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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VSBES.2023.46)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2023.46
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VSBES.2023.46 vom 14.11.2023 (SO)
Datum:14.11.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:A.___ hat gegen die IV-Stelle Solothurn geklagt, um eine höhere Invalidenrente zu erhalten. Nach verschiedenen Abklärungen und Gutachten wurde ihm schliesslich eine halbe Invalidenrente zugesprochen. Der Beschwerdeführer obsiegte und hat Anspruch auf eine Parteientschädigung von CHF 1'818.60. Die IV-Stelle Solothurn muss zudem die Verfahrenskosten von CHF 600.00 tragen.
Schlagwörter: IV-Nr; Verfügung; Tabelle; Recht; Urteil; Invalidität; Bundesgericht; Abzug; Anspruch; Rente; Bundesgerichts; Apos; Einkommen; Versicherungsgericht; Invaliditätsgrad; Invalideneinkommen; Solothurn; Invalidenversicherung; Akten; Zeitpunkt; Leistung; IV-Stelle; Hinweis; Tätigkeiten; Tabellenlohn; Validen
Rechtsnorm: Art. 52 ATSG ; Art. 8 BV ;
Referenz BGE:124 V 321; 126 V 75; 128 V 174; 129 V 222; 131 V 242; 137 V 71; 138 V 533; 143 V 295; 144 V 210;
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: VSBES.2023.46
Instanz: Versicherungsgericht
Entscheiddatum: 14.11.2023 
FindInfo-Nummer: O_VS.2023.195
Titel: Invalidenrente

Resümee:

 

 

 

Urteil vom 14. November 2023

Es wirken mit:

Präsidentin Weber-Probst

Vizepräsident Flückiger

Oberrichterin Kofmel

Gerichtsschreiber Lazar

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann

Beschwerdeführer

 

gegen

 

IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil

Beschwerdegegnerin

 

betreffend       Invalidenrente (Verfügung vom 13. Januar 2023)

 


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.

 

1.      

1.1     Der 1972 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) meldete sich im März 2004 unter Hinweis auf Rücken- und Kniebeschwerden erstmals zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an (Akten der IV-Stelle [IV-Nr.] 2). Damals war er als Mitarbeiter in einer Autogarage tätig (vgl. IV-Nr. 11). Mit Verfügung vom 9. Juni 2005 (IV-Nr. 39) bzw. Einspracheentscheid vom 11. August 2005 (IV-Nr. 45) wies die IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) bei einem Invaliditätsgrad von 16 % das Leistungsbegehren ab. Auf die unter Angabe von Schulterproblemen erfolgte Neuanmeldung des Beschwerdeführers vom 11. April 2018 (IV-Nr. 61) trat die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 4. Juni 2018 (IV-Nr. 66) nicht ein.

 

1.2     Am 28. Januar 2019 meldete sich der – seit 1. Dezember 2012 als Anlageführer bei der B.___ AG, [...] – tätige Beschwerdeführer unter Hinweis auf beidseitige Schulterverletzungen erneut bei der Beschwerdegegnerin zum Leistungsbezug an (IV-Nr. 73). Die Beschwerdegegnerin trat in der Folge auf die Neuanmeldung ein und traf gesundheitliche und erwerbliche Abklärungen. Unter anderem zog sie die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva bei, holte einen Bericht der Arbeitgeberin vom 7. Februar 2019 (IV-Nr. 81) ein, führte mit dem Beschwerdeführer am 14. Februar 2019 ein Intake-Gespräch durch (vgl. Gesprächsprotokoll in IV-Nr. 84) und gab (gemeinsam mit dem Krankentaggeldversicherer) bei den Dres. med. C.___ (Psychiatrie) und D.___ (Orthopädie) ein bidisziplinäres Gutachten in Auftrag (vgl. IV-Nr. 97), welches am 21. Oktober 2019 erstattet wurde (IV-Nrn. 100.1 ff.). Gestützt darauf stellte sie dem Beschwerdeführer mit Vorbescheid vom 22. Januar 2020 (IV-Nr. 106) die Abweisung seiner Leistungsbegehren in Aussicht. Gleichzeitig hielt sie fest, bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle könne sie ihm behilflich sein (IV-Nr. 106 S. 2 unten). Dagegen liess der Beschwerdeführer am 5. Februar 2020 Einwand erheben (IV-Nr. 107; siehe auch die Einwandergänzung vom 29. Mai 2020, IV-Nr. 126).

