Zusammenfassung des Urteils VSBES.2023.37: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin A. meldete sich 2012 bei der IV-Stelle an, erhielt eine Viertelsrente, gebar 2017 ein Kind und stellte 2018 ein Revisionsgesuch. Die IV-Stelle gewährte ihr eine halbe Rente ab 2019. Nach Uneinigkeiten über den Invaliditätsgrad stellte die IV-Stelle die Rente 2023 ein. A. erhob Beschwerde und verlangte eine höhere Rente. Nach Prüfung der Sachlage wurde entschieden, dass A. Anspruch auf eine ganze Rente für einen bestimmten Zeitraum hat. Die Beschwerde wurde gutgeheissen, die IV-Stelle muss die Kosten tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2023.37 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Versicherungsgericht |
Datum: | 17.05.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Rente; Invalidität; IV-Nr; Arbeit; Renten; Invaliditätsgrad; Apos; Verfügung; Validen; Recht; Kanton; Invalideneinkommen; Valideneinkommen; Solothurn; Heilpädagogin; Revision; IV-Stelle; Invalidenversicherung; Kantons; Rentenanspruch; Arbeitsfähigkeit; Master; Viertelsrente; IV-Grad; Ausbildung; Einkommen; Geburt; Arbeitsunfähigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 7 ATSG ; |
Referenz BGE: | 141 V 9; 148 V 195; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VSBES.2023.37 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Entscheiddatum: | 17.05.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VS.2024.105 |
Titel: | Invalidenrente |
Resümee: |
Urteil vom 17. Mai 2024 Es wirken mit: Vizepräsident Flückiger Oberrichterin Marti Oberrichter Thomann Gerichtsschreiberin Studer In Sachen A.___ vertreten durch Rechtsanwältin Jeannette Frech Beschwerdeführerin
gegen
IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
betreffend Invalidenrente (Verfügung vom 23. Dezember 2022)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung: I.
1. 1.1 Die 1983 geborene A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) meldete sich im September 2012 erstmals bei der IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) zum Leistungsbezug an (IV-Aktennr. [nachfolgend: IV-Nr.] 2), nachdem sie seit April 2012 infolge psychischer Beschwerden arbeitsunfähig geworden war (IV-Nr. 6). Sie war zu diesem Zeitpunkt an der Schule B.___ als Heilpädagogin zu einem Pensum von rund 90 % angestellt (IV-Nr. 8) und befand sich in Ausbildung zum Master of Arts in Sonderpädagogik (IV-Nr. 2 S. 4; 7 S. 1). Mit Verfügung vom 30. Januar 2014 sprach ihr die Beschwerdegegnerin nach Rücksprache mit dem Regionalen Ärztlichen Dienst (nachfolgend: RAD) ab dem 1. Januar 2013 eine Viertelsrente zu (IV-Nr. 32).
1.2 Am 29. Dezember 2017 gebar die Beschwerdeführerin ein Kind (IV-Nr. 38). Nach der Geburt verschlechterte sich ihr psychischer Zustand. Sie war vorübergehend vollständig arbeitsunfähig und stellte im Oktober 2018 ein Revisionsgesuch in Form einer erneuten Anmeldung bei der Beschwerdegegnerin (IV-Nr. 43). Die Beschwerdegegnerin traf Abklärungen hinsichtlich der erwerblichen und gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin und nahm erneut Rücksprache mit dem RAD (IV-Nr. 57). Mit Vorbescheid vom 8. Mai 2020 stellte sie der Beschwerdeführerin in Aussicht, sie werde ihr von Oktober 2018 bis 30. November 2018 eine ganze Rente, danach infolge gradueller Verbesserung der gesundheitlichen Situation ab dem 1. Dezember 2018 bis 31. Januar 2019 eine halbe Rente und ab 1. Februar 2019 bis 31. Mai 2019 erneut eine Viertelsrente auszurichten. Danach bestehe bei einem Invaliditätsgrad von 24 % kein Rentenanspruch mehr (IV-Nr. 66 S. 3).
