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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2023.59)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.59: Verwaltungsgericht

Das Versicherungsgericht hat entschieden, dass die Beschwerdeführerin, eine Frau, die seit 1996 eine Invalidenrente bezog, Anspruch auf die Rente behält. Die Beschwerdegegnerin, die Allianz Suisse Schadenservice Center, hatte versucht, die Rente aufgrund eines Unfalls von 1993 zu kürzen, was jedoch abgelehnt wurde. Es wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin weiterhin unter den Folgen des Unfalls leidet und somit Anspruch auf die Rente hat. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 0. Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsstreit gewonnen (w)

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.59

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2023.59
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2023.59 vom 30.07.2024 (SO)
Datum:30.07.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Recht; Allianz; Verfügung; Allianz-Nr; Unfall; Rente; Urteil; Wiedererwägung; Gutachten; Bundesgericht; Versicherung; Bundesgerichts; Beschwerden; Einsprache; Rechtsprechung; Abklärung; Verfahren; Abklärungen; Einspracheentscheid; Kausalzusammenhang; Wahrscheinlichkeit; Revision; Sinne; Unrichtigkeit; Anspruch
Rechtsnorm: Art. 11 UVG ;Art. 17 ATSG ;Art. 43 ATSG ;
Referenz BGE:117 V 359; 119 V 335; 119 V 475; 125 V 32; 126 V 353; 129 V 177; 130 V 445; 130 V 570; 132 V 200; 133 V 108; 134 V 109; 134 V 392; 138 V 218; 138 V 248; 140 V 356; 140 V 77; 141 V 405; 142 V 342; 142 V 435; 147 V 161; 147 V 167; 149 V 91;
Kommentar:
-, Basler Kommentar zum UVG, 2019

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.59

 
Geschäftsnummer: VSBES.2023.59
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 30.07.2024 
FindInfo-Nummer: O_VS.2024.166
Titel: Unfallversicherung / Invalidenrente

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 30. Juli 2024

Es wirken mit:

Vizepräsident Flückiger

Oberrichterin Kofmel

Oberrichter Thomann

Gerichtsschreiberin Küng

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Werder

Beschwerdeführerin

 

gegen

Allianz Suisse Schadenservice Center, Postfach, 8010 Zürich,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Unfallversicherung / Invalidenrente (Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.

1.1     Die 1948 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) war vom 16. September 1990 bis 18. September 1992 bei C.___ als Betreuerin / Nachtwache in einem Teilzeitpensum angestellt und aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses bei der Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (heute: Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, nachfolgend: Beschwerdegegnerin) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert.

 

1.2     Gemäss «Unfallmeldung UVG» vom 22. Oktober 1993 (Akten der Allianz Nr. [Allianz-Nr.] 2001) kollidierte am 19. September 1993, um 10.40 Uhr, ein Reisecar mit dem in einer Autokolonne stehenden Personenwagen der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin habe sich dabei an HWS, Rücken und Armen verletzt und ein Schleudertrauma erlitten. Im «Arztzeugnis UVG» vom 5. November 1993 diagnostizierte Dr. med. D.___, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, gestützt auf die Erstbehandlung vom 20. September 1993 ein «typisches Schleudertrauma» (Allianz-Nr. 1002). Die Beschwerdegegnerin anerkannte ihre Leistungspflicht und traf in der Folge weitere Abklärungen. Namentlich zog sie Berichte der behandelnden Ärzte bei (Allianz-Nrn. 1003 ff.) und holte ein Gutachten der Gutachterstelle E.___ ein, welches vom 10. Juni 1996 datiert (Allianz-Nr. 1014). Mit Verfügung vom 25. November 1996 (Allianz-Nr. 2064) wurden der Beschwerdeführerin eine Invalidenrente von 30 % (ab 1. Juli 1994) sowie eine Integritätsentschädigung von ebenfalls 30 % zugesprochen. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

2.       Am 27. November 2001 ersuchte die Beschwerdeführerin sinngemäss um Revision der Verfügung vom 25. November 1996 (vgl. Allianz-Nr. 2088). Die Beschwerdegegnerin veranlasste ein Gutachten bei Dr. med. F.___, Facharzt für Neurochirurgie FMH, das am 18. Oktober 2002 erstattet wurde (Allianz-Nr. 1021). Anschliessend hielt sie mit Verfügung vom 11. Februar 2003 fest, die aktuellen Wirbelsäulenbeschwerden stünden nicht in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 19. September 1993, ein Rückfall Spätfolgen im Sinne von Art. 11 UVG lägen nicht vor, die Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden erfolge nicht aus unfallbedingten Gründen und das Gesuch um Rentenrevision werde abgewiesen (Allianz-Nr. 2113). Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

3.       Am 25. Oktober 2007 wurde die Beschwerdegegnerin darüber informiert, dass die zuständige IV-Stelle der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. Juni 2006 eine ganze Rente zugesprochen habe (vorher Dreiviertelsrente; Allianz-Nr. 2127). Daraufhin holte die Beschwerdegegnerin die medizinischen Akten der IV-Stelle ein (vgl. Allianz-Nr. 2128), darunter auch ein von dieser in Auftrag gegebenes Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle des G.___ (MEDAS) vom 18. Juli 2007 (Allianz-Nr. 1023). In der Folge erkundigte sich die Beschwerdeführerin telefonisch, ob mit der IV-Rente auch ihre Unfallrente erhöht werde (vgl. Allianz-Nr. 2131). Mit Verfügung vom 8. Juli 2008 hielt die Beschwerdegegnerin sodann fest (Allianz-Nr. 2139), die Folgen des Unfalls vom 19. September 1993 hätten sich in keinem nachweisbaren Ausmass verschlimmert, ein Anspruch auf Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit den psychischen Beschwerden werde abgelehnt und das Gesuch um Rentenrevision werde abgewiesen. Diese Verfügung erwuchs ebenfalls unangefochten in Rechtskraft.

 

4.       Am 12. April 2021 erliess die Beschwerdegegnerin eine neue Verfügung, mit der sie die laufende Rente mit Wirkung auf den 30. April 2021 einstellte. Zur Begründung wurde erklärt, mit der Verfügung vom 25. November 1996 sei der Beschwerdeführerin eine Invalidenrente für die Folgen eines HWS-Distorsionstraumas zugesprochen worden, ohne dass eine separate Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs stattgefunden habe. Es handle sich demnach um eine zweifellos rechtsfehlerhaft zustande gekommene Verfügung. Zudem sei die damalige Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs im Gutachten der E.___ nach der unzulässigen Beweisregel «post hoc ergo propter hoc» vorgenommen worden. Die Rentenzusprache sei somit auch unter diesem Aspekt nicht rechtskonform erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Verfügungen vom 25. November 1996, 11. Februar 2003 und 8. Juli 2008 seien somit gegeben. Die materielle Neuprüfung ergebe, dass kein Rentenanspruch bestehe (Allianz-Nr. 2156). Die dagegen am 19. Mai 2021 erhobene Einsprache (Allianz-Nr. 2164), welche am 27. August 2021 ergänzend begründet wurde (Allianz-Nr. 2173), wies die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 (Allianz-Nr. 2181; Aktenseite [A.S.] 1 ff.) ab. Gleichzeitig wurde auch das von der Beschwerdeführerin gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im Verwaltungsverfahren abgewiesen.

 

5.       Dagegen lässt die Beschwerdeführerin am 1. März 2023 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) fristgerecht Beschwerde erheben und folgende Rechtsbegehren stellen (A.S. 21 ff.):

 

1.    Die Verfügung vom 12. April 2021 sowie der Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft seien vollumfänglich aufzuheben.

2.    Der Beschwerdeführerin seien die Versicherungsleistungen nahtlos und weiterhin auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 30 % zuzusprechen.

3.    Eventualiter sei die Sache an die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft zur Neuentscheidung zurückzuweisen.

4.    Subeventualiter sei die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft zu verpflichten ergänzende Abklärungen vorzunehmen.

5.    Der Beschwerdeführerin A.___ sei für das vorliegende Verfahren und das Verfahren vor der Vorinstanz die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, dies unter Beiordnung des unterzeichneten Rechtsanwaltes als unentgeltlicher Rechtsbeistand.