 

1.3     In der Folge gewährte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. April 2020 (IV-Nr. 117) Frühinterventionsmassnahmen in Form eines Jobcoachings. Gestützt auf den Zwischenbericht der zuständigen Eingliederungsfachfrau vom 20. Mai 2020 (IV-Nr. 119) erteilte die Beschwerdegegnerin am 22. Mai 2020 ausserdem die Kostengutsprache für ein Belastbarkeitstraining bei der Durchführungsstelle E.___, [...] (IV-Nr. 121). Der Einsatz in der E.___ wurde per 29. November 2020 beendet, da gemäss Abschlussbericht vom 10. Dezember 2020 (IV-Nr. 144) keine Steigerung möglich war.

 

1.4     Auf Empfehlung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; IV-Nr. 148) wurde der Beschwerdeführer polydisziplinär begutachtet (Fachdisziplinen Allgemeine Innere Medizin, Neuropsychologie, Orthopädie und Psychiatrie). Dieses Gutachten wurde durch die Begutachtungsstelle F.___, [...], am 20. Januar 2022 erstattet (IV-Nr. 169.1 und 169.2).

 

1.5     Mit Vorbescheid vom 12. August 2022 stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer die Zusprache einer Viertelsrente ab 1. April 2020 in Aussicht (IV-Nr. 182). Daran hielt sie mit Verfügung vom 13. Januar 2023 fest (IV-Nr. 190; Aktenseite [A.S.] 1 ff.).

 

2.       Gegen diese Verfügung lässt der Beschwerdeführer am 16. Februar 2023 fristgerecht beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Versicherungsgericht) Beschwerde erheben. Sein Vertreter stellt und begründet folgende Rechtsbegehren (A.S. 7 ff.):

 

1.    Die Verfügung der IV-Stelle Solothurn vom 13. Januar 2023 sei aufzuheben.

2.    Es sei dem Beschwerdeführer spätestens mit Wirkung ab 1. April 2020 eine Invalidenrente nach Massgabe eines Invaliditätsgrades von mindestens 50 % zzgl. einem Verzugszins von 5 % ab wann rechtens zuzusprechen.

3.    Es sei eine öffentliche Verhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK durchzuführen.

4.    Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin

 

3.       Die Beschwerdegegnerin verzichtet in ihrer Beschwerdeantwort vom 16. März 2023 unter Verweis auf die Akten und die Begründung in der angefochtenen Verfügung auf weitere Ausführungen und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen (A.S. 19).

 

4.       Mit Eingabe vom 31. März 2023 reicht der Vertreter des Beschwerdeführers seine Kostennote zu den Akten (A.S. 21 ff.).

 

5.       Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften der Parteien wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

 

II.

 

1.

1.1     Da die Sachurteilsvoraussetzungen (zulässiges Anfechtungsobjekt, Einhaltung von Frist und Form, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Legitimation) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

1.2     Streitig und zu prüfen ist die Höhe des Invalideneinkommens. Dabei ist zwischen den Parteien unbestritten, dass auf die Beurteilung im Administrativgutachten der Begutachtungsstelle F.___, [...], vom 20. Januar 2022 abzustellen ist (IV-Nr. 169). Die Administrativgutachter stellten folgende Diagnosen (IV-Nr. 169.1, S. 7):

Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit:

-   Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F33.1)

-   Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41)

-   Impingementsyndrom der Schulter beidseits mit residueller Schädigung der Rotatorenmanschette (Supraspinatussehne) (ICD-10 M75.1/546.0 und 75.4) mit/bei:

-       Zustand nach einem kombinierten arthroskopischen / offenen Eingriff mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette 2017/18

-   Lumboischialgie links mit einer sensiblen radikulären Symptomatik S1 links ohne motorische Ausfälle bei mehretagigen Abnützungen (ICD-10 M47.87 und M51.1)

