E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2023.54)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.54: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A.___ kündigte ihre Anstellung bei Betrieb 1 und beantragte Arbeitslosenentschädigung, welche zunächst verweigert wurde. Nach einer neuen Verfügung erhielt sie schliesslich Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2022. Das Versicherungsgericht entschied, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf CHF 1'399.00 pro Monat hat, jedoch keine Parteientschädigung erhält. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.54

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2023.54
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2023.54 vom 07.05.2024 (SO)
Datum:07.05.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Apos; Betrieb; Anspruch; Arbeitslosenentschädigung; Ehemann; Betriebsassistent; Einsprache; Entscheid; Service; Person; Einspracheentscheid; Stellung; Unternehmen; Betriebsassistentin; Versicherungsgericht; Arbeitnehmer; Unternehmens; Konto; Verfügung; Arbeitslosenversicherung; Verdienst; Arbeitsverhältnis; Arbeitgeber; Bruttolohn; Unternehmensleitung; Küche; Löhne
Rechtsnorm: Art. 13 AVIG;Art. 8 AVIG;Art. 9 AVIG;
Referenz BGE:121 V 165; 122 V 270; 123 V 234; 131 V 444;
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- 4. Aufl., Zürich, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VSBES.2023.54

 
Geschäftsnummer: VSBES.2023.54
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 07.05.2024 
FindInfo-Nummer: O_VS.2024.97
Titel: Verneinung der Anspruchsberechtigung

Resümee:

 

 

 

 

 

 

 


Urteil vom 7. Mai 2024

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Oberrichter Flückiger

Oberrichter Thomann

Gerichtsschreiber Haldemann

In Sachen

A.___ vertreten durch B.___

Beschwerdeführerin

gegen

 

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Juristische Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Verneinung der Anspruchsberechtigung (Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023)

 


 

zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

 

1.       Die Versicherte A.___ (fortan: Beschwerdeführerin) kündigte ihre Anstellung bei der C.___ GmbH (fortan: Betrieb 1) auf Ende August 2022 und beantragte bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn (fortan: Beschwerdegegnerin) per 1. September 2022 Arbeitslosenentschädigung (Akten der Beschwerdegegnerin / ALK S. 252 ff.). Die Beschwerdegegnerin verneinte mit Verfügung vom 6. Oktober 2022 einen solchen Anspruch, da die Beschwerdeführerin im Betrieb 1 als mitarbeitende Ehegattin eine arbeitgeberähnliche Stellung eingenommen habe (ALK S. 173 ff.). Die dagegen gerichtete Einsprache (ALK S. 163 f.) wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 27. Januar 2023 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.).

 

2.

2.1     Die Beschwerdeführerin lässt am 25. Februar 2023 beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde erheben und folgende Rechtsbegehren stellen (A.S. 7 ff.):

Es sei der angefochtene Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 aufzuheben und der [Beschwerdeführerin] ist der Anspruch auf Arbeitslosenversicherung zu gewähren.

Eventualiter sei der angefochtene Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 aufzuheben und die vorliegende Streitsache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese einen Anspruch aus anderen unselbständigen Arbeitsverhältnissen prüft.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich 7,7 % Mehrwertsteuer zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

 

2.2  Am 24. März 2023 erlässt die Beschwerdegegnerin eine neue Verfügung, worin sie den angefochtenen Einspracheentscheid wiedererwägungsweise aufhebt. Sie erkennt, dass aufgrund des Arbeitsverhältnisses mit der D.___ GmbH (fortan: Betrieb 2), welches von Januar 2008 bis Juli 2022 dauerte, Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei einem versicherten Verdienst von CHF 1'399.00 bestehe (A.S. 26 ff. + ALK S. 24 f.). Sodann stellt die Beschwerdegegnerin am 27. März 2023 beim Versicherungsgericht folgende Anträge (A.S. 21 ff.):

1.    Das Beschwerdeverfahren sei wegen Gegenstandslosigkeit abzuschreiben.

2.    Gerichtskosten seien keine aufzuerlegen.

3.    Es sei keine Parteientschädigung zu entrichten.

 

2.3     Die Präsidentin des Versicherungsgerichts setzt der Beschwerdeführerin am 29. März 2023 Frist bis 27. April 2023 um entweder mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben werden kann, aber allfällige Einwände gegen die neue Verfügung der Beschwerdegegnerin zu erheben (A.S. 32). Die Beschwerdeführerin lässt sich innert dieser Frist nicht vernehmen (s. A.S. 34). Sie erklärt dann aber am 8. Mai 2023, dass an der Beschwerde festgehalten werde, und stellt folgende Begehren (A.S. 35 ff.):

Es sei der angefochtene Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 aufzuheben und der [Beschwerdeführerin] ist der Anspruch auf Arbeitslosenversicherung aus dem Arbeitsverhältnis von [Betrieb 1] zu gewähren.

Eventualiter sei der angefochtene Einspracheentscheid vom 27. Januar 2023 aufzuheben und die vorliegende Streitsache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen um das Arbeitsverhältnis zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu überprüfen.

Die Verfügung vom 3. März [recte wohl: 29. März] 2023 sei aufzuheben. Eventualiter sei die Wiedereinsetzung gemäss Art. 89 Abs. b) aus der Zivilprozessverordnung anzuwenden, da die Beschwerdeführerin kein Verschulden am Versäumnis trifft.

Zudem sei die Verfügung Nr. [...] vom 23. März 2023 [betreffend Einstellung in der Anspruchsberechtigung, ALK S. 12 f.] aufzuheben.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich 7,7% Mehrwertsteuer zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

Parteientschädigung nach Ermessen des Gerichts zugunsten der Beschwerdeführerin.