1.3. Die Beschwerdeführerin war mit der Ermittlung der Invaliditätsgrade bzw. den diesen zugrunde gelegten Einkommensvergleichen im Vorbescheid nicht einverstanden und erhob Einwände (IV-Nr. 69). Mit Verfügung vom 23. Dezember 2022 hielt die Beschwerdegegnerin an den Invaliditätsgradermittlungen im Vorbescheid fest (IV-Nr. 85 S. 8 f.) und stellte die Rente ab Februar 2023 ein (IV-Nr. 85 S. 4).
2. Am 1. Februar 2023 lässt die Beschwerdeführerin gegen diese Verfügung Beschwerde erheben mit folgenden Rechtsbegehren (Aktenseiten [nachfolgend: A.S.]: 12 ff.):
1. Es sei die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 23.12.2022 - 01.10.2018 bis 30.11.2018 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV-Grad 100 %), - 01.12.2018 bis 31.01.2019 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV-Grad 70 %), - 01.02.2019 bis 31.05.2019 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung (IV-Grad 61 %) und - Ab 01.06.2019 bis auf Weiteres eine Viertelsrente der Invalidenversicherung (IV-Grad 47 %) zuzusprechen. Eventualiter: Es sei die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom - 01.10.2018 bis 30.11.2018 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV-Grad 100 %), - 01.12.2018 bis 31.01.2019 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (IV-Grad 65 %), - 01.02.2019 bis 31.05.2019 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung (IV-Grad 45 %) und - ab 01.06.2019 bis auf Weiteres eine Viertelsrente der Invalidenversicherung (IV-Grad 40 %) zuzusprechen. Subeventualiter: Es sei die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 23.12.2022 aufzuheben und es sei die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die IV-Stelle des Kantons Solothurn zurückzuweisen.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (inkl. MwSt.)
3. Am 2. Februar 2023 wird die Beschwerdeführerin aufgefordert, einen Kostenvorschuss von CHF 600.00 zu bezahlen (A.S. 24). Am 8. Februar 2023 wird festgestellt, ein solcher sei einbezahlt worden (A.S. 26).
4. Am 22. März 2023 teilt die Beschwerdegegnerin innert erstreckter Frist ihren Verzicht auf eine Beschwerdeantwort mit (A.S. 30).
5. Am 29. März 2023 reicht Rechtsanwältin Jeanette Frech aufforderungsgemäss eine Kostennote ein (A.S. 32).
II.
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Beschwerde erfolgte frist- und formgerecht und ist zulässiges Rechtsmittel. Das angerufene Gericht ist sachlich, örtlich und funktionell zuständig. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. 2.1 Als Invalidität gilt die voraussichtlich bleibende längere Zeit andauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]). Sie kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit Unfall sein (Art. 4 Abs. 1 Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG, SR 831.20]).
2.2 Anspruch auf eine Invalidenrente haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wiederherstellen, erhalten verbessern können, während eines Jahres (Wartejahr) ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig gewesen sind und nach Ablauf dieses (Warte-)Jahres zu mindestens 40 % invalid sind (Art. 28 Abs. 1 IVG). Arbeitsunfähigkeit ist dabei die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit bedingte, volle teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten (Art. 6 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 ATSG).
2.3 Auf den 1. Januar 2022 trat das revidierte IVG in Kraft. Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen ist nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage zu beurteilen, ob bis zu diesem Zeitpunkt ein Rentenanspruch entstanden ist. Trifft dies zu, so erfolgt ein allfälliger Wechsel zum neuen stufenlosen Rentensystem je nach Alter der Rentenbezügerin des Rentenbezügers gemäss lit. b und c der Übergangsbestimmungen des IVG zur Änderung vom 19. Juni 2020. Steht hingegen ein erst nach dem 1. Januar 2022 entstandener Rentenanspruch zur Diskussion, findet darauf das seit diesem Zeitpunkt geltende Recht Anwendung (Urteil des Bundesgerichts 8C_644/2022 vom 8. Februar 2023 E. 2.2.1. m. w. H.).
