem Beschwerdeführer zu schützen. Dies mag unbefriedigend sein (zumal der Beschwerdeführer die gutachterlich prognostizierte Rückfallgefahr inzwischen mit einem von ihm gelegten Zellenbrand womöglich bestätigt hat), ist aber in Kauf zu nehmen. Im Vordergrund stehen bei der FU der Fürsorgegedanke und der Schutz einer Person vor sich selber. Durch diesen Fokus grenzt sich das Erwachsenenschutzrecht vom Strafrecht ab. Wie Bertschi/Loeb zu Recht ausführen, ist bei der Berücksichtigung von Drittinteressen stets Vorsicht und Zurückhaltung geboten, ansonsten das Erwachsenenschutzrecht Gefahr läuft, zu einem niederschwelligen Strafrecht zu verkommen (Bertschi/Loeb, a.a.O., S. 276). Selbst wenn aber das (arg strapazierte) Argument des Selbstschutzes zugunsten Dritter vollständig überzeugen würde, zeigen die nachfolgenden Erwägungen, dass die angeordnete FU (auch) aus anderen Gründen aufzuheben ist.

4.1 Die Unterbringung darf nur in einer geeigneten Einrichtung erfolgen. Der Begriff der Einrichtung ist weit auszulegen. Gemeint ist jede organisatorische Einheit, in der einer Person ohne gegen ihren Willen persönliche Fürsorge unter spürbarer Einschränkung der Bewegungsfreiheit erbracht werden kann (Geiser/Etzensberger, a.a.O., Art. 426 N. 35 mit zahlreichen Hinweisen). Ob eine Einrichtung geeignet ist, hängt eng mit dem Einweisungszweck zusammen. Daraus ergeben sich die spezifischen Behandlungsund Betreuungserfordernisse. Die Einrichtung muss über ein dem Patienten angepasstes Angebot und eine dafür notwendige Fachkompetenz verfügen, sodass eine sachgerechte Fürsorge gewährleistet ist. Eine Einrichtung muss allerdings nicht ideal sein und beste therapeutische Behandlungsmöglichkeiten bieten. Ein allzu strenger Massstab an die Eignung der Anstalt würde zahlreiche Einweisungen gänzlich verhindern. Die Einrichtung muss die wesentlichen Schutzbedürfnisse der eingewiesenen Person abdecken. Nur ausnahmsweise kann diese Voraussetzung auch bei einer Strafanstalt gegeben sein (BGE 112 II 488). Einen Antrag, dies auszuschliessen, hatte das Parlament anlässlich der Einführung der Bestimmungen über den früheren FFE ausdrücklich abgelehnt (Geiser/Etzensberger, Art. 426 N. 37). Im zitierten BGE 112 II 488 wies das Bundesgericht in E. 4b darauf hin, wenn sich die Unterbringung in einer Strafanstalt als unumgänglich erweise, weil der Betroffene andere Personen sich selbst gefährde, so sei jedenfalls ein strenger Massstab an die Anstalt anzulegen. Die fürsorgerische Freiheitsentziehung sei so zu vollziehen, dass die Unterbringung in einer Anstalt sich deutlich vom Strafvollzug abhebe. In E. 4c präzisierte es, kaum eine Anstalt werde alles an Fürsorgeund Behandlungsmethoden anbieten, was im Einzelfall als erwünscht erscheinen könnte. Es müsse genügen, dass die Anstalt mit den ihr normalerweise zur Verfügung stehenden organisatorischen und personellen Mitteln in der Lage sei, wesentliche Bedürfnisse nach Fürsorge und Betreuung des Eingewiesenen zu befriedigen.

Die Beurteilung der Geeignetheit hängt damit in starkem Masse auch von der bestehenden psychiatrischen Versorgungsstruktur ab (Bernhart, a.a.O., Rz 413 ff.; KOKES-Praxisanleitung, a.a.O., Rz 10.10 und 10.12). Weil die Einrichtung dem Unterbringungszweck entsprechen muss, wird mit dem Unterbringungsentscheid auch über das Betreuungsbzw. Behandlungskonzept entschieden. Dieses sollte im Entscheid auch möglichst genau umschrieben werden. Es wird sich allerdings regelmässig nicht um einen eigentlichen Behandlungsplan handeln, da dieser der behandelnde Arzt mit dem Patienten auszuarbeiten hat. Dessen Rahmen ist aber im Einweisungsentscheid abzustecken (Geiser / Etzensberger, a.a.O., Art. 426 N. 38).