Schadensersatz aufgrund des Bruchs des Amtsgeheimnisses gegenüber der bevollmächtigten Person.

 

Das Versicherungsgericht nimmt die Eingabe vom 8. Mai 2023 zu den Akten (s. A.S. 43), womit der Antrag auf Wiederherstellung der versäumten Frist gegenstandslos wird.

 

2.4     Die Beschwerdegegnerin verzichtet am 16. Mai 2023 auf eine weitere schriftliche Äusserung und hält an den Anträgen in der Beschwerdeantwort fest (A.S. 45).

 

II.

 

1.

1.1     Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten, soweit es den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung betrifft. Soweit die Beschwerdeführerin indes verlangt, es sei von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen und es sei wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses Schadenersatz zu leisten (E. I. 2.3 hiervor), kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, da diese Fragen nicht Gegenstand des angefochtenen Einspracheentscheides bilden.

 

1.2     Der Sozialversicherungsträger kann eine Verfügung einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange in Wiedererwägung ziehen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt (Art. 53 Abs. 3 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts / ATSG, SR 830.1). Insbesondere steht es dem Versicherungsträger frei, während des laufenden Beschwerdeverfahrens ohne Beachtung der besonderen Wiedererwägungsvoraussetzungen (namentlich ohne Annahme einer zweifellosen Unrichtigkeit) auf seinen Entscheid zurückzukommen. Entspricht der lite pendente erlassene Wiedererwägungsentscheid jedoch nicht dem im Beschwerdeverfahren gestellten Rechtsbegehren, kommt er bloss einem Antrag an das Gericht gleich. Im Übrigen wird bei einer entsprechenden Wiedererwägung das Beschwerdeverfahren gegenstandslos (s. zum Ganzen Ueli Kieser in: ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 53 N 88 ff., mit Hinweisen).

 

Die Beschwerdegegnerin zog den angefochtenen Einspracheentscheid am 24. März 2023 in Wiedererwägung, also bevor sie sich am 27. März 2023 beim Versicherungsgericht äusserte, und bejahte einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2022 (E. I. 2.2 hiervor). Dieses Vorgehen ist an sich zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass die Beschwerdegegnerin dabei für den versicherten Verdienst von CHF 1'399.00 auf das Arbeitsverhältnis mit dem Betrieb 2 abstellte (a.a.O.), während der geltend gemachte Verdienst im Betrieb 1 und damit auch der daraus resultierende Taggeldanspruch deutlich höher wäre. Dem Beschwerdebegehren wurde daher nur teilweise entsprochen, so dass die neue Verfügung der Beschwerdegegnerin bloss einen Antrag an das Gericht darstellt. Die Beschwerdeführerin hat denn auch in ihrer Stellungnahme ausdrücklich an der Beschwerde festgehalten und erklärt, ihr stehe Arbeitslosenentschädigung auf der Basis des Arbeitsverhältnisses mit dem Betrieb 1 zu (E. I. 2.3 hiervor).

 

2.

2.1

2.1.1  Wer Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erheben will, muss u.a. die Beitragszeit erfüllt haben von deren Erfüllung befreit sein (Art. 8 Abs. 1 lit. e Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIG, SR 837.0). Die Beitragszeit erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Beitragsrahmenfrist während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG), d.h. als Arbeitnehmer nach dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) versichert war und für Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit der Beitragspflicht unterlag (s. Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG). Sowohl für den Leistungsbezug als auch für die Beitragszeit gelten, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, zweijährige Rahmenfristen (Art. 9 Abs. 1 AVIG). Die Beitragsrahmenfrist beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem die versicherte Person sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 AVIG), hier also am 1. September 2020, nachdem sich die Beschwerdeführerin per 1. September 2022 bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet hatte (ALK S. 252). Für die Berechnung der Beitragsmonate ist die formale Dauer des Arbeitsverhältnisses massgebend (BGE 121 V 165 E. 2c/bb S. 170; Urteil des Bundesgerichts 8C_429/2020 vom 2. September 2020 E. 4.2.1). Als Beitragsmonat zählt jeder volle Kalendermonat, in dem die versicherte Person beitragspflichtig war (Art. 11 Abs. 1 Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung / AVIV, SR 837.02). Dabei ist unerheblich, ob sie regelmässig unregelmässig, stunden- tageweise, teilzeitlich vollzeitlich beschäftigt war. Eine Mindestzahl von Arbeitstagen wird nicht verlangt (s. Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 5. Aufl., Zürich 2019, S. 64 + 65; AVIG-Praxis ALE B149).

 

2.1.2  Ob eine beitragspflichtige Beschäftigung vorliegt, muss genügend überprüfbar sein, um Missbräuche zu verhindern, namentlich durch fiktive Lohnvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ist eine tatsächliche ausgeübte Beschäftigung nicht bewiesen zumindest überwiegend wahrscheinlich, ist das Anspruchserfordernis der erfüllten Beitragszeit nicht gegeben (BGE 131 V 444 E. 1.2 S. 447 + E. 3.2.2 S. 451; Kupfer Bucher, a.a.O., S. 62; Boris Rubin in: Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, Genf 2014, Art. 13 N 19). Der Nachweis effektiver Lohnzahlungen stellt dabei keine selbstständige Anspruchsvoraussetzung dar, sondern nur ein – allerdings bedeutsames und unter Umständen ausschlaggebendes – Indiz für eine beitragspflichtige Tätigkeit (BGE 131 V 444 E. 3.3 S. 453; Rubin, a.a.O., Art. 13 N 18). Soweit eine beitragspflichtige Beschäftigung erstellt, der exakte ausbezahlte Lohn jedoch unklar geblieben ist, hat eine Korrektur über den versicherten Verdienst zu erfolgen (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 60).