6.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (letztere zzgl. 7.7 % MwSt.) zulasten der Beschwerdegegnerin.

 

6.       Mit Beschwerdeantwort vom 24. April 2023 (A.S. 67 ff.) schliesst die Beschwerdegegnerin auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdeführerin.

 

7.       Mit Verfügung vom 27. April 2023 (A.S. 74 f.) wird der Beschwerdeführerin ab Prozessbeginn die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Rechtsanwalt Hans Jörg Werder als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

 

8.       Im Rahmen der Replik vom 15. Mai 2023 (A.S. 77 ff.) lässt die Beschwerdeführerin mit Ausnahme von Ziff. 4 (vgl. E. I. 5 hiervor) vollumfänglich an ihren Rechtsbegehren festhalten.

 

9.       Mit Eingabe vom 23. Mai 2023 (A.S. 85 f.) verzichtet die Beschwerdegegnerin auf das Einreichen einer Duplik. Sie hält am Einspracheentscheid und an der Beschwerdeantwort ausdrücklich fest.

 

10.     Die mit Eingabe vom 7. Juni 2023 durch den Vertreter der Beschwerdeführerin eingereichte Kostennote (A.S. 87 ff.) geht mit Verfügung vom 9. Juni 2023 zur Kenntnisnahme an die Beschwerdegegnerin (A.S. 94).

 

11.     Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird im Folgenden, soweit erforderlich, eingegangen.

 

II.      

 

1.

1.1     Die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

1.2     Für die Beurteilung der Streitsache in zeitlicher Hinsicht massgebend ist der Sachverhalt, wie er sich bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 27. Januar 2023 verwirklicht hat (BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446; Urteil des Bundesgerichts 9C_656/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 3.1; vgl. auch BGE 134 V 392 E. 6 S. 397 mit Hinweis).

 

1.3     Am 1. Januar 2017 sind die revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) und der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV, SR 832.202) in Kraft getreten. Gemäss der Übergangsbestimmung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieser Änderung am 1. Januar 2017 ereignet haben, nach bisherigem Recht gewährt. Da hier Leistungen für ein Unfallereignis vom 19. September 1993 strittig sind, ist das bis 31. Dezember 2016 geltende Recht anwendbar.

 

2.

2.1     Soweit das UVG nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG). Die versicherte Person hat u.a. Anspruch auf die zweckmässige Behandlung der Unfallfolgen (Art. 10 Abs. 1 UVG) sowie auf ein Taggeld, sofern sie infolge des Unfalles voll teilweise arbeitsunfähig ist (Art. 16 Abs. 1 UVG).

 

2.2     Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) hat die versicherte Person, wenn sie infolge des Unfalles zu mindestens 10 % invalid ist. Zudem besteht gemäss Art. 24 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung, wenn durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen psychischen Integrität bewirkt worden ist.

 

2.3     Die Leistungspflicht des Unfallversicherers gemäss UVG setzt voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche geistige Integrität des Versicherten beeinträchtigt hat, der Unfall mit anderen Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438, 129 V 177 E. 3.1 S. 181).

 

Ob zwischen einem schädigenden Ereignis einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber der Versicherer bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (s. dazu BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt nicht, um einen Leistungsanspruch zu begründen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181). Weiter ist für den Nachweis einer unfallkausalen gesundheitlichen Schädigung der Grundsatz «post hoc, ergo propter hoc», wonach eine gesundheitliche Schädigung schon dann als durch einen Unfall verursacht gilt, wenn sie nach diesem aufgetreten ist, nicht massgebend (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341). Der Beweis der Gesundheitsschädigung und des natürlichen Kausalzusammenhangs (resp. seines Wegfallens) wird in erster Linie mittels Angaben der medizinischen Fachpersonen geführt, d.h. mit den Berichten der behandelnden Ärzte und allenfalls einem Gutachten (Irene Hofer in: Basler Kommentar zum UVG, 2019, Art. 6 UVG N 66).

 

2.4     Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt weiter voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181). Im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen spielt die Adäquanz praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 138 V 248 E. 4 S. 250 f.). Anders verhält es sich bei natürlich unfallkausalen, aber organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden. Hier ist bei der Adäquanzprüfung vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, wobei zwischen banalen bzw. leichten Unfällen einerseits, schweren Unfällen anderseits und schliesslich dem dazwischen liegenden mittleren Bereich unterschieden wird, und es sind je nachdem weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen. Bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall werden diese Adäquanzkriterien unter Ausschluss psychischer Aspekte geprüft (sog. Psycho-Praxis; BGE 140 V 356 E. 3.2 S. 358 f., 134 V 109 E. 6.1 S. 116, 115 V 133).

 

2.5     Die Leistungspflicht des Unfallversicherers bei einem durch den Unfall verschlimmerten überhaupt erst manifest gewordenen krankhaften Vorzustand entfällt erst, wenn der Unfall nicht mehr die natürliche und adäquate Ursache darstellt, der Gesundheitsschaden also nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat («Status quo ante»), aber derjenige Zustand, wie er sich nach schicksalsmässigem Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher später eingestellt hätte («Status quo sine»), erreicht ist (BGE 147 V 161 E. 3.3 mit Hinweisen).

 

3.

3.1     Gemäss Art. 53 Abs. 2 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1] kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn – was nach der Rechtsprechung auf periodische Dauerleistungen regelmässig zutrifft (BGE 119 V 475 E. 1c S. 480) – ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (sog. Wiedererwägung). Zweifellose Unrichtigkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung besteht, also einzig dieser Schluss denkbar ist. Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach der bei Erlass der Verfügung bestehenden Sach- und Rechtslage, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis. Das Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte weil massgebliche Bestimmungen nicht unrichtig angewandt wurden (Urteil des Bundesgerichts 8C_670/2019 vom 19. Februar 2020 E. 3.2 mit Hinweis auf BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79, 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Erforderlich ist der im Zeitpunkt des damaligen Entscheides herrschende Rechtszustand, welcher auch die damalige klare und gefestigte Rechtspraxis umfasst, wenn diese klar und gefestigt ist. Liegt kein Grundsatzurteil vor und befindet sich die Rechtsprechung noch in einer Art «Findungsphase», scheidet bei Wahl einer vertretbaren Lösung die zweifellose Unrichtigkeit aus (vgl. Susanne Bollinger, Wiedererwägung: Wann liegt eine zweifellose Unrichtigkeit vor?, in: Kieser [Hrsg.], Novembertagung zum Sozialversicherungsrecht 2021, S. 77 ff., 86 mit Fn. 37; Thomas Flückiger in: Ghislaine Frésard-Fellay et al. [Hrsg.], Basler Kommentar zum ATSG, Basel 2020, Art. 53 N 63).

 

3.2     Gleiches gilt bei einer klaren Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, insbesondere wenn die notwendigen fachärztlichen Abklärungen überhaupt nicht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurden (vgl. Art. 43 ATSG; Urteil des Bundesgerichts 8C_717/2017 vom 2. August 2018 E. 3.2 mit Hinweisen). Soweit ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung in vertretbarer Weise beurteilt worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f. mit vielen Hinweisen).

 

4.       Das Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren in Sozialversicherungssachen sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat die Verwaltung bzw. der Richter von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221, 117 V 261 E. 3b S. 263 und 282 E. 4a, 116 V 23 E. 3c S. 26 f. mit Hinweisen).

 

5.       Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin die der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 25. November 1996 zugesprochenen und mit Verfügungen vom 11. Februar 2003 und 8. Juli 2008 bestätigten Leistungen in Form einer Invalidenrente und einer Integritätsentschädigung mit Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 (A.S. 1 ff.) zu Recht wiedererwägungsweise aufgehoben und per 30. April 2021 eingestellt hat.