Die angefochtene Verfügung erging nach dem 1. Januar 2022. Sie betrifft aber einen im Oktober 2018 infolge Revision einer bestehenden Rente beginnenden Anspruch auf eine befristet zugesprochene Rentenerhöhung. Der angepasste Anspruch entstand damit vor dem 1. Januar 2022. Eine nach diesem Datum eingetretene Veränderung, welche zu einer revisionsweisen Anpassung gemäss Art. 17 ATSG führen könnte, steht nicht zur Diskussion. Folglich ist die Rechtslage, wie sie sich bis zum 31. Dezember 2021 darstellte, massgebend. Die am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Änderungen finden vorliegend keine Anwendung.
2.4 Nach Art. 28 Abs. 2 IVG in der zuletzt vor den Änderungen vom 1. Januar 2022 geltenden Fassung besteht bei einem Invaliditätsgrad ab 40 % Anspruch auf eine Viertelsrente, ab 50 % auf eine halbe Rente, ab 60 % auf eine Dreiviertelsrente sowie ab 70 % auf eine ganze Rente.
2.5 2.5.1 Für die Bestimmung des Ausmasses der Invalidität (Invaliditätsgrad) wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).
2.5.2 Eine zulässige Variante dieses Einkommensvergleichs ist der sog. Prozentvergleich. Dabei ist das ohne Invalidität erzielbare hypothetische Erwerbseinkommen mit 100 % zu bewerten, während das Invalideneinkommen auf einen entsprechend kleineren Prozentsatz veranschlagt wird, so dass sich aus der Prozentdifferenz der Invaliditätsgrad ergibt. Ein dem Prozentvergleich angenähertes Vorgehen bieten sich namentlich an, wenn Validen- und Invalideneinkommen ausgehend vom gleichen (Tabellen-)lohn zu berechnen sind. Diesfalls erübrigt sich deren genaue Ermittlung: Der Invaliditätsgrad entspricht dem Grad der Arbeitsunfähigkeit (Urteil des Bundesgerichts 9C_888/2014 vom 4. Februar 2015, E. 2 m. w. H). Ein eigentlicher Prozentvergleich kann sich praxisgemäss dann rechtfertigen, wenn die adaptierte Tätigkeit dem bisherigen Beruf entspricht (Urteil des Bundesgerichts 8C_489/2022 vom 9. März 2023, E. 6.5.4).
2.6 Gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG wird die Rente von Amtes wegen auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt aufgehoben, wenn sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin eines Rentenbezügers erheblich ändert. Anlass zur Revision einer Invalidenrente im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen (BGE 134 V 131 E. 3 m. H). Ist ein Revisionsgrund gegeben, ist der Invaliditätsgrad auf der Grundlage eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts neu und ohne Bindung an frühere Invaliditätsschätzungen zu ermitteln (BGE 141 V 9 E. 6.2).
2.7. Eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit der Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, eine Zunahme der Hilflosigkeit Erhöhung des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes Hilfebedarfs ist zu berücksichtigen, sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat (Art. 88a der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV, SR 831.201]). Die revisionsweise Erhöhung der Renten erfolgt, sofern der Versicherte die Revision verlangt, frühestens von dem Monat an, in dem das Revisionsbegehren gestellt wurde (Art. 88bis Abs. 1 lit. a IVV).
3. Mit der Geburt ihres Kindes und der anschliessenden Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin ist unbestrittenermassen ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG eingetreten. In der Folge kam es zu weiteren Veränderungen. Der Invaliditätsgrad ist folglich allseitig zu prüfen. Zu Recht nicht bestritten ist dabei die Sachverhaltsermittlung durch die Beschwerdegegnerin (A.S. 19), umstritten und zu prüfen ist aber die daraus folgende Invaliditätsbemessung durch die Beschwerdegegnerin.