 

Als Beweis für den tatsächlichen Lohnfluss genügen Belege über entsprechende Zahlungen auf ein Post- Bankkonto, welches auf den Namen des Arbeitnehmers lautet. Bei behaupteter Barauszahlung wiederum fallen Lohnquittungen und Auskünfte von ehemaligen Mitarbeitern in Betracht. Demgegenüber bilden ein schriftlicher Arbeitsvertrag, ein Kündigungsschreiben, Arbeitgeberbescheinigungen, vom Arbeitnehmer unterzeichnete Lohnabrechnungen und Steuererklärungen sowie Eintragungen im individuellen Konto höchstens Indizien für Lohnzahlungen. Eine beitragspflichtige Beschäftigung ist nicht nachgewiesen, wenn ausschliesslich Dokumente vorliegen, die der Arbeitnehmer als alleiniger Firmeninhaber ein unbekannter Dritter unterschrieben haben, denn dabei handelt es sich um reine Parteibehauptungen (BGE 131 V 444 E. 1.2 S. 447; Kupfer Bucher, a.a.O., S. 62; Rubin, a.a.O., Art. 13 N 18 + 19). Denkbar ist, dass die versicherte Person, welche den Lohn bar bezogen hat, den Lohnfluss durch eine Kombination von Beweismitteln nachzuweisen vermag (AVIG-Praxis ALE B148). Nur in begründeten Ausnahmefällen darf auf die Lohnabrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgestellt werden, wenn ein Missbrauch mit vereinbarten Löhnen, welche in Wirklichkeit gar nicht zur Auszahlung gelangten, praktisch ausgeschlossen ist. Dies trifft z.B. zu, wenn der Arbeitgeber seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkam nachkommen konnte, weshalb Lohnforderungen des Arbeitnehmers offen blieben (Urteil des Bundesgerichts 8C_13/2014 vom 20. März 2014 E. 3.4.1.2).

 

2.2

2.2.1  Versicherte Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, finanziell am Betrieb beteiligte Personen Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten, haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG). Diese Regelung nebst der dazu entwickelten Rechtsprechung findet analog auch auf die Arbeitslosenentschädigung nach Art. 8 ff. AVIG Anwendung: Wenn ein Arbeitnehmer nach der Entlassung seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehält und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen massgeblich beeinflussen kann, so hat er insbesondere die Möglichkeit, sich bei Bedarf wieder in seiner Firma einzustellen und damit seine Arbeitslosigkeit nach eigenem Belieben zu verlängern zu beenden. Unter solchen Umständen besteht kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (s. BGE 123 V 234 E. 7b S. 239; Rubin, a.a.O., Art. 10 N 18 + 19 sowie Art. 31 N 40). Anders verhält es sich, wenn nicht nur das Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern auch der Betrieb geschlossen wird, das Ausscheiden des betreffenden Arbeitnehmers mithin definitiv ist. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Unternehmen zwar weiterbesteht, der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig jene Eigenschaften verliert, derentwegen er vom Leistungsanspruch ausgenommen wäre (s. BGE 123 V 234 E. 7b S. 238 f.). Bei einer versicherten Person, die vor der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung eine arbeitgeberähnliche Stellung besass, muss die Arbeitslosenkasse weitergehende Abklärungen darüber treffen, ob der vereinbarte Lohn tatsächlich ausbezahlt wurde. Diese Abklärungspflicht erstreckt sich auch auf die mitarbeitenden Ehegatten und Partner sowie die nahen Verwandten von arbeitgeberähnlichen Personen (AVIG-Praxis ALE B32 und B145 f., in der ab 1. Januar 2020 resp. 1. Oktober 2012 geltenden Fassung; s.a. Rubin, a.a.O., Art. 13 N 19).

 

2.2.2  Ob Arbeitnehmer einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium angehören und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen können, ist aufgrund der internen betrieblichen Struktur zu beantworten (BGE 122 V 270 E. 3 S. 272 f.). Keine Prüfung des Einzelfalles ist indes erforderlich, wenn sich die massgebliche Entscheidungsbefugnis bereits zwingend aus dem Gesetz selbst ergibt, was z.B. bei mitarbeitenden Verwaltungsräten einer Aktiengesellschaft der Fall ist (BGE 123 V 234 E. 7a S. 237; 122 V 270 E. 3 S. 273).

 

2.2.3  Der Ausschluss der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten Personen vom Entschädigungsanspruch ist absolut zu verstehen (BGE 123 V 234 E. 7a S. 237). Begegnet werden soll nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen, welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (Kupfer Bucher, a.a.O., S. 19 f.). Namentlich sind die mitarbeitenden Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen vom Leistungsanspruch ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, ob sie selber ebenfalls eine arbeitgeberähnliche Stellung innehaben.

 

3.

