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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSKLA.2023.5)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSKLA.2023.5
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSKLA.2023.5 vom 04.12.2023 (SO)
Datum:04.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Helvetia BVG Invest Sammelstiftung für Personalvorsorge klagt gegen A.___ betreffend Berufsvorsorge. A.___ schloss einen Anschlussvertrag zur Durchführung der beruflichen Vorsorge ab, zahlte jedoch Beiträge nicht. Die Klägerin forderte Zahlungen ein, worauf A.___ das Vertragsverhältnis kündigte. Nach ausbleibenden Zahlungen erhob die Klägerin Klage. Das Versicherungsgericht entschied zugunsten der Klägerin und verpflichtete A.___ zur Zahlung von CHF 2'197.10 plus Zinsen und Kosten. A.___ liess sich im Verfahren nicht vernehmen und muss die Verfahrenskosten tragen.
Schlagwörter: Betreibung; Apos; Klage; Versicherungsgericht; Vorsorge; Beklagten; Betrag; Umtriebsentschädigung; Rechtsvorschlag; Arbeitgeber; Forderung; Verzug; Gericht; Vizepräsident; Personalvorsorge; Anschlussvertrag; Zahlungen; Umtriebsentschädigungen; Vorsorgeeinrichtung; Beiträge; Verzugszins; Mahnung; Bundesgericht; Urteil; Helvetia; Sammelstiftung; Betreibungsamtes
Rechtsnorm: Art. 73 BV ; Art. 79 KG ;
Referenz BGE:121 V 110; 124 V 287; 127 V 207; 127 V 208;
Kommentar:
Thomas Geiser, Jacques-André Schneider, Thomas Gächter, Hand zum BVG und FZG, Art. 66 Abs. 2; Art. 66 BV BVG ZG, 2010
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VSKLA.2023.5
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 04.12.2023 
FindInfo-Nummer: O_VS.2023.208
Titel: Berufsvorsorge

Resümee:

 

 

Urteil vom 4. Dezember 2023

Es wirken mit:

Vizepräsident Flückiger

Gerichtsschreiber Isch

In Sachen

Helvetia BVG Invest Sammelstiftung für Personalvorsorge, St. Alban-Anlage 26, 4002 Basel

Klägerin

 

gegen

A.___

Beklagter

 

betreffend       Berufsvorsorge (Klage vom 20. Oktober 2023)

 


zieht der Vizepräsident des Versicherungsgerichts in Erwägung:

I.

 

1.

1.1     A.___ (nachfolgend Beklagter) schloss als Inhaber der Einzelfirma B.___ mit der Helvetia Sammelstiftung für Personalvorsorge (nachfolgend Klägerin) per 1. Januar 2022 einen Anschlussvertrag zur Durchführung der beruflichen Vorsorge ab (KB [Klagebeilage] 1).

 

1.2     Mit Schreiben vom 4. April 2023 (KB 6) mahnte die Klägerin den Beklagten zur Bezahlung eines Beitragsausstands per 3. April 2023 von CHF 1'395.80 sowie einer Umtriebsentschädigung von CHF 300.00. In der Folge kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2023 (KB 2).

 

1.3     Aufgrund weiterhin ausbleibender Zahlungen liess die Beklagte den Kläger mit Zahlungsbefehl-Nr. [...] des Betreibungsamtes [...] vom 6. Juli 2023 über den Betrag von CHF 1'697.10, zuzüglich Umtriebsentschädigungen von CHF 500.00 und Zinsen von CHF 32.70, sowie 5 % Zins seit 5. Juli 2023 auf den Betrag von CHF 1'697.10 betreiben. Dagegen erhob der Beklagte Rechtsvorschlag (KB 7).

 

2.       Die Klägerin lässt am 20. Oktober 2023 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Klage gegen den Beklagten erheben und folgende Rechtsbegehren stellen (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.):

1.    Der Beklagte habe der Klägerin eine Kapitalforderung von CHF 1'697.10, den Zins von CHF 32.70 plus Zins zu 5 % seit 5. Juli 2023 auf der Kapitalforderung sowie Umtriebsentschädigungen von CHF 500.00 und die Betreibungskosten von CHF 73.30 zu bezahlen.