3.1 3.1.1 Die Beschwerdeführerin wurde im April 2012 invalid (IV-Nr. 9 S. 1 und 3). Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich im Studiengang Master of Arts in Sonderpädagogik an der Universität C.___ und war bei der Schule B.___ als Heilpädagogin angestellt. Die Anstellung war aufgrund des fehlenden Masterabschlusses befristet (IV-Nr. 8 S. 2). Die Beschwerdegegnerin bat Dr. med. D.___ (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) um Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Dieser führte gestützt auf die Vorakten am 9. September 2013 aus, die Beschwerdeführerin leide an einer Persönlichkeitsstörung. Ihr sei die Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit grundsätzlich weiterhin zumutbar, allerdings fordere die Tätigkeit die Beschwerdeführerin aufgrund der damit verbundenen zwischenmenschlichen Situationen stark. In einer anderen Tätigkeit, ohne anspruchsvolle soziale Interaktion, könnte eine Arbeitsfähigkeit von 80 % bestehen. Dr. med. D.___ fügte an, von der «Persönlichkeitsproblematik her», welche bei der Beschwerdeführerin bestehe, sei es allerdings nicht ratsam, die Beschwerdeführerin in eine andere berufliche «Schiene» zu bringen, da die zwanghaften Anteile ihrer Persönlichkeit ein relativ grosses Potential zum Scheitern bärgen (IV-Nr. 21 S. 5). Am 11. September 2013 fragte die Beschwerdeführerin telefonisch bei Dr. med. D.___ nach hinsichtlich dieser Ausführungen zur Verweistätigkeit. Gemäss entsprechender Aktennotiz im IV-Protokoll konkretisierte Dr. med. D.___, eine Verweistätigkeit sei nicht realistisch aufgrund der Erkrankung. Es sei «beim Invalideneinkommen der Vergleich mit der angestammten Tätigkeit zu machen» (IV-Protokoll S. 2).
3.1.2 Nach Eingang des Revisionsgesuches im Oktober 2018 (IV-Nr. 43) holte die Beschwerdegegnerin verschiedene ärztliche Berichte ein und unterbreitete diese erneut Dr. med. D.___ für eine Stellungnahme. Dieser hielt am 16. Oktober 2019 fest, die Beschwerdeführerin habe nach der Geburt eine postpartale Depression entwickelt und sei deswegen zunächst vollständig arbeitsunfähig gewesen. Nach Etablierung einer erfolgreichen psychotherapeutisch-pharmakologischen Therapie habe die Beschwerdeführerin ab 13. August 2018 wieder einen Tag pro Woche unterrichten und die Arbeitstätigkeit danach bis zum 18. Februar 2019 sukzessive auf das wie vor der Geburt geleistete Pensum von 60 % steigern können. Seither bestehe unverändert die bereits zuvor bestehende Einschränkung von 40 % aufgrund der Persönlichkeitsstörung (IV-Nr. 57 S. 2). Konkret sei die Beschwerdeführerin ab der Geburt ihres Kindes Ende 2017 bis zur Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit am 13. August 2018 vollständig arbeitsunfähig gewesen, danach bis zum 31. Oktober 2018 20 % arbeitsfähig, ab dem 1. November 2018 schliesslich 40 % und ab dem 18. Februar 2019 wiederum 60 % arbeitsfähig. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit verwies er auf die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit (IV-Nr. 57 S. 3).
3.1.3 Ausgehend von diesen Angaben – wobei sie jedoch von Arbeitsunfähigkeiten von 65 % ab 13. August 2018 und 55 % ab 1. November 2018 ausging, vgl. A.S. 6 – ermittelte die Beschwerdegegnerin in der strittigen Verfügung vom 23. Dezember 2022 mittels Einkommensvergleich die Invalidität der Beschwerdeführerin. Als Valideneinkommen setzte sie dabei das anhand statistischer Werte an die Lohnentwicklung angepasste Einkommen, welches die Beschwerdeführerin vor erstmaligem Eintritt der invaliditätsbegründenden Arbeitsunfähigkeit 2013 an der Schule B.___ im Kanton E.___ als Heilpädagogin erzielt hatte, ein. Auf Seiten des Invalideneinkommens zog sie das tatsächlich erzielte Einkommen der Beschwerdeführerin als Lehrperson Heilpädagogik beim Heilpädagogischen Schulzentrum F.___ heran (IV-Nr. 85 S. 8; 54 S. 3).