3.1

3.1.1  Die Beschwerdeführerin besuchte in ihrer Heimat [...] das Gymnasium. Nach ihrer Einreise in die Schweiz war sie von 2003 bis 2017 in erster Linie als Reinigungskraft für Büros etc. tätig (ALK S. 220). Der Betrieb 2 beschäftigte sie von 2008 bis Juli 2022 aushilfsweise als Hausangestellte (ALK S. 24). Gemäss dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2019 trat die Beschwerdeführerin zudem im Betrieb 1 per 1. Januar 2020 eine Vollzeitstelle an. Vereinbart war ein Einsatz im Service mit einem monatlichen Bruttolohn von CHF 5'416.50 (inkl. Anteil 13. Monatslohn) resp. einem Nettolohn von CHF 4'827.65 (ALK S. 190 ff.; s.a. Lohnabrechnungen für September 2020 bis März 2021, ALK S. 193 ff.). Am 12. März 2021 schlossen die Beschwerdeführerin und der Betrieb 1 sodann per 1. April 2021 einen neuen Arbeitsvertrag ab, welcher als Arbeitsbereich «Service und Geschäftsassistentin» angab und einen Bruttolohn von CHF 12'350.00 resp. einen Nettolohn von CHF 10'592.30 vorsah (ALK S. 217 ff.; s.a. Lohnabrechnungen für August 2021 bis August 2022, ALK S. 187 + 238 ff.). Die Beschwerdeführerin kündigte diese Anstellung gesundheitshalber per 31. August 2022 (ALK S. 227).

 

3.1.2  Im Handelsregister war seit Juni 2018 B.___ als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer des Betriebs 1 eingetragen. Ab demselben Zeitpunkt verfügte E.___ über die Einzelunterschrift ohne Eintrag einer Funktionsbezeichnung, bis er im November 2022 wieder gelöscht wurde (ALK S. 155 + 214). Bei B.___ handelt es sich um den Sohn der Beschwerdeführerin und bei E.___ um ihren Ehemann (ALK S. 200 unten).

 

3.1.3  Das von der Beschwerdeführerin beim Versicherungsgericht eingereichte Dokument «Organisatorische Struktur des Betriebs» (Beschwerdebeilage / BB-Nr. 7) enthält folgende Angaben:

 

Stand 20. November 2020:

Unternehmensleitung

B.___, 60 %

 

Bürohilfe

(geschwärzt), 40 %

 

Küche

Ehemann, 100 %

B.___, 30 %

Service

Beschwerdeführerin, 100 %

§  B.___, 10 %

§  (geschwärzt), 50 Stunden im Monat

§  (geschwärzt), Aushilfe

 

Stand 31. März 2021:

Unternehmensleitung

B.___, 100 %

 

Bürohilfe

(geschwärzt), 100 %

 

Küche

Ehemann, 100 %

 

Service

Beschwerdeführerin, 100 %

(geschwärzt), 50 Stunden im Monat

Lieferdienst

(geschwärzt), 100 %

 

 

Stand 31. [recte wohl: 30.] Juni 2021:

Unternehmensleitung

B.___, 100 %

 

Bürohilfe

(geschwärzt), 100 %

 

Betriebsassistent/in

Beschwerdeführerin, 50 %

Ehemann, 50 %

Küche

Ehemann, 50 %

 

Service

Beschwerdeführerin, 50 %

(geschwärzt), 50 Stunden im Monat

Lieferdienst

(geschwärzt), 100 %

 

 

Stand 30. Juni 2022:

Unternehmensleitung

B.___, 70 %

 

Betriebsassistentin

Beschwerdeführerin, 50 %

 

Küche

B.___, 30 %

Ehemann, 20 %

Service

Beschwerdeführerin, 50 %

 

Lieferdienst

zusammen mit Küche

 

Stand 30. Oktober 2022:

Unternehmensleitung

B.___, 100 %

 

Betriebsassistentin

unbesetzt

 

Küche

Ehemann, 20 %

(geschwärzt), 20 %

Service

B.___, 40 %

(geschwärzt), 10 %

Lieferdienst

(geschwärzt), 20 %

 

 

In ihrem bei der Beschwerdegegnerin eingereichten Lebenslauf gab die Beschwerdeführerin an, sie habe von Mai 2021 bis August 2022 als Chef de Service und Betriebsassistentin die Gäste bedient resp. die Geschäftsleitung unterstützt (ALK S. 220).

 

3.1.4  B.___ liess am 15. September 2022 verlauten, weder die Beschwerdeführerin noch deren Ehemann hätten im Betrieb 1 eine arbeitgeberähnliche Stellung, da ihnen die Befugnis resp. Möglichkeit fehle, Entscheidungen zu treffen, welche einen beträchtlichen Einfluss auf den Betrieb hätten. Er allein sei der Gesellschafter und Geschäftsführer (ALK S. 186).

 

3.1.5  Der Auszug aus dem individuellen AHV-Konto der Beschwerdeführerin wies in Bezug auf den Betrieb 1 für 2021 einen Lohn von CHF 120'420.00 aus (ALK S. 183). Auf die Nachfrage der Beschwerdegegnerin hin (ALK S. 211) erklärte die Beschwerdeführerin am 20. September 2022, da die Lohnzahlungen auch bar erfolgt seien, könne sie nicht alle mit Bankauszügen belegen. Die Löhne für Mai und Juni 2021 seien auf ihr Konto überwiesen worden (ALK S. 200). Aus dem beiliegenden Kontoauszug der [...] Bank geht hervor, dass am 8. Juni und 14. Juli 2021 jeweils eine Gehaltszahlung von CHF 9'089.30 pro Mai 2021 resp. 8'230.25 pro Juni 2021 einging (ALK S. 188 f.).

 

3.1.6  In ihrer Einsprache hielt die Beschwerdeführerin dafür, B.___ sei der alleinige Arbeitgeber, sie und ihr Ehemann seien nur angestellte Mitarbeitende. Die Löhne seien effektiv bezogen worden und man habe darauf Steuern und Sozialbeiträge bezahlt (ALK S. 163 f.). Die Beschwerdeführerin legte ihre Steuererklärung pro 2021 ein, worin sie ein Nettoeinkommen aus unselbstständiger Haupterwerbstätigkeit von CHF 115'023.00 deklarierte (ALK S. 162), sowie den Lohnausweis für 2021 mit einem Bruttolohn von CHF 97'549.60 und einem Nettolohn von CHF 86'258.15 (ALK S. 161).

