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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSKLA.2022.5)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSKLA.2022.5
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSKLA.2022.5 vom 14.12.2022 (SO)
Datum:14.12.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Der Kläger A. reicht am 8. September 2022 eine Klage beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn gegen die Einzelfirma B. ein. Er fordert, dass der Beklagte, Inhaber der Firma, rückwirkend die BVG-Arbeitgeberbeiträge für seine Anstellungsdauer von zweieinhalb Monaten im Sommer/Herbst 2019 (2020) bezahlt. Nach einer Verhandlung stellt das Gericht fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für das Arbeitsverhältnis von Juli bis September 2020 bei der Pensionskasse anzumelden und die entsprechenden Beiträge zu zahlen. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben. Der Richter ist Vizepräsident Flückiger, die Gerichtsschreiberin ist Haldemann.
Schlagwörter: Arbeit; Arbeitgeber; Versicherung; Klage; Vorsorge; Versicherungsgericht; Parteien; Apos; Arbeitsverhältnis; Verein; Arbeitnehmer; Verlag; Verfahren; Vizepräsident; Pensionskasse; Kanton; Beiträge; Alter; Arbeitsvertrag; Versicherungsgerichts; Jahreslohn; Klägers; Verlagsleiter; Beklagten; KB-Nr; Berufsvorsorge; Kantons; Solothurn; ährend
Rechtsnorm: Art. 2 BV ; Art. 7 BV ; Art. 73 BV ;
Referenz BGE:110 V 132; 135 V 23; 137 V 321; 144 V 111;
Kommentar:
Hans-Ulrich Stauffer, Marc Hürzeler, Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, 1900
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VSKLA.2022.5
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 14.12.2022 
FindInfo-Nummer: O_VS.2022.185
Titel: Berufsvorsorge

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 14. Dezember 2022

Es wirken mit:

Vizepräsident Flückiger

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___

Kläger

gegen

B.___

Beklagter

 

betreffend       Berufsvorsorge (Klage vom 8. September 2022)

 


zieht der Vizepräsident des Versicherungsgerichts in Erwägung:

I.

 

1.       A.___ (fortan: Kläger) erhebt am 8. September 2022 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Klage gegen die Einzelfirma B.___ (fortan: Verlag). Er begehrt, der Verlag resp. dessen Inhaber C.___ (fortan: Beklagter) sei zu verpflichten, nachträglich die BVG-Arbeitgeberbeiträge für seine Anstellungsdauer von zweieinhalb Monaten im Sommer / Herbst 2019 [recte: 2020] zu bezahlen (Aktenseite / A.S. 1).

 

2.       Der Beklagte beantragt in seiner Klageantwort vom 10. Oktober 2022 die Abweisung der Klage (A.S. 4 f.). Zur Begründung führt er einerseits an, der für die BVG-Pflicht erforderliche Jahreslohn von CHF 21’510.00 sei nicht erreicht worden. Andererseits habe der Kläger während zwei von insgesamt zweieinhalb Monaten Vertragszeit bereits überwiegend für seinen künftigen Arbeitgeber, den Verein D.___ (fortan: Verein), gearbeitet. Dieser habe für die besagten zwei Monate 80 % des Lohns des Klägers als Verlagsleiter übernommen.

 

3.       Am 30. November 2022 findet vor dem Vizepräsidenten des Versicherungsgerichts eine Instruktionsverhandlung mit Parteibefragung des Klägers und des Beklagten statt (s. Protokoll, A.S. 8 ff.). Auf eine ergänzende schriftliche Stellungnahme verzichten die Parteien (A.S. 13). Gleichentags reicht der Kläger per E-Mail diverse Belege zu seinen Auslagen ein (Klagebeilage / KB Sammelurkunde 4).

 

4        Der Vizepräsident stellt den Parteien mit Verfügung vom 2. Dezember 2022 jeweils eine Kopie des Verhandlungsprotokolls zu (A.S. 14). Ausserdem korrigiert er die bisherige Parteibezeichnung im Verfahren insoweit, als nicht der Verlag als Einzelfirma, sondern dessen Inhaber C.___ der Beklagte ist.

 

II.

 

1.

1.1     Das Versicherungsgericht entscheidet über berufsvorsorgerechtliche Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten (Art. 73 Abs. 1 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge / BVG, SR 831.40). Dazu gehören auch Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten, welche die Verletzung der Pflicht des (gegenwärtigen ehemaligen) Arbeitgebers zur Abrechnung und Zahlung von Beiträgen an die Vorsorgeeinrichtung betreffen (Marc Hürzeler / Barbara Bättig-Lischer in: Hans-Ulrich Stauffer / Marc Hürzeler [Hrsg.], Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, Basel 2020; Art. 73 BVG N 30 + 31). Da sich zudem der Wohnsitz des Beklagten im Kanton Solothurn befindet, ist auch die örtliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts gegeben (Art. 73 Abs. 3 BVG). Auf die Klage ist demnach einzutreten.