2.    Im Betreibungsverfahren (Betreibungs-Nr. [...]) des Betreibungsamtes [...] sei im Umfang der zugesprochenen Forderung der Rechtsvorschlag zu beseitigen.

3.    Unter o/e-Kostenfolge zu Lasten der Beklagten.

 

3.       Der Beklagte, zur Einreichung einer Klageantwort aufgefordert, lässt sich nicht vernehmen.

 

II.

 

1.

1.1     Das Versicherungsgericht ist nach Art. 73 Abs. 1 BVG und § 54 Abs. 1 GO zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit über Beitragszahlungen eines Arbeitsgebers an eine Vorsorgeeinrichtung sachlich und örtlich zuständig.

 

1.2     Im Bereich des Betreibungsrechts (Art. 79 und 80 SchKG) besteht eine Zuständigkeit des Sozialversicherungsgerichts als ordentlicher Richter im Sinne von Art. 79 SchKG, der zum materiellen Entscheid über die Aufhebung des Rechtsvorschlages zuständig ist (BGE 121 V 110 E. 2 mit Hinweisen; Urteile SVGer i.S. S. vom 20. März 1998, KV.96.00081, und i.S. A. vom 3. November 1998, KV.98.00088). Diese Bundesgerichtspraxis wurde mit den Worten «... im Verwaltungsverfahren ...» ausdrücklich in den revidierten Art. 79 Abs. 1 SchKG überführt (AHI-Praxis 1997, S. 92).

 

1.3     Im vorliegenden Fall macht die Klägerin eine Forderung in der Höhe von CHF 1'697.10 zuzüglich einer Umtriebsentschädigung von CHF 500.00 und Zinsen von 32.70, sowie 5 % Zins seit 5. Juli 2023 auf den Betrag von CHF 1'697.10 geltend. Damit liegt der Streitwert unter CHF 30‘000.00, weshalb der Vizepräsident des Versicherungsgerichts als Vertreter der Präsidentin die Angelegenheit gemäss § 54bis Abs. 1 lit. a GO als Einzelrichter beurteilt.

 

2.

2.1     Durch die Anschlussvereinbarung vom 22. bzw. 28. Februar 2022 (KB 1) ergab sich per 1. Januar 2022 ein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten, welches durch die gesetzlichen Vorschriften über die obligatorische berufliche Vorsorge sowie die Bestimmungen des Anschlussvertrages geregelt wurde. Als der Klägerin angeschlossener Arbeitgeber war der Beklagte verpflichtet, die Beiträge für die berufliche Vorsorge zu bezahlen (s. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BVG sowie Ziff. 5.1 des Anschlussvertrages [AV]). Die in Betreibung gesetzten Beitragsforderungen der Klägerin sind aufgrund der eingereichten Unterlagen (vgl. Kontoauszug vom 31. Juli 2023; KB 5) im Umfang von CHF 1'397.10 ausgewiesen. Hinzu kommen Umtriebsentschädigungen von CHF 300.00, welche die Beklagte in der in Betreibung gesetzten Forderung von CHF 1'697.10 bereits eingerechnet hat.

 

Der Beklagte liess sich vor dem Versicherungsgericht nicht vernehmen.

 

2.2.    Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten für die Ausstände auf dem Beitragskonto Anspruch auf Verzugszins (Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BVG und AV Ziff. 5.4), wobei sich Fälligkeit und Zinssatz nach den getroffenen Vereinbarungen richten (vgl. Jürg Brechbühl in: Jacques-André Schneider / Thomas Geiser / Thomas Gächter, Handkommentar zum BVG und FZG, Bern 2010, Art. 66 N 33 / 36).