 

3.1.7  Nachdem ihn die Beschwerdegegnerin am 6. Januar 2023 aufgefordert hatte, bis 13. Januar 2023 verschiedene Belege einzureichen (ALK S. 153 f.), teilte B.___ am 19. Januar 2023 mit, er und der Betrieb 1 seien mit Sitz resp. Wohnsitz im Kanton [...] gegenüber den solothurnischen Behörden in keiner Weise zur Auskunft verpflichtet. Deshalb gebe er nur diejenigen Informationen preis, zu denen er aus freiem Willen bereit sei, und dies auch nur, um seine ehemalige Mitarbeiterin zu unterstützen, der man ihren Anspruch streitig mache. Aus seiner Sicht besitze die Beschwerdegegnerin schon alle nötigen Dokumente, um Arbeitslosenentschädigung zu gewähren. Es erwecke den Anschein, dass man einen guten Grund suche, um den Anspruch abzulehnen. Es sei unangebracht und unverhältnismässig, eine arbeitslose Person bei laufenden Kosten vier Monate hinzuhalten. Im Übrigen habe er wegen seines Studiums keine Zeit, die Unterlagen rechtzeitig beizubringen (ALK S. 151). In der Folge reichte B.___ bis zum Einspracheentscheid keine Belege ein.

 

3.1.8  In der Beschwerdeschrift (A.S. 7 ff.) liess die Beschwerdeführerin bekräftigen, dass keine arbeitgeberähnliche Stellung bestanden habe und die Löhne ausbezahlt worden seien. An der Spitze des Unternehmens stehe allein der Geschäftsführer und Gesellschafter B.___. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten ihm unterstanden, nur eine abteilungsinterne Funktion gehabt und keine massgeblichen Entscheidungen getroffen, sondern die delegierten Aufgaben erledigt. Die dem Ehemann für Notfälle erteilte Berechtigung zur Einzelunterschrift sei im Handelsregister gelöscht worden, da diese nie eine Funktion gehabt habe und um Missverständnisse zu vermeiden. Nachdem der ehemalige Bürogehilfe nicht mehr bei ihnen tätig gewesen sei, sei die Aufgabe der Betriebsassistentin umso wichtiger geworden. Die Hauptaufgabe der Beschwerdeführerin habe in dieser Position darin bestanden, die ihr delegierten Aufgaben zuverlässig zu erledigen. Da sie krankheitshalber nicht mehr alle Arbeiten im Service habe übernehmen können, habe sie mehr Raum gehabt, als Betriebsassistentin tätig zu sein. Mit dem Weggang der Beschwerdeführerin sei diese Funktion nicht mehr besetzt worden, was vorübergehend auch nicht nötig gewesen sei, da der Betrieb die Öffnungszeiten seit längerem reduziert habe. Diese würden im Jahr jeweils so angepasst, dass es keine Überschneidungen mit dem Studium gebe. Betrieb und Familienleben seien strikt getrennt worden. Die Positionen und Löhne hingen ganz von den Qualifikationen und der Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden ab, dass es sich hier um Familienmitglieder handle, sei nur Zufall. Der Grund für die Lohnerhöhung habe in der Erfahrung, Motivation und Zuverlässigkeit der Beschwerdeführerin gelegen; der neue Lohn möge nicht branchenüblich gewesen sein, doch gebe es keine allgemeingültige Vorschrift, was der maximal mögliche Verdienst sei. Der Beschwerde lagen die folgenden zusätzlichen Urkunden bei:

 

3.1.8.1 Der Lohnausweis für Januar bis August 2022 weist einen Bruttolohn der Beschwerdeführerin von CHF 96'432.05 und einen Nettolohn von CHF 87'550.90 aus (BB-Nr. 13).

 

3.1.8.2 Der Beleg «Auszug aus der Buchhaltung Lohnkonto 2022» vermerkt einen Bruttolohn von CHF 96'432.05 und einen Nettolohn von CHF 82'584.80 (BB-Nr. 11).

 

3.1.8.3 Im «Auszug aus der Buchhaltung von Konto 5000 Löhne» sind die folgenden Lohnzahlungen verbucht (BB-Nr. 10):

 

pro 2021: CHF 80'661.25 / 47'962.15 (ohne verspätete Zahlungen im Jahr 2022)

·      1. Februar 2021:                           CHF   3'743.00

·      3. März 2021:                                CHF   3'743.00

·      1. April 2021:                                 CHF   3'743.00

·      20. Mai 2021:                                CHF   3'099.05

·      8. Juni 2021:                                  CHF   9'089.30

·      14. Juli 2021:                                 CHF   8'230.25

·      13. Oktober 2021:                         CHF   8'122.30

·      31. Dezember 2021:                     CHF   8'192.25

·      6. Januar 2022:                             CHF   8'192.25 (Lohn Dezember 2021)

·      31. Januar 2022:                           CHF   8'192.30 (Lohn November 2021)

·      31. Januar 2022:                           CHF   8'192.25 (Lohn Oktober 2021)

·      31. Januar 2022:                           CHF   8'122.30 (Lohn September 2021)

 

pro 2022: CHF 82'584.80

·      23. Februar 2022:                         CHF 10'592.25

·      3. März 2022:                                CHF 10'592.30

·      5. April 2022:                                 CHF 10'592.25

·      14. Mai 2022:                                CHF 10'592.30

·      1. Juni 2022:                                  CHF 10'592.25

·      13. Juli 2022:                                 CHF 10'592.30

·      29. August 2022:                           CHF   9'686.15

·      19. September 2022:                    CHF   9'345.00

 

3.1.8.4 Ausserdem werden die bereits aktenkundigen Lohnabrechnungen für September 2021 bis August 2022 nochmals eingereicht (BB-Nr. 9). Auf diesen Exemplaren ist nun jeweils, unterzeichnet von der Beschwerdeführerin und B.___, handschriftlich vermerkt, dass der fragliche Betrag bar ausbezahlt worden sei.