 

6.       Die medizinischen Akten präsentieren sich im Wesentlichen wie folgt:

 

6.1     Dr. med. H.___, Spezialärztin FMH für Neurologie, Elektroencephalographie, Elektromyographie, hielt im Bericht vom 30. September 1993 (Allianz-Nr. 1004) fest, die Beschwerdeführerin sei mit 19 Jahren rückwärts auf einen Betonboden gestürzt und habe seither über rezidivierende Rückenschmerzen, manchmal auch über Schmerzen im linken Bein geklagt. Damals sei keine ärztliche Untersuchung erfolgt. Am 19. September 1993 habe sie bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma der HWS erlitten. Nach dem Unfall sei sie benommen gewesen, vermutlich aber nicht bewusstlos – diesbezüglich sei das heutige EEG auch unauffällig (vgl. Allianz-Nr. 1003). Die initial vorhandenen Nacken- / Schulterschmerzen rechts bzw. bioccipitale Schmerzen hätten sich, nachdem ein Halskragen empfohlen worden sei, rasch zurückgebildet. Die RTG-Untersuchung der HWS habe keine Ligamentumverletzungen bzw. eine Hyperbeweglichkeit gezeigt, die beschriebene Bewegungseinschränkung auf der Höhe C2/C3 und C3/C4 sei offensichtlich bevorstehend [wohl: vorbestehend]. Ebenfalls bevorstehend [wohl: vorbestehend] seien die jetzt im Vordergrund stehenden Schmerzen im lumbosacralen Bereich, die nach längerem Sitzen Velofahren an Stärke zunähmen. Für die seit dem Trauma angegebenen tagsüber auftretenden Parästhesien (Kribbeln) in beiden Händen habe Dr. med. H.___ keine Erklärung, radikuläre Ausfälle seien nicht vorhanden.

 

6.2     Dr. med. I.___, Spezialarzt für Innere Medizin FMH, spez. Rheumaerkrankungen, Klinik [...], hielt im Bericht vom 7. Januar 1994 (Allianz-Nr. 1005) folgende Beurteilung fest: Die Beschwerdeführerin leide seit einem Sturz im Alter von etwa zehn Jahren intermittierend an Beschwerden von Seiten der LWS und der Hüftgelenke. Im Verlauf der folgenden Jahre seien wegen Schmerzen auf Höhe LWS, BWS und HWS wiederholt Abklärungen durchgeführt worden. Wegen dieser Symptome habe die Beschwerdeführerin eine Schneiderinnenlehre, später Pläne für eine Ausbildung zur Gymnastiklehrerin, aufgeben und im Verlauf der Zeit ihre sportlichen Aktivitäten zuerst reduzieren, dann stoppen müssen. Immer wieder seien physiotherapeutische und heilgymnastische Behandlungen nötig gewesen. Durch das Trauma vom 19. September 1993 sei eine WS getroffen worden, die also schon seit 35 Jahren intermittierend Beschwerden verursacht habe. In solchen Fällen führten derartige Traumata erfahrungsgemäss oft zu einer beträchtlichen Akzentuierung der Symptome und zu einem langwierigen Verlauf. Bei der Beschwerdeführerin sei es zu einer Zunahme der cervikalen, cervikozephalen, und cervikobrachialen, weniger auch der lumbalen Symptome gekommen. Man finde dementsprechend cervikale, thorakale, lumbale Irritationszonen, Muskelverspannungen, Ketten – Tendo – Periostosen, bei der schon bekannten (leichten) Fehlhaltung der WS, mit leicht s-förmiger thorakolumbaler Schwingung, lumbaler Hyperlordose, thorakaler Hyperkyphose, und leichter Retrokurvation auf mittlerer Höhe der HWS, all dies bei eher hypotropher paravertebraler Muskulatur. Hinweise auf einen an der WS an peripheren Gelenken ablaufenden rheumatischen Entzündungsprozess sowie radikuläre Zeichen fehlten.

Im Ganzen scheine die Prognose nicht schlecht. Seit dem Unfall sei immerhin erst 1/4 Jahr vergangen. Es sei damit zu rechnen, dass der Faktor Zeit, unterstützt durch einfache Massnahmen wie Schwimmen, allenfalls eine Methode wie die Alexander-Technik, und ein neuer Anlauf mit Heilgymnastik, zu einer Besserung führen werde.

 

6.3     Im «ärztlichen Zwischenbericht UVG» vom 24. Januar 1994 (Allianz-Nr. 1006) hielt Dr. med. H.___ die Diagnose «Status nach Schleudertrauma der HWS am 19. September 1993» fest. Nach initialer Verschlechterung der bevorstehenden Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen habe sich der Zustand unter konservativer Behandlung gebessert. Im Heilungsverlauf spielten unfallfremde Faktoren mit. Zur Zeit der neurologischen Untersuchung am 30. September 1993 sei eine Physiotherapie durchgeführt worden. Zur vorgesehenen Kontrolle Ende Oktober 1993 sei die Beschwerdeführerin nicht erschienen. Es seien keine Kontrollen mehr vorgesehen.

 

6.4     Dr. med. J.___, Spezialarzt für Neurologie FMH, hielt in seinem Bericht vom 26. April 1994 fest (Allianz-Nr. 1010), es sei durch das Unfallereignis vom 19. September 1993 einerseits zu einem indirekten HWS-Trauma mit heute noch bestehendem vorwiegend belastungsabhängigen Cerviko-cephal sowie Cervikal-Syndrom bei radiologischer Fehlhaltung der HWS mit Kyphosierung C3 bis C6 sowie Verdacht auf Läsion des vorderen Längsbandes C6/7 bei fehlenden Hinweisen auf vorbestehende degenerative Veränderungen gekommen. Zusätzliche Verletzungen, welche im Halswirbelsäulenbereich radiologisch nicht zur Darstellung gelangten, seien wahrscheinlich. Bei seit dem Unfall bestehendem deutlich vermehrtem Schwitzen sei eine zusätzliche Sympaticus-Reizung und Dysfunktion möglich. Es sei denkbar, dass es im Rahmen des Unfalls auch zu einer milden traumatischen Gehirnschädigung gekommen sei, immerhin sei die Beschwerdeführerin nach dem Unfall benommen gewesen, heute lasse sich aber eine entsprechende Dysfunktion nicht mehr sicher objektivieren. Eine kursorische, auf Konzentrations- und Gedächtnisleistung zentrierte, neuropsychologische Untersuchung, habe diesbezüglich keine sicheren Befunde ergeben. Die Beschwerdeführerin habe zudem in einem Telefongespräch mitgeteilt, dass ihre Hirnleistung heute vermutlich wie vor dem Unfall sei.

 

6.5     Im polydisziplinären Gutachten der Gutachterstelle E.___ vom 10. Juni 1996 (Rheumatologie, Neurologie, Neuropsychologie, Allianz-Nr. 1014) wurden folgende Diagnosen ausgewiesen (S. 5): «Mässiggradige, belastungsabhängig mittelstarke Restbeschwerden im cervicothoracalen Übergangsbereich infolge einer Auffahrkollision am 19. September 1993; Leichte neuropsychologische Funktionsstörungen mit zusätzlich schmerzbedingter Einschränkung der Belastbarkeit; Neurologisch Hinweise auf leichte organische Schädigung». Beurteilung: Etwas mehr als 2.5 Jahre nach dem Unfallereignis könnten noch Restbeschwerden festgestellt werden, welche im Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen seien. Die Beschwerden liessen sich vorwiegend im cervicothoracalen Bereich mehr rechtsseitig lokalisieren. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule selber sei befriedigend, hingegen bestünden noch Beschwerden und Verspannungen im cervicothoracalen Bereich, welche belastungsabhängig deutlich verstärkt würden. Als belastende Arbeiten können genannt werden: Repetitives Heben von Lasten über 10 kg, schwerere Reinigungsarbeiten, insbesondere aber Arbeiten mit nach vorne geneigtem Kopf. Dies zeige sich besonders deutlich während der neuropsychologischen Testsituation, welche während zwei bis drei Stunden konzentriertes Arbeiten mit nach vorne geneigtem Kopf erfordert habe. Hier zeige sich eine deutlich schmerzbedingte Leistungseinschränkung. Aus neurologischer Sicht werde zusätzlich eine leichte organische Schädigung vermutet, welche infolge der Kollision aufgetreten sei. Dieser Befund werde auch im neuropsychologischen Testprofil unterstützt, in dem spezifische Hirnleistungen doch eine leichte Funktionsstörung zeigten. Die cervicalen und cervicothoracalen Beschwerden, aber auch die neurologischen und neuropsychologischen Befunde seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folgen des Unfalls vom 19. September 1993 (S. 6). Es liege eine eingeschränkte Arbeitsleistung vor, wobei Einschränkungen für repetitives Heben von Gewichten über 5 – 10 kg und Arbeiten in fixierter Position bestünden (Beispiel: Bildschirmarbeiten länger als eine Stunde). Am günstigsten seien wechselbelastende Tätigkeiten, bei welchen sich die Beschwerdeführerin bewegen und wenn nötig Sitzpositionen einnehmen könne. Dennoch sei von einer zeitlichen Einschränkung auszugehen, so dass eine Reduktion eines normalen Arbeitspensums von 30 % gerechtfertigt erscheine. Ein erheblicher Vorzustand könne nicht geltend gemacht werden, da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Unfalles aus medizinischer Sicht nicht eingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei. Ein Integritätsschaden könne für die cervicothoracalen Beschwerden bemessen werden, welche als in Ruhe mässiggradig, belastungsabhängig mittelschwer zu beurteilen seien. Für diese Beschwerden sei eine Integritätsentschädigung von 20 % zu bemessen. Weiter seien die leichten neuropsychologischen Einschränkungen mit einem Integritätsschaden zu bewerten und zwar mit 10 %. Es resultiere demnach eine Gesamtintegritätsentschädigung von 30 %.