 

Gemäss Anschlussvereinbarung sind die Beiträge für Risikoleistungen zu Jahresbeginn resp. mit der Aufnahme des Mitarbeitenden in die Personalvorsorge fällig, die Altersgutschriften hingegen per Jahresende resp. bei Dienstaustritt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (AV Ziff. 5.3). In analoger Anwendung dieser Bestimmung ist davon auszugehen, dass mit der Beendigung des Anschlussvertrages die bis dahin angefallenen Beiträge fällig werden (was im Übrigen mit Art. 102 Abs. 2 Obligationenrecht [OR, SR 220] korrespondiert, wonach der Schuldner ohne weiteres in Verzug gerät, wenn sich aus einer Vertragskündigung ein Verfalltag ergibt). Die Klägerin belastet auf Zahlungen nach dem Fälligkeitstermin ohne Mahnung einen Zins. Sie ist berechtigt, marktkonforme Zinssätze festzulegen (AV Ziff. 5.4 Abs. 1), wobei sich der Zinssatz auf 5 % beläuft. Keine Zinsen werden erhoben, wenn Zahlungen für Beiträge, die per Jahresbeginn fällig werden, innert 30 Tagen bei der Klägerin eingehen (AV Ziff. 5.4 Abs. 2).

 

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin dem Beklagten bis 4. Juli 2023 einen Verzugszins von CHF 32.70 in Rechnung stellt sowie ab 5. Juli 2023 einen Zins von 5 % verlangt.

 

Auf den Umtriebsentschädigungen ist dagegen praxisgemäss kein Verzugszins zu entrichten. Solche Spesen sind nämlich nicht Teil der Kapitalforderung, sondern sie dienen, wie der Verzugszins, als Ausgleich für den Schaden, welcher der Klägerin durch die Nichterfüllung der Forderung entstanden ist (vgl. Art. 106 Abs. 1 Obligationenrecht / OR, SR 220). Somit ist der Zins von 5 % ab 5. Juli 2023 lediglich auf dem Betrag von CHF 1'397.10 zu erheben.

 

Zudem müssen die Betreibungskosten der Klägerin nicht separat zugesprochen werden: Diese Kosten werden von den Zahlungen der Beklagten vorab erhoben, d.h. sie werden im Ergebnis zur Schuld geschlagen und die Beklagte muss sie zusätzlich zum Betrag bezahlen, den die Klägerin zugesprochen erhält (vgl. SZS 2001 S. 568 E. 5).

 

2.3     Gemäss Kostenreglement der Klägerin (unter KB 1) hat der Arbeitgeber wie folgt Ersatz für Verwaltungsaufwand zu leisten:

-        Eingeschriebene Mahnungen im Zusammenhang mit Betreibungsausständen: CHF 300.00 (Kostenreglement Ziff. 2 Abs. 1)

-        Betreibungsbegehren: CHF 500.00 (Kostenreglement Ziff. 2 Abs. 1)

Die Beklagte schuldet damit der Klägerin für die Mahnung und das Betreibungsbegehren gesamthaft einen Betrag von CHF 800.00.

 

3.       Die Klage ist somit im Sinne dieser Erwägungen teilweise gutzuheissen. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen Betrag von CHF 2'197.10 (CHF 1'397.10 + CHF 800.00) zuzüglich Zins von CHF 32.70 sowie 5 % Zins auf CHF 1'397.10 ab 5. Juli 2023 zu bezahlen. In diesem Umfang wird der in der Betreibung-Nr. [...] des Betreibungsamtes [...] erhobene Rechtsvorschlag aufgehoben.

 

4.       Nach Art. 73 Abs. 2 BVG ist das Klageverfahren vor dem Versicherungsgericht in der Regel kostenlos. Vorbehalten bleibt allerdings die mutwillige leichtsinnige Prozessführung (BGE 124 V 287 E. 3a), welche bei Beitragsstreitigkeiten in der beruflichen Vorsorge dann vorliegt, wenn ein Arbeitgeber Beitragsrechnungen und Mahnungen nicht beachtet, in der Betreibung Rechtsvorschlag erhebt und während des anschliessenden Gerichtsverfahrens nichts von sich hören lässt wenn er seine Stellungnahme auf einen Sachverhalt abstützt, von dem er weiss bei der ihm zumutbaren Sorgfalt wissen müsste, dass er unrichtig ist. Hingegen liegt solange keine leichtsinnige mutwillige Prozessführung vor, als es dem Arbeitgeber darum geht, einen bestimmten, nicht als willkürlich erscheinenden Standpunkt durch den Richter beurteilen zu lassen (BGE 124 V 288 E. 3b ff.).