 

3.1.9  Im Rahmen der Replik hält die Beschwerdeführerin an ihren früheren Ausführungen fest (A.S. 35 ff.).

 

3.2     Die Beschwerdegegnerin schreibt dem Ehemann der Beschwerdeführerin eine arbeitgeberähnliche Stellung zu, weil er gemäss Handelsregistereintrag zwar weder Gesellschafter noch Geschäftsführer des Betriebs 1 war, aber über Einzelunterschrift verfügte und die Gesellschaft gegen aussen vertreten konnte. Dabei übersieht die Beschwerdegegnerin, dass die im Handelsregister eingetragene Zeichnungsberechtigung für sich allein noch keine arbeitgeberähnliche Stellung begründet. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, welche Entscheidungsbefugnisse einer Person aufgrund der internen betrieblichen Struktur zukommen (BGE 120 V 521 E. 3b S. 526). Eine arbeitgeberähnliche Position nehmen einzig diejenigen Personen ein, die nicht nur Entscheidungskompetenzen im Rahmen des operativen Tagesgeschäfts besitzen, sondern auch in strategischer Hinsicht über die Unternehmung (mit)bestimmen können (Urteil des Bundesgerichts 8C_319/2022 vom 12. Oktober 2022 E. 5.2.2). Für derart weitreichende Befugnisse fehlt es indes im vorliegenden Fall beim Ehemann wie auch bei der Beschwerdeführerin selber an konkreten Hinweisen. Gemäss dem Organigramm des Betriebs 1 wurden die beiden ab Ende Juni 2021 mit einem Arbeitspensum von jeweils 50 % als «Betriebsassistenten» eingesetzt (E. II. 3.1.3 hiervor). Bei dieser Funktion ging es indes bloss um die Unterstützung der Geschäftsleitung. Dies erhellt einerseits daraus, dass die Funktion des Betriebsassistenten in der Tabelle mit dem Organigramm nicht nur unterhalb der «Unternehmensleitung», sondern auch unterhalb der «Bürohilfe» eingeordnet wurde, auf der gleichen Höhe wie «Küche» und «Service» (BB-Nr. 7). Auch die Bezeichnung als Assistent deutet darauf hin, dass es sich um eine ausführende und zudienende Tätigkeit handelte. Andererseits schrieb die Beschwerdeführerin in ihrem Lebenslauf (welcher bei der Beschwerdegegnerin eingereicht worden war, bevor diese einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verneinte, s. ALK S. 215), dass sie als Betriebsassistentin die Geschäftsleitung unterstützt habe (E. II. 3.1.3 in fine hiervor). Damit korrespondiert, dass B.___ gegenüber der Beschwerdegegnerin und in der Beschwerdeschrift erklärte, er allein habe die wichtigen Entscheidungen im Betrieb getroffen, die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten nur seine Aufträge ausgeführt (s. E. II. 3.1.4 + 3.1.8 hiervor). Im Übrigen erscheint es als durchaus plausibel, dass der Ehemann die Einzelunterschrift lediglich für etwaige Notfälle erhalten hatte, in denen der Geschäftsführer nicht selber handeln konnte.

 

Nahm aber der Ehemann im Betrieb 1 keine arbeitgeberähnliche Stellung ein, dann kann die Beschwerdeführerin nicht vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen werden, weil sie seine Ehefrau war und ist.

 

3.3     Die geltend gemachten Lohnzahlungen an die Beschwerdeführerin sind indes deshalb näher zu prüfen, weil der Betrieb 1 ihrem Sohn gehörte und im neuen Arbeitsvertrag ein überdurchschnittlich hoher Lohn vereinbart wurde. Die Beschwerdegegnerin stellt sich diesbezüglich auf den Standpunkt, solche Lohnbezüge seien nicht nachzuweisen.

 