Die heute geltend gemachten Beschwerden seien mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen des Unfalls vom 19. September 1993 (S. 7).

 

6.6     Die im Institut K.___ durchgeführten digitalen Röntgenaufnahmen der HWS in vier Ebenen vom 17. Juli 2001 (Allianz-Nr. 1016) wurden wie folgt beurteilt: Fehlhaltung der HWS mit Streckhaltung und linkskonvexer Skoliose. Deutliche degenerative Veränderungen der HWS mit Osteochondrose C5/6 und C6/7 mit auch deutlicher Unkovertebralarthrose und konsekutiv rechtsbetonter Einengung der Neuroforamina C6 und C7. Keine posttraumatischen Veränderungen fassbar.

 

6.7     Im Sprechstundenbericht vom 26. Juli 2001 (Allianz-Nr. 1017) hielt Prof. Dr. med. L.___, FMH Orthopädie, [...], folgende Beurteilung fest: Bei der Beschwerdeführerin handle es sich mit Sicherheit um ein massives Schleudertrauma, da der Mechanismus und die Umstände ganz klar dafürsprächen. Eigentlich seien die unspezifischen Symptome eines Schleudertraumas über all die Jahre weitgehend verschwunden, was geblieben sei, sei ein Schmerz, der ziemlich klar lokalisiert werde, aber ohne relevante Ausstrahlung im segmentalen Sinn in den rechten Arm. Die Schmerzen seien klar belastungs- und positionsabhängig. Dies sei sehr wahrscheinlich eines dieser Schleudertraumen, die tatsächlich auch mit einer fassbaren, vorwiegend weichteilmässigen, morphologischen Verletzung einhergegangen sei. Es scheine mit einer relativ grossen Wahrscheinlichkeit eine Läsion von C5/C6 vorzuliegen, da sowohl in den unmittelbar danach erstellten Röntgenbildern Zeichen einer Instabilität bestünden als auch in den sechs Monate später durchgeführten MRI Hinweise für eine Ruptur des Anulus bzw. vorderen Längsbandes auf dem entsprechenden Niveau vorlägen. Die folgenden, klar definierten degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenverschmälerung und Osteophytenbildung auf Niveau C5/C6 sprächen für eine Läsion von C5/C6, die im frischen Zustand noch nicht gewesen sei und als eine Folgeerscheinung beurteilt werden könne. Es sei allerdings bekannt, dass von vielen, insbesondere Schmerzspezialisten das Schleudertrauma als die Ursache eines meist psychosomatisch überlagerten Syndroms beurteilt werde, wo keine entsprechend fassbaren Läsionen vorlägen, die das klinische Bild genügend erklären könnten. In diesem speziellen Fall werde allerdings bezweifelt, dass dies der Fall sei. Nur sei die Situation jetzt so chronifiziert und dies dem Schmerzsymptom schlecht zuzuordnen, so dass eine lokale Therapie, z.B. im Sinne einer lokalen Behandlung des Segmentes C5/C6 höchstwahrscheinlich nichts bringe. Immerhin wären hier noch Möglichkeiten einer weiteren Evaluation gegeben, wie z.B. eine Diskographie C5/C6, um zu schauen, ob das Schmerzmuster dieser Beschwerdeführerin unter Druck reproduziert werden könne. Anderseits werde keine andere Möglichkeit gesehen, als die Behandlung weiterzuführen, die sich die Beschwerdeführerin über die Jahre selbst zugelegt habe und in einer gewissen Autotherapie bestehe. Was noch zu erwähnen sei, sei dass die Beschwerdeführerin systematisch isometrische Muskelübungen erlerne, um ihre Nacken- und Halsmuskulatur zu stärken, damit sie mit der eigenen Muskulatur den Kopf genügend halten und balancieren könne.

Es bestehe ein Kausalzusammenhang zwischen dem Trauma von 1993 und dem heutigen Zustand. Dieser Zustand sei nicht nur mit einem einfachen Schleudertraumasyndrom abzuhandeln und entsprechend invaliditätsmässig zu bewerten. Bei dieser Beschwerdeführerin habe auch tatsächlich eine relevante, zumindest Weichteilschädigung der Strukturen an der HWS stattgefunden, die mit einer latenten Instabilität, die heute chronifiziert sei, einhergehen könne. Ob diesbezüglich eine andere Invaliditätsbewertung gerechtfertigt sei, wäre von einem neutralen Untersucher festzustellen.

 

6.8     Im ärztlichen Zwischenbericht des M.___ vom 23. April 2002 (Allianz-Nr. 1020) wurden folgende aktuellen Diagnosen festgehalten: «Chronische Cervicocephalobrachialgien bei Status nach Schleudertrauma am 19. September 1993 und Sturz auf den Hinterkopf im Januar 2002; Chronische Schmerzen im Bereich der oberen BWS». Im Dezember 2000 plötzliches Auftreten einer Neuralgie, evtl. des Trigeminus, die mit gutem Ergebnis therapiert worden sei (vgl. dazu Allianz-Nr. 1015). Danach schwere Depressionserscheinungen, unter anderem mit Verfolgungswahn und Suizidgedanken, so dass die Beschwerdeführerin zum Sohn gezogen sei. Die Situation habe sich über längere Zeit ohne Psychotherapie gebessert, die Beschwerdeführerin habe sich vor allem homöopathisch behandeln lassen und allfällige Probleme mit der Heilpraktikerin besprochen. Seit dem Sturz im Januar dieses Jahres stelle sie vermehrt Mühe beim Lesen fest.

 

6.9     Dr. med. F.___, Facharzt für Neurochirurgie FMH, hielt in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2002 (Allianz-Nr. 1021) zusammenfassend fest, es bestehe aufgrund seiner persönlichen Erfahrung in über dreissig Jahren Neurotraumatologie und insbesondere Wirbelsäulenchirurgie sowie entsprechend der allgemeinen Erfahrung von Fachkollegen und übereinstimmend mit den statistischen Resultaten in der wissenschaftlichen Literatur, nach einem Jahr kein klarer, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmender natürlicher, kausaler Zusammenhang der weiter persistierenden Beschwerden mehr mit dem Unfall, der auch naturwissenschaftlich erklärt werden könnte. Ein solcher Zusammenhang sei höchstens möglich (S. 12).

 

6.10   In dem durch die IV-Stelle veranlassten polydisziplinären Gutachten bei der MEDAS des G.___ vom 18. Juli 2007 (Psychiatrie, Neurologie, Allgemeine Innere Medizin, Allianz-Nr. 1023) wurde als Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine «paranoide Psychose» ausgewiesen (S. 15).