4.2 Das Bundesgericht hat im Urteil vom 3. Oktober 2016 festgehalten, die Voraussetzungen für eine nachträgliche Verwahrung des Beschwerdeführers seien nicht erfüllt, was zur Folge habe, dass er auf freien Fuss zu setzen sei (E. 3.3 und 4.1). Eine besondere Gefährdungssituation lag demnach im Zeitpunkt der Anordnung der FU nicht vor. Der Beschwerdeführer weigert sich, sich stationär ambulant behandeln zu lassen. Das Amt für Justizvollzug hatte die stationäre Massnahme am 2. Juli 2015 denn auch zufolge Aussichtslosigkeit aufgehoben. Warum das UG nun die geeignete Einrichtung für eine nicht näher definierte Behandlung des Beschwerdeführers sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanz gesteht in dem Sinne zu, die derzeitige Unterbringung sei sicher nicht ideal und komme nur als Übergangslösung in Frage. Sie sei aber auch nicht gänzlich ungeeignet. Dem Beschwerdeführer könne die erforderliche Behandlung und Betreuung in Form psychotherapeutischer Einzelgespräche geboten werden, sofern er dazu bereit sei. Dies ist er erklärtermassen nicht. Es handelt sich bei den erwähnten Gesprächen um rein theoretisch mögliche Therapieangebote, die nicht weiter konkretisiert wurden. Sie stehen überhaupt nicht zur Diskussion, das hat der Beschwerdeführer mit seinem bisherigen Verhalten deutlich gezeigt. Ihn nun aber im UG zurückzubehalten, bis eine nicht näher bezeichnete Lösung gefunden ist, ist nicht zulässig. Mit der FU wird im vorliegenden Fall sozusagen durch die Hintertüre, eine zivilrechtliche «Verwahrung» eingeführt, nachdem die strafrechtlichen Mittel ausgeschöpft wurden.

5.1 Die FU muss weiter verhältnismässig sein. Sie ist nur zulässig, wenn keine leichteren Massnahmen der betroffenen Person einen genügenden Schutz gewähren, mit dieser Massnahme hingegen ein solcher voraussichtlich erreicht werden kann.

5.2 Das Bundesgericht hatte extra eine siebentägige Frist bis zur Entlassung des Beschwerdeführers gesetzt, damit allfällige im Entscheid vom 11. August 2016 in Erwägung gezogenen Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts in die Wege geleitet werden könnten. Die Beschwerdekammer des Obergerichts hatte im erwähnten Entscheid (E. VII. 4) dargelegt, der Beschwerdeführer benötige eine Begleitung, die idealerweise sein Vertrauen geniesse, die ihm beistehen und auch eingreifen könne, sollte er wiederum in einen derartigen Handlungsdruck geraten, dass er überzeugt sei, die Gesellschaft mittels einer Aktion auf die grossen Probleme aufmerksam machen zu müssen. Eine ambulante Massnahme scheide dabei aus, ebenso aber auch Bewährungshilfe, da keine bedingte Entlassung zur Diskussion stehe. Angezeigt sei indessen eine Massnahme des Erwachsenenschutzes gestützt auf Art. 62c Abs. 5 StGB, weshalb der Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen entsprechend Mitteilung gemacht und ihr eine Kopie des vorliegenden Urteils zugestellt werde. Zu denken sei dabei in erster Linie an eine die Handlungsfähigkeit nicht einschränkende Begleitbeistandschaft nach Art. 393 ZGB. Der Beschwerdeführer werde dringend ersucht, dieser Massnahme zuzustimmen (die Zustimmung der betroffenen Person ist zwingendes Erfordernis einer Begleitbeistandschaft). Sollte er dies nicht tun und sollte sich zeigen, dass er entgegen seinen Aussagen nicht straffrei bleiben könne, müsste die Erwachsenenschutzbehörde wohl andere, strengere Formen von behördlichen Massnahmen prüfen.

5.3 Ob vorliegend bereits andere Massnahmen, insbesondere die von der Beschwerdekammer angeregte Begleitbeistandschaft, geprüft worden sind, geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor. Dies kann letztlich dahingestellt bleiben, obwohl eine fehlende derartige Abklärung ein Indiz für die Unverhältnismässigkeit der FU ist.

Die obigen Erwägungen zeigen, dass die Voraussetzungen für eine FU schon mangels Geeignetheit der Einrichtung nicht gegeben sind, nachdem sämtliche Therapieversuche seit 2011 am fehlenden Willen des Beschwerdeführers gescheitert sind. Aufgabe des Erwachsenenschutzes ist in erster Linie der Schutz einer Person vor sich selber. Hier steht klar der Schutz der Öffentlichkeit im Fokus. Dazu ist die FU nicht das richtige Mittel, auch wenn die Beweggründe der KESB und der Organe, welche die Gefährdungsmeldungen gemacht haben, durchaus nachvollziehbar sind (vgl. dazu insbesondere Art. 453 ZGB). Im Augenblick sind die Voraussetzungen für eine FU im UG Olten schon mangels Geeignetheit der Einrichtung und fehlendem Behandlungskonzept nicht gegeben.

6. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anordnung einer FU nicht erfüllt sind. Die Beschwerde ist entsprechend gutzuheissen und der Beschwerdeführer umgehend aus dem UG zu entlassen.

7. Der Kanton Solothurn hat die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu tragen (§ 77 VRG i.V.m. Art. 106 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Über die Entschädigung von Rechtsanwalt Valentin Landmann wird zufolge Dringlichkeit in einem Nachentscheid befunden.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid der KESB Olten-Gösgen vom 11. Oktober 2016 aufgehoben.

2.    B.___ ist sofort aus der fürsorgerischen Unterbringung im Untersuchungsgefängnis Olten zu entlassen.

3.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht trägt der Kanton Solothurn.

4.    Über die Parteientschädigung von Rechtsanwalt Valentin Landmann wird in einem Nachentscheid befunden.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

Scherrer Reber Schaad



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