3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, diese Ermittlung des Invaliditätsgrades sei nicht korrekt. Die Vergleichseinkommen seien aus verschiedenen Gründen falsch gewählt (A.S. 21 f.).
4. Die Beschwerdeführer arbeitete vor dem Eintritt der Invalidität als Heilpädagogin und ist auch jetzt in diesem Beruf tätig. Eine Verweistätigkeit ist gestützt auf die medizinischen Unterlagen, insbesondere die überzeugenden Stellungnahmen des RAD-Arztes Dr. med. D.___ (vgl. E. II. 3.1 hiervor), als ungeeignet respektive unzumutbar anzusehen. Sowohl das Validen- als auch das Invalideneinkommen sind daher bezogen auf eine Tätigkeit als Heilpädagogin zu bestimmen.
5. 5.1 Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der – kumulativ – besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen, das diesen Anforderungen gerecht wird, gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen werden (BGE 139 V 592 E. 2.3 mit Hinweis).
5.2 Die vorstehend wiedergegebenen Voraussetzungen, unter welchen der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalideneinkommen herangezogen werden kann (stabile Arbeitsverhältnisse, Ausschöpfung der Arbeitsfähigkeit, kein Soziallohn), sind erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat das Invalideneinkommen daher zu Recht gestützt auf die tatsächlichen Löhne, unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit, beziffert. Dies ist auch unter den Parteien unbestritten. Allerdings ging die Beschwerdegegnerin teilweise von einer unzutreffenden Arbeitsfähigkeit aus (vgl. E. II. 3.1.2 und 3.1.3 hiervor). Dies ist zu korrigieren und es ist, entsprechenden der Einschätzung des RAD-Arztes Dr. med. D.___, von einer Arbeitsfähigkeit von 20 % ab 14. August 2018, 40 % ab 1. November 2018 und 60 % ab 18. Februar 2019 auszugehen. Auf der Basis der Lohnabrechnungen, wie sie in der Verfügung vom 23. Dezember 2022 wiedergegeben werden, resultieren damit die folgenden Invalideneinkommen: CHF 21'334.00 ab 14. August 2018; CHF 42'669.00 ab 1. November 2018; CHF 66'364.00 ab 18. Februar 2019.
6. Zu bestimmen bleibt das Valideneinkommen.
6.1 6.1.1 Die Beschwerdegegnerin ging bei der ursprünglichen Invaliditätsbemessung, welche den Rentenanspruch ab 1. April 2013 betraf, von den auf dieses Jahr bezogenen Lohnangaben des damaligen Arbeitgebers (Kanton E.___) aus und bezifferte das Valideneinkommen auf CHF 84'528.00 (Verfügung vom 30. Januar 2014, IV-Nr. 32). In der aktuellen Verfügung vom 23. Dezember 2022 hält sie an dieser Grundlage fest und nimmt eine Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung gemäss dem vom Bundesamt für Statistik ermittelten Schweizerischen Lohnindex vor. Zur Begründung wird erklärt, das Valideneinkommen könne bei einer späteren Rentenrevision grundsätzlich nicht über die allgemeine Lohnentwicklung hinaus angepasst werden.