Aus orthopädischer Sicht hätten sich zusammenfassend keine funktionseinschränkenden Befunde gefunden, weder im Bereich des passiven noch im Bereich des aktiven Bewegungsapparates. Der diskret vorliegende und teilfixiert hochthorakale Rundrücken sei möglicherweise als residualer Befund nach in der Jugend durchgemachter Scheuermannscher Erkrankung zu bewerten. Diesem Befund komme kein einschränkender Aspekt hinsichtlich der Arbeits- und der Leistungsfähigkeit zu. Aus orthopädischer Sicht sei eine unfallassoziierte Halswirbelsäulenpathologie nicht mehr ausfindig zu machen. Insofern könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Folgen des Ereignisses vom 19. September 1993 heute nicht mehr in funktionsrelevanter Form vorlägen (S. 16 f.).

Neurologisch hätten sich keine weiteren pathologischen Befunde gefunden (S. 17). So führte der neurologische Gutachter aus, aus dem vorliegenden neurologischen Teilgutachten könne keine organische Grundlage der geklagten Beschwerden festgestellt werden. Insbesondere keine Spätfolgen des komplizierten Akzelerations- / Dezelerationstraumas von 19. September 1993 bzw. vom Sturz auf den Hinterkopf vom Januar 2000. Keine intrakraniellen Druckzeichen, keine sicheren Hirnleistungsdefizite der primären und sekundären sensorischen Zentren, keine Hirnstammsymptomatik. Keine Zeichen einer Läsion des Rückenmarks bzw. sensomotorische Defizite der hier ein- und austretenden Wurzeln, keine Zeichen einer Polyneuropathie (S. 4 des neurologischen Teilgutachtens).

Die im internistischen Gutachten formulierten Befunde und Diagnosen seien allesamt ohne Auswirkung auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit zu verstehen (S. 17). Der internistische Gutachter gab an, es hätten anlässlich der klinischen und der veranlassten blutchemischen Untersuchung internistische Erkrankungen, die die von der Beschwerdeführerin weiterhin beklagten Beschwerden an der HWS mit Ausstrahlungen nach occipital und den Schulternackengürtel erklären könnten, ausgeschlossen werden können (S. 4 des internistischen Teilgutachtens).

Im psychiatrischen Teilgutachten wird festgehalten, die Beschwerdeführerin leide seit vielen Jahren an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Begleitende Depressionen sowie die krankheitsimmanenten paranoiden Befürchtungen und Halluzinationen hätten zwischenzeitlich nachgelassen. Eine nervenärztliche konsequente Behandlung werde seitens der Beschwerdeführerin verweigert. Eine psychiatrische Pharmakotherapie werde nicht eingenommen. Die Beschwerdeführerin nehme als Selbstmedikation allabendlich Cannabis zu sich (S. 5 des psychiatrischen Teilgutachtens). Der Beginn der psychotischen Erkrankung sei nicht genau eruierbar. Es liege lediglich ein psychiatrischer Vorbericht seitens der Psychiaterin Dr. med. N.___ vom 17. April 2003 vor. In diesem werde eine wahnhafte Störung mit Vergiftungsängsten beschrieben. Auch bei konsequenter psychiatrischer Behandlung sei eine Heilung der vorliegenden Erkrankung nicht zu erwarten. Aus psychiatrischer Sicht sei die Beschwerdeführerin zu 100 % arbeitsunfähig.

 

7.       Die 1948 geborene Beschwerdeführerin bezog die Rente seit 1996 (mit rückwirkend festgelegtem Anspruchsbeginn im Juli 1994, vgl. E. I. 1.2 hiervor), also seit rund 25 Jahren, als diese im April 2021 eingestellt wurde. Es stellt sich die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit dieses Vorgehens.

 

7.1     In der rentenaufhebenden Verfügung vom 12. April 2021 stützte sich die Beschwerdegegnerin neben der Wiedererwägung auch auf die Argumentation, mit der vollständigen Ablösung der Unfallfolgen durch unfallfremde Faktoren sei der Status quo sine längst erreicht worden (Allianz-Nr. 2156 S. 5). Damit berief sie sich sinngemäss auf eine Rentenrevision im Sinne von Art. 17 ATSG. Gemäss Art. 22 UVG kann jedoch eine UVG-Rente ab dem Monat, in dem die berechtigte Person eine Altersrente der AHV bezieht, nicht mehr revidiert werden. Im Einspracheentscheid wird daher diese Begründung zu Recht nicht mehr vorgebracht. Sie ist auch nicht unter dem Titel einer substituierten Begründung durch das Gericht zu prüfen.

 

7.2     Der in Art. 22 UVG statuierte Ausschluss einer Rentenanpassung gilt nach der Rechtsprechung für Revisionen im Sinne von Art. 17 ATSG, nicht dagegen für Wiedererwägungen im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG (BGE 149 V 91 E. 7.6 S. 94 f.). Ebenso wenig besteht nach der Rechtsprechung eine zeitliche Befristung der Wiedererwägungsmöglichkeit (BGE 149 V 91 E. 7.6 S. 94 f., 140 V 514 E. 3.4 S. 517 f.). Der Umstand, dass die 1948 geborene Beschwerdeführerin bei Erlass der Wiedererwägungsverfügung vom 12. April 2021 im 73. Lebensjahr stand und ihr die Rente von 30 % für die Zeit seit dem 1. Juli 1994, also während einer Dauer von fast 27 Jahren, zugesprochen worden war, steht demnach einer Wiedererwägung nicht entgegen. Das Bundesgericht hat zwar bezogen auf eine vergleichbare, aber deutlich weniger ausgeprägte Konstellation festgehalten, es erscheine als fragwürdig, wenn sich die Versicherung auf den Wiedererwägungsgrund der fälschlicherweise unterlassenen Adäquanzprüfung berufe, um einer 69-jährigen Rentenbezügerin die Rente nach fast 20-jähriger Bezugsdauer auf dem Weg der Wiedererwägung zu streichen (Urteil 8C_616/2022 vom 15. März 2023 E. 8 [nicht in BGE 149 V 91]). Diese «Fragwürdigkeit» bleibt jedoch nach der geltenden Rechtsprechung ohne Konsequenzen.

 

8.       Zu prüfen ist weiter, wie sich der Umstand auswirkt, dass nach der Rentenzusprache zwei Revisionsverfahren durchgeführt wurden.

 

8.1     Die Rente von 30 % wurde der Beschwerdeführerin mit der Verfügung vom 25. November 1996 (Allianz-Nr. 2064) zugesprochen und später durch die Verfügungen vom 11. Februar 2003 (Allianz-Nr. 2113) und vom 8. Juli 2008 (Allianz-Nr. 2139) bestätigt. Nach der Rechtsprechung steht der Umstand, dass der Rentenanspruch im Rahmen periodisch durchgeführter Revisionsverfahren bestätigt worden ist, der wiedererwägungsweisen Aufhebung der ursprünglichen Verfügung wegen zweifelloser Unrichtigkeit nicht entgegen (Urteil des Bundesgerichts 8C_680/2017 vom 7. Mai 2018 E. 4.1.1). Auf den ursprünglichen Rentenentscheid kann somit im Prinzip auch dann wiedererwägungsweise zurückgekommen werden, wenn er inzwischen revisionsweise bestätigt wurde. Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz allerdings inzwischen dahingehend präzisiert, dass die ursprüngliche Verfügung durch die Revisionsverfügung ersetzt wird und bei einer Wiedererwägung nicht wieder auflebt, wenn die materielle Revision zwar zur Bestätigung des laufenden Rentenanspruchs geführt hat, aber auf umfassenden Abklärungen im Sinne von BGE 133 V 108 E. 5.4 basierte (BGE 147 V 167 E. 6.2 S. 172 f., 140 V 514 E. 5.2 S. 529 f.; Urteil des Bundesgerichts 8C_729/2021 vom 29. März 2022 E. 2.2.2). Auch in dieser Konstellation kann einzig die Revisionsverfügung Gegenstand einer späteren materiellen Revision (Art. 17 ATSG) einer Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) bilden, unter Ausschluss der früheren (BGE 147 V 167 E. 6.2 S. 172 f.). Umfassende Abklärungen im Sinne von BGE 133 V 108 E. 5.4 liegen dann vor, wenn sie, wären sie anders ausgefallen, eine hinreichende Grundlage für die Anpassung gebildet hätten (Urteil des Bundesgerichts 8C_441/2012 vom 25. Juli 2013 E. 6.2; vgl. dazu Elisabeth Berger Götz, Zur massgeblichen zeitlichen Vergleichsbasis bei der Revision einer Invalidenrente gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG, in: SZS 2014, S. 145 ff.). Die Frage, welche Verfügung Gegenstand der Wiedererwägung bilden konnte, hängt somit davon ab, ob die rentenbestätigenden Verfügungen vom 11. Februar 2003 und vom 8. Juli 2008 in diesem Sinn auf umfassenden Abklärungen basierten.