3.3.1  Es fällt einmal auf, dass der Bruttolohn der Beschwerdeführerin mit dem neuen Arbeitsvertrag vom 12. März 2021 ab 1. April 2021 von CHF 5'416.50 auf CHF 12'350.00 erhöht wurde (E. II. 3.1.1 hiervor), also mehr als das Doppelte. Diese massive Lohnerhöhung wird damit begründet, dass die Beschwerdeführerin neu nicht mehr nur im Service, sondern während 50 % ihres Vollzeitpensums als Betriebsassistentin beschäftigt worden sei (s. E. II. 3.1.3 + 3.1.8 hiervor). Diese Darstellung ist jedoch unglaubwürdig. Der Beschwerdeführerin ist zwar beizupflichten, dass es dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen ist, einen höheren als den branchenüblichen Lohn zu gewähren. Die mit dem Betrieb 1 vereinbarte Lohnerhöhung steht indes ausserhalb jeder Relation zur fraglichen Tätigkeit und dem beruflichen Hintergrund der Beschwerdeführerin. Der Lohn als vollzeitliche Servicemitarbeiterin belief sich bis März 2021 wie erwähnt auf CHF 5'416.50 (E. II. 3.1.1 hiervor), d.h. für das ab April 2021 verbleibende Pensum von 50 % in diesem Bereich sind CHF 2'708.25 zu veranschlagen. Der Rest des Lohns von CHF 9'641.75 entfällt damit auf das Pensum von 50 % als Betriebsassistentin; bei einer entsprechenden Vollzeitstelle würde sich folglich ein Gehalt von über CHF 19'000.00 ergeben. Eine derartige Entlöhnung wäre einer Kaderstelle mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen angemessen. Dies war jedoch bei der Tätigkeit als Betriebsassistentin nicht der Fall, wie bereits in Zusammenhang mit der Frage der arbeitgeberähnlichen Stellung dargelegt wurde (E. II. 3.2 hiervor); es handelte sich vielmehr um eine rein unterstützende Funktion, während die wichtigen Entscheidungen alle durch B.___ erfolgten. Weiter rechtfertigten auch die beruflichen Kenntnisse der Beschwerdeführerin keinen Lohn in dieser Grössenordnung. Der Hinweis auf ihre Erfahrung, Motivation und Zuverlässigkeit (E. II. 3.1.8 hiervor) ändert daran nichts. Die Beschwerdeführerin besuchte zwar das Gymnasium, absolvierte aber keine spezifische Ausbildung, welche sie zur Leitung eines Gastronomiebetriebs generell eines Unternehmens befähigt hätte. Ihre praktischen beruflichen Erfahrungen wiederum beschränkten sich im Wesentlichen auf Reinigungsarbeiten sowie die Tätigkeit als Hausangestellte und Servicekraft (E. II. 3.1.1 hiervor).

 

Zudem ist aufschlussreich, dass der neue Bruttolohn ab April 2021 gerade auf CHF 12'350.00 festgesetzt wurde. Dabei handelt es sich nämlich exakt um den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes in der Arbeitslosenversicherung, der demjenigen der obligatorischen Unfallversicherung entspricht (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 AVIG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Verordnung über die Unfallversicherung / UVV, SR 832.202). Diese Übereinstimmung erweckt den Eindruck, als ob die Lohnhöhe nach versicherungsrechtlichen Überlegungen bestimmt wurde, um gegebenenfalls das Maximum an Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu beziehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Verhalten von B.___ hinzuweisen. Als die Beschwerdegegnerin ihn am 6. Januar 2023 ersuchte, verschiedene sachdienliche Belege einzureichen, reagierte er ungehalten und erhob Vorwürfe gegen die Beschwerdegegnerin. Er liess wenig Bereitschaft zur Kooperation erkennen und erklärte, wenn er Unterlagen liefere, dann nur um seiner früheren Mitarbeiterin zu helfen, der man die Arbeitslosenentschädigung vorenthalten wolle (E. II. 3.1.7 hiervor). Diese abweisende Antwort lässt den Verdacht aufkommen, dass es beim Lohn der Beschwerdeführerin etwas zu verheimlichen galt. Der Umstand, dass B.___ von einer früheren Mitarbeiterin statt von seiner Mutter sprach, lässt sein Verhalten nur noch verdächtiger erscheinen, als ob er darum bemüht war, den Anschein der Neutralität zu wahren. Weiter ist unklar, warum die Unternehmensleitung ab 2021 plötzlich Betriebsassistenten benötigt haben sollte, obwohl man damals nach wie vor eine vollzeitliche Bürohilfe beschäftigte (s. unter Stand 30. Juni 2021, E. II. 3.1.3 hiervor). Andererseits blieb die Stelle als Betriebsassistentin unbesetzt, nachdem die Beschwerdeführerin aus dem Betrieb ausgeschieden war, obwohl keine Bürohilfe mehr zur Verfügung stand und der Ehemann bereits zuvor nicht mehr als Betriebsassistent eingesetzt worden war (Stand 30. Juni und 30. Oktober 2022). Es macht den Anschein, dass die Stelle als Betriebsassistentin lediglich der Beschwerdeführerin zuliebe geschaffen wurde, und nicht aus einer betrieblichen Notwendigkeit heraus. Das Argument, wegen der verkürzten Öffnungszeiten seien keine Assistenten mehr erforderlich gewesen, verfängt nicht. Die Beschwerdeführerin war nämlich auch dann Betriebsassistentin geblieben, als die Arbeitszeiten in den Bereichen «Küche» und «Service» reduziert wurden und es keine eigene Funktion «Lieferdienst» mehr gab (Stand 30. Juni 2021 und 30. Juni 2022). Zudem leuchtet nicht ein, dass die Unternehmensleitung in der Folge gerade dann keine Assistenz mehr benötigt haben soll, als B.___ neu neben einem Vollzeitpensum als Geschäftsführer auch noch 40 % im Service tätig war (Stand 30. Oktober 2022).