 

Der Beklagte hat sich im Prozess nicht vernehmen lassen. er macht mit diesem Verhalten deutlich, dass es ihm nicht darum geht, die Sach- und Rechtslage durch das Gericht überprüfen zu lassen, sondern er will lediglich seine Leistungspflicht möglichst lange hinausschieben. Deshalb rechtfertigt es sich, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens vor dem Versicherungsgericht aufzuerlegen. Deren Höhe wird auf CHF 500.00 festgesetzt (vgl. § 148 GebT).

 

5.       Klagt eine Vorsorgeeinrichtung gegen einen Arbeitgeber und obsiegt sie, so hat sie bloss dann Anspruch auf eine Parteientschädigung, wenn dem Beklagten – wie im vorliegenden Fall – mutwillige leichtfertige Prozessführung vorzuwerfen ist (SOG 2001 Nr. 35). Ist die Vorsorgeeinrichtung aber nicht durch einen Rechtsanwalt eine andere qualifizierte Fachperson vertreten, so müssen zusätzlich die Voraussetzungen erfüllt sein, welche für die Zusprechung einer Entschädigung an eine nicht verbeiständete Partei gelten (Isabelle Vetter-Schreiber, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 255): Es muss sich einerseits um eine komplizierte Sache mit hohem Streitwert handeln. Andererseits muss die Interessenwahrung einen grossen Arbeitsaufwand notwendig machen, der den Rahmen dessen überschreitet, was der Einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat; erforderlich ist somit ein Arbeitsaufwand, welcher die normale (z.B. erwerbliche) Betätigung während einiger Zeit erheblich beeinträchtigt. Ausserdem hat zwischen dem betriebenen Aufwand und dem Ergebnis der Interessenwahrung ein vernünftiges Verhältnis zu bestehen (BGE 127 V 207 E. 4b). Allein aus dem Umstand, dass die beklagte Arbeitgeberin für das Verfahren vor dem Versicherungsgericht kostenpflichtig ist, lässt sich somit nicht zwingend ableiten, dass der siegreichen Vorsorgeeinrichtung eine Entschädigung zusteht (BGE 127 V 208).

 

Die Klägerin hat für das Klageverfahren keinen externen Anwalt mit der Vertretung beauftragt. Zudem warf die Streitsache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine komplexen Fragen auf. Es mussten bloss eine nicht besonders lange Klageschrift verfasst und einige Belege aus den Akten der Klägerin eingereicht werden, d.h. der Arbeitsaufwand hielt sich in Grenzen und sprengte nicht den Rahmen dessen, was auch bei anderen Klagen auf Beitragszahlung in der Regel erforderlich ist. Die Tätigkeit der Klägerin bringt es mit sich, dass sie gegebenenfalls vor Gericht gehen muss, um ihre (Beitrags-)Ansprüche durchzusetzen (vgl. BGE 127 V 207 f. E. 4c, betr. die AHV-Ausgleichskasse). Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass der Beklagte der Klägerin keine Parteientschädigung schuldet.

 

Demnach wird erkannt:

1.      Der Beklagte A.___ wird in teilweiser Gutheissung der Klage verpflichtet, der Klägerin Helvetia BVG Invest Sammelstiftung für Personalvorsorge den Betrag von CHF 2'197.10 zuzüglich Zins von CHF 32.70 sowie 5 % Zins auf CHF 1'397.10 ab 5. Juli 2023 zu bezahlen.

2.      Der in der Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamts [...] erhobene Rechtsvorschlag wird im Umfang der zugesprochenen Forderung aufgehoben.

3.      Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.      Der Beklagte hat die Kosten des Klageverfahrens von CHF 500.00 zu bezahlen.

 

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Vizepräsident                     Der Gerichtsschreiber

Flückiger                                   Isch



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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