 

8.2

8.2.1  Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin mit der ursprünglichen Verfügung vom 25. November 1996 (Allianz-Nr. 2064) eine Invalidenrente von 30 % zugesprochen. Mit den späteren Verfügungen vom 11. Februar 2003 (Allianz-Nr. 2113) und 8. Juli 2008 (Allianz-Nr. 2139) wurde dieser Rentenanspruch bestätigt und eine Anpassung – wie sie in beiden Fällen von der Beschwerdeführerin beantragt worden war – abgelehnt.

 

8.2.2  Anlass für die erneute Prüfung, welche zur Verfügung vom 11. Februar 2003 führte, bildete ein Telefonanruf der Beschwerdeführerin vom 27. November 2001 (Allianz-Nr. 2088). Sie teilte der Beschwerdegegnerin mit, sie werde im Februar 2002 für einen Rehabilitationsaufenthalt in das O.___ eintreten. Anhand der neusten Röntgenbilder sei eine Fraktur der HWS festgestellt worden. Die Beschwerdegegnerin zog daraufhin Berichte der behandelnden Ärzte bei (vgl. Allianz-Nr. 2091; E. II. 6.6 bis 6.8 hiervor), darunter insbesondere die Stellungnahme von Prof. Dr. med. L.___ vom 26. Juli 2001 (Allianz-Nr. 1017, E. II. 6.7 hiervor), der die Auffassung vertrat, der Unfall vom 19. September 1993 habe mit «relativ grosser Wahrscheinlichkeit» zu einer bildgebend nachweisbaren Schädigung auf den Niveau C5/6 geführt. Um diese Frage zu beantworten und ausserdem zu klären, ob es seit der Untersuchung durch die Gutachterstelle E.___ im Jahr 1996 (vgl. E. II. 6.5 hiervor) zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands gekommen sei, holte die Beschwerdegegnerin das externe Gutachten von Dr. med. F.___ vom 18. Oktober 2002 ein (vgl. Fragekatalog, Allianz-Nr. 2093, und Gutachten, Allianz-Nr. 1021). Der Experte verneinte beide Fragen. Hätte er sie bejaht, hätte sein Gutachten eine hinreichende Grundlage für die Neufestsetzung der Rente gebildet. Fragen kann man sich allenfalls, ob von umfassenden Abklärungen gesprochen werden kann, nachdem die Fragestellung einzig auf eine «Verschlechterung» und nicht generell auf eine Veränderung gerichtet war. Es ginge aber zu weit, die Abklärungen einzig aus diesem Grund, trotz Einholung eines beweiswertigen Gutachtens, als nicht umfassend anzusehen. Die Verfügung vom 11. Februar 2003 stützte sich demnach auf umfassende Abklärungen. Damit hatten sich eine Revision und eine Wiedererwägung anschliessend auf diese Verfügung zu beziehen (vgl. E. II. 8.1 hiervor).

 

8.2.3  Den Anlass für die erneute Prüfung, welche der Verfügung vom 8. Juli 2008 zugrunde lag, bildete die von dritter Seite (Ausgleichskasse wegen der Ergänzungsleistungen) erfolgte Mitteilung, die IV-Stelle habe die IV-Rente der Beschwerdeführerin rückwirkend per 1. Juni 2006 von einer Dreiviertelsrente auf eine ganze Rente erhöht (vgl. E. I. 3 hiervor). Die Beschwerdegegnerin zog das von der IV-Stelle erstattete MEDAS-Gutachten bei (Allianz-Nr. 2128; vgl. E. II. 6.10 hiervor) und lehnte es anschliessend ab, die Rente zu erhöhen, da die IV-Rente aus unfallfremden Gründen erhöht worden sei (vgl. Schreiben an die Ausgleichskasse vom 3. Januar 2008, Allianz-Nr. 2129; «UV-Vorbescheid» respektive Schreiben «Rechtliches Gehör» an die Beschwerdeführerin vom 22. April 2008, Allianz-Nrn. 2131 und 2136; Verfügung vom 8. Juli 2008, Allianz-Nr. 2139). Auch wenn das MEDAS-Gutachten (Allianz-Nr. 1023) von der IV-Stelle eingeholt und durch die Beschwerdegegnerin lediglich beigezogen wurde, handelt es sich doch um eine umfassende Beurteilung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin, welche eine hinreichende Grundlage für eine Rentenanpassung (wie sie in Bezug auf die IV-Rente auch erfolgte) bildete. Auch die Verfügung vom 8. Juli 2008 basiert demnach auf umfassenden Abklärungen im Sinne der Rechtsprechung. Demzufolge hatten sich anschliessende Revisionen und Wiedererwägungen auf diese Verfügung zu beziehen (vgl. BGE 147 V 167 E. 6.2 S. 172 f. und Urteil des Bundesgerichts 8C_288/2016 vom 14. November 2016 E. 4.; vgl. E. II. 8.1 hiervor).

 

8.3     Nach dem Gesagten basierte sowohl die Verfügung vom 11. Februar 2003 als auch diejenige vom 8. Juli 2008 auf umfassenden Abklärungen im Sinne von BGE 133 V 108. Sie ersetzten deshalb jeweils den zuvor ergangenen, rechtskräftigen Entscheid und bildeten anschliessend ihrerseits den (einzigen) Anknüpfungspunkt für eine spätere Revision Wiedererwägung. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass geprüft werden muss, ob die Verfügung vom 8. Juli 2008, welche die früheren Entscheide ersetzt hat, einer Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG zugänglich ist. Sie hat dann als zweifellos unrichtig zu gelten, wenn bei ihrem Erlass eine Rentenaufhebung -herabsetzung im Grundsatz zulässig war. Das setzt voraus, dass bereits damals ein Wiederwägungstatbestand vorlag (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_288/2016 vom 14. November 2016 E. 4.3). Vorausgesetzt ist mit anderen Worten eine «doppelte zweifellose Unrichtigkeit»: Die Verfügung vom 8. Juli 2008 muss sich als zweifellos unrichtig erweisen, weil es damals zu Unrecht unterlassen wurde, die früheren Entscheide als zweifellos unrichtig zu qualifizieren. Ob eine solche zweifellose Unrichtigkeit vorliegt, beurteilt sich nach dem Rechtszustand bei Erlass der Verfügung vom 8. Juli 2008.

 

9.

9.1     Nach der aktuellen Rechtsprechung stellt eine Rentenzusprechung ohne explizite wenigstens implizite Prüfung der Adäquanz eine Leistungszusprechung auf Grund falscher Rechtsanwendung und damit eine zweifellos rechtsfehlerhafte Verfügung dar, so dass der Unfallversicherer berechtigt ist, darauf zurückzukommen. Gestützt auf diese zweifellose Unrichtigkeit kann eine Überprüfung erfolgen, ohne dass gefragt werden muss, ob die ursprüngliche Verfügung auch im Ergebnis, d.h. im Dispositiv zweifellos unrichtig ist (Urteil des Bundesgerichts 8C_616/2022 vom 15. März 2023 E. 3.2 [nicht in BGE 149 V 91]). Diese Rechtsprechung wurde im Jahr 2016 begründet (Urteil des Bundesgerichts 8C_193/2016 vom 26. Oktober 2016 E. 4.3) und seither in zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen bestätigt, so dass sie als gefestigt anzusehen ist.