-   Leichtgradige, kompensierte vordere Instabilität nach der operativen Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes am Kniegelenk links 2003 (ICD-10 S83.53)

 

Diagnosen ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit:

-   Adipositas WHO Stufe 2 (BMI 36,5 kg/m2) (ICD-10 E66.0)

-   Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), medikamentös behandelt (1CD-10 I10)

-   Dyslipidämie (ICD-10 E78.5)

-   chronischer Nikotinabusus, kumulativ ca. 20 pack years (ICD-10 F17.9)

 

Sodann formulierten die Gutachter das nachstehende Zumutbarkeitsprofil: Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit Heben / Tragen von Gewichten über 10 kg. Das Heben / Tragen sollte grundsätzlich nur manchmal und nicht vermehrt repetitiv gefordert sein; Arbeitszwangshaltungen mit vermehrter Belastung der Brust- und Lendenwirbelsäule (z.B. repetitive Rotationsbewegungen Seitneigung > 20 – 30° des Oberkörpers bei fixiertem Stand der Beine vorgebeugte Arbeitszwangshaltungen ohne die Möglichkeit sich abzustützen, Arbeiten mit häufigem Bücken unter Tischkantenniveau, etc.); Arbeitszwangshaltungen im Knien in Hockstellung; Arbeiten, welche mit dem häufigen Überwinden von Niveauunterschieden (z.B. Treppensteigen) verbunden seien; Höhenexponierte (z.B. auf Leitern Gerüsten) und Überkopfarbeiten; Grobarbeiten mit den Armen beidseits (z.B. mit einem schweren Hammer, Schlagbohrer, etc.); Tätigkeiten mit einer erhöhten psychischen Belastung (z.B. verstärkter Zeitdruck, vermehrte Konfliktsituationen, etc.). Zu empfehlen seien körperlich leichte bis mittelschwere, wechselbelastende Arbeiten unter der Vermeidung einer vermehrten Beanspruchung der Schultern beidseits, dem Kniegelenk links sowie der Brust- und Lendenwirbelsäule und Tätigkeiten, bei welchen der verminderten psychophysischen Belastbarkeit durch ein wertschätzendes und verständnisvolles Arbeitsumfeld Rechnung getragen werde. Im Rahmen dieser Zumutbarkeitskriterien sei der Beschwerdeführer zu 60 % in einer angepassten Tätigkeit arbeitsfähig.

 

Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitere medizinische Abklärungen. Der Beschwerdeführer beanstandet lediglich den Einkommensvergleich (siehe Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom 16. Februar 2023, A.S. 7 ff.).

 

1.3     Für die Beurteilung eines Falles hat das Sozialversicherungsgericht grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 13. Januar 2023) eingetretenen Sachverhalt abzustellen (BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243, 121 V 366 E. 1b).

 

1.4     Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) in Kraft. Vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen sind in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen materiellen Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1 S. 213 mit Hinweisen). Dementsprechend ist der Anspruch für die Zeit bis Ende 2021 nach den Bestimmungen des IVG und denjenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV, SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültigen Fassung zu beurteilen.

 

2.

2.1     Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]). Sie kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit Unfall sein. Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (Art. 4 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG, SR 831.20]).

 

2.2     Gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG (in Kraft bis 31. Dezember 2021) haben jene Versicherten Anspruch auf eine Rente, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten verbessern können (lit. a), und die zusätzlich während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen sind und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid (Art. 8 ATSG) sind (lit. b und c). Gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG besteht der Anspruch auf eine ganze Rente, wenn die versicherte Person mindestens 70 %, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens 60 % invalid ist. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % ein solcher auf eine Viertelsrente.

 

2.3     Bei erwerbstätigen Versicherten ist der Invaliditätsgrad gemäss Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG aufgrund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen. Dazu wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt (sog. allgemeine Methode des Einkommensvergleichs; BGE 130 V 343 E. 3.4.2 S. 349 mit Hinweisen).

 

3.      

3.1     Was zunächst die Ermittlung des Valideneinkommens anbelangt, ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen (Urteil des Bundesgerichts 9C_297/2018 vom 9. August 2018 E. 3.2). Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweisen). 