6.1.2 Die Beschwerdeführerin lässt einwenden, das Valideneinkommen müsse höher angesetzt werden. Es sei davon auszugehen, dass sie im Gesundheitsfall das Masterdiplom in Sonderpädagogik erworben hätte. Weiter hätte sich der Lohn im Rahmen der früheren Anstellungen nicht nur entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung erhöht, sondern die Beschwerdeführerin hätte gemäss der massgebenden Gehaltsordnung auch von Erfahrungsstufenanstiegen profitieren können. Es sei daher sachgerecht, die Lohnentwicklung, welche zu einem gegenüber der Verfügung vom 30. Januar 2014 deutlich erhöhten Invalideneinkommen geführt habe, in analoger Weise auch beim Valideneinkommen zu berücksichtigen.
6.2 Der Beschwerdegegnerin kann nicht gefolgt werden, soweit sie davon ausgeht, das bei der ursprünglichen Rentenzusprechung festgelegte Valideneinkommen könne bei einer späteren Rentenrevision nicht mehr überprüft werden und sei einzig an die allgemeine Lohnentwicklung anzupassen. Nach der Rechtsprechung hat im Revisionsfall (im Sinne einer Anpassung gemäss Art. 17 ATSG) vielmehr eine «allseitige» Prüfung stattzufinden (BGE 141 V 9; E. II. 2.6 hiervor), und um ein «statisches» Begründungselement, welches einer neuerlichen Überprüfung im Rahmen eines Revisionsverfahrens entzogen bleibt (vgl. BGE 148 V 195 E. 6.3), handelt es sich beim Valideneinkommen nicht. Im Übrigen wäre, wenn man dies anders sehen wollte, zu berücksichtigen, dass die Invaliditätsbemessung, welche der Verfügung vom 30. Januar 2014 zugrunde liegt, im Ergebnis einem Prozentvergleich (vgl. E. II. 2.5.2 hiervor) entspricht, indem der Invaliditätsgrad mit der Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt wurde (vgl. IV-Nr. 32 S. 4 f.). Wenn man also davon ausginge, die damalige Invaliditätsbemessung sei – da seit dem 18. Februar 2019 wieder, wie damals, eine Arbeitsfähigkeit von 60 % in der angestammten Tätigkeit besteht und eine Verweistätigkeit weiterhin nicht zumutbar ist – auch für die aktuelle Anspruchsbeurteilung massgebend, müsste dies konsequenterweise zu einem erneuten Prozentvergleich und einem Invaliditätsgrad von 40 % führen.
6.3 Die Beschwerdeführerin erwarb im Juni 2006 das Lehrdiplom für Lehrpersonen an Kindergärten (IV-Nr. 7 S. 4 f.) und im Januar 2009 das Lehrdiplom für die Vorschulstufe und die Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule E.___ (IV-Nr. 7 S. 3). Anschliessend begann sie im September 2009 eine Ausbildung (Master-Studium) zur schulischen Heilpädagogin an der Universität C.___ (vgl. IV-Nr. 2 S. 4). Sie war ab 1. August 2010 in B.___ als Heilpädagogin angestellt, wobei das Anstellungsverhältnis wegen des noch fehlenden Ausbildungsabschlusses auf Ende Juli 2013 befristet war (vgl. IV-Nr. 8 S. 2; IV-Nr. 15). Laut dem Protokoll über das Intake-Gespräch vom 7. November 2012 hatte die Beschwerdeführerin innerhalb des Studiums zur schulischen Heilpädagogin schon zweimal ein Jahr pausiert. Ausstehend waren zu diesem Zeitpunkt noch zwei Praktika und die Masterarbeit (IV-Nr. 16 S. 1). Die Ausbildung war demnach schon sehr weit fortgeschritten. Vor diesem Hintergrund kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin, wäre sie gesund geblieben, die Ausbildung bzw. den Studiengang abgeschlossen hätte. Das Valideneinkommen ist daher – insoweit ist der Beschwerdeführer beizupflichten – anhand des Einkommens in einer Tätigkeit als schulische Heilpädagogin respektive «Master of Arts in Sonderpädagogik» festzulegen. Dabei rechtfertigt es sich jedoch nicht, die entsprechenden Lohntabellen des Kantons Solothurn heranzuziehen, denn es steht in keiner Weise fest, dass die Beschwerdeführerin, hätte sie die Ausbildung als schulische Heilpädagogin bzw. Master of Arts in Sonderpädagogik abgeschlossen, in diesem Kanton tätig geworden wäre, zumal die Befristung der früheren Anstellung nur deshalb bestand, weil der Ausbildungsabschluss gefehlt hatte. Es rechtfertigt sich aber auch nicht, auf die Verhältnisse im Kanton E.