 

9.2     Für die Beurteilung der Wiedererwägungsvoraussetzungen massgebend ist allerdings, wie vorstehend dargelegt, nicht die heutige Rechtslage, sondern diejenige bei Erlass der Verfügung vom 8. Juli 2008, da diese den Gegenstand der Wiedererwägung bildet (vgl. E. II. 8.3 hiervor). Falls es nach Massgabe der damaligen Rechtspraxis vertretbar war, die frühere Rentenzusprechung nicht wegen unterbliebener Adäquanzprüfung als zweifellos unrichtig zu qualifizieren, scheidet eine Wiedererwägung dieser Verfügung aus (vgl. E. II. 3.1 hiervor). Diese Situation liegt hier vor: Wie dargelegt, wurde die aktuelle Rechtsprechung mit dem Urteil 8C_193/2016 vom 26. Oktober 2016 begründet. Dieser Entscheid entsprach keineswegs einer bereits zuvor geltenden, klaren und gefestigten Praxis. So hatte die damalige Vor-instanz gegenteilig entschieden, und auch das Bundesgericht verneinte vor diesem Urteil die zweifellose Unrichtigkeit bei nicht dokumentierter Adäquanzprüfung und nahm an, die Anerkennung der Leistungspflicht umfasse implizit auch die dafür vorausgesetzte Bejahung der Adäquanz der geklagten Beschwerden (vgl. Urteil 8C_171/2011 vom 1. September 2011 E. 4.3). Die Rechtsprechung befand sich also bis im Oktober 2016 bestenfalls in einer «Findungsphase» (vgl. E. II. 3.1 hiervor), was die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit ausschliesst. War die Verfügung vom 8. Juli 2008 demnach in diesem Punkt (unterlassene Adäquanzprüfung) nicht zweifellos unrichtig, scheidet eine Wiedererwägung unter diesem Aspekt aus.

 

9.3     Die Beschwerdegegnerin macht weiter geltend, die Rentenzusprechung mit der Verfügung vom 25. November 1996 und deren Bestätigung durch die Verfügungen vom 11. Februar 2003 und 8. Juli 2008 sei auch deshalb zweifellos unrichtig, weil es klar falsch gewesen sei, dem Gutachten der E.___ vom 10. Juni 1996 (vgl. E. II. 6.5 hiervor) Beweiskraft beizumessen. Das Gutachten enthalte bei der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs einen Widerspruch, indem an einer Stelle festgehalten werde, die geltend gemachten Beschwerden seien mit «überwiegender Wahrscheinlichkeit» Folgen des Unfalls vom 19. September 1993 (Antwort auf Frage 4, Gutachten S. 6), während an anderer Stelle erklärt werde, die Beschwerden seien nur mit «hoher Wahrscheinlichkeit» Folgen des Unfalls. Dieser Widerspruch besteht jedoch nicht: Massgebend ist der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. E. II. 2.3 hiervor). Dies bedeutet, dass jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen ist, die von allen möglichen Geschehensabläufen am wahrscheinlichsten ist (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360). Hierfür reicht es sachlogisch in jedem Fall aus, wenn die Wahrscheinlichkeit mehr als 50 % beträgt. Wird von «hoher Wahrscheinlichkeit» gesprochen, ist davon auszugehen, dass diese Anforderung erfüllt ist – tendenziell weist diese Formulierung darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit mehr als bloss überwiegend ist. Jedenfalls bilden die unterschiedlichen Formulierungen keinen Anlass dafür, das Abstellen auf das Gutachten als unvertretbar und damit zweifellos unrichtig erscheinen zu lassen. Weiter wird bemängelt, das Gutachten enthalte keine Begründung dafür, weshalb die geltend gemachten Beschwerden auf das Ereignis vom 19. September 1993 zurückzuführen sein sollten. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass nach der damals gültigen, im Jahr 1991 begründeten Rechtsprechung bei diagnostiziertem Schleudertrauma und Vorliegen eines für diese Verletzungen typischen Beschwerdebildes der natürliche Kausalzusammenhang in der Regel zu bejahen war (BGE 117 V 359 E. 4b S. 360). Der von der Beschwerdegegnerin angerufene BGE 119 V 335 E. 2b S. 340 ff. präzisierte dazu lediglich, dass nicht allein auf die subjektiven Angaben der Versicherten abgestellt werden kann, sondern ärztliche Feststellungen erforderlich sind. Erst mit dem Urteil BGE 134 V 109 (E. 9 S. 121 ff.) wurde diese Rechtsprechung zur Feststellung des natürlichen Kausalzusammenhangs geändert (vgl. zum Ganzen André Nabold, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung UVG, 5. Auflage 2024, S. 59). Die neuropsychologischen Einschränkungen konnten nach damaliger Praxis im Rahmen des typischen Beschwerdebildes als unfallkausal anerkannt werden, wenn dies ärztlicher (und nicht nur neuropsychologischer) Beurteilung entsprach. Die Abklärungen, welche vor der Rentenzusprechung im Jahr 1996 getroffen wurden und u.a. das Gutachten der E.___ mit rheumatologischen, neurologischen und neuropsychologischen Untersuchungen umfassten, entsprechen mindestens dem zu dieser Zeit üblich gewesenen Standard und können gemessen an der damaligen Praxis nicht als klar ungenügend gelten. Ein Wiedererwägungsgrund liegt auch unter diesem Aspekt nicht vor.

 

9.4     Zusammenfassend besteht keine Grundlage, um die leistungszusprechende Verfügung vom 25. November 1996 und die den laufenden Rentenanspruch bestätigenden Verfügungen vom 11. Februar 2003 und 8. Juli 2008 im Rahmen einer Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG aufzuheben und einen Rentenanspruch ex nunc et pro futuro (d.h. nach dem Verfügungserlass im April 2021) zu verneinen. Die Beschwerde ist gutzuheissen. Die Dispositiv-Ziffern 1 – 3 des Einspracheentscheids vom 27. Januar 2023 sind aufzuheben. Die Ziffer 4 (aufschiebende Wirkung) wird mit dem vorliegenden Urteil gegenstandslos.

 

10.     Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdegegnerin die unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren zu Recht verweigert hat. Die Beschwerdeführerin liess am 19. Mai 2021 zusammen mit der Einsprache ein entsprechendes Gesuch stellen (Allianz-Nr. 2164). Die Beschwerdegegnerin lehnte das Gesuch mit dem Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 ab. Sie liess offen, ob die Bedürftigkeit gegeben sei, verneinte aber die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung (A.S. 18 f.).

 

10.1   Der versicherten Person wird im verwaltungsinternen Sozialversicherungsverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt, sofern es die Verhältnisse erfordern (Art. 37 Abs. 4 ATSG). Voraussetzungen dafür sind kumulativ die finanzielle Bedürftigkeit der versicherten Person, die fehlende Aussichtslosigkeit ihres Rechtsbegehrens sowie die sachliche Notwendigkeit einer Vertretung (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.). Im verwaltungsinternen Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger gelten somit strengere Anforderungen für die unentgeltliche Verbeiständung als im Beschwerdeverfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht, wo ein unentgeltlicher Rechtsbeistand nicht bloss bewilligt wird, wenn er notwendig ist, sondern bereits dann, wenn die Verhältnisse es «rechtfertigen» (Art. 61 lit. f Satz 2 ATSG; Urteil des Bundesgerichts 8C_240/2018 vom 3. Mai 2018 E. 3.2).