 

3.2     Das Valideneinkommen von CHF 81’522.00 stützt sich auf die Angaben der Arbeitgeberin (siehe dazu die Ausführungen im Urteil des Versicherungsgerichts VSBES.2020.193 vom 28. April 2022 E. 5). Es lässt sich nicht beanstanden und ist auch unbestritten geblieben.

 

4.

4.1     Da dem Beschwerdeführer auf dem massgebenden hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt gemäss dem Zumutbarkeitsprofil eine grosse Bandbreite unterschiedlichster Tätigkeiten offenstehen, er aber bislang keine Tätigkeit im zumutbaren Ausmass ausübt, hat die Beschwerdegegnerin für die Ermittlung des Invalideneinkommens zu Recht auf einen Tabellenlohn der vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) abgestellt. Die Beschwerdegegnerin stützte sich hierbei auf LSE 2018, TA1_tirage_skill Level, Medianlohn für Männer im Total Kompetenzniveau 1, ab. Der Beschwerdeführer lässt in diesem Zusammenhang vorbringen, die Beschwerdegegnerin habe zu Unrecht auf die Tabellenwerte von 2018 abgestellt. Richtig wäre vielmehr, auf die im Verfügungszeitpunkt bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns aktuellsten Daten abzustellen, und somit auf den Tabellenwert der LSE 2020 (A.S. 11).

 

4.2     Nach ständiger Rechtsprechung sind für den Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) die Verhältnisse im Zeitpunkt des frühestmöglichen Beginns des Rentenanspruchs massgebend. Das Validen- und das Invalideneinkommen sind auf zeitidentischer Grundlage zu erheben und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Verfügungserlass zu berücksichtigen (BGE 143 V 295 E. 2.3 S. 297 und E. 4.1.1 S. 299; 129 V 222 E. 4.1 S. 223; vgl. BGE 128 V 174). Das Verwaltungsverfahren betreffend Renten der Invalidenversicherung wird mit der Verfügung abgeschlossen, da diese direkt (d.h. ohne dass vorab ein Einspracheverfahren durchzuführen wäre; vgl. Art. 52 ATSG), mittels Beschwerde beim zuständigen kantonalen Versicherungsgericht beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann (Art. 69 Abs. 1 IVG). Dabei ist auf den bis zum Zeitpunkt der Verfügung eingetretenen Sachverhalt und grundsätzlich auch auf die (bis) zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen. Massgebend sind demnach nicht die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, wie sie sich zu Beginn der Anmeldung, bzw. im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns, präsentieren, sondern jene am Ende des Verfahrens, vor dem Verfügungserlass (vgl. BGE 138 V 533 E. 2.2 S. 535; 128 V 315 E.1e/aa S. 320 f. mit Hinweis; URS MÜLLER, Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung, 2010, Rz. 985, S. 184; vgl. auch BGE 143 V 295 E. 4.1.2 S. 299 f. betreffend den Einspracheentscheid im Bereich der Unfallversicherung). Wird auf Tabellenlöhne abgestellt, sind daher grundsätzlich immer die aktuellsten veröffentlichten statistischen Daten zu verwenden (BGE 143 V 295 E. 2.3 S. 297; 142 V 17a E. 2.5.8.1; Urteil des Bundesgerichts 8C_64/2019 vom 27. November 2019 E. 6.2). Dies gebietet auch das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV; Urteil des Bundesgerichts 8C_132/2020 vom 18. Juni 2020 E. 4.1; vgl. BGE 143 V 295 E. 4.1.3 S. 300). 

 

4.3     Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ist im vorliegenden Fall die neueste Ausgabe, die bei Erlass der Verfügung vom 13. Januar 2023 vorlag, massgebend, also jene des Jahres 2020. Gemäss LSE 2020, Tabelle TA1_tirage_skill_level, belief sich der Medianwert des standardisierten Monatslohns der im Kompetenzniveau 1 beschäftigten Männer auf CHF 5'261.00. Nach Hochrechnung dieses Betrags, der 40 Wochenstunden entspricht, auf die betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden, resultiert ein Verdienst von CHF 5'485.00 pro Monat CHF 65’815 pro Jahr. Angepasst an die Arbeitsfähigkeit von 60 % resultiert ein Jahreseinkommen von CHF 39’489.00.