___ abzustellen, sondern es ist, analog zur Bemessung nach der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung, ein kantonsunabhängiger Wert heranzuziehen. Laut einer im Internet auffindbaren Aufstellung belief sich der durchschnittliche Lohn für Lehrpersonen in schulischer Heilpädagogik im Schuljahr 2021/22 in der Deutschschweiz auf CHF 92'431.00 im ersten Jahr und auf CHF 120'895.00 im 11. Jahr (https://www.legr.ch/fileadmin/user_upload_legr/Argumentarium_Lo__hne_def.pdf). Geht man von einer linearen Entwicklung aus, beträgt der jährliche Anstieg also rund CHF 2'800.00. Die Beschwerdeführerin hatte ihre Tätigkeit als Heilpädagogin (wenn auch damals noch ohne Abschluss) zu Beginn des Schuljahres 2010/11 aufgenommen und hätte demnach im Schuljahr 2018/19 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Erfahrungsstufe 8 erreicht. Reduziert man die Summe von CHF 120'895.00 dementsprechend um zwei Erfahrungsjahre à CHF 2'800.00, beläuft sich das Valideneinkommen auf CHF 115'295.00. Wird weiter berücksichtigt, dass sich dieser Wert auf das Schuljahr 2021/22 bezieht, hier aber das Schuljahr 2018/19 zur Diskussion steht, wobei während dieser Zeit nur eine geringe Teuerung anfiel, rechtfertigt sich eine Reduktion auf CHF 114'000.00.
6.4 Wird das Valideneinkommen von CHF 114'000.00 mit den Invalideneinkommen von CHF 21'334.00 ab 14. August 2018; CHF 42'669.00 ab 1. November 2018; CHF 66'364.00 ab 18. Februar 2019 (vgl. E. II. 5.2 hiervor) verglichen, resultieren die folgenden Invaliditätsgrade und Rentenansprüche:
Die Beschwerdeführerin hat demnach, wie in der Beschwerde beantragt, Anspruch auf eine ganze Rente für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis 31. Januar 2019, auf eine Dreiviertelsrente für die Zeit vom 1. Februar 2019 bis 31. Mai 2019 und auf eine Viertelsrente ab 1. Juni 2019. Die Beschwerde ist dementsprechend gutzuheissen.
7. 7.1 Bei diesem Verfahrensausgang steht der Beschwerdeführerin eine ordentliche Parteientschädigung zu, die von der Beschwerdegegnerin zu bezahlen ist. Diese ist entsprechend der Kostennote vom 29. März 2023 (A.S. 33) auf CHF 2'289.80 (inkl. Auslagen und MwSt.) festzusetzen.
7.2 Aufgrund von Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von CHF 200.00 - 1'000.00 festgelegt. Nach dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens hat die IV-Stelle die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen. Folglich ist der Beschwerdeführerin der geleistete Kostenvorschuss von CHF 600.00 zurückzuerstatten. Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung der IV-Stelle Solothurn vom 23. Dezember 2022 wird aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird vom 1. Oktober 2018 bis 31. Januar 2019 eine ganze Rente, vom 1. Februar 2019 bis 31. Mai 2019 eine Dreiviertelsrente und ab dem 1. Juni 2019 eine Viertelsrente zugesprochen. 2. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 2'289.80 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. 3. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat die Verfahrenskosten von CHF 600.00 zu bezahlen. Der geleistete Kostenvorschuss von CHF 600.00 wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. Rechtsmittel Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten. Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin Flückiger Studer |
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