 

3.3.2  Richtig ist, dass der Betrieb 1 der Beschwerdeführerin am 8. Juni und 14. Juli 2021 Beträge in der Höhe von CHF 9'089.30 resp. 8'230.25 überwies (E. II. 3.1.5 in fine hiervor). Diese Eingänge sind im Kontoauszug der Bank als «Gehaltszahlung» und «Lohn» für Mai resp. Juni 2021 verbucht. Die übrigen Lohnzahlungen sollen demgegenüber bar erfolgt sein (E. II. 3.1.5 hiervor), wofür im Beschwerdeverfahren erstmals entsprechende Quittungen vorgelegt werden (E. II. 3.1.8.4 hiervor), welche sich mit den Buchungen im Konto 5000 decken (E. II. 3.1.8.3 hiervor). Diese Lohnquittungen hätten indes schon im verwaltungsinternen Verfahren beigebracht werden können, nämlich als die Beschwerdegegnerin am 13. September 2022 um Bankauszüge zu den Lohnzahlungen ersuchte (ALK S. 211). Darauf antwortete die Beschwerdeführerin am 16. September 2022, sie könne nur die Überweisungen für Mai und Juni 2021 durch einen Kontoauszug belegen, nicht aber die bar ausbezahlten Löhne (E. II. 3.1.5 hiervor). Von Lohnquittungen ist hier (ebenso wie in der späteren Einsprache) keine Rede, was ein Indiz dafür bildet, dass die vorliegenden Quittungen erst später erstellt wurden und keine echtzeitlichen Dokumente darstellen. Es leuchtet nicht ein, warum die Beschwerdeführerin diese Urkunden auch im Einspracheverfahren nicht einreichte, wenn sie schon damals bestanden haben sollen. In diesem Zusammenhang ist ausserdem zu erwähnen, dass jede der unterzeichneten Lohnabrechnungen den folgenden gedruckten Vermerk beinhaltet: «Der Betrag von CHF […] wird auf folgendes Konto überwiesen: […] ([...])». Angesichts dessen mutet es seltsam an, dass die besagten Zahlungen dann alle in bar erfolgt sein sollen. Hinzu kommt, dass die Quittungen vom 31. Januar 2022 die Zahlung von drei Monatslöhnen über insgesamt CHF 24'506.85 ausweisen. Es erscheint als kaum glaubwürdig, dass der Beschwerdeführerin tatsächlich auf einen Schlag ein derart hoher Betrag ausgehändigt wurde.

 

3.3.3  Schliesslich ist zu beachten, dass die verschiedenen Lohnangaben nicht übereinstimmen. So geht aus dem AHV-Auszug für das Jahr 2021 ein Bruttoeinkommen beim Betrieb 1 von CHF 120'420.00 hervor (E. II. 3.1.5 hiervor), aus dem Lohnausweis hingegen nur von CHF 97'549.60 (E. II. 3.1.6 hiervor). Zieht man vom Lohn gemäss AHV-Auszug die vier erst 2022 ausgerichteten Löhne für September bis Dezember 2021 ab (s. dazu E. II. 3.1.8.3 hiervor), so beträgt der Rest 87'720.90, was sich ebenfalls nicht mit dem Lohnausweis pro 2021 deckt. Dieser gibt zudem einen Nettolohn von CHF 86'258.15 an, der von den Lohnbezügen im Jahr 2021 gemäss Konto 5000 über insgesamt CHF 47'962.15 (resp. CHF 80'661.25 inkl. verspätete Zahlungen im Jahr 2022) abweicht (E. II. 3.1.6 + 3.1.8.3 hiervor). Im Übrigen beinhaltet der Bruttolohn laut Lohnausweis pro 2021 auch «Andere Leistungen» von CHF 23'661.20 (also fast CHF 2'000.00 im Monat) als Lohnbestandteil, ohne dies näher zu spezifizieren (BB-Nr. 12). Der Lohnausweis für 2022 wiederum weist einen Nettolohn von CHF 87'550.90 aus, die Lohnabrechnungen hingegen von CHF 82'584.80 (E. II. 3.1.8.1 + 3.1.8.3 hiervor). All diese Differenzen von mehreren tausend Franken hinterlassen alles andere als einen vertrauenserweckenden Eindruck, was das Lohnwesen im Betrieb 1 angeht.

 

3.3.4  Die Gesamtwürdigung aller Indizien ergibt angesichts der dargelegten zahlreichen Ungereimtheiten (E. II. 3.3.1 – 3.3.3 hiervor) kein zuverlässiges Bild der Beschäftigungsverhältnisse und der Lohnbezüge der Beschwerdeführerin im Betrieb 1. Bei einem solch unsicheren Sachverhalt ist eine beitragspflichtige Beschäftigung in diesem Betrieb während mindestens zwölf Monaten nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat jedoch, wie von der Beschwerdegegnerin beantragt (E. I. 2.2 + II. 1.2 hiervor), aufgrund der im Betrieb 2 erarbeiteten Beitragszeit ab 1. September 2022 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wobei von einem versicherten Verdienst von CHF 1'399.00 auszugehen ist. Der angefochtene Einspracheentscheid ist folglich in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und der Beschwerdeführerin in diesem Sinne ab 1. September 2022 Arbeitslosenentschädigung zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann (s. E. II. 1.1 hiervor).

 

4.       Die Beschwerdeführerin liess sich von ihrem Sohn vertreten, der weder über ein Anwaltspatent noch über eine spezifische Ausbildung im Bereich der Sozialversicherung verfügt. Liegt indes keine anwaltliche fachlich besonders qualifizierte Vertretung vor, so ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

5.       In Beschwerdesachen der Arbeitslosenversicherung vor dem kantonalen Versicherungsgericht sind (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall einer mutwilligen leichtsinnigen Prozessführung) keine Verfahrenskosten zu erheben, weil dies im AVIG nicht vorgesehen ist (s. Art. 61 lit. fbis ATSG).

Demnach wird erkannt:

1.    Der Einspracheentscheid der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn vom 27. Januar 2023 wird in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufgehoben und der Beschwerdeführerin A.___ ab 1. September 2022 Arbeitslosenentschädigung bei einem versicherten Verdienst von CHF 1'399.00 zugesprochen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.    Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Haldemann

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.