 

4.4

4.4.1  Wird das Invalideneinkommen – wie hier der Fall – auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323; Urteil des Bundesgerichts 8C_185/2013 vom 4. Juli 2013 E. 3) und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa in fine, S. 80). Der Abzug ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Er darf 25 % nicht übersteigen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80; Urteil des Bundesgerichts 9C_368/2009 vom 17. Juli 2009 E. 2.1). Nach der Rechtsprechung ist insbesondere dann ein Abzug zu gewähren, wenn eine versicherte Person selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeit in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist (BGE 126 V 75 E. 5a/bb S 78).

 

4.4.2  Die Beschwerdegegnerin hat im angefochtenen Entscheid vom 13. Januar 2023 keinen Abzug vom Tabellenlohn vorgenommen. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei vom Tabellenlohn ein leidensbedingter Abzug von insgesamt 15 % vorzunehmen. Ob sich aus den genannten Gründen ein Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigt, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht demnach mit voller Kognition zu prüfen hat (BGE 137 V 71 E. 5.1 am Anfang).

 

4.4.3  Der Beschwerdeführer bringt vor, aufgrund von Teilzeitarbeit müsse ein Abzug erfolgen (vgl. A.S. 11). Gemäss der Tabelle T18, Monatlicher Bruttolohn (Zentralwert) nach Beschäftigungsgrad, beruflicher Stellung und Geschlecht, Privater und öffentlicher Sektor zusammen, 2020, verdienen zwar statistisch gesehen Männer ohne Kaderfunktion mit einem Beschäftigungsgrad von 50 – 74 % 4.2 % weniger als solche mit einem Beschäftigungsgrad von 90 % und mehr. Dies stellt jedoch rechtsprechungsgemäss keine überproportionale Lohneinbusse dar (Urteile des Bundesgerichts 8C_151/2020 vom 15. Juli 2020 E. 6.3.2; 9C_223/2020 vom 25. Mai 2020 E. 4.3.2). Die nach dem F.___-Gutachten vom 20. Januar 2022 dem Beschwerdeführer noch zumutbare Teilzeittätigkeit von 60 % berechtigt mithin zu keinem Abzug. Weiter ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschwerdeführer die Verwertung seiner Arbeitsfähigkeit mit dem zumutbaren Belastungsprofil gemäss F.___-Gutachten vom 20. Januar 2022 (körperlich leichte bis mittelschwere, wechselbelastende Arbeiten unter der Vermeidung einer vermehrten Beanspruchung der Schultern beidseits, dem Kniegelenk links sowie der Brust- und Lendenwirbelsäule; Tätigkeiten, bei welchen der verminderten psychophysischen Belastbarkeit durch eine wertschätzendes und verständnisvolles Arbeitsumfeld Rechnung getragen wird; vgl. IV-Nr. 169.1, S. 7; E. II. 1.2 hiervor) auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Einkommen möglich sein sollte. Das vorliegend für das Invalideneinkommen anwendbare Kompetenzniveau 1 umfasst eine Vielzahl von einfachen Tätigkeiten körperlicher und handwerklicher Art, so dass dem Beschwerdeführer seinem Zumutbarkeitsprofil entsprechende Verweistätigkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt angeboten werden (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 8C_884/2017 vom 24. Mai 2018 E. 4.2).

 

Dagegen ergibt sich aus der Tabelle T12_b, Monatlicher Bruttolohn (Zentralwert und Quartilbereich), Schweizer/innen und Ausländer/innen, nach beruflicher Stellung und Geschlecht, Privater und öffentlicher Sektor zusammen, 2020, dass in diesem Jahr Männer der Kategorie «ohne Kaderfunktion» und mit Niederlassungsbewilligung C – wozu der Beschwerdeführer gemäss Aktenlage zählt (vgl. IV-Nr. 74, S. 1) – im Vergleich zum Total von Schweizern und Ausländern der gleichen Kategorie einen um 4.1 % geringeren Lohn erzielten. Der Tabelle TA12, Monatlicher Bruttolohn (Zentralwert und Quartilbereich), Schweizer/innen und Ausländer/innen, nach beruflicher Stellung und Geschlecht, Privater Sektor, 2020, ist ein um 2.2 % tieferer Lohn zu entnehmen. Zumindest dieser Umstand könnte im Sinne der noch auf der Tabelle TA12 der LSE 2018 beruhenden Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. Urteil 8C_332/2022 vom 19. Oktober 2022 E. 5.2.2.2) zu einem leidensbedingten Abzug von (max.) 5 % führen. Wie es sich damit konkret verhält, kann jedoch vorliegend letztlich offenbleiben (vgl. E. II. 4.5 nachfolgend).