 

1.2     Sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten fallen bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000.00 in die Präsidialkompetenz (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Diese Grenze wird hier nicht erreicht, nachdem Beiträge auf einer Lohnsumme von CHF 13'000.00 (Juli bis September 2020, KB-Nrn. 2 f.) streitig sind. Der Vizepräsident des Versicherungsgerichts ist damit zur Beurteilung der Angelegenheit als Einzelrichter zuständig.

 

2.

2.1     Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber mehr als einen bestimmten Jahreslohn beziehen, unterstehen ab 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahres für die Risiken Tod und Invalidität sowie ab 1. Januar nach Vollendung des 24. Altersjahres auch für das Alter der obligatorischen Versicherung der beruflichen Vorsorge. Das hier streitige Arbeitsverhältnis fiel in das Jahr 2020, weshalb die damals geltende Eintrittsschwelle von CHF 21'330.00 massgeblich ist (Art. 7 Abs. 1 BVG sowie Art. 5 Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge / BVV2, SR 831.441.1). Dieser Mindestlohn entspricht dem massgebenden Lohn nach dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BVG), der jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte unbestimmte Zeit geleistete Arbeit umfasst (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG, SR 831.10). Ist der Arbeitnehmer weniger als ein Jahr lang bei einem Arbeitgeber beschäftigt, so gilt als Jahreslohn der Lohn, den er bei ganzjähriger Beschäftigung erzielen würde (Art. 2 Abs. 2 BVG). Arbeitnehmer mit einem befristeten Arbeitsvertrag von höchstens drei Monaten sind grundsätzlich nicht der obligatorischen Versicherung unterstellt (Art. 1j Abs. 1 lit. b BVV2).

 

2.2

2.2.1  Der Kläger und der Beklagte schlossen am 1. Juni 2020 einen Arbeitsvertrag ab (KB-Nr. 1), wonach der Kläger per 1. September 2020 eine Stelle als Verlagsleiter mit einem Pensum von 80 % und einem Monatslohn von CHF 5'200.00 brutto antreten sollte. Eine zeitliche Befristung der Anstellung war im Vertrag nicht vorgesehen, was die Parteien an der Verhandlung bestätigen (A.S. 9 + 11). Sie stimmen weiter darin überein, dass der Kläger die Stelle faktisch schon Mitte Juli 2020 antrat (A.S. 9 + 10 f.), was mit der Lohnabrechnung vom 8. Februar 2021 korrespondiert (KB-Nr. 3). Der Beklagte löste das Arbeitsverhältnis per 30. September 2020 wieder auf, was er mit der fehlenden Eignung des Klägers als Verlagsleiter begründete (A.S. 4 + 12). Gemäss Lohnausweis und Lohnabrechnung erzielte der Kläger in den Monaten Juli bis September ein Bruttoeinkommen von CHF 13'000.00 (KB-Nr. 2 f.).

 

Der Beklagte erklärt an der Verhandlung, er habe den Kläger, der sich für die Arbeit als Verlagsleiter nicht interessiert habe, an den Verein ausgeliehen, ihm aber weiterhin den Lohn aus dem Arbeitsvertrag ausgerichtet. Als der Verein dann zu Geld gekommen sei, habe er von diesem eine Rückerstattung der Vorleistung erhalten (A.S. 11 f.). Der Kläger bestätigt diese Darstellung (A.S. 10 oben). Ausserdem liegt eine Rechnung vom 24. September 2020 vor, worin der Beklagte vom Verein einen Anteil von 80 % am Lohn des Klägers für August und September 2020 einfordert (Beilage zur Klageantwort / KBA-Nr. 1).

 

2.2.2  Auf Grund der Akten und der Aussagen der Parteien ist festzuhalten, dass der Kläger für das Arbeitsverhältnis von Mitte Juli bis Ende September 2020 der obligatorischen Versicherung der beruflichen Vorsorge unterstand: Einerseits hatten die Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, auch wenn dieses in der Folge bereits nach weniger als drei Monaten wieder beendet wurde. Andererseits ergibt sich, wenn man die Beschäftigungsdauer von zweieinhalb auf zwölf Monate hochrechnet, bei einem Monatsgehalt von CHF 5'200.00 ein AHV-Jahreslohn von CHF 62'400.00, der die Eintrittsschwelle von CHF 21'330.00 überschreitet. Der Beklagte kann aus dem Umstand, dass er den bei ihm angestellten Kläger dem Verein zur Verfügung stellte, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Rechtsprechung geht von einer objektbezogenen Definition des massgebenden Lohnes aus, wonach es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wer das Entgelt für die verrichtete Arbeit bezahlt; entscheidend ist vielmehr, ob die geldwerte Leistung wirtschaftlich im Arbeitsverhältnis ihre hinreichende Begründung findet (BGE 144 V 111 E. 6.3.2 S. 117). Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber ist auch beitragspflichtig für Zuwendungen eines Dritten, die ihrer Natur nach als Arbeitgeberleistungen zu qualifizieren sind und ohne das Arbeitsverhältnis nicht geflossen wären (Elisabeth Glättli in: Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, a.a.O., Art. 7 BVG N 23; BGE 137 V 321 E. 2.2.3 S. 327 f.). Dies muss erst recht hier gelten, wo der Beklagte dem Kläger den im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohn ausrichtete, während der Verein dem Kläger keine direkte Vergütung leistete; der Verein erstattete vielmehr dem Beklagten einen Teil von dessen Lohnkosten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte als Arbeitgeber der Pensionskasse die gesamten Beiträge schuldet, also sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge (Art. 66 Abs. 1 und 2 BVG). Das Klagebegehren richtet sich zwar seinem Wortlaut nach nur auf die Bezahlung der Arbeitgeberbeiträge. Das Berufsvorsorgegericht ist jedoch innerhalb des Streitgegenstandes in Durchbrechung der Dispositionsmaxime nicht an die Begehren der Parteien gebunden (BGE 135 V 23 E. 3.1 S. 26), d.h. der Beklagte kann im vorliegenden Verfahren sowohl zur Bezahlung der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerbeiträge verurteilt werden.