 

10.2   Ob die Vertretung im verwaltungsinternen Verfahren erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles. Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts auch in der versicherten Person liegende Gründe in Betracht zu ziehen, wie etwa deren Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden (BGE 125 V 32 E. 4b S. 35; Urteil des Bundesgerichts 9C_786/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 5.1). Der im verwaltungsinternen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz (s. dazu Art. 43 ATSG) rechtfertigt es, an die Voraussetzungen, unter denen eine anwaltliche Verbeiständung sachlich geboten ist, einen strengen Massstab anzulegen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 36; Urteil des Bundesgerichts 8C_669/2016 vom 7. April 2017 E. 2.1). Die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsverfahren drängt sich mit anderen Worten nur in Ausnahmefällen auf, d.h. wenn die Angelegenheit rechtlich tatsächlich schwierig ist und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt. Grundsätzlich geboten ist die Verbeiständung auch, falls ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung der versicherten Person droht, andernfalls bloss, wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen die versicherte Person auf sich alleine gestellt nicht gewachsen ist (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201; Urteil des Bundesgerichts 9C_786/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 5.1). Die Prüfung von durch den Versicherer eingeholten Arztberichten und Gutachten erfordert zwar gewisse medizinische Kenntnisse und juristischen Sachverstand. Von einer per se komplexen Fragestellung kann aber gleichwohl nicht gesprochen werden. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in praktisch allen Verwaltungsverfahren bejaht werden müsste, in denen ein medizinisches Gutachten zur Diskussion steht, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widerspräche. Ebenso wenig vermögen fehlende Rechtskenntnisse die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung zu begründen (Urteil des Bundesgerichts 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016 E. 7.2. [nicht publiziert in BGE 142 V 342]). In der Unfallversicherung stehen zwar regelmässig finanzielle Leistungen von erheblicher Bedeutung zur Diskussion. Das Abstellen auf das finanzielle Moment hätte indes zur Folge, dass der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung in praktisch allen zumindest den meisten Einspracheverfahren bejaht werden müsste, was einem generellen Anspruch gleichkäme (Urteil des Bundesgerichts 9C_559/2012 vom 27. November 2012 E. 6.2).

 

10.3   Die 1948 geborene Beschwerdeführerin erhielt im April 2021, kurz vor ihrem 73. Geburtstag, die Mitteilung, dass ihr die seit 1996 laufende Rente der obligatorischen Unfallversicherung entzogen werde (vgl. Allianz-Nr. 2156). Diese Mitteilung erfolgte nicht als Vorankündigung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, sondern unmittelbar in Verfügungsform, so dass sich sofort die Frage einer Anfechtung stellen musste. Anlass für die Renteneinstellung per Ende April 2021 bildete nicht eine in jüngerer Zeit eingetretene Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse, sondern eine rein rechtliche Argumentation, welche sich – der Ansicht der Beschwerdegegnerin nach – in erster Linie auf die zweifellose Unrichtigkeit früherer, in den Jahren 1996, 2003 und 2008 ergangener Verfügungen bezog. Die Beschwerdegegnerin begründete, warum diese Verfügungen in Wiedererwägung gezogen würden. Weiter hielt sie fest, der status quo sine sei ebenfalls schon längst (d.h. 2008 früher) erreicht worden. Die letzte zuvor geführte Korrespondenz zwischen den Parteien war, soweit aus den Akten ersichtlich, die Verfügung vom 8. Juni 2008, lag also beinahe 13 Jahre zurück (vgl. Allianz-Nr. 2139).

 

10.4   Das vorliegende Verfahren zeichnet sich weder durch besonders umfangreiche Akten noch durch eine übermässig komplexe gesundheitliche Problematik aus. Dennoch muss von einer aussergewöhnlichen verfahrensrechtlichen Situation gesprochen werden, deren adäquate Behandlung anspruchsvoll ist. Namentlich stellten sich, wie auch die vorstehenden Erwägungen deutlich machen, zahlreiche rechtliche und insbesondere auch verfahrensrechtliche Fragen, welche nicht trivial sind und deren Beantwortung rechtliche Kenntnisse erfordert. Die von der Rechtsprechung erwähnten Personen wie Verbandsvertreter, Fürsorger andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen vermögen in der Regel Fragestellungen, welche den Sachverhalt betreffen und bis zu einem gewissen Grad einfachere materiellrechtliche Aspekte abzudecken, stossen aber bei verfahrensrechtlichen Problemen relativ rasch an Grenzen. Die hier gegebene Konstellation weist jedoch verschiedene rechtliche Besonderheiten auf, deren Handhabung mit den fachlichen Kenntnissen, welche bei Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern üblicherweise vor-ausgesetzt werden können, nicht gewährleistet ist. Es liegt daher im vorliegenden Fall einer derjenigen Ausnahmefälle vor, in welchen die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung zu bejahen ist.

 

10.5   Die Beschwerdegegnerin hat offengelassen, ob die überdies vorausgesetzte Bedürftigkeit ausgewiesen sei. Dies kann mit Blick auf die im Beschwerdeverfahren gelieferten Angaben bejaht werden. Da die Angelegenheit auch nicht als aussichtslos gelten kann, sind die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verwaltungsverfahren erfüllt. Angesichts der materiellen Gutheissung ist der Beschwerdeführerin für das Verwaltungsverfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. BGE 130 V 570 E. 2.2 S. 572 f.). Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt gutzuheissen. Die Ziffern 5 und 6 des Einspracheentscheids (A.S. 22) sind somit ebenfalls aufzuheben.

 

11.

11.1   Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 61 lit. f ATSG). Bei deren Festsetzung ist grundsätzlich von der eingereichten Honorarnote (A.S. 89 ff.) auszugehen. Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Verfahren der Aufwand ab dem 17. Februar 2023 (das Studium des Einspracheentscheids zählt praxisgemäss zum Verwaltungsverfahren). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Stundenansatz von mehr als CHF 280.00 praxisgemäss nur in deutlich überdurchschnittlich komplexen Fällen zugesprochen wird. Das vorliegende Verfahren weist zwar ungewöhnliche rechtliche Probleme auf – die allerdings vom Rechtsvertreter teilweise nicht erkannt wurden –, ist aber in Bezug auf den Sachverhalt eher überschaubar und kann daher insgesamt nicht als übermässig komplex gelten. Es rechtfertigt sich daher nicht, den Stundenansatz von CHF 280.00 zu überschreiten.

 

Zu berücksichtigen sind die insgesamt 6.8 Stunden für die Beschwerde (ausmachend CHF 1'394.00 [mit berücksichtigter Korrektur des geltend gemachten Ansatzes von CHF 300.00 auf CHF 280.00]) und die 2.8 Stunden für die Replik (ausmachend mit derselben Korrektur CHF 574.00), die als angemessen erscheinen, sowie der nachprozessuale Aufwand von 0.5 Stunden (ausmachend CHF 140.00). Schwer nachzuvollziehen ist dagegen der enorm hohe Aufwand für das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege; praxisgemäss wird hierfür ein anwaltlicher Aufwand von höchstens einer halben Stunde berücksichtigt; darüber hinausgehende Zeiten gelten als Kanzleiaufwand, der im Ansatz eines Rechtsanwalts inbegriffen ist. Mit Blick auf die besonderen Umstände kann hier eine Stunde à CHF 280.00 akzeptiert werden, mit der aber die Aufwände aller Mitarbeitenden abgegolten sind. Für das Studium der kurzen Verfügungen des Gerichts kann insgesamt eine weitere halbe Stunde zu einem Ansatz von CHF 280.00 berücksichtigt werden (ausmachend CHF 140.00). Insgesamt resultiert damit ein anzurechnendes Honorar von CHF 2'528.00. Mit den Auslagen, welche für das Beschwerdeverfahren ermessensweise auf CHF 100.00 beziffert werden, und der Mehrwertsteuer von 7.7 % resultiert eine Parteientschädigung von total CHF 2'830.00.

 

11.2   Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist (Art. 61 lit. fbis ATSG). Das UVG sieht keine Kostenpflicht vor. Daher sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 wird aufgehoben. Die Beschwerdeführerin hat über den 30. April 2021 hinaus Anspruch auf eine Rente von 30 %.

2.    Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von CHF 2'830.00 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

3.    Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren erfüllt sind. Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin daher im Sinne von E. II. 10.5 eine Parteientschädigung für das Einspracheverfahren zu bezahlen. Die Sache wird an die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft zurückgewiesen, damit sie die Parteientschädigung betragsmässig festlege.

4.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Vizepräsident                     Die Gerichtsschreiberin

Flückiger                                   Küng



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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