 

4.5     In Würdigung sämtlicher Umstände ist dem Beschwerdeführer demnach – wenn überhaupt – höchstens aufgrund seines Aufenthaltsstatus ein Tabellenlohnabzug von 5 % zu gewähren. Unter Berücksichtigung desselben ergibt sich ein jährliches Invalideneinkommen von CHF 37'515.00. Verglichen mit dem Valideneinkommen von CHF 81’522.00 pro Jahr resultiert ein Invaliditätsgrad von (aufgerundet) 54 %, der einen Anspruch auf eine halbe Invalidenrente begründet. Ohne Abzug ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Valideneinkommen und Invalideneinkommen (CHF 39’489.00 [ohne leidensbedingten Abzug von 5 %]) ein Invaliditätsgrad von (aufgerundet) 52 %, der ebenfalls einen Anspruch auf eine halbe Rente begründet. An diesem Ergebnis würde sich selbst bei Berücksichtigung eines leidensbedingten Pauschalabzugs von 10 % gemäss der ab 1. Januar 2024 geltenden Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV, SR 831.201) nichts ändern. Die Verfügung vom 13. Januar 2023 ist damit aufzuheben und die dagegen erhobene Beschwerde gutzuheissen.

 

5.      

5.1     Der Beschwerdeführer obsiegt und hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 61 lit. g ATSG). Sein Vertreter macht mit Kostennote vom 31. März 2023 einen Aufwand von 7.10 Stunden, einen Stundenansatz von CHF 250.00 und Auslagen von insgesamt CHF 61.10 geltend, was zu einer Kostenforderung von insgesamt CHF 1'977.50 (Honorar von CHF 1'775.00, Auslagen von CHF 61.10 und MwSt. von CHF 141.40) führt.

 

Der nachprozessuale Aufwand ist angesichts des Obsiegens praxisgemäss von einer Stunde auf 0.5 Stunden zu kürzen. Damit verbleibt ein Zeitaufwand von insgesamt 6.60 Std. Bei den Auslagen sind die Kopien mit CHF 0.50 (und nicht mit CHF 1.00) zu entschädigen (§ 160 Abs. 5 des Gebührentarifs [GT], BGS 615.11). Demnach belaufen sich die zu vergütenden Auslagen auf insgesamt CHF 38.60. In Anbetracht von Aufwand und Schwierigkeit des Prozesses wird auf weitere Kürzungen verzichtet. Unter Berücksichtigung des geltend gemachten Stundenansatzes von CHF 250.00 und der Mehrwertsteuer führt dies zu einer Parteientschädigung von insgesamt CHF 1'818.60 (Honorar von CHF 1'650.00 [6.60 Std. à CHF 250.00], Auslagen von CHF 38.60 und MwSt. von CHF 130.00).

 

5.2     Aufgrund von Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von CHF 200.00 – 1‘000.00 festgelegt. Nach dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen. Folglich ist dem Beschwerdeführer der geleistete Kostenvorschuss von CHF 1’000.00 zurückzuerstatten.

 

6.       Nachdem der Beschwerdeführer obsiegt, erübrigt sich die Durchführung einer Hauptverhandlung. Der diesbezügliche Antrag ist obsolet.

 

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung vom 13. Januar 2023 wird dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer ab 1. April 2020 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat.

2.    Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von CHF 1'818.60 (inkl. Auslagen und MwSt) zu bezahlen.

3.    Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen. Der geleistete Kostenvorschuss von CHF 1'000.00 wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

 

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Die Präsidentin                         Der Gerichtsschreiber

Weber-Probst                           Lazar

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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