 

Der Beklagte bestreitet nicht, dass er verpflichtet gewesen wäre, den Kläger bei der Vorsorgeeinrichtung anzumelden (A.S. 12). Dessen war er sich bereits beim Abschluss des Arbeitsvertrages bewusst, enthält dieser doch in Ziffer 8 folgende Klausel: «[Der Kläger] ist … bei der Pensionskasse E.___ [fortan: Pensionskasse] BVG-versichert.» Gleichwohl unterliess es der Beklagte bislang, die Anmeldung vorzunehmen. Seine Versuche, dieses Versäumnis zu rechtfertigen, dringen nicht durch. Sollte sich der Kläger tatsächlich während des Arbeitsverhältnisses nicht nach der beruflichen Vorsorge erkundigt haben, so würde dies an der gesetzlichen Anmeldepflicht des Arbeitgebers selbstverständlich nichts ändern. Dasselbe gilt für den Umstand, dass es sich letztlich nur um eine kurze Versicherungsdauer mit vergleichsweise geringer Beitragssumme handelt, sowie für den Hinweis auf persönliche Animositäten zwischen den Parteien, die den vorliegenden Rechtsstreit geprägt haben sollen (A.S. 12).

 

2.2.3  Zusammenfassend wird der Beklagte in Gutheissung der Klage verpflichtet, den Kläger für das Arbeitsverhältnis von Juli bis September 2020 bei der Pensionskasse E.___ für die berufliche Vorsorge anzumelden und der Pensionskasse die entsprechenden Beiträge (Sparbeitrag und Risikoprämie, jeweils Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) auf dem bezogenen Lohn von CHF 13'000.00 zu bezahlen. Die Rückforderung des Arbeitnehmeranteils vom Kläger bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

 

3.       Der Kläger, welcher im Klageverfahren der beruflichen Vorsorge obsiegt, hat Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Sozialversicherungsanstalt (§ 7 Abs. 3 Verordnung des Kantonsrates über das Verfahren vor dem Versicherungsgericht und über die Organisation und das Verfahren der Schiedsgerichte in den Sozialversicherungen / VVV, BGS 125.922). Tritt ein Kläger jedoch wie hier ohne Vertreter auf, so steht ihm eine Entschädigung für seinen persönlichen Arbeitsaufwand und seine persönlichen Umtriebe nur bei besonderen Umständen zu. Solche liegen gemäss der Rechtsprechung dann vor, wenn es sich kumulativ um eine komplizierte Sache mit hohem Streitwert handelt und die Interessenwahrung einen hohen Arbeitsaufwand notwendig macht, der den Rahmen dessen überschreitet, was der einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat (BGE 110 V 132 E. 4d S. 134 f.). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Komplexität der Angelegenheit, stellen sich doch sachverhaltlich und rechtlich keine besonderen Fragen, sowie am hohen Streitwert. Der Umstand, dass sich der Kläger offenbar häufig im Ausland aufhält, ist nicht durch den Beklagten zu verantworten. Eine Parteientschädigung entfällt damit.

 

4.       Verfahrenskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG und § 7 Abs. 1 VVV).

 

Demnach wird erkannt:

1.    In Gutheissung der Klage wird der Beklagte C.___ verpflichtet, den Kläger A.___ für das Arbeitsverhältnis von Juli bis September 2020 bei der Pensionskasse E.___ für die berufliche Vorsorge anzumelden und der Pensionskas-

se die Beiträge (Sparbeitrag und Risikoprämie, jeweils Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) auf dem Lohn von CHF 13'000.00 zu bezahlen.

2.    Es wird keine Parteientschädigungen zugesprochen.

3.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Vizepräsident                     Der Gerichtsschreiber

Flückiger                                   